20
»Catherine, was bin ich froh, dass du wieder da bist«, rief Isobel aus.
Cats Herz tat einen Sprung, als ihre Mutter sie bei der Ankunft in ihrer Suite im Whitehall Palace so willkommen hieß.
»Die Königin hat den Besuch bei deinem Großvater sehr ungnädig aufgenommen. Ihre Majestät möchte, dass du ein paar neue Roben für sie entwirfst!«
Cats Freude bekam einen gehörigen Dämpfer. Ich hätte es wissen müssen! Ihre Mutter war nur über ihre Rückkehr erfreut, weil Elizabeth damit bei Laune gehalten wurde.
»Maggie und ich sind mit Robert und Philadelphia gereist.«
»Maggie, ich bin auch froh, dass du wieder da bist. Meine letzte Zofe musste ich entlassen, weil sie lieber geklatscht hat, als ihre Arbeit zu tun. Meine Garderobe bedarf jetzt einiger Aufmerksamkeit. Mich wundert nur, dass Ihre Majestät sich bisher jeglicher Bemerkung über den Zustand meiner Kleider enthalten hat.«
»Sobald ich ausgepackt habe, werde ich mich um alles kümmern, Mylady.«
»Ich helfe dir, Maggie«, schlug Cat vor, die erstaunt registrierte, dass Isobel überhaupt nicht nach Geordie, ihrem Vater, gefragt hatte. Cat war froh, ihr entkommen zu können.
Am nächsten Morgen präsentierte sie sich Königin Elizabeth.
»Ach, Lady Catherine, endlich seid Ihr aus Schottland heimgekehrt. Nun, was haltet Ihr von diesem barbarischen Land?«
Cat richtete sich aus ihrem tiefen Knicks auf. »Es war auf wilde und ungezähmte Weise schön, Euer Majestät.«
»Das hörte ich. Sicher ist es zu rau für Euch und mich ... für Menschen mit zarter Konstitution eben.«
Du hast eine Konstitution wie ein Schlachtross, und ich bin auch kein zartes Pflänzchen.
»Ihr sollt mir zwei neue Kleider für meine Sommerrundreise entwerfen. In diesem Jahr werde ich nicht einfach über Land ziehen, da Lord Keeper Egerton uns für den August nach Harefield Place in Middlesex einlud, und sich uns somit die Gelegenheit bietet festzustellen, ob Lady Alice, seine neue Gemahlin, eine gute Gastgeberin ist.«
»Ich werde sofort einige Entwürfe anfertigen, Euer Majestät.« Deine armen Näherinnen werden Tag und Nacht sticheln müssen, wenn die neuen Kleider am ersten August fertig sein sollen. Ich mache mich lieber gleich an die Arbeit.
Catherine begab sich sofort in die Werkstatt, wo die Näherinnen unter Leitung ihrer Mutter arbeiteten. Alle steckten die Köpfe zusammen und lieferten Ideen, wie sich die anspruchsvolle Arbeit am besten vereinfachen ließ. Dann machte Cat sich daran, ihre Entwürfe entsprechend auszuführen.
An jenem Abend gesellte sie sich im Privatkabinett zu Philadelphia und Kate, die Cats Tante Beth, ihre Schwägerin, die neue Lady Hunsdon, mit spöttisch gemeinten Knicksen neckten.
»Die Königin hat mir eröffnet, dass die jährliche Rundreise diesmal nach Harefield Place geht. Sicher ist die arme Lady Alice bereits in heller Aufregung.«
»Sie wird in ihrem Element sein, Catherine. Nachdem sie das Vermögen des Earl of Derby mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen hat, macht sie sich nun über Egertons Geld her. Wenn jemand in helle Aufregung gerät, dann ist es der arme Thomas.«
Philadelphia senkte die Stimme. »Abwesenheit ist der Sehnsucht förderlich, Cat. Hier kommt dein einsamer Anbeter Henry Somerset.«
»Lady Catherine, Ihr seid noch viel holder als in meiner Erinnerung. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, mir diesen Tanz zu gewähren?«
Sie nahm an und fragte sich beim Tanz, weshalb ihr Hai nicht mehr gefiel. Er sieht so jung und hübsch aus. Wieso ist es mir nie aufgefallen? Ihre innere Stimme antwortete: Du kennst den Grund, doch sie schenkte ihr keine Beachtung.
»Im Globe gibt es eine neues Stück von Shakespeare. Begleitet Ihr mich, Cat?«, bat Hai sie.
Die Freiheit, die er sich mit ihrem Kosenamen herausnahm, bescherte ihm einen eisigen Blick.
»Leider nein, da Lady Arbella nicht da ist und nicht mitkommen kann.« Als der Tanz endete, wollte sie gehen, doch schon stand William Seymour vor ihr und verbeugte sich galant.
»Gewährt Ihr mir die Ehre des nächsten Tanzes, Lady Catherine?«
Henry Somerst brauste auf: »Verschwinde, Seymour. Du bist nichts weiter als ein elender Mitgiftjäger!«
»Du hast es gerade nötig!«, höhnte Will.
Plötzlich ging Cat ein Licht auf. Beide waren hinter ihrem Geld her! »Hai, warum tanzt Ihr nicht mit Will? Ihr würdet ein reizendes Paar abgeben und habt doch so viel gemeinsam, dass ihr einander verdient.«
Stunden später begann Catherine im Bett ein Ritual, das sie nun viele Monate lang absolvieren sollte. Zuerst gelobte sie sich, ein neues Kapitel in ihrem Leben aufzuschlagen. Sie musste einen attraktiven, vornehmen Bewerber finden, der selbst vermögend war und sich nicht für ihr Geld interessierte. Sodann verdrängte sie entschlossen alle Gedanken an Patrick Hepburn. Doch als sie einschlief, träumte sie prompt von dem gefährlichen Teufel.
Auf Crichton sprach Lord Stewart zu seiner Truppe. »Zur Erntezeit ist es an der Grenze meist sehr ruhig, in diesem Jahr aber wird es für die Hepburns anders sein.« Er suchte in den dunklen Gesichtern nach Anzeichen des Widerspruchs, als er seinen Plan erläuterte: »Die Hälfte von euch soll in Crichton zum Schutz unserer Leute, des Schlosses und des Landes bleiben, die andere Hälfte wird mit mir Jagd auf die Armstrongs machen.« Er hob die Hand, ehe jemand etwas sagen konnte. »Ich muss euch darauf aufmerksam machen, dass wir uns den Unwillen des Königs zuziehen, da Foss Armstrong Hauptmann der Grenzwache ist und James Clanfehden für ungesetzlich erklärt hat.« Er gab ihnen Zeit, darüber nachzudenken. »Ihr entscheidet, wer bleibt und wer mit mir reitet.«
Wenig später nahm er sich Jenny vor und untersuchte ihren Arm. Die Wunde heilte gut, und Jenny schien keinen bleibenden Schaden davongetragen zu haben. »Du darfst nicht mehr mit Andrew Lindsay nach Seton oder sonstwohin reiten. Es ist zu gefährlich.« Er sah ihre rebellische Miene. »Jenny, ich möchte dein Wort als Hepburn, dass du mir gehorchen wirst.«
Sie zögerte erst, dann nickte er. »Ihr habt mein Wort, Mylord.«
»Braves Mädchen.« Patrick hoffte, ihr Vater würde unter denen sein, die sich entschieden, zu Hause zu bleiben, und für die Sicherheit seiner Familie zu sorgen.
Am nächsten Morgen verließ Hepburn Crichton mit zwei Dutzend seiner hartgesottensten Moss-Trooper. Wie erwartet ritt Jock Elliot an seiner Seite. Die meisten, aber nicht alle, waren ledig oder verwitwet. Die Väter kleiner Kinder hatten sich entschieden, daheim zu bleiben und sich dem Kommando David Hepburns unterstellt, der viel lieber mitgeritten wäre, aber wusste, wo seine erste Pflicht lag.
Hepburn ritt direkt nach Winton Castle, um dem Earl zu versichern, dass die Hepburns auch während seiner Abwesenheit die Longhornrinder vor Diebstahl schützen würden. Patrick wollte auch sichergehen, dass Geordie Seton heil und unversehrt blieb. Aus diesem Grund musste er noch ein Gespräch unter vier Augen führen.
Er nahm Malcolm Lindsay, der ein Dutzend Leute beim Heumachen beaufsichtigte, beiseite. »Ich habe Nachforschungen über Eure verstorbene Frau angestellt und erfahren, dass sie unter merkwürdigen Umständen zu Tode gekommen ist.« Er überragte Malcolm bedrohlich und sah den schwarzen Hass in dessen Augen. Dann sagte Hepburn ruhig und entschlossen: »Ich trage Euch auf, ein Auge auf den Earl zu haben, und vertraue Euch Geordie Setons Wohlergehen an.«
Sodann brachen Patrick Hepburn und seine Moss-Trooper zu ihrer Mission auf, ohne zu ahnen, dass Monate vergehen würde, ehe ihnen Erfolg beschieden sein würde.
Während Whitehall Palace geputzt und gelüftet wurde, genossen die Königin und ihr Hof den ganzen August über die Gastlichkeit Harefields. In ihrem Bemühen, alle anderen Gastgeberinnen zu überbieten, gab Lady Alice üppige Bankette und arrangierte Maskenspiele und Konzerte, in denen Elizabeth als Sonnenkönigin verherrlicht wurde.
Anstatt Catherine zu kritisieren, verstieg Isobel sich sogar zu Lobesworten. »Wie klug von dir, das Kleid der Königin mit Sonne, Mond und Sternen zu verzieren.«
»Danke, Mutter.« Du ahnst ja nicht, wie klug. Die Näherinnen haben die Muster aus anderen Materialien ausgeschnitten und aufgenäht, anstatt tagelang zu sticken. Dann habe ich Lady Alice geschrieben und angedeutet, wie sehr es Ihrer Majestät gefällt, als Sonnenkönigin verherrlicht zu werden.
Ehe der Hof weiterzog, veranstalteten Lord und Lady Egerton für ihre Gäste eine Lotterie und richteten es geschickt so ein, dass sämtliche Preise an die Königin und ihre Damen gingen, worauf Elizabeth ihre Rundreise als vollen Erfolg bezeichnete.
In der ersten Septemberwoche erhielt Catherine ein poetisches Billetdoux von William Herbert, mit dem sie auf Harefield zusammengetroffen war. Sie eilte in Philadelphias Suite, um alles über den attraktiven jungen Mann zu erfahren.
»William ist Erbe des Earltums von Pembroke, Cat. Seine Mutter war Philip Sidneys Schwester. Offenbar hat er das literarische Talent der Familie geerbt. Da er in seinen Werken Elizabeth sehr geschickt schmeichelt, hat er gute Aussichten, königlicher Favorit zu werden.«
»Ach, deshalb wurde er nach Harefield eingeladen«, sagte Cat nachdenklich.
Ein paar Tage später, als Herbert in den Gärten ihre Gesellschaft suchte, fand Cat seine Konversation sehr amüsant. Besonders, dass er einem literarischen Zirkel von Poeten und Dramatikern angehörte, fand sie faszinierend.
»Will Shakespeare ist also wirklich Euer Freund?«
»Künstler brauchen oft reiche Gönner. Da mein Vater Skakespeare großzügig förderte, betrachtet er mich als Freund. Und ich sehe in ihm einen Meister, von dem ich viel gelernt habe.«
»Mylord, warum schlagt Ihr der Königin nicht vor, dass Schauspieler des Globe Theatre hier eines der Shakespeare-Stücke aufführen?«
»Lady Catherine, glaubt Ihr, Ihre Majestät wäre einem solchen Vorschlag zugänglich?«
»Wollen wir es feststellen, Will? Ich werde ihr den Vorschlag behutsam ins Ohr setzen, worauf Ihr ihn mit Schmeichelei übergießt. Man wird sehen, ob er Früchte trägt.«
Ende September kam Catherine zu der Einsicht, dass sie und Will Herbert ein gutes Gespann bildeten. Er rauchte Tabak, eine aus der Neuen Welt eingeführte Mode, die Cat so faszinierend fand, dass sie es selbst ausprobierte - allein natürlich, mit Maggie als einziger Augenzeugin.
Eines Abends im Bett entschied Cat, dass sie den ersehnten vornehmen Bewerber gefunden hatte. Früher am Abend hatten sie von den Gütern gesprochen, die sie erben würden - ihres in Hertford und seines in Wiltshire unweit von Salisbury, genannt Wilton House. Sie hatte auch munkeln gehört, die Königin wolle Herbert zu ihrem Oberstallmeister ernennen. Sie gestattete sich, von einer Heirat zu träumen. Ich könnte Countess of Pembroke werden. Das musste das hartnäckige Gespenst Patrick Hepburns bannen, das noch immer in den dunkelsten Winkeln meines Bewusstseins lauert!
Als sie einschlief, war der Mann, von dem sie träumte, tatsächlich Oberstallmeister und auch Cats Meister, dennoch war es nicht der edle, blonde William Herbert.
In den Monaten August und September durchstreiften Hepburn und seine Schar die entlegensten schottischen Täler, ritten alle Ansiedlungen ab und suchten nach den Armstrongs, die in die Entführung und Lösegeldforderung verwickelt waren. In Kinmont, Gilnockie und Mangerton fanden sie Armstrongs von No-Nose Willie bis zu Hob Half-Lugs, doch wusste Hepburn, dass dies nur kleine Fische waren. Keiner von ihnen war an jenem Tag in Edinburgh gewesen. Er würde sich erst zufrieden geben, wenn er den dicken Fisch gefunden hatte.
»Foss Armstrong zu finden kann doch nicht so schwierig sein. Ein Kommandeur der Grenzwache kann doch nicht einfach verschwinden«, meinte Jock frustriert.
»Er flieht und taucht unter und flieht dann weiter. Warte nur, wir werden ihn kriegen wie ein Stück Ungeziefer. Er könnte sich im englischen Grenzgebiet herumtreiben. Dort leben viele Armstrongs. Ja, wir wechseln heute Nacht auf die andere Seite.«
Am ersten Oktober starb William Herberts Vater, und William wurde Earl of Pembroke. Einige Tage später traf Catherine ihn im Turnierhof, wo er übte, um beim Turnier zur Feier der Thronbesteigung Champion der Königin zu werden.
»Mylord, ich hatte keine Ahnung, dass Ihr von Salisbury schon zurück seid. Nehmt mein tiefes Beileid zum Ableben Eures Vaters entgegen.«
»Danke, Catherine. Sein Tod kam nicht gänzlich unerwartet, da er schon länger dahinsiechte. Mit dem Training halte ich die trüben Gedanken im Zaum.«
»Ihr müsst an die glücklichen Zeiten denken, die Ihr mit ihm verbracht habt.«
»Ja, so habe ich es auch gehalten, als mein Großvater starb. Er war von rauer Art und hat nichts lieber getan, als seine Pächter gegen benachbarte Grundbesitzer aufzuhetzen.«
Catherine lächelte. »Auch mein Großvater ist ein Rohdiamant ohne Schliff.«
»Mylady, darf ich Euch um ein Angebinde bitten, das ich beim Turnier tragen kann?«
»Wie romantisch, Lord Pembroke. Ja, es wäre mir eine Ehre. Morgen sollt Ihr ein Tuch von mir als Angebinde bekommen.«
»Heute Abend wäre viel romantischer, Catherine. Werdet Ihr kommen?«
»Vielleicht.« Sie lächelte insgeheim.
An jenem Abend setzte Cat sich beim Dinner neben Philadelphia und plauderte mit ihr, während sie beobachteten, wie der Königin ihr Essen serviert wurde. Es war ein höchst kompliziertes Ritual, bei dem eine Hofdame und eine Ehrenjungfer nach anmutigen Knicksen die Teller der Monarchin mit Brot und Salz abrieben, nachdem Yoemen der Garde die vergoldeten Servierplatten aus der Küche gebracht hatten. Dann nahm Mary Fitton, die jüngste Ehrenjungfer Elizabeths, ihr Probiermesser und ließ zur Sicherheit jeden der Yeomen einen Bissen der Speise kosten, die er hereingetragen hatte.
»Unsere süße Ehrenjungfer genießt es sichtlich, die Gentlemen kosten zu lassen. Ein kleines Vögelchen berichtete mir, dass ihrer Affäre mit Schatzmeister Knollys der Vergangenheit angehört und sie bereits einen anderen Geliebten hat. Alle Welt versucht nun herauszubekommen, wer ihr neuer ist.«
Cat war schockiert. »Liebhaber? Sie ist drei Jahre jünger als ich!«
»Kannst du mir sagen, was das Alter mit Sex zu tun hat? Sicher bist du auch nicht mehr Jungfrau, Catherine?«
»Ich ... eine Dame spricht darüber nicht«, murmelte die überrumpelte Catherine.
Philadelphia lachte. »Das heißt also, dass du es gottlob nicht mehr bist. Glaube mit, Gentlemen reden immer darüber!«
Judas! Ich habe Philadelphia in Carlisle mit Hepburn reden sehen. Dieser Rüpel wird sich doch keine Andeutungen erlaubt haben? Wie ich dieses Schwein verabscheue! »Aber dann sind sie keine Gentlemen mehr.« Sie wechselte wie von ungefähr das Thema. »Der Earl of Pembroke bat mich um ein Angebinde für das Turnier im kommenden Monat. Sicher gibst du mir Recht, dass William Herbert ein Gentleman ist.«
»Nun, er ist ein Edelmann. Ob auch Gentleman, weiß ich nicht. Das musst du selbst herausfinden, mein Schatz.«
Nach dem Dinner zog Cat sich in ihr Gemach zurück und suchte das weiße Seidentuch heraus, das sie am Nachmittag zwei Stunden lang bestickt hatte. Sie zeichnete mit dem Finger die rote Drachenzunge nach, während sie überlegte, ob sie sich mit Pembroke treffen sollte. Was habe ich schon zu verlieren ?, fragte sie sich impulsiv. Deine Jungfräulichkeit sicher nicht, erwiderte eine spöttische Stimme.
»Catherine, ich warte schon über eine Stunde lang, doch konnte ich nicht aufgeben. Habt Dank für Euer Kommen. Wie schön Ihr im Licht des großen Erntemonds seid! Habt Ihr das Angebinde mitgebracht?«
»Ja, William. Mein Tuch ist mit dem geflügelten Drachen bestickt, unserem alten schottischen Wappen.« Sie drapierte das Tuch spielerisch um seinen Hals. »Seine legendäre Kraft wird Euch zum Sieger machen.«
Er nahm das Tuch ab, küsste die weiße Seide und sog den betäubenden Duft ein. »Meine holde Dame.« Er legte ihr das Tuch um den Hals und zog sie näher zu sich. »Vielleicht ist es ein Zeichen der Vorsehung, dass Wilton und Winton sich nur durch einen Buchstaben unterscheiden.«
»Vorsehung?« Cat war in Erwartung seines Kusses atemlos.
»Es scheint völlig natürlich, dass die beiden vereint werden.« Zur Demonstration vereinte er seinen Mund mit ihrem.
»Mylord, Ihr legt zu große Eile an den Tag.« Sie entzog sich ihm, jedoch nicht zu weit.
Er hat Erfahrung in Galanterien. Es war ein verführerischer Kuss, doch hat seine Berührung mich, Gott und allen Heiligen sei Dank, nicht wild und hemmungslos werden lassen. Tatsächlich glauhe ich, dass ich bei William Herbert das Sagen haben werde. »Der Mondschein ist so romantisch. Wollen wir ein Stück am Fluss spazieren gehen?«
Er umfasste ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Am Fluss? Ich fürchte, mir steht das Wasser schon bis zum Hals, Lady Catherine.«
»Ich wette, Ihr seid ein sehr erfahrener Schwimmer, Lord Pembroke.«
»Dennoch könnte ich in den goldenen Tiefen Eurer Augen ertrinken.«
O Gott, bewahre mich vor einem Poeten, es sei denn, er hieße Shakespeare.
»Ach, übrigens ... ich habe vor der Königin angedeutet, dass die Hofdamen gern ein Stück von Will Shakespeare sehen würden.«
»Danke, Catherine. Die Königin hat mich erst heute Morgen gefragt, ob ich zur Feier ihrer Thronbesteigung die Glo-be-Schauspieler nach Whitehall bringen könnte. Welches Stück würde Euch denn besonders zusagen?«
»Eine Romanze, natürlich.«
Er legte den Arm um sie. »Dann sollt Ihr eine Romanze zu sehen bekommen, Catherine Seton Spencer.«
Geduld gehörte nicht gerade zu Hepburns Tugenden, doch seine Entschlossenheit wurde immer unbeugsamer, während er und seine Männer das Grenzgebiet durchkämmten und allen Hinweisen nachgingen. Anfang Oktober fanden sie sich in den Highlands wieder, und abermals zeigte es sich, dass sie Gerüchten aufgesessen waren.
Während sie am Lagerfeuer sitzend ihre nächsten Schritte planten und Patrick wie gebannt in die blauorange züngelnden Flammen starrte, kam ihm der Gedanke, dass Foss Armstrong sehr wahrscheinlich in heimischen Gefilden, sozusagen auf seinem eigenen Misthaufen anzutreffen war. Ab Mitte Oktober bedurfte das Grenzgebiet verstärkter Überwachung, da die Viehdiebe nach den ruhigeren Sommermonaten wieder aktiv wurden.
Als Patrick aufstand, sahen ihn die Männer in Erwartung seiner Entscheidung gespannt an. Er stieß nur ein Wort hervor: »Hermitage!«
Nach einem harten Ritt sollte sich zwei Tage später zeigen, dass Hepburns Instinkt ihn nicht getrogen hatte. Er hatte Foss Armstrong mit acht seiner Männer in der finsteren Festung festgesetzt. Nur Foss war gefesselt, die anderen waren frei - falls sie es wagten, die Gelegenheit zu nutzen.
»Ich möchte meine fünftausend zurück - plus einem Tausender für meine Mühe.«
»Weiß nich', was Ihr meint«, knurrte Foss.
»Die Armstrongs haben eine Vorliebe für Spitznamen. Mal sehen ... einen Willie Nasenlos haben wir schon. Wie würde Euch Foss Eierlos gefallen?«
Armstrongs dunkles Gesicht erbleichte.
Hepburn lächelte. »Nein, nicht einmal ich könnte so grausam sein - noch nicht. Was Spitznamen betrifft, würde ich Foss Fingerlos vorziehen. Jeden Tag wird ein Finger abgehackt, bis ich mein Geld kriege.« Er griff zu seiner Axt.
Armstrong kämpfte mit seinen Fesseln. »Reitet zum König!«, befahl er seinem ersten Leutnant. »Meldet, dass sein
Grenzkommandeur angegriffen wird. Sag ihm, dass ich gegen Hepburn Anklage erhebe.«
Seelenruhig legte Hepburn Armstrongs Hand auf den Tisch. Mit einem schnellen Hieb seiner Klinge trennte er den kleinen Finger ab.
Armstrongs Stellvertreter stürzte aus der Festung, um sich eilig auf den Weg nach Edinburgh zu machen. Niemand hielt ihn auf.
Während Foss entsetzt seine blutende Hand anstarrte, sagte Hepburn: »Ihr wisst ja, dass Jamie nicht sonderlich entscheidungsfreudig ist. Wenn er nur eine Woche braucht, um Euretwegen einen Entschluss zu fassen, sind das sieben Tage. Bis dahin bleiben Euch nur die Daumen.« Hepburn nickte Jock zu. »Brenne die Wunde aus, damit er klar nachdenken kann.«
Als Jock einen eisernen Feuerhaken in die Flammen hielt, schrie Armstrong: »Geht und holt das Geld! Und seid morgen um diese Zeit wieder da!«
»Wisst Ihr, Fingerlos, ich bin kein Unmensch. Ich nehme die Sechstausend auch in Gold«, sagte Hepburn leutselig. Er blickte die sieben Armstrongs an, die bereit zum Aufbruch waren. »Fort mich Euch, Jungs.«
Catherine spürte, wie das Oberteil ihres Kleides aufgeknöpft wurde, und versetzte Herberts wanderlustiger Hand einen heftigen Klaps. »Mylord, solche Freiheiten gestatte ich keinem Mann.«
»Nicht einmal einem, der Euch zu seiner Frau machen möchte, Catherine?«
Sie holte tief Luft, während sie diese Worte überdachte. Sie hatte ihn nachmittags beim Turniertraining beobachtet und war beeindruckt von seiner Vorstellung gewesen. Dies hier jedoch war ein anderes Kräftemessen. Innerhalb von zwei Wochen waren sie von bloßer Bekanntschaft zur Werbung übergegangen. Will der Earl of Pembroke eine Verlobung andeuten?
»William, die Königin sieht es nicht gern, wenn ihre Höflinge heiraten.«
»Mein Vetter Edward Somerset ehelichte vor einigen Monaten Lady Anne Russell, und Elizabeth, weit davon entfernt, Einwände zu machen, nahm an den Festlichkeiten in Cobhams Haus in Blackfriars teil.«
»Nun ja, aber Anne war die Witwe von Ambrose Dudley, Lord Warwick. Und wer mit einem Dudley verbunden war, kann in den Augen der Königin nichts falsch machen.«
»Es heißt, ich sei der kommende Günstling der Königin.« Er neigte den Kopf und küsste sie. »Mir scheint, ich kann auch nichts falsch machen.«
»Soll das ein Heiratsantrag sein, William?«, fragte sie rundheraus.
»Wenn es so wäre - wie würde Eure Antwort lauten, holde und spröde Lady?«
»Meine Antwort wäre vielleicht, Mylord Günstling. Euren Antrag könnt Ihr mir an dem Tag machen, an dem Ihr mein Champion im Turnier werdet.«
Der Oktober war noch nicht vergangen, als man im ganzen Palast von der Werbung wusste. Philadelphia war die Erste, die die Gerüchte wiederholte, die ihr zu Ohren gekommen waren. »Ist etwas Wahres daran, Catherine?«
»Dass man mich gefragt hat, ob ich Countess of Pembroke werden möchte?«, fragte sie von oben herab. »Du musst zugeben, dass das ziemlich verlockend ist.«
»Er gilt als großer Verführer. Vergewissere dich, ob er wirklich auf eine Heirat aus ist. Liebst du ihn?«, fragte sie direkt.
»Sei nicht albern. Ich bin klug genug, um mein Herz dem Verstand unterzuordnen.«
»Gut! Versprich mir, keine Dummheiten zu machen und womöglich durchzubrennen. Wenn er dich wirklich haben will, wird er warten, bis du großjährig bist.«
Catherine merkte, dass die anderen Damen ihr nun neidische Blicke zuwarfen. Sie wusste, dass Maggie den Klatsch bald hören würde, und hoffte, ihrer Mutter würde nichts zu Ohren kommen.
Am nächsten Tag stellte Maggie sie zur Rede. »Unter dem Palastgesinde heißt es, du und William Herbert wäret euch einig. Stimmt das oder nicht, mein Lämmchen?«
»Der Earl of Pembroke und ich sind uns einig. Er weiß, dass er eine Antwort bekommt, wenn er um meine Hand anhält.«
»Und ich weiß, dass du in Rätseln sprichst.«
»Nur weil ich mich noch nicht entscheiden konnte.«
»Gut. Du bist zu impulsiv. Überleg es dir gut und gründlich. Er ist ein Höfling. Sein Ehrgeiz und sein Leben kreisen um Elizabeth.«
»Was mich betrifft, ist das ein Punkt zu seinen Gunsten. Wir beide möchten am Hof bleiben und uns nicht auf dem Land vergraben.«
Maggies zusammengepresste Lippen verrieten Missbilligung.
Am nächsten Tag erhielt Isobel eine Einladung für sich und ihre Tochter zum Dinner mit dem Earl und der Countess of Worcester, deren Haus in Charing Cross in angenehmer Nähe zu Whitehall lag.
»Das nenne ich einen Coup, Catherine. Die Einladung stammt von Anne Russell, die Countess of Warwick war, ehe sie Worcester ehelichte. Anne ist nach Kate Howard und Philadelphia Scrope die Lieblingsdame der Königin.«
Worcester ist Pembrokes Vetter. Hinter der Einladung steckt William! Wenn wir bei ihnen speisen, wird Mutter es erfahren! »Du möchtest nicht wirklich nach Charing Cross, oder?«
»Natürlich gehen wir hin. Eine Ablehnung wäre ein Schlag ins Gesicht der Countess und damit Ihrer Majestät«, erklärte Isobel entschlossen.
Unglaublich, dass ich mich erst vor einigen Monaten von Worcesters Sohn Hai ins Theater begleiten ließ. Was kann ich an diesem Jungen gefunden haben ? Und wieder antwortete ihre verdammte innere Stimme: Das war, bevor du wusstest, was ein richtiger Mann ist! Cat verwünschte sich. Hatte sie sich nicht geschworen, keinen Gedanken mehr an Hepburn zu verschwenden?
Am Tag nach dem Dinner beratschlagte sich Isobel Spencer mit ihrer Schwägerin Beth, mit Philadelphia und Kate. »Der Earl of Pembroke hat mich um die Erlaubnis gebeten, um Catherine werben zu dürfen. Da er als neuer Favorit der Königin gilt, hielt ich es für am besten, es ihm nicht zu verbieten. Natürlich müssen sie immer eine Anstandsdame bei sich haben, da die Königin Wert darauf legt, dass ihre ledigen Damen Jungfrauen sind. Was meint ihr, habe ich das Richtige getan?«
Kate tätschelte Isobels Hand. »Catherine wird bald einundzwanzig.«
Aber Philadelphia warnte: »Elizabeth hat nie so viel Großmut besessen, ihre Günstlinge mit anderen Damen zu teilen.«
»Ach, du liebe Zeit! Das Letzte, was ich möchte, wäre ihr Zorn!«
Kaum war Isobel gegangen, brachte Philadelphia eine Mitteilung an Hepburn zu Papier.
Mein lieber Lord Stewart:
Ich lade Euch wieder nach Richmond ein, und Kate bietet Euch Gastfreundschaft in Arundel House am Strand, falls Ihr plant, zum Jubiläumsturnier nach London zu kommen.
Lady Catherine wird von William Herbert umworben, der vor kurzem Earl of Pembroke wurde.
Beste Wünsche, immer die Ihre
Philadelphia Scrope
Als Patrick Hepburn Lady Scropes Brief las, fluchte er deftig und legte sich sofort ein Trainingsprogramm zurecht. Falls Herbert glaubte, Cats Champion werden zu können, würde es ein böses Erwachen für ihn geben.
Novemberfröste bedeckten den Boden, ehe Patrick alle Hepburns, Stewarts und Elliots, die auf Crichton lebten, bezwungen hatte. Unzählige zersplitterte Lanzen mussten zu Feuerholz zerhackt werden. Dann suchte er König James auf.
»Wo hast du gesteckt, Mensch? Monatelang vernachlässigst du unseren Hof und kreuzt*dann auf, wenn es dir in den Kram passt!«, klagte James.
»Ich habe für das Turnier geübt, Sire.«
»Welches Turnier?«, fragte der König unwillig.
»Das Turnier zum Jubiläum der Thronbesteigung Elizabeths, am siebzehnten November, Sire.«
»Bei Gott, diese Frau regiert England schon seit vierundvierzig Jahren. Das ist unnatürlich. Jede Wette, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Höchste Zeit, dass sie das Zeitliche segnet und Platz für ihren Nachfolger macht.«
»Missgönnt ihr nicht die Festlichkeiten ihres letzten Winters, Sire.«
»Mir wäre lieber, es wäre ihr letzter Seufzer!« Er bedachte Hepburn mit einem drohenden Blick. »Man hört ja nicht einmal etwas von Krankheiten!«, klagte Jamie schmollend.
»Sire«, log Patrick glatt, »der vorrangige Grund für meinen Besuch in Whitehall ist es, für Euch Einzelheiten über Elizabeths Zustand in Erfahrung zu bringen.«
»Ach ja ... ich weiß, dass es nichts mit deiner Jagd auf eine reiche englische Erbin zu tun hat«, sagte Jamie gewitzt.
Hepburn brachte eine gekränkte Miene zustande. »Ihr tut mir Unrecht, Sire.«
»Das werde ich erst tun, wenn die Krone nicht an dem vorausgesagten Tag an mich geht, Patrick, mein Alter.«