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11

 

Hepburn und Robert Carey ritten am hellen Nachmittag auf dem Hof vor den Stallungen von Holyrood ein. Patrick hatte einen Kundschafter ins Schloss vorausgeschickt und erfahren, dass König James auf der Jagd war, einer Leidenschaft, der er frönte, wann immer das Wetter es zuließ. Kaum hatten sie ihre Pferde den königlichen Stallburschen übergeben, vernahmen sie auch schon die Hornsignale der heimkehrenden Jagdgesellschaft und das Kläffen der Jagdhunde.

Hoch zu Ross wirkte James noch am besten, da er im Sattel einen imposanten Eindruck machte. Erst wenn er absaß und sich auf spindeldürren Beinen schwankend und im Watschelgang fortbewegte, büßte er jeden Anschein königlicher Würde ein.

Patrick sah die zwei erlegten Hirschkühe und wusste, dass James guter Dinge sein würde. Er wollte ihm seine gute Laune erhalten.

Beim Anblick des hochgewachsenen Hepburn erhellte sich die Miene des Königs erwartungsvoll. »Mann, du warst · fast einen Monat fort!«

»Geduld ist eine Tugend, Sire«, zitierte Patrick auf Lateinisch.

»Und verlangt nach Belohnung«, erwiderte James plump. »Carey, wir hoffen, dass Ihr nicht mit leeren Händen kommt.«

Robert ließ sich sein Unbehagen nicht anmerken. »Nein, Sire, natürlich nicht.«

Mit einem Blick auf seine Jagdkleidung sagte der König: »Nichts als Blut und Eingeweide. Begleitet mich, während ich mich umkleide.«

Die Diener des Königs folgten dem Trio, als es die Korridore von Holyrood durchschritt und den königlichen Gemächern zustrebte. An der Tür entließ er sie. »Ich brauche euch nicht. Lord Stewart wird mich bedienen.« Hepburn und Carey folgten ihm in sein Schlafgemach, wo er auch seinen Leibdiener hinausschickte. James entkleidete sich, und Patrick ging an den Schrank, wählte jenen Hausmantel, der die wenigsten Flecken aufwies, und half ihm, hineinzuschlüpfen. Patrick, der wusste, dass der König gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, ein Bad zu nehmen, goss Wasser aus einem Krug in eine Schale, damit James sich wenigstens die Hände waschen konnte. »Also, ich nehme an, Ihr hattet Erfolg?«, fragte der König Robert.

»Uns war mehr Erfolg beschieden, als wir uns erhofft hatten«, erwiderte Patrick.

»Ihr habt Elizabeth meinen Brief übergeben?«

»Besser noch, wir haben ihn der Macht hinter dem Thron übergeben. Cecil wird ihn der Königin präsentieren, wenn er sie dazu bewegen kann, Euch in günstigerem Licht zu sehen.«

»Cecil war einverstanden, mit mir zu verhandeln?«, fragte James hoffnungsvoll.

»Ganz im Geheimen, natürlich«, bestätigte Patrick.

Robert zog den Brief mit den dicken Siegeln hervor. »Der Staatssekretär bat mich, Euch dies auszuhändigen, Euer Majestät.«

James griff begierig nach dem Brief und strich voll lüsterner Vorfreude mit den Daumen über die roten Wachssiegel. »Ich habe es lieber mit einem Mann zu tun. Eure Kusine Elizabeth behandelt mich wie einen Lakaien«, vertraute er Carey an.

Robert räusperte sich. »Ich lasse Euch allein, damit Ihr ungestört lesen könnt, Euer Majestät.«

»Ja«, stimmte James zu. »Macht einen Spaziergang um den Palast, und kommt in einer Stunde wieder.« Er sah Patrick an. »Du kannst bleiben.«

Kaum waren sie allein, als der König den Brief aufriss und begierig die drei Seiten las. »Er unterzeichnet mit einer Zahl!«

»Cecil verfügt über einen Verstand, der sich mit Eurem messen kann, Sire; und wie Ihr ist er übervorsichtig. Die Briefe, die Ihr wechselt, müssen verschlüsselt sein.«

»Ja, das deutet er an.« James tippte auf den Brief und las ihn noch einmal.

Patrick konzentrierte sein Bewusstsein gezielt auf die Briefseiten. Die erste war ein Brief Cecils an James, die zweite enthielt Anweisungen für den König, falls dieser an Elizabeth schreiben sollte, und auf der dritten wurde der Code erklärt. In einer Liste von Namen und Orten trug jeder eine eigene Ziffer, und darunter stand die Warnung, den Code niemandem zu verraten. Patrick sah, dass für Cecil 10 stand, James war 30 und Elizabeth 24. Von der Macht der Zahlen überzeugt, hatte ihm sein Vater die uralte Wissenschaft der Zahlenlehre nahe gebracht.

»Kann ich Carey vertrauen, oder ist er Elizabeths Mann?«

»Wenn er es jemals war, dann ist er es jetzt nicht mehr. Sie hat ihn bei der Audienz ewig knien lassen und war so eifersüchtig auf die Frau seiner Wahl, dass sie sie vom Hof verbannte. Robert Carey wusste, dass die Königin nicht geneigt sein würde, einen Brief von Euch in Empfang zu nehmen, und schlug deshalb klugerweise vor, wir sollten uns an Cecil wenden. Ein geschickter Schachzug, Sire.« Hepburn überließ die Verdienste bereitwillig seinem Freund Robert.

»Elizabeth ist ein rachsüchtiges altes Weib!«

»Wenn Ihr die neue Lady Carey an Eurem Hof empfangt, wird Robert Euch ewig dankbar sein.«

»Ach ... er hat sich Elizabeth widersetzt und das Mädchen geheiratet?«

»Er weiß, dass über ihrer Regierungszeit schon die Abendsonne steht, Sire.«

»Jetzt kommen wir endlich zur Sache. Setz dich, Patrick, und berichte mir.«

Hepburn kannte zwar noch njcht das genaue Datum von Elizabeths Hinscheiden, doch selbst wenn er es gewusst hätte, hätte er es nicht auf der Stelle preisgegeben. Er zog es vor, diese Enthüllung zu seinem eigenen Vorteil hinauszuzögern. »Ihr Fleisch ist schwach, doch ihr Geist lodert hell, voller Feuer und Energie.«

»Wie lange noch?«, wollte James wissen.

»Kein ganzes Jahr mehr, Sire.«

»Du bist gerissen wie ein Fuchs, Patrick. Gesteh, dass du eine Vision hattest.«

»Ich hatte einige. Ich sah sogar, wie ihr ein Dokument unterfertigt, in dem Ihr mir jede englische Erbin meiner Wahl und ein Earltum versprecht.«

»Heiliger Christ, musst du mich erpressen?«

»Es sieht ganz so aus, Sire.«

James sperrte seinen Schreibtisch auf, kramte in Papieren und zog ein Dokument hervor, das er Hepburn missmutig reichte.

Patrick überflog es, um sicherzugehen, dass es keine Schlupflöcher enthielt, und blickte dann auf. »Es bedarf Eurer Unterschrift, Sire.«

»Und ich bedarf eines Datums, Lord Stewart.«

Unentschieden!

Patrick war sicher, dass es im März sein würde. »Es wird im Frühling sein, Sire. Zu Frühlingsanfang.«

Der König tauchte den Federkiel in die Tinte und hielt ihn über das Dokument.

Patrick hatte den Monat, doch brauchte er einen Tag. Er suchte in den entlegensten Winkeln seines Gehirns. Die Zahl 24 war alles, was ihm einfallen wollte. Es war die Zahl, die Cecil Elizabeth zugeteilt hatte. Er rief sich ins Gedächtnis, dass es keine Zufälle gab und dass Zahlen eine geheimnisvolle Macht innewohnte. Die ihr zugeteilte Codeziffer war schicksalhaft und besiegelte Elizabeths Los.

»Es ist nur für Eure Ohren bestimmt.«

Der König nickte eifrig.

»Elizabeth wird am vierundzwanzigsten März sterben, Sire.«

James setzte schwungvoll seine Unterschrift auf das Papier. »Patrick, Junge, du hast mich eben zum glücklichsten Menschen Schottlands gemacht.«

Hepburn steckte die schriftliche Garantie in sein Wams. Ich bete zu Gott und dem Teufel, dass du eben für mich dasselbe getan hast, James.

Als Robert Carey zurückkam, dankte der König ihm überschwänglich für seine Dienste und kündigte an, dass zu gegebener Zeit wieder ein Brief nach England gebracht werden müsste. Dann gratulierte er Robert zu seiner Heirat. »Ihr müsst Lady Carey an meinen Hof bringen. Die Königin plant für nächste Woche wieder eines ihrer schönen Feste, und ich weiß, dass Annie eine englische Dame herzlich willkommen heißen wird. Wo seid Ihr abgestiegen?«

»Wir wohnen im Castle Rock Inn, Euer Majestät.«

»In einem Gasthaus? Nein, das geht nicht. Patrick, geht und redet ein Wörtchen mit dem Earl of Mar. Johnny hat Privaträume hier in Holyrood und besitzt in der Canongate ein Stadthaus, das er selten benutzt.«

»Danke, Sire.« Carey war verblüfft ob dieser Großzügigkeit.

»Dankt nicht mir, dankt Johnny Erskine.« Der König kicherte.

»Sire, die Enkeltochter des Earl of Winton ist aus England zu Besuch gekommen. Ich bin sicher, dass der Earl sie gern bei Hof vorstellen würde.«

»Hab Geordie seit Jahren nicht mehr gesehen. Wende dich wegen einer Einladung an Annie.«

Als die zwei sich in sicherer Entfernung von den königlichen Gemächern befanden, bedankte sich Robert unendlich erleichtert bei Patrick. »O Gott, die Audienz verlief viel besser, als ich voraussehen konnte. Meint Ihr, der Earl of Mar hat etwas dagegen, wenn wir sein Stadthaus benutzen?«

»John Erskine war als Kind James' Spielgefährte. Sie waren ihr Leben lang vertraut wie Brüder. Seine Mutter war auch eine Stuart - wir sind alle irgendwie miteinander verwandt.«

»Liz wird sich sehr freuen!«

 

Auf Seton war Catherine erstaunt, als ihr Großvater das Frühstück mit ihr einnahm, doch erklärte er ihr, dass er mit ihr Winton Castle besichtigen wolle. »Was meinst du ... könntest du mich Geordie nennen? Großvater ... das weckt in mir ein Gefühl von Hinfälligkeit.«

»Es wäre mir eine Ehre, dich Geordie zu nennen.«

»Kannst du nicht mehr essen, Mädchen?«

»Porridge mag sie nicht, und anders als Ihr kann sie auch nicht Unmengen von Nieren und Eiern vertilgen.« Maggie warf einen Blick auf seinen Teller. »Auch keine Haggis-Reste. Sie mag frisches Brot und Heidehonig.«

»Meine Beine sind hohl«, scherzte er.

»Ach, das also ist es, was mit ihnen nicht stimmt?«, zog Maggie ihn ihrerseits auf.

Wenig später begannen sie die Besichtigung mit dem Verlies. »Dies stand früher tatsächlich in Verwendung, und nicht nur für unsere englischen Feinde. Hasserfüllte, blutige Clan—

Fehden, in jahrhundertealter Gegnerschaft herangereift, dauern bis zum heutigen Tag an.«

»Befehdeten sich die Setons auch mit den Hepburns?«, fragte Catherine leichthin.

»Ich denke schon, da sie oft hin und her heirateten«, scherzte er.

Als Nächstes machten sie in der Küche Halt, wo er sie Peg, der obersten Köchin vorstellte. Hier summte es wie in einem Bienenhaus. Schankburschen und Küchenmägde bereiteten den Proviant für die Viehhirten vor und hielten in der Arbeit inne, um der schönen Enkeltochter des Earls nach zu starren.

Maggie stieß wieder zu ihnen, nachdem sie die Bibliothek verlassen hatten und sich hinauf in den Söller begaben. Obwohl in letzter Zeit wenig benutzt, gab es dort bequeme Stühle und Kissen vor einem gemauerten Kamin.

»Nehmt dies als euer Wohnzimmer, wenn ihr wollt.« Geordie ging mit ihnen in seinen Hauptturm, der zwei Räume enthielt, voraus. Im inneren Gemach stand ein riesiges Bett mit vier Pfosten. Uber dem massiven Kamin, der eine ganze Wand einnahm, hing ein Porträt.

Cat blieb davor stehen und sah wie in Trance hinauf. »Wer ist das?«

»Meine geliebte Audra, Countess of Winton. Deine Großmutter.«

»Aber das könnte ja ich sein!« Catherine fand die Ähnlichkeit frappierend. »Mutter hat mir nie von ihr erzählt.«

»Tja, Isobel war keine zärtliche Tochter. Zu Audras großem Kummer herrschte zwischen ihnen stets ein gewisse Antipathie.«

Während Catherine das Bildnis der eleganten, zierlichen Dame mit der schwarzen, schimmernden Lockenpracht anstarrte, wurde ihr klar, weshalb Isobel sie, Catherine, nie geliebt hatte. »Immer wenn Mutter mich ansieht, sieht sie Audra! Maggie, warum hast du mir das nie gesagt?«

»Isobel hat es mir verboten, mein Lämmchen.«

Geordie berührte Catherines Wange. »Dich hier zu haben ist, als sähe ich meine Audra wieder.« In seinen Augen standen Tränen, er ging hinaus.

Catherine wandte sich an Maggie. »Mutter hasst mich, weil ich genauso aussehe wie meine Großmutter.«

»Isobel hat ihre Mutter gehasst, weil sie so schön war und ihr ihr Aussehen nicht vererbt hat. Es ist deine Schönheit, die sie nicht erträgt.«

»Wie traurig«, sagte Catherine leise. »Aber ich fühle mich nicht traurig, wenn ich meine Großmutter ansehe. Ich fühle mich glücklich und sehr vom Schicksal begünstigt.«

»Auch Audra muss glücklich sein, wenn sie herabschaut und dich sieht.«

Geordie kam an die Tür. »Komm, Catherine, wir gehen in den Stall, damit du dir ein Pferd aussuchen kannst. Seton ist zu weitläufig, um es zu Fuß zu erkunden. Du musst reiten.«

Das Erste, was ihr über den Weg lief, als sie den Stall betrat, war eine schwarze Katze. »Ach, wie lieb! Komm her, Mieze!« Sie bückte sich und streichelte das Tierchen, das wohlig einen Buckel machte. Dann hob sie es hoch, und das Kätzchen sah sie aus großen goldenen Augen an. »Ach, sie mag mich, glaube ich!«

»Dann nimm sie dir«, sagte Geordie.

»Ins Haus? Es stört dich nicht?«

»Warum sollte es mich stören, wenn du etwas hast, das dich freut?«

»Ja, warum eigentlich?« In Catherine regte sich Bewunderung für diesen Mann.

Junge Stallburschen, die die Boxen säuberten, hielten in ihrer Arbeit inne, als Geordie Catherine fragte: »Na, siehst du etwas, was dir gefällt, Mädchen?«

Es gab keinen Schimmel wie Jasmine, doch sah sie eine schimmernde schwarze Stute, die nicht allzu groß war. »Die da gefällt mir.«

»Gute Wahl. Sie ist ein zierliches Dingelchen, zu klein für einen Mann. Komm, nimm dir einen Sattel. Wir hängen Silberglöckchen dran.«

Cat sah die Reihe der Sättel entlang. »Gibt es hier einen Damensattel?«

Geordie lachte. »In Schottland reiten auch die Frauen meist im Herrensitz. Du wirst es rasch lernen. Es wird nicht lange dauern, und du wirst krummbeinig sein wie ich.« Er erspähte einen seiner Neffen, den Cat am Abend zuvor kennen gelernt hatte, und winkte ihn zu sich. »Andrew, hier muss irgendwo ein Ponywägelchen sein. Suche es, und sieh nach, ob die Achsen nicht morsch sind.« Er wandte sich an Catherine. »Was meinst du ... könntest du Kutschieren lernen?«

»Ich kann alles lernen«, gelobte sie.

»Andy, Junge, sie ist mein genaues Ebenbild.«

Andrew zwinkerte Catherine zu. »Dann möge Gott ihr helfen, Geordie.«

Sie lächelte Andrew zu. »Mal sehen, ob ich es behalten habe. Du bist Janets Sohn, und ich bin heute zum Dinner in dein Haus eingeladen.«

»Ja, ich bin Janets Sohn, aber heute gehst du zu Malcolm. Er ist der ältere Neffe, und Jessie ist Geordies ältere Schwester. Wenn du die Hackordnung nicht beachtest, ist die Hölle los!«

Verdammt, ich hasse Regeln und Bestimmungen!

 

Catherine entschied sich für das fliederfarbene Samtkleid, dessen Ärmelschlitze das helle Satinfutter sehen ließen. Maggie half ihr bei der Frisur und legte ihr die passende Halskrause um. »Kommst du heute nicht mit?«

»Nein, ich bleibe hier und esse mit deinem Großvater zu Abend.«

»Er kommt auch nicht?«, fragte Cat erstaunt.

»Zu viele Weibsleute unter einem Dach für seinen Geschmack.«

»Aber Malcolm wird auch da sein.«

»Ja, er steht schließlich dem Haus vor. Er war verheiratet, dann starb seine junge Frau. Er selbst hat keine Kinder, seine Schwestern dafür umso mehr ... lauter kleine Mädchen. Geh nur, und amüsiere dich.«

Das große, schöne Haus lag kaum eine Meile vom Schloss entfernt, und Catherine fuhr in «der Kutsche des Earls vor. Jessie empfing sie an der Tür, ein Diener nahm ihr den Umhang ab. Sofort war Cat von vier kleinen Mädchen zwischen drei und sieben umringt, die sie aufgeregt umtanzten. Die zwei jungen Frauen, ihre Mütter, schienen ebenso aufgeregt wie die Kinder. Jessie brachte eilig die Förmlichkeit der Vorstellung hinter sich, und Catherine memorierte rasch die Namen, während alle sich in einen großen Wohnraum begaben.

»Seid Ihr eine Prinzessin, Lady Catherine?«, fragte die Siebenjährige.

Cat lachte. »Nein, ich bin kein Prinzessin, Jessica.«

»Dein Kleid ist aber das einer Prinzessin«, wandte das Kind ein.

»Danke. Möchtest du auch so eines?« Sie blickte in die vier ihr zugewandten Gesichter. »Wollt ihr alle Prinzessinnenkleider?«

Catherine sprach nun die Mütter an, die nur wenig älter als sie selbst waren. »Habt ihr eine Näherin, die ihre Kleider schneidert?«

»Die meisten machen wir selbst«, erwiderte Jessicas Mutter.

»Na, da habt ihr aber viel zu tun. Ich nähe nur wenig, entwerfe aber umso lieber. Wäre es euch recht, wenn ich Festtagskleider für die Mädchen entwerfe?«

Nun umdrängten alle Catherine, nannten ihre Lieblingsfarben und streichelten mit eifrigen Fingern ihren Samt.

»Wo zum Teufel bleiben eure Manieren? Die Dame ist unser Gast! Joan, Judith, zügelt eure ungebärdigen Sprösslinge«, befahl eine Männerstimme.

Cat blickte auf und sah Malcolm. »Schon gut. Ich habe Kinder gern.« Sie blickte in seine grauen Augen. O Gott, womöglich habe ich etwas Falsches gesagt. Auch er lieht Kinder, hat aber leider keine eigenen. »Malcolm, danke für die Einladung.« Sie reichte ihm die Hand.

Er ergriff sie und führte sie an die Lippen. »Ich möchte nur nicht, dass Ihr glaubt, alle Schotten wären Barbaren.«

Sie sah ihm lächelnd in die Augen. »Wieso sollte ich das denken?«

Er erwiderte das Lächeln. »Warum nicht, nachdem Ihr Lord Stewart und dem Earl of Winton begegnet seid.«

Cat lachte entzückt, weil er Sinn für Humor hatte. »Keinen der beiden könnte man als Gentleman im buchstäblichen Sinn des Wortes bezeichnen, aber auch nicht als Barbaren.«

Auf ein Zeichen Malcolms drängten seine Schwestern die Kinder, gute Nacht zu sagen. »Sie essen in der Kinderstube«, erklärte Joan.

Cat war enttäuscht. »Gute Nacht. Ich werde sofort mit den Entwürfen für eure Kleider anfangen«, versprach sie.

Als sie sich zu Tisch setzten, war Malcolm der einzige Mann in der Runde. »Werden Eure Ehemänner nicht mit uns essen?«, fragte Cat Judith.

»Sie sind heute bei den kalbenden Kühen«, antwortete Malcolm.

An diesem Tisch sind Kinder unerwünscht, offenbar aber auch Ehemänner. Noch so ein herrischer Schotte, dachte Cat respektlos.

Das Essen war köstlich, die Atmosphäre warm und einladend. Die Frauen fragten sie über ihre Mutter aus und konnten gar nicht genug über den englischen Hof erfahren. Sie wiederum wollte alles über Seton wissen. Sie erfuhr, dass Malcolm für den Besitz des Earl of Winton unentbehrlich sei und dass ihr Großvater sich in allem auf ihn verlasse. Es hörte sich an, als sei der wirtschaftliche Erfolg allein Malcolms Verdienst. Catherine lächelte, um ihre Gedanken zu verbergen. Ich bezweifle nicht, dass Malcolm viel Verantwortung trägt, doch glaube ich nicht, Geordie Seton würde zulassen, dass jemand ihn oder Seton beherrscht.

Nach dem Essen schenkte Maicolm ihr ein Glas Wein ein. »Kommt, ich zeige Euch das Haus, Catherine.«

Als sie neben ihm herschritt, nahm sie wahr, dass er nicht annähernd so groß war wie Patrick. Vergleiche nicht alle Männer mit Hepburn!

»Das ist mein Flügel. Ich liebe die Familie, schätze aber meine Ruhe.«

Ihr fiel auf, dass die Räume nicht in typisch männlichem Stil eingerichtet waren, und sie fragte sich, ob dies auf weiblichen Einfluss zurückzuführen war. Cat hätte interessiert, wie lange Malcolm, der etwa dreißig sein mochte, schon Witwer war, eine Frage, die sie unmöglich stellen konnte, deshalb nahm sie einen Schluck von ihrem Wein. Als er ihr über eine breite Treppe vorausging, folgte sie, und ehe sie es sich versah, befand sie sich in einem geräumigen Schlafzimmer mit hohen Fenstern.

»Mein Haus ist nach der See ausgerichtet, auch wenn man sie nicht sieht. Man spürt den Salzgeruch.« Er öffnete die Fenster.

»Wäre es nicht eine gute Idee, einen eigenen Hafen anzulegen, wenn das Seton-Land bis zur Küste reicht?«

»Ja, eines Tages.« Abrupt fragte er: »Catherine, warum seid Ihr gekommen?«

Sie atmete tief durch. Eine Antwort widerstrebte ihr. Sie war so froh, dass ihr Großvater sie nicht danach gefragt hatte und ihr das Eingeständnis erspart blieb, dass sie zur Strafe für ihr törichtes Komplott vom Hof verbannt worden war.

Auf ihre zögernde Pause hin gab Malcolm sich selbst die Antwort. »Natürlich seid Ihr gekommen, um Eure Domäne zu besichtigen. Geordie hat Euch zu seiner Erbin erklärt, weil Eure Mutter kein Interesse an dem Besitz zeigte. Eines Tages werdet Ihr eine reiche Frau sein.«

Sie hob den Blick zu ihm. »Ich bin bereits jetzt schon eine reiche Frau.«

Er trat näher und strich mit dem Finger am Rand ihrer Halskrause entlang. »Reich schon, aber vielleicht noch nicht Frau?« Sein Blick ruhte auf ihrem Mund. »Seid Ihr mit einem englischen Edelmann verlobt?«

Fast wäre Catherine einen Schritt zurückgewichen, entschied sich dann aber, ihre Stellung zu behaupten. Sie reckte ihr Kinn, um nun ihrerseits eine Frage zu stellen: »Warum fragt Ihr?«

»Fiele Seton in englische Hände, es wäre schwer zu verkraften.«

Träumst du, Malcolm? Träumst du davon, Herr über meinen Besitz zu werden, indem du mich zur Ehe verführst? »Nein, ich bin noch nicht verlobt.«

Er senkte den Kopf und bedeckte ihre Lippen mit einem Kuss.

Catherine stand völlig reglos da und überließ ihm ihren Mund nicht. Glaubst du, ich hätte mein ganzes Leben am Königshof verbracht und wüsste nicht, wie man mit Verführern umgeht?

Malcolm hob den Kopf und sah sie an. »Möchtest du mich schlagen?«, fragte er heiser.

Catherine wusste, dass Gelächter auf einen Mann mit Verführungsabsichten wie ein kalter Guss wirkte. »Schlagen ... wegen einer so harmlosen Sache, wie es ein Kuss unter Cousins ist? Ich mag Männer mit Sinn für Humor.« Sie leerte ihr Glas, reichte es ihm und ging hinaus. Wieder unten angelangt, ließ sie es sich angelegen sein, Jessie für ihre Gastfreundschaft überschwänglich zu danken. »Ich werde Mutter schreiben und ihr berichten, was für einen wundervollen Empfang Ihr mir bereitet habt.«

Zurück auf Winton traf sie ihren Großvater und Maggie in dem kleinen Raum neben der großen Halle an, wo sie zu Abend gegessen hatten und sich nun ein Schlückchen Whisky gönnten.

»Catherine, meine Schöne, tritt ein und leiste uns bei einem Gläschen Gesellschaft.«

»Gesellschaft leiste ich gern, aber ich habe schon Wein getrunken.«

»Wein? Maggie, du hast ihre Erziehung sträflich vernachlässigt. Ich werde dich lehren, wie man schottischen Whisky trinkt. Bist du bereit, Mädchen?«

»Nie im Leben habe ich eine Herausforderung ausgeschlagen.«

»Wir werden den Whisky mit Wasser verdünnen, bis du dich daran gewöhnst, und dann machen wir ihn mit jedem Abend stärker. Wenn der Sommer um ist, wirst du die stärksten Männer unter den Tisch trinken.«

»Ach, ich werde nicht ...« Sie zögerte mitten im Satz. Sie hatte sagen wollen, dass sie Ende des Sommers nicht mehr hier sein würde, doch wollte sie Geordie nicht kränken. »Wenn meine Beine unter mir nachgeben, werde ich es nicht mehr hinauf in den Turm schaffen.«

»Unsinn, wenn das passiert, trage ich dich.« Er sah Maggie an und zwinkerte. »Ich trage euch beide, jede unter einem Arm!«

»Ist das zufällig ein Würfelbecher?«, fragte Cat interessiert.

Geordie lachte. »Teufel noch mal, du möchtest wohl auch noch eine Lektion im Würfeln, oder, Lady Catherine?«

Cat zog einen Stuhl heran. »Allerdings, Lord Winton.« Es wurde zwei Uhr morgens, ehe die drei Würfelspieler es mit der Treppe versuchten. Sie schafften es, wenn auch nur gemeinsam und eng umschlungen.