21
»Vertraut mir, Sire.« »Vertraut mir, Catherine.«
»Männern kann man nie ganz trauen, William. Wenn die Königin wünscht, dass Ihr ihr Angebinde im Turnier tragt, wie kann ich da sicher sein, dass Ihr mein Tuch an eurem Herzen verwahrt?«, neckte Cat ihn.
»Es ist da ... fühlt«, drängte er heiser.
»Soll die Königin Euch befühlen«, zog sie ihn auf.
»Das tut sie«, sagte er unverschämt. »Deshalb bin ich ja ihr Favorit.«
»Und ich dachte, Ihr hättet sie mit Euren daktylischen Pentametern beeindruckt.« Cat leistete sich oft kecke Tändeleien mit Pembroke, Wortgeplänkel, die ihn auf Distanz hielten. Sie rückte ab und wechselte das Thema. »Welches Stück werden die Globe-Schauspieler nach dem Turnier aufführen?«
»Verlorene Liebesmüh. Ich glaube, es wird Euch gefallen.«
»Ach, mir muss es nicht zusagen, sondern Elizabeth.«
»Gefalle ich Euch, Catherine?«
»Was für eine Frage! Hätte ich Euch sonst mein Angebinde überlassen, Mylord?«
»Und werdet Ihr mich mit einem Ja beehren, wenn ich die Frage wage?«
»Ich könnte mich überreden lassen, Hand und Zuneigung dem Champion des Turniers zu schenken. Einem solchen Mann kann man nur schwer widerstehen.«
Vom Turnier angelockt, trafen in der Woche vor dem großen Jubiläum viele Edelleute samt Gefolge auf Whitehall ein. So erschienen Percy, Earl of Northumberland, und Clifford, Earl of Cumberland, und taten sich am Hof durch zahlreiche Forderungen zum Duell hervor, während die Damen ganz von der Planung ihrer prächtigen Garderobe in Anspruch genommen waren, die sie auf den für einen Shilling verkauften Zuschauerplätzen zur Schau zu tragen gedachten.
Catherine hatte für sich ein Kleid entworfen, mit dem sie sicher sein konnte, Aufsehen zu erregen. Da Elizabeth den jungen Damen an ihrem Hof leuchtende Farben verboten hatte, wählte Cat engelhaften weißen Samt. Wegen der extremen Novemberkälte dieses Jahres hatten sie und Maggie ein passendes, mit zarten weißen Schwanendaunen verbrämtes Schultercape aus Samt mit Kapuze entworfen. Ein weißer Muff vervollständigte die Aufmachung. Als alles fertig war und sie die Sachen anprobierte, wusste Cat, dass sie aussah wie die Schneekönigin aus einem Märchen.
Als die Hepburn Rose im Hafen von London festmachte, sah Patrick Eisschollen auf dem Wasser treiben. Diesmal war sein Vetter David Hepburn mitgekommen. Der stattliche junge Mann mit dem braunen Haar würde im Turnier als sein Schildknappe eine gute Figur machen. »Wäre hier nicht so viel Schiffsverkehr, die Themse wäre längst zugefroren.«
David riss die Augen auf. »Es ist mein erster Besuch in London, nie hätte ich mir träumen lassen, dass die Stadt so groß ist, Mylord.«
»Ein guter Rat, David. Lass dich vom Hof und von den Menschen, die sich dort herumtreiben, nicht beeindrucken. Du hast besseres Blut in dir als all die Höflinge zusammen. Dank deines natürlichen stolzen Auftretens wirst du jede Situation meistern. Ruf einfach: >Platz für einen Grenzlandmann!<« David fing zu lachen an, sah dann aber, dass Hepburn es ernst meinte.
»Wir lassen alles an Bord, während ich dich in Whitehall einführe. Als Erstes musst du mit dem Zeugmeister spechen, der dir einen Platz für mein Pferd, die Rüstung und die Lanzen anweisen wird.« Und ich werde als Erstes Pembroke einen Denkzettel erteilen!
In Whitehall führte Sir Henry Lee, der Zeugmeister, Patrick und David in den Marstall und teilte Hepburns Pferd, das nicht Valiant, sondern ein anderer großer Rappe war, den er im Turniertraining verwendet hatte, eine Box zu. Im Stall, in dem es sehr geschäftig zuging, bedankte Hepburn sich bei Lee und bemerkte leichthin: »Man sagte mir, ich solle mir Pembrokes Pferd anschauen - es soll ein prächtiges Tier sein.«
»Der Schimmelwallach dort drüben. Ihre Majestät hat eine Vorliebe für Schimmel. Solltet Ihr etwas benötigen, fragt einen Stallburschen, Mylord.«
Patrick schlenderte zu der großen Box, auf der Suche nach etwas, das William Herbert gehörte. Seine Sehergabe wurde ungemein beflügelt, wenn er etwas Greifbares in der Hand hatte, da ein Gegenstand einem oft verborgenes Wissen über den Besitzer enthüllte. Er erspähte eine kleine Tabakspfeife und griff sofort danach.
Im Palast erfuhr er von einem Diener, dem er eine Münze zuwarf, wo Pembrokes Suite lag. Patrick wies David den Weg zum Speisesaal, und ging dann in die Küche, um für sich etwas Essbares zu besorgen. Je weniger Menschen von seiner Anwesenheit wussten, desto besser. Er fand einen Alkoven der gemieden wurde, weil es durchs Fenster zog, und als der Abend nahte, versenkte er sich, den Kopf von Pembrokes Pfeife in der Hand, in tiefe Konzentration. Sofort wurde ihm klar, dass William Herbert die Pfeife beim Betreten des Stalles wegen der Brandgefahr ausgemacht und sie vergessen hatte, nachdem sein Pferd versorgt war.
Hepburns sechster Sinn suchte nach etwas Wesentlichem des Mannes, das auf dem Gegenstand zurückgeblieben war. Kaum hatte er etwas entdeckt, stellte sich sein inneres Auge darauf ein. Er lächelte langsam. Pembroke hat ein Geheimnis, das er zu verbergen sucht. Er hat auch ein Anliegen, nein, zwei, die miteinander in Verbindung stehen. Sein erstes Ziel ist leicht zu erkennen. Er möchte Elizabeths Champion im Turnier werden. Ich spüre eine Dreiheit - Elizabeth, Catherine und noch jemanden. Könnte das I so bei sein? Ich spüre auch eine Dreiheit der Gefühle - Ehrgeiz, Zuneigung und Feindschaft. Sein zweites Ziel ist die Ehe mit Catherine. Der Ehrgeiz steht in Verbindung mit Elizabeth und die Zuneigung mit Catherine. Feindseligkeit bringt er der dritten Frau entgegen - möglicherweise Isobel, falls sie ihre Einwilligung verweigert. H.epburn umfasste den Pfeifenkopf fester, konnte ihm aber keine weiteren Eindrücke entlocken. Nachdem er sein Ale ausgetrunken hatte, begab er sich in die Nähe von Pembrokes Räumen und wartete auf dessen Erscheinen.
Hepburn musste sich über eine Stunde in seinem Versteck gedulden, ehe Herbert seine Räume verließ. Der Earl trug einen dunklen Umhang, und Patrick, der spürte, dass er unterwegs zu einem Stelldichein war, folgte dem hoch gewachsenen blonden Mann.
Pembroke ließ Whitehall hinter sich und begab sich zur Canon Row, die in unmittelbarer Nähe lag. Patrick sah, dass er sich mit einem Jüngling traf, der ebenfalls in einen langen, dunklen Mantel gehüllt war. Die beiden sprachen miteinander, es schien Streit zu geben. Plötzlich spürte Hepburn, dass der schwarzhaarige Jüngling eine als Mann verkleidete Frau war.
»Teufelsbraten!«, murmelte er. »Sich als Junge zu verkleiden ist genau jene Art unbedachter Torheit, die dem kleinen Biest zuzutrauen ist!«
Hepburn merkte, dass es zwischen dem Paar nicht gut stand, da Pembroke fortging, zurück zum Palast, und das kleine, dunkle Frauenzimmer sehr verloren wirkte und zurückblieb, ehe es sich umwandte und ebenfalls ging. Hepburn unterdrückte das Verlangen, dem Höfling seinen Dolch zwischen die Rippen zu jagen, und überquerte statt dessen die Straße. Rasch überwanden seine langen Beine die Distanz zwischen sich und dem Mädchen. Energisch packte er ihre Schulter und drehte sie zu sich um. Die Frau war hübsch, doch sie war nicht Catherine.
Vor Angst einer Ohnmacht nahe, starrte die kleine junge Frau zu dem dunklen Riesen empor, der sich ihr so vertraulich genähert hatte.
Hepburn aber war nicht weniger erschrocken. »Ich bitte untertänigst um Entschuldigung, Mistress. Ich hielt Euch für eine Bekannte. Bitte, habt keine Angst. Ich will Euch nichts Böses.«
Mit einer leisen Verwünschung auf den Lippen eilte er davon. Die Wut auf Catherine hatte ihn blind für jegliche Vernunft gemacht. Seit dem Augenblick der ersten Begegnung, hatte sie die Macht, seine Träume ebenso zu beeinflussen wie seine Gedanken, Stimmungen und Taten. Und Hepburn war es nicht gewohnt, beeinflusst zu werden. Es störte ihn wie eine Klette unter dem Sattel seines Pferdes. Höchst gereizt, ging Patrick zurück nach Whitehall und suchte David. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Schiff, um an Bord zu nächtigen.
Am folgenden Tag forderte Hepburn Pembroke im Namen des Schwarzen Leoparden, der seinen Brustharnisch und Schild schmückte, zum Zweikampf heraus. Pembroke kämpfte im Zeichen der Goldenen Flamme. Viele Zweikämpfer folgten diesem Brauch, und ehe der Tag zur Neige ging, hatte Patrick auch die Rabenschwinge und den Roten Drachen herausgefordert.
Der 17. November dämmerte frisch und sonnig herauf. Im Old Whitehall Palace herrschte Feststimmung. Unzählige flatternde Banner mit dem Motto ELIZABETH REGINA verkündeten, dass der Jahrestag der Thronbesteigung angebrochen war.
Als Catherine ihren Sitz neben Philadelphia auf der Tribüne des Turnierplatzes einnahm, raubte ihr Kleid den anderen Damen buchstäblich den Atem. Cat genoss es in vollen Zügen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
»Ein aufregender Tag, findest du nicht? Männer, die mit riesigen Phallussymbolen aufeinander losgehen, versprechen doch Unterhaltung.«
Catherine lachte. »Ja, ein richtiger Hahnenkampf.«
»Die arme Kate wurde auserwählt, neben Ihrer Majestät zu sitzen, die heute sehr launisch sein wird, wie ich wetten möchte. Nun,, besser sie als ich, meine Liebe. Sieh doch, die Parade fängt an.«
Fünfzig Yeomen der Garde in voller Uniform führten den Zug aus Dutzenden von Herolden und Trommlern an. Dahinter ritten die Turnierkämpfer auf tänzelnden Rossen mit leuchtenden Seidenschabracken.
»Der Rote Drache ist Cumberland! Siehst du den Handschuh der Königin an seinem Helm? Er trägt das verdammte Ding als Zeichen der Ritterlichkeit«, erklärte Philadelphia.
Als die ersten zwei Streiter in die Schranken traten, brach die Menge in Jubel aus und trampelte mit den Füßen - nicht zuletzt, um sich warm zu halten. Cat erkannte in der Goldenen Flamme den Earl of Pembroke. Als er seine Lanze anlegte und lossprengte, stand sie auf und feuerte ihn laut an. Er warf die Rabenschwinge aus dem Sattel, und Cats Jubel ging im allgemeinen Beifall unter.
Die nächsten beiden Kämpfe endeten unentschieden, Philadelphia erstand für sich und Cat Becher mit Glühwein, um ihr Blut aufzuwärmen. Ein Stirnrunzeln verunzierte Cats Züge, als sie den Schwarzen Leoparden studierte. Angetan mit einer schwarzen Rüstung, trug er vom Helmbusch bis zu den Sporen ausschließlich Schwarz. In den Nischen ihres Bewusstseins regte sich eine Erinnerung. Er besiegte seinen Gegner mühelos, doch Cat wusste, dass Pembroke denselben Gegner bereits in einem früheren Kampf aus dem Sattel geworfen hatte.
»Der Schwarze Leopard ist ein gefährlich aussehender Teufel.« Philadelphia leckte sich die Lippen. »Und groß außerdem.«
Cat fiel ein, dass sie auf Crichton auf einem Stuhl gesessen hatte, dessen hölzerne Armlehnen die Form von Leopardenköpfen hatten. Hepburn-Leoparden. Das hatte Patrick gesagt. Erregung erfasste sie. Doch der Gedanke verflog, als die Goldene Flamme den Roten Drachen angriff und besiegte. Cat saß da und sonnte sich im Widerschein seines Ruhms, denn am Hof wussten viele, dass Pembroke um sie warb.
Die Herausforderer wurden der Reihe nach bezwungen, so dass bis zum frühen Nachmittag nur zwei Kämpfer für das Finale übrig waren. Der Schwarze Leopard und die Goldene Flamme.
»Liebling, du wirst doch nicht allzu enttäuscht sein, wenn Pembroke unterliegt?«, neckte Philadelphia sie.
»Das wird er nicht! Er ist Champion der Königin.«
»Nun, ich setze auf den großen Burschen. Ihre Lanzen mögen von gleicher Länge sein«, sagte sie anzüglich, »doch möchte ich wetten, dass der Schwarze Leopard seine Waffe mit mehr Ausdauer schwingt.«
Cat ließ die Kontrahenten nicht aus den Augen, als sie in die Schranken traten.
Es war wie ein Zweikampf zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis. Die Goldene Flamme auf ihrem milchweißen Pferd grüßte Elizabeth unter dem tosenden Beifall der Menge. Der Schwarze Leopard auf dem großen Rappen senkte sein Visier und legte die Lanze an.
Der Kommandostab fiel, Erdklumpen wurden in die Luft geschleudert. Hepburn stellte sich vor, wie seine Lanzenspitze den gegnerischen Schild mit solcher Kraft traf, dass der Herausforderer aus dem Sattel flog. Einen Sekundenbruchteil später geschah es genau so wie in seiner Vorstellung.
Der Schimmel galoppierte davon. Die Goldene Flamme lag ausgestreckt und reglos auf dem Boden. Eine Frau schrie auf. Pembrokes Knappe eilte auf das Turnierfeld. Catherine sprang auf, lief hurtig die Stufen der Tribünenreihen hinunter und stürzte an die hölzerne Barriere. Der Schwarze Leopard, noch immer hoch zu Ross, versperrte ihr die Sicht.
Hepburn blickte durch den Schlitz im Visier hinunter und sah Catherine. Sein Atem stockte beim Anblick der makellosen Schönheit in weißem Samt, deren zartes Gesicht von weißen Schwanendaunen umrahmt wurde. Ihr Blick verriet Besorgnis. Er hob sein Visier, damit sie seine Augen sehen konnte.
Cat schaute in seine schwarzen Augen und wich zurück. »Ihr!« Ihr Blick glitt über die jämmerlich auf dem Boden liegende Goldene Flamme. »Ihr habt ihn getötet!«, klagte sie ihn an.
»Nein, ich habe ihn nur in den Schlamm geworfen und seinen Stolz mit Staub bedeckt.«
Auch meinen Stolz, du arroganter schottischer Schuft, und das nicht zum ersten Mal.
Mit Hilfe seines Knappen kämpfte Pembroke sich wieder auf die Beine. Von den Tribünen erscholl lauter Beifall. Cat reckte ihr Kinn und kehrte, tapfer gegen das Gefühl der Demütigung ankämpfend, zu Philadelphia zurück. Als sie sich setzte, ergriff Philadelphia ihre Hand.
»Es ist Hepburn«, sagte Cat beklommen.
»Ja, ich dachte es mir.« Er hat keine Zeit verloren und ist gekommen, um seinem Besitz sein Zeichen aufzudrücken. Sie drückte Cats Hand.
Elizabeth erhob königlich die Hand und winkte die beiden Kämpfer zu sich. Stille senkte sich auf die Zuschauer. Der Schwarze Leopard saß ab und übergab Pferd und Lanze seinem Knappen. Dann ging er zu der Stelle, wo Pembrokes zerbrochene Lanze im Staub lag. Er hob das Angebinde der Königin auf, verbeugte sich nobel vor seinem besiegten Gegner und überreichte ihm unter dem lauten Jubel der Menge das flatternde seidene Banner.
Die beiden Männer traten zu Elizabeth und beugten die Knie. Sie gebot ihnen, sich zu erheben und sagte etwas, das nur die Kämpfer hören konnten. Der Mann in der schwarzen Rüstung neigte den Kopf und sprach Worte, die allein für ihre Ohren bestimmt waren.
Ihre Majestät, die Königin, erhob sich und gebot mit erhobenen Armen Stille. »Der Schwarze Leopard verzichtet edelmütig auf seinen Sieg, da er kein Engländer ist. Wir erklären daher die Goldene Flamme zum Sieger des Turniers der Königin. Ich lade nun beide Champions ein, ihre Schilde zu präsentieren, damit diese in der Schildegalerie ausgestellt werden können.« Die Menge, die das Spektakel aus vollem Herzen genoss, erhob sich und spendete frenetischen Beifall.
»Edelmütig?«, zischte Cat. »Hepburn hat in seinem ganzen Leben nicht edelmütig gehandelt.«
»Edelmut passt eher zu einer Frau ... Hepburn aber ist ganz Mann.«
Die Erinnerung ließ Cat erröten. »Mir ist kalt, Philadelphia«, log sie. »Ich muss jetzt wirklich gehen. Wir sehen uns abends.«
Catherine, die sich immer große Mühe mit ihrem Haar gab, plante für die abendliche Festlichkeit eine Hochfrisur mit ein paar losen Löckchen als weiche Umrahmung für ihr Gesicht. Maggie half ihr, eine Kette aus Kristalltropfen, die an winzige Eiszapfen gemahnten, in ihr Haar zu flechten. Ihr weißes Samtkleid ohne Schultercape und Kapuze war bis auf den tiefen Ausschnitt von strenger Schlichtheit. Als jedoch die mit weißen Kristallperlen besetzten Ärmel angefügt wurden, wirkte das Kleid auf einmal spektakulär.
Maggie legte ihr die zarte Halskrause um. »Wie ich hörte, hat Lord Stewart beim Turnier ein sehenwertes Schauspiel geboten.«
»Ja, er hat ein Schauspiel aus sich selbst gemacht.« Cat betrachtete ihr Spiegelbild. Ich werde es ihm zeigen! Sie benetzte die Lippen und kniff sich in die Wange. Ich werde ihm zeigen, was für ein Preis ihm entgangen ist!
Isobel betrat ihr Schlafgemach mit einem Sträußchen Tu-dor-Rosen. »Das kam eben für dich, Catherine. Ich glaube, es stammt von deinem ergebenen Verehrer.«
»Ach, wie hübsch. Sie müssen im königlichen Glashaus gezogen worden sein.« Catherine führte sie an die Nase, atmete den zarten Duft ein und seufzte. »Ein Höfling Elizabeths ist eben ein Muster an Galanterie.«
Cat erschien im Privataudienzsaal, wo das Stück sehr früh beginnen sollte, damit hinterher noch Zeit für das Bankett blieb. Sie erblickte Kate und Philadelphia und ging zu ihnen.
»Catherine, du siehst absolut göttlich aus«, meinte Kate. »Elizabeth wird sich heute wahrscheinlich verspäten. Sie ist besonders nervös und verdrießlich und hat die arme Mary Fitton den ganzen Tag in Trab gehalten. Ständig musste sie für die Königin etwas holen, erst Wein, dann Rosenwasser, um ihn zu verdünnen, schließlich glühende Kohlen für den Handwärmer und heiße Ziegel für die Füße. Hoffentlich hat sie sich nicht erkältet.«
»Oder wir müssen alle leiden«, sagte Philadelphia trocken.
»Die Globe-Spieler sind da. Soviel ich weiß, müssen wir uns bei William Herbert bedanken, der die Vorstellung arrangiert hat«, meinte Kate.
»Ja, er ist mit Shakespeare befreundet«, bestätigte Cat.
»Das ist Pembrokes großer Tag, erst als Goldene Flamme und jetzt als Elizabeths goldhaariger Schirmherr des Dramas.«
»Es wird eine Romanze gespielt«, sagte Cat zu Philadelphia. » Verlorene Liebesmüh.«
»Manche Romanzen sind sehr dramatisch ... wenn man Glück hat, Liebling.«
Catherine erblickte am anderen Ende des Raumes ihre Tante Beth und benutzte sie als Vorwand, um von Philadelphia fortzukommen, ehe diese weitere Anspielungen über Patrick Hepburn fallen ließ. Höllenfeuer!Ich muss ihn heraufbeschworen haben, schoss es ihr durch den Kopf, als sie ihn plötzlich erblickte. Cat wusste, dass sie Beth nie erreichen konnte, ohne dass Hepburns ausgreifende Schritte sie einholten, deshalb blieb sie stehen und nahm mit hochgerecktem Kinn eine herausfordernde Pose ein, als der schwarz gekleidete Teufel sich auf sie stürzte.
Sie blendete seine Augen. Es war, als zöge ihr weißes Kleid alles Licht an sich und hielte es fest. Mein! Er hatte das Gefühl, sie gehöre ihm allein. Mit sinnlichem Lächeln blickte er auf sie hinunter. »Es freut mich, dass dir meine Blumen gefallen haben, Catherine.«
»Deine Blumen?« Verzweifelt umklammerte sie das Sträußchen, während sie krampfhaft nach einer scharfen Antwort suchte. Seine Nähe bewirkte, dass ihr ganz heiß wurde und sie den Blick zu den Rosen senkte. Enttäuscht sah sie, dass sie in ihrer Erregung die zarten Blumen zerdrückt hatte. »Sie sind wundervoll. Erlaubt mir, dass ich sie mit Euch teile.« Impulsiv hob sie die Hände ganz hoch und ließ zerdrückte Rosenblätter über seine Schultern regnen.
Sie wollte sich umwenden und gehen, da spürte sie erschrocken, dass seine kräftigen Finger ihr Handgelenk umfassten und sie gefangen hielten. Ihre Augen blitzten zornig. »Mylord, Ihr tut mir weh ... abermals.«
Hepburn streifte ein Blütenblatt von der Schulter. Aus seinem Blick sprachen Verheißung und Drohung zugleich. »Du kannst dir den blauen Fleck ja heute Abend im Bett ansehen.«
Erst als er fertig war und nicht vorher, gab er sie frei.
Als Cat bei Beth anlangte, war ihr eine amüsierte Philadelphia schon zuvorgekommen. »In der Tat, verlorene Liebesmüh!«, murmelte sie.
Als Ihre Majestät in Begleitung von sechs Hofdamen einzog und Platz nahm, war dies das Zeichen für den Beginn der Vorstellung. Catherine war bemüht, sich auf die Geschichte zu konzentrieren, die nun gespielt wurde, doch schweifte ihre Aufmerksamkeit immer wieder ab. Sie und Pembroke, der in der Nähe der Königin saß, lächelten einander immer wieder zu, obwohl Cats Gedanken einem anderen galten, dessen Anwesenheit sie kaum ignorieren konnte. Noch immer vermeinte sie seine, wenn auch schmerzhafte, Berührung zu fühlen, ja, ihr verräterischer Körper schien sich förmlich danach zu verzehren.
Nur mit Mühe riss sie ihre Gedanken von Hepburn los und versuchte, sich auf die schwarzäugige Rosalind zu konzentrieren. Im Theater, aus größerer Entfernung zur Bühne, war ihr die Tatsache, dass die Schauspieler allesamt männlichen Geschlechts waren, nicht unangenehm aufgefallen, aus der Nähe aber wirkte es doch sehr störend, dass Rosalind ihren Text im Falsett und mit übertrieben weiblicher Gestik vortrug. Cats Blick überflog das Publikum, bis sie Hepburn erspähte. Er gab sich keine Mühe, seine verächtliche Belustigung über die lächerlichen Männer in Frauenrollen zu verhehlen. Cat wandte rasch den Blick ab. Zur Hölle mit dem arroganten Teufel!
Nach der Vorstellung begaben sich die Höflinge in den Bankettsaal, flanierten auf und ab, tauschten Artigkeiten und den neuesten Klatsch aus, bis die Königin mit ihren Damen eintrat und Platz nahm.
Der Earl of Pembroke verbeugte sich, und Elizabeth lud ihn ein, sich zu ihrer Rechten an die Ehrentafel zu setzen. Ihrem durchdringenden Blick, mit dem sie den Saal überflog, entging wenig. Wegen seiner Größe hatte sie den Mann, den sie suchte, rasch gefunden, und winkte Hepburn mit königlicher Geste zu sich. Auch er wurde eingeladen, ihr an der Ehrentafel Gesellschaft zu leisten und bekam einen Platz links und in einiger Entfernung von Ihrer Majestät angewiesen.
Kaum hatte Patrick sich gesetzt, als er eine vertraute Nähe spürte. Er schaute in das Antlitz seiner Tischnachbarin und erblickte die junge Frau, die ihm am Abend zuvor in Männerkleidung begegnet war. Auch sie erkannte ihn und geriet in Panik, wie er deutlich spürte. Er hatte keine Zeit verloren und die Identität der Dame, die ein Stelldichein mit Pembroke hatte, herausgefunden. »Keine Angst, Mary«, sagte er leise.
Sie umklammerte seinen Arm. »Bitte, Mylord, verratet mich nicht.«
Er gestattete seinen Sinnen, sie zu umfangen, als sie ihn berührte, und sein ausgeprägtes Empfindungsvermögen ließ ihn sofort spüren, dass sie von einem Mann betrogen wurde. Ihre Angst war greifbar, ebenso die Tatsache, dass sie ein Kind erwartete. Er legte seine Hand auf ihre. »Ich verrate nichts.«
Seine Stärke ging auf sie über, sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte.
»Mir ist Eure missliche Lage bewusst.« Er hielt ihren Blick fest. »Ihr solltet ihn nicht schützen. Tragt diese Bürde nicht allein. Gebt seinen Namen preis.«
Auf merkwürdige Weise ermutigt, senkte sie die Wimpern und nahm die Hand von seinem Ärmel. »Danke, Mylord.«
Nach dem Bankett wurde im Privatkabinett getanzt, Elizabeth aber rief Kate, ihre bevorzugte Kammerfau zu sich. »Ich fürchte, mir steht eine Erkältung bevor. Du weißt, wie ich es hasse, wenn jemand erfährt, dass ich mich krank fühle. Bring mich unauffällig zu Bett, Kate.«
Ermutigt durch die Abwesenheit von Elizabeths bohrenden Blicken, bat Pembroke Lady Catherine zum Tanz, und das nicht nur ein Mal, sondern immer wieder. Die Ärmelschlitze seines flammenfarbenen Wamses waren golden unterlegt und bildeten einen auffallenden Gegensatz zu Catherines schimmernder schneeweißer Robe. Das Paar zog alle Blicke auf sich und rückte in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit.
Cat erhaschte den Blick ihrer Mutter, der ihre Missbilligung darüber erkennen ließ, dass sie zu oft mit Pembroke getanzt hatte. Ihr Trotz regte sich. Zu William aufblickend bedachte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln.
Von Catherines empfänglicher Stimmung kühn gemacht, beugte er sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Bist du bereit für die Frage, meine Süße?«
Cat verdrängte eine Aufwallung von Panik. Im selben Augenblick schlenderte Hepburn mit Mary Fitton am Arm vorüber. Bei Tisch widmete er sich einzig und allein diesem leichtfertigen kleinen Ding, das erst siebzehn ist! Cat schenkte William einen koketten Blick. »Seid Ihr bereit für die Antwort?«
»Lady Catherine, wollt Ihr meine Countess of Pembroke werden?«
Ihre Antwort kam impulsiv, damit ihr keine Zeit mehr blieb, ihre Absicht zu ändern. »Es wäre mir eine große Ehre, William.«
Cat konnte der Versuchung nicht widerstehen, zum Frühstück den königlichen Speisesaal aufzusuchen. Sie wusste, dass sie das Gesprächsthema des Tages sein würde. Gerüchte und Geflüster verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, und sie sonnte sich zu gern in der Wärme der allgemeinen Aufmerksamkeit. Zwar liebte sie William, aber sie liebte es noch mehr, von allen Damen bei Hofe beneidet zu werden.
Elizabeth erschien mit denselben Damen, die sie auch am Abend zuvor bedient hatten. Cat fühlte mit Kate mit, die aussah, als läge eine anstrengende Nacht hinter ihr.
Das Zeremoniell verlangte, dass die Speisen der Königin gekostet wurden, ehe man sie ihr servierte. Ihre Majestät nahm sich eine kleine Portion Eier und begann zu essen. Plötzlich warf sie ihre Serviette hin und stieß den goldenen Teller von sich. Ihre schwarzen Augen funkelten zornig. »Fitton, kostet von allen Speisen. Ich finde diese Eier ungenießbar!«
Marys bleiche Miene verriet Entsetzen, als sie ihr Probiermesser nahm und sich langsam an das erste Gericht machte. Tapfer schaffte sie es, die üppigen Speisen von sechs Platten zu kosten, bevor sie sich übergeben musste. Das Erbrochene landete auf dem Tafeltuch der Königin und auf dem dicken Teppich, als sie sich buchstäblich die Seele aus dem Leib spie.
Elizabeth sprang auf, hochrot vor Erregung. »Gestern habt Ihr an Schwindel gelitten und wart einer Ohnmacht nahe, Miss Fitton. Heute leidet ihr an morgendlicher Übelkeit. Ich wette, dass Ihr guter Hoffnung seid!«, machte sie ihrem Argwohn Luft.
Die junge Hofdame schluchzte, während die immer gütige Kate eine in Rosenwasser getauchte Serviette brachte und ihr den Mund abwischte.
»Zurück, Kate! Dieses schamlose Flittchen verdient deine Hilfe nicht. Wer ist der Vater? Nenne sofort seinen Namen!«
Mary Fitton sank vor der erzürnten Elizabeth in die Knie und senkte den Kopf, zu verängstigt, um den Blick zu ihrer Königin zu erheben. »Der Vater ist William Herbert, Euer Majestät«, flüsterte Mary.
»Der Earl of Pembroke?«, rief Elizabeth schrill. »Wachen, nehmt Pembroke fest und schafft ihn in den Tower. Auch diese Frau bringt in den Tower. Aus meinen Augen mit ihr!«
Während Kate an Elizabeths Seite stürzte und leise und flehentlich auf sie einredete, saß Catherine wie betäubt da und fragte sich, ob sie richtig gehört hatte. Fast glaubte sie zu träumen. Das kann nicht sein. Das ist ein Alptraum, aus dem ich erwachen muss.
Volle zwei Minuten konnte sie die Realität dessen, was geschehen war, leugnen, dann wurde sie von einer Woge der Demütigung, Verlegenheit und Scham überwältigt. Cat wuss-te, dass sie nicht gehen konnte, ehe die Königin nicht den Saal verlassen hatte. Reglos dasitzend wäre sie am liebsten unsichtbar geworden, während ihr Leben bei Hofe in Stücke zerbrach und in winzige, scharfe Splitter zersprang.