Für Catherine entwickelte das Dinner sich zu ihrer großen Enttäuschung zu einer Übung in Zurückhaltung, da den beiden männlichen Gästen der Löwenanteil an Aufmerksamkeit zuteil wurde. Kate wies die Diener an, die Speisen erst Patrick und Robert anzubieten, ehe den Damen serviert wurde. Cat, die nur wenig Appetit hatte, staunte über die Mengen, die der Schotte vertilgte. Alle Anwesenden amüsierten sich, lachten und plauderten - mit Ausnahme von Cat, die wortlos dasaß und sich keine Mühe gab, ihre Abneigung und Missbilligung zu verbergen, was zu ihrem Leidwesen jedoch niemandem aufzufallen schien.
Als Philadelphia ihre Gäste zu dem am Samstag am Königshof stattfindenden Maskenspiel einlud, jedoch den Umstand unerwähnt ließ, dass Cat viele der Kostüme entworfen hatte und die Rolle der Mondgöttin Cynthia verkörpern würde, konnte Cat dem Drang, etwas Unerhörtes zu sagen, nicht mehr widerstehen. Sie leerte ihr Weinglas und kniff ihre Augen zu Schlitzen zusammen. »Lord Stewart, hoffentlich wisst Ihr, dass Schaffelle am Hofe Königin Elizabeths als unpassende Kleidung gelten.«
Stille trat ein, alle Köpfe wandten sich ihr zu.
»Lady Catherine, ich bedaure, dass mein Schaffell Euch missfiel, als wir uns heute im Wald begegneten.« Nun wandten sich die Köpfe ihm zu.
»Nicht das Schaffell war es, das mir missfiel«, erwiderte Cat charmant. »Es war der Wolf im Schafspelz. War Euch das Jagdglück gewogen, Mylord?« Alle warteten auf die Antwort.
»Ich habe das Wild gesichtet, ließ es aber entkommen, anstatt es zu erlegen. Die Rehgeiß war zu klein und für einen erfahrenen Waidmann keine echte Herausforderung.«
7.u klein bin ich, du unverschämter Lümmel? »Ganz recht... sicher wäre es sportlicher, ein Wild Eures Formats zu erlegen. Schwierig ist dabei nur Eure unnatürliche Größe. Zum Riesen reicht es nicht ganz - ungeschliffenes Ungetüm käme schon eher hin.«
Kate unterbrach Cat, ehe diese beschloss, ihm die Augen auzukratzen. »Warum gehen wir nicht nach nebenan auf einen Drink nach Tisch? Ich glaube, wir haben edlen Scotch da.«
Als die Herren aufstanden und den Damen den Vortritt ließen, fegte Catherine hoch erhobenen Hauptes an Patrick vorüber.
»Teufelsbraten«, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte.
»Höllenhund!«, gab sie so laut zurück, dass alle es hören konnten.
Vom empörenden Benehmen ihrer Tochter gehörig in Rage gebracht, packte Isobel Spencer Cats Arm mit schmerzhafter Festigkeit. »Du wirst dich entschuldigen und auf der Stelle verschwinden«, zischte sie.
Cat errötete tief und verwünschte ihre unbedachte Zunge. Als die Getränke eingeschenkt wurden, sagte sie: »Für mich keinen Wein mehr, danke. Entschuldigt mich bitte. Gute Nacht.«
»Natürlich, Liebes.« Philadelphia sah sie nachdenklich an. »Wir sehen uns morgen.«
»Süße Träume, Lady Catherine«, ließ Patrick sich vernehmen.
Ihre Blicke trafen sich und verharrten, Patricks herausfordernd, Cats trotzig. ~Zum Teufel mit Euch, verfluchter Lord Stewart!
Stunden später stand Patrick am Fenster und starrte hinüber zum Nachbarhaus, wobei er zerstreut ein Stück weißes Satinband befingerte. Seine Sinne waren noch vom Duft des Flieders, den sie im Haar getragen hatte, gesättigt. Catherine Spencer fand alles an ihm abstoßend: Größe, Aussehen, Kleidung, Manieren, Persönlichkeit und Nationalität, letztere ganz besonders. Was für eine Ironie des Schicksals, dass er alles an ihr völlig unwiderstehlich fand: Größe, Schönheit, Eleganz, Impulsivität, tollkühnen Mut und ihr Erbe, vor allem Letzteres. Sein Mund verzog sich zu einem seiner seltenen Lächeln. Sie ist die Herausforderung meines Lebens!
Trotz der übertriebenen Ablehnung, die sie ihm entgegenbrachte, war sich Patrick vollkommen sicher, dass er sie für sich gewinnen und zu seiner Frau machen konnte. Dass sie sich abgeneigt zeigen könnte, störte ihn nicht. Er war seinem Ziel viel näher als noch vor einer Woche. Die Beute war gestellt und markiert, nun galt es, sie in die Falle zu locken und überraschend zu fassen. Für die Zähmung war später Zeit.
»Süße Träume, Lady Catherine«, sagte er leise.
Catherine schwebte am Rand des Schlafes. Heute Abend war nichts so gelaufen wie erwartet. Daran war natürlich dieser Störenfried schuld. Es war ein großer Schock gewesen, ihm auf Hunsdon Hall wiederzubegegnen, und geradezu niederschmetternd, zu erfahren, dass er der Sohn des Devil Earl war, wie der berüchtigte und geächtete Bothwell genannt wurde. Sie konnte sich nur wundern, dass Robert ihn zu seinen Freunden zählte. Wenn er nicht auf der Hut war, würde dieser durchtriebene Schuft ihm die schöne Witwe vor der Nase wegschnappen und sie vernaschen.
Als sie nach Hause geschickt worden war, hatte es Cat dazu gedrängt, ihr Herz einer mitfühlenden Maggie auszuschütten, damit diese Balsam auf ihre Wunden gießen konnte, doch ihre Vertraute war schon zu Bett gegangen, und Cats Gewissen ließ nicht zu, ihre alte Amme zu wecken.
Oben angelangt, hatte sie ihre Schuhe von sich geschleudert, sich auf das Fensterbrett gestützt und in den dunklen Garten hinuntergeblickt. Sie bereute ihre vorschnelle Zunge, die sie aus der Gesellschaft jener, die ihr am nächsten standen, verbannt hatte. Viel besser wäre es gewesen, ein reizendes Lächeln zu zeigen und Patrick Hepburn zu ignorieren. Sie zog die Brauen zusammen. Wie sollte man einen sieben Fuß großen Klotz ignorieren?
Trotz ihrer schlechten Laune hatte sie ihr Kleid sorgsam in den Schrank gehängt. Es war eines ihrer Lieblingskleider, und es hätte ihr nichts gebracht, wenn sie ihren Missmut an der zarten Kreation ausgelassen hätte. Cat hatte ihr Nachtgewand angezogen und war ins Bett geschlüpft, entschlossen, am morgigen Tag ungeachtet jeder Provokation ihr bestes Benehmen zu zeigen, und jetzt gedachte sie, sich wirklich süßen Träumen hinzugeben!
Bereits im Halbschlaf vernahm sie ein feines Scharren an der Tür.
Als sie nachschaute, sah sie, dass es der schottische Jagdhund war, der sie im Wald mit seiner überschwänglichen Zu-traulicbkeit so erschreckt hatte. Sie ging in die Knie und legte die Arme um seinen dunklen, zottigen Nacken, erfreut, Gesellschaft zu haben, die nichts an ihr zu bekritteln hatte. »Ach, was für ein liebes, süßes Kerlchen. Du bist gekommen, damit ich mich besser fühle.«
Das große Tier stieß ein mitfühlenes Jaulen aus.
Cat kauerte vor ihm in tiefer Hocke. »Sabbath, so heißt du doch?«
Der Hund setzte sich und sah*sie voller Erwartung an.
»Ich habe mir immer schon einen Hund gewünscht, aber Mutter wollte es mir nie erlauben.«
Der zottige Hund stand auf, machte offensichtlich Anstalten zu gehen, änderte dann jedoch seine Absicht, als wollte er nicht ohne sie gehen.
Worte waren nicht nötig, Cat folgte ihm.
Zunächst kam es ihr im Garten so finster vor, dass sie die Hand auf den Rücken des großen Hundes legte und ihm vertrauensvoll folgte. Der Geruch der nachtduftenden Blumen erfüllte die Frühlingsluft, und als sie tief einatmete, wurde ihr schwindlig, und sie fühlte sich wie berauscht. Das süße Schlagen einer Nachtigall verwandelte den Garten in einen verzauberten, magischen, ja unirdischen Ort. Zuerst konnte sie seine Nähe nur spüren. Dann aber, als ihre Augen sich an den Indigoschatten gewöhnt hatten, sah sie seine hohe, dunkle Gestalt unter der Blutbuche. »Sabbath hat mich zu Euch geführt.«
»Satan brachte Euch.« Seine Stimme war tief und von geradezu hypnotischer Faszination.
»Man sagt, Satan leiste den Schotten immer Beistand.«
»Eine Legende.«
»Ich glaube an Legenden und Ihr auch, Lord Stewart.« Sie trat näher und schaute zu ihm auf »Ihr haltet die Hände hinter dem Rücken, damit Ihr nicht versucht seid, mich zu berühren.«
»Wenn ich Euch berühre, verfliegt der Traum.«
»Darf ich Euch denn berühren?«
»Es ist Euer Traum und Eure Entscheidung ... Es steht Euch frei, alles zu tun.«
»Noch nie bin ich jemandem wie Euch begegnet.«
»Ich weiß. Darin liegt meine Faszination.«
Ihr Blick glitt über seine breiten, muskelbepackten Schultern. »Ist Euch klar, dass Schaffell eine unpassende Kleidung ist?«
»Wenn es Euch stört, steht es Euch frei, das Fell zu entfernen.«
Der Impuls, ihn zu berühren, wurde so stark, dass sie nicht widerstehen konnte. Tollkühn und beherzt ging sie auf Zehenspitzen näher, um die Schaffellweste auseinander zu ziehen und seine Brust zu entblößen. Sie schaute wie gebannt zu, als das derbe Kleidungsstück seine Arme hinunterglitt und ins Gras fiel. Dann fiel ihr ein, dass es ein Traum war und sie alles bewirken konnte, eine Erkenntnis, die ihr Schauer der Erregung über den Rücken jagte.
Sie streckte die Arme aus und ließ ihre Fingerspitzen auf den großen Muskelpaketen seines Oberkörpers ruhen, dann folgte sie deren Umrissen und strich langsam über den Brustkorb. »Euer Körper ist hart und glatt wie Marmor.«
»Du hast ja keine Ahnung, Teufelsbraten.«
Sie lachte ihm in sein dunkles Gesicht. »Warum nennt Ihr mich so?«
» Weil der Name ideal zu Euch passt.«
Sie benetzte ihre Lippen. »Aber wir passen nicht ideal zusammen. Ich reiche mit meinem Ohr gerade mal bis an Euer Herz.« Impulsiv drückte sie ihr Ohr an seine Brust und fühlte den langsamen, stetigen, kraftvollen Schlag darin.
Sie rieb ihre Wange an seinem festen Fleisch und atmete tief ein. »Hmm, Ihr riecht nach Leder.« Nun merkte sie, dass ihr eigenes Herz wild pochte, und sie trat von ihm zurück.
»Wenn dies mein Taum ist und ich ihn bestimmen kann, wieso habe ich dann keine Gewalt über meinen eigenen Herzschlag? Meiner rast, während der Eure langsam und stetig ist. Das verrät mir, dass Ihr derjenige seid, der hier bestimmt, verfluchter Lord Stewart, dass Ihr Euch und auch mich beherrscht, Ihr dominanter Teufel!«
»So sollte es aber sein zwischen Mann und Frau, Cat. So wird es immer sein zwischen dir und mir.«
»Es gibt kein dir und mir, Hepburn. Zwischen uns wird es außer Feindseligkeit und Hass nichts geben.«
»Irrtum. Es regt sich bereits Trotz und Begehren.«
Cats Zorn explodierte. Impulsiv stellte sie sich auf Zehenspitzen und fuhr ihm mit den gespreizten Fingernägeln über die Wange. Dann drehte sie sich um und ergriff die Flucht.
Als sie am Morgen erwachte, standen ihr die Einzelheiten des seltsamen Traumes noch ganz lebendig vor Augen, und sie empfand tiefen Ekel vor sich. Wie konnte sie sich zu ihm hingezogen fühlen, und sei es nur im Traum? Allein die Idee war schon monströs. Er war der hassenswerteste, verachtenswerteste Mann, dem sie je begegnet war, und sie schwor sich, ihn zu meiden wie die Pest.
Da sie wenig Lust zu einem Besuch auf Hunsdon Hall hatte, entschloss sie sich, auszureiten. Ihr und Jasmine würde ein frischer Galopp gut tun. Sie zog ihr jagdgrünes Reitkleid an und legte eine gestärkte weiße Halskrause um. Ihr Haar fass-te sie zu einem französischen Knoten zusammen, den sie mit Elfenbeinnadeln und einem hellgrünen Band sicherte. Sie konnte nicht begreifen, warum Maggie sie so lange hatte schlafen lassen. Meist zog sie die Vorhänge schon bei Tages-anbuch zurück und half ihr beim Anziehen.
Kaum hatte Cat die Schlafzimmertür geöffnet, als ihr das Aroma frisch gebackener Teekuchen in die Nase stieg. Es ist Mai... vielleicht sind die Erdbeeren schon reif. Leichtfüßig lief sie die Treppe hinunter, fand das Speisezimmer leer vor und folgte ihrer Nase in die Küche. Sie riss die Tür auf und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Patrick Hepburn hielt vor Mrs. Dobson und Maggie Hof.
»Ach, Euer Lordschaft, wenn ich Euch so höre, bekomme ich Heimweh nach Seton.«
»Könnte ja sein, dass ich dich an Bord schmuggle und mitnehme, Maggie.«
»Verdammt!«
Auf ihren Ausruf hin drehte Patrick sich um und schaute sie an. Sie erstarrte, als sie den Kratzer auf seiner Wange sah.
Aus seinen Augen sprach Belustigung, als er sein Gesicht berührte. »Nur der Kratzer einer Katze. Kein bleibender Schaden.«
»Zu schade! Eine Narbe könnte Euer Aussehen verbessern.«
Zieh deine Krallen ein, Teufelsbraten.
Catherine starrte ihn entsetzt an. Sie hatte seine Gedanken so deutlich gehört, als hätte er die Worte herausgeschrien. Lieber Gott, kann er meine Gedanken lesen ? Bin ich noch immer in meinem Traum gefangen?
Sie merkte sofort, dass sie wach war, und schalt sich, weil sie sich Dinge einbildete. Dennoch wurde sie das merkwürdige Gefühl nicht los, in etwas so Vergänglichem wie zarten, feinen Spinnwebfäden gefangen zu sein.
»Ich sehe, dass ich Euch störe, Lady Catherine, und gehe deshalb.«
»Bitte, gebt Euch keinen Illusionen hin«, sagte sie süß.
»Danke für die Hasen, Lord Stewart.« Die Köchin knickste.
»Es war mir ein Vergnügen, Madam. Meine Hunde streifen ständig auf der Suche nach Beute umher. Gestern Abend bescherten sie mir einen seltenen Vogel...«
»Guten Tag, Lord Stewart.« Ihre Blicke trafen sich in einem Wettstreit des Willens. Und wieder hörte sie seine Gedanken. So leicht gehe ich nicht auf!
Er ging durch die Küchentür hinaus, mit dem Haus so vertraut wie ein langjähriger Bewohner.
Maggie bedachte Catherine mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Na, das wäre ein richtiger Mann für dich.«
»Nicht für mich, danke. Wenigstens ist mir jetzt klar, warum Mutter einen Engländer geheiratet hat.« Cat schauderte leicht und wechselte das Thema. »Bilde ich es mir ein, oder rieche ich Erdbeeeren?«
»Das ist keine Einbildung. Wir hatten einen großen Korb voll, doch das Bürschchen hat sie alle weggeputzt«, sagte Maggie liebevoll.
»Das Bürschchen? Er ist ein Hüne! Wie konntest du ihm alle Erdbeeren geben?« Sie dachte an seinen gewaltigen Appetit vom Abend zuvor.«Ach, egal. Ich genehmige mir stattdessen einen von deinen herrlichen Teekuchen.«
»Man muss seine Chance nutzen.« Maggie und Mrs. Dobson wechselten einen vergnügten Blick und brachen in Lachen aus. »Wir konnten wohl nicht widerstehen, ihn zu bemuttern.«
»Ich spüre ein ähnliches Verlangen. Ich kann dem Drang, ihn zu erwürgen, kaum widerstehen!« Cat gab sich mit Brot und Honig zufrieden. »Gottlob ist er von der Jagd zurück. Dann sind die Wälder wenigstens sicher.«
Ehe sie in den Stall ging, ließ sie ihren Blick über den herrlichen, weitläufigen Garten von Hunsdon wandern. Sie errötete, als ihr Blick auf die Blutbuche fiel. Das ist die Stelle, wo ich mich so hemmungslos benommen habe. Sie beruhigte sich damit, dass ja es nur ein Traum gewesen war. Und der Kratzer?, bewies ihre innere Stimme Beharrlichkeit. Ein Zufall, schloss sie.
Cat wollte durch den Wald zu einer Lichtung reiten, auf der immer Unmengen von Sternhyazinthen blühten. Der Duft und die Farbenpracht der Wiesenblumen hatten sie seit ihrer Kindheit alljährlich im Mai angelockt. Früher hatte sie nicht widerstehen können und dicke Sträuße der schönen Blumen mit den klebrigen Stängeln gepflückt, mit den Jahren jedoch hatte sie eingesehen, dass es besser war, sie wachsen zu lassen, damit sie sich fortpflanzen und die Wiese immer wieder schmücken konnten.
Während Cat durch den Wald ritt, sprach sie auf Jasmine ein, als könne das Pferd sie verstehen. Sie lobte es und tätschelte seinen Hals, überzeugt, dass das Schimmelchen spürte, wie sehr es geliebt wurde. »Bevor wir die Lichtung erreichen, werde ich dich an einem Baum festbinden, sonst kommst du womöglich auf die Idee, von den giftigen Hyazinthen zu naschen.«
Cat stieg aus dem Sattel und schlang die Zügel um eine junge Eiche. Sie sah das Himmelblau der Lichtung zwischen den Bäumen schimmern und sog entzückt den süßen, schweren Duft ein. Als sie sich der besonnten Wiese näherte, gewahrte sie, dass sie nicht allein war und erkannte im Näherkommen Robert Carey. Schon wollte sie seinen Namen rufen, hielt jedoch inne, als sie merkte, dass auch er nicht allein war. Robert redete auf jemanden ein, den sie nicht sehen konnte. Für den Fall, dass sein Gefährte Patrick Hepburn war, suchte sie Deckung hinter ein paar Maulbeerbüschen, um sich im Ernstfall rasch zurückziehen zu können, ehe er sie erspähte. Nun sah sie, dass Robert auf die Knie sank Dann tauchte ein Kopf aus dem Hyazinthenmeer auf. Das unverkennbare burgunderrote Haar verriet ihr, dass es Liz Widdrington war.
»Ich konnte es nicht erwarten, dich wieder unter mir zu spüren.«
Cat konnte nicht nur Roberts Worte deutlich hören, sie hörte auch die mitschwingende Intensität heraus und wusste sofort, dass es sich um ein romantisches Stelldichein handelte - schockierend und faszinierend zugleich für sie, da sie trotz ihrer lebhaften Phantasie von den intimen Vorgängen zwischen Mann und Frau kaum Ahnung hatte.
Cat war wohl bewusst, dass sie dieses intime und private Zwischenspiel weder beobachten noch belauschen sollte, wenn sie sich jedoch bewegte, würde man sie zweifellos ebenso deutlich hören können, wie sie das Paar hörte. Verhielt sie sich jedoch ruhig, war es unwahrscheinlich, dass man sie sah, da das Grün ihres Reitkleides sich harmonisch in die Umgebung einfügte.
»Sich unter freiem Himmel zu lieben ist köstlich verrucht«, sagte Liz.
»Ich werde dafür sorgen, dass du dich verrucht fühlst, Liebste.«
»Zieh mich aus, Robert. Ich möchte nackt in den Blumen liegen.«
Wie schamlos verwegen sie ist! Cat fragte sich, ob es die Liebe war, die eine Frau so werden ließ, und plötzlich regte sich Neid in ihr. Sie hörte Liz' lüsternes Lachen, und ihr war klar, wie unwiderstehlich dies für einen Mann sein musste. Sie ist Witwe. Robert ist nicht der erste Mann, mit dem sie zusammenliegt. Wieder empfand Cat Neid.
»Und jetzt sei ein braves Mädchen und öffne dich und legte deine Beine hoch um mich.«
Cats sah mit großen Augen, als sie zwei lange, schlanke Beine aus dem Hyazinthenbett auftauchen sah und Robert zwischen ihnen versank. Ein braves Mädchen ist sie ganz und gar nicht. Sie ist schlimm, und er kann nicht genug von ihr bekommen.
Waren ihre Reden schon lüstern gewesen, so waren die Laute, die sie nun von sich gaben, eindeutig erotisch. Cat stieg heiße Röte ins Gesicht und plötzlich merkte sie, dass sie an Brüsten und Schenkeln spürte, wie ihre Unterwäsche sie rieb.
»So ist's brav. Bleib bei mir, Süße«, keuchte Robert, während die kreisenden Bewegungen des Paares an Raserei gemahnten.
Liz' Schreie steigerten sich zu einem Crescendo, dem ein langes wonniges Stöhnen folgte.
Cat ertappte sich dabei, dass sie selbst beinah aufkeuchte! Sie paaren sich vor meinen Augen! Nun war alles ruhig, das Paar lag erschöpft da, und Cat überlegte, wie sie unentdeckt entkommen konnte. Da hörte sie Roberts Stimme: »Wirst du mich heiraten, Liz?«
»Liebling, ich dachte schon, du würdest nie fragen«, antwortete Liz in schmachtendem Ton.
Cat spürte ihr Inneres dahinschmelzen. Ach, er macht ihr einen Antrag, und sie nimmt an. Was für eine reizende Braut Liz sein wird. Sie seufzte. Wie romantisch, sich auf einer Hyazinthenwiese zu lieben. Leise trat sie den Rückzug aus den Maulbeerbüschen an und bahnte sich vorsichtig ihren Weg zurück zu Jasmine.
Als sie nach Hause ritt, wurde ihr klar, dass sie trotz ihres anfänglichen Schocks eine wertvolle Lektion erhalten hatte. Sie wusste nun, dass sowohl Mann als auch Frau bei der Paarung Lust empfanden, ein Gedanke, der sie erregte.
Nach ihrer Rückkehr brachte sie Jasmine in den Stall von Hunsdon und bat einen Stallburschen, das Pferd für den Rest des Tages auf die Koppel zu lassen. Dann ging sie nach Hause, um sich umzuziehen, da es schwül geworden war und der Samt ihres Kleides sie zu sehr wärmte. Ihre erhitzen Wangen jedoch waren vielleicht nicht allein auf das Wetter zurückzuführen, wie sie zugeben musste.
Cat wählte ein pfirsichfarbenes Batistkleid. Die braunen Seidenstiefmütterchen, mit denen Leibchen und Ärmel bestickt waren, trugen bernsteingelbe Perlen als Mittelpunkt. Sie löste ihr Haar und bürstete es, dann schlang sie ein dem Farbton des Kleides entsprechendes Band um den Kopf, um das Haar aus dem Gesicht zu halten und die dunklen Locken kaskadengleich über den Rücken fallen zu lassen. Kritisch begutachtete sie ihre Erscheinung im hohen Spiegel und entschied, dass sie mit offenem Haar viel zu jung wirkte, aber noch ehe sie die Gelegenheit bekam, etwas zu ändern, warf sie einen Blick zum Fenster hinaus und sah Arbella Stuart, die vom Fluss herauf aufs Haus zukam. Rasch lief Cat hinunter und trat ihr auf dem Weg entgegen.
»Bella, trotz meiner Einladung hätte ich nie erwartet, dass du wirklich nach Richmond k&mmen würdest. Ist alles in Ordnung?«
»Alles ist wundervoll.« Arbella war atemlos vor Erregung. »Da ich es nicht erwarten konnte, dir alles zu erzählen, hielt ich es für das Beste, herzukommen, damit man uns gemeinsam nach Whitehall zurückkehren sieht.«
Cat nahm ihr die kleine Tasche ab. »Sehr klug. Bei so vielen Spähern am Hof muss man den äußeren Schein wahren.«
Als Catherine mit Arbella eintrat, blickten Isobel und Maggie erstaunt auf, deshalb erklärte Cat rasch: »Ich habe Bella nach Richmond eingeladen, damit sie den Tag mit mir verbringt. Tut mir Leid, dass ich vergessen habe, es zu erwähnen.«
»Lady Arbella ist hier jederzeit willkommen«, sagte Isobel zuvorkommend. »Wie geht es deiner lieben Großmutter?«
»Danke, sehr gut, Lady Spencer.«
»Catherine, du musst Arbella nach nebenan bringen, damit sie die anderen Gäste kennenlernt. Wir sind zu einem frühen Abendessen geladen, ehe es abends wieder flußabwärts geht. Lady Scrope hat eine verwitwete Freundin aus Carlisle eingeladen, und Philadelphias Bruder Robert Carey ist ebenfalls anwesend. Sein Gast Lord Stewart ist mit dir weitläufig verwandt, glaube ich.«
»Patrick Hepburn ist mit dir verwandt?«, fragte Cat erstaunt.
»Er muss es wohl sein.« Bella zog die Brauen zusammen. »Lord Stewart ist mit König James verwandt, und mein Vater und der Vater des Königs waren Brüder. Ich würde gern seine Bekanntschaft machen.«
»Das bezweifle ich«, sagte Cat trocken.
Ihre Mutter ging sofort in Stellung. »Ich werde nicht dulden, dass du dich wieder so unmöglich aufführst wie gestern, meine Liebe! Lord Stewart und ich haben ein wunderbares Gespräch geführt, als wir einander vorgestellt wurden. Er war so zuvorkommend, mir eine Nachricht meines teuren Vaters Gordon Seton zu überbringen, den ich über zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen habe.«
Maggie warf ein: »Lord Stewart sagte zu deiner Mutter, wie sehr du ihn an deinen Großvater Geordie erinnerst!«
»Aber mein Großvater ist Schotte. Wie kann ich ihm ähnlich sein?«
»Ich habe Vater als ausnehmend hübschen Mann mit kohlschwarzem Haar wie deines in Erinnerung. Allerdings war er immer eigenwillig wie der Teufel persönlich«, setzte Isobel hinzu.
»Wenn man es recht bedenkt, ist die Ähnlichkeit schon unheimlich«, sagte Maggie mit todernster Miene.
»Dann hast du nichts zu befürchten. Ich werde mich der geschliffenen Manieren befleißigen, die ich von meinem Großvater, dem Earl of Winton, geerbt habe.«
Cats Lächeln war gelassen. Sie wusste, dass sie das letzte Wort gehabt hatte. Sie führte Bella hinauf und brachte sie in dem Gemach neben ihrem unter. »Ich dachte schon, wir würden nie von ihnen fortkommen. Ich platze vor Neugierde, was du letzte Nacht erlebt hast.«
»Nun, ich bin nicht sicher, ob ich so intime ...«
»Pst!« Cat legte den Finger an die Lippen. »Die Wände haben Ohren«, flüsterte sie. »Lass uns lieber in den Garten gehen. Dort kann uns niemand belauschen.«
Sie fanden ein ideales Plätzchen auf einer der hölzernen Gartenbänke am Fischteich, in dem orange und schwarze Karpfen an die Oberfläche glitten, um Insekten zu fangen. »Erzähl mir alles«, beschwor Cat ihre Freundin.
Da Robert Patrick sich selbst überlassen hatte, während er sich der reichen Witwe widmete, flüchtete sich der Schotte vor den Damen des Hauses in die Bibliothek von Hunsdon Hall. Er überflog die Bücherborde, blätterte in Arzneibüchern mit zahlreichen Rezepturen, in Lyrikbänden und astrologischen Texten. Es gab Dramensammlungen, Gebetbücher und historische Wälzer. Als er einen der Folianten aufschlug, entdeckte er eine Stammtafel der Familie Carey, der er entnahm, dass sie von Mary Boleyn abstammte. Jemand hatte den Namen ihres Gatten William Carey ausgestrichen und ihn durch Henry Tudor ersetzt. Patrick schmunzelte. Alle zehn Carey-Sprösslinge sind stolz darauf, dass ihr Vater, Lord Hunsdon, ein Bastard König Henrys ist!
Plötzlich zog er die Brauen zusammen, als er sah, dass hinter Hunsdons Namen sein Todesjahr angeführt war. Es war das Jahr 1602, das laufende Jahr. Als er wieder hinsah, war das Datum verschwunden und die Stelle war leer. Patrick war sofort klar, dass er Hunsdons Tod noch in diesem Jahr vorausgesehen hatte. Roberts Bruder George würde der nächste Lord Hunsdon sein, und seine rundliche blonde Frau Beth, die hier weilte, noch vor Ablauf des Jahres Lady Hunsdon. Er klappte den Band laut zu und fragte sich, ob er sein Wissen mit Robert teilen oder es lieber für sich behalten sollte. Patrick wusste, dass der Tod seine Schatten vorauswarf. Ob er auch voraussehen konnte, wann Elizabeth dieses irdische Jammertal verlassen würde?
Als Patrick nachdenklich durch die hohen Türen der Bibliothek in den Garten hinausschaute, erstarrte er bei dem Anblick, der sich ihm bot. Die schöne und wieder sehr elegant gekleidete Catherine saß in angeregter Unterhaltung mit einer ihm unbekannten jungen Frau am Fischteich. Nicht um ihre Gespräch zu belauschen, sondern um zu erfahren, wer Cats Freundin war, spitzte er die Ohren.
»Nein, wir haben es nicht gewagt, uns im Londoner Haus seiner Eltern zu treffen. Stattdessen brachte er mich ins Pförtnerhaus.«
»Ach, Bella, hoffentlich hat euch niemand gesehen.«
»Nur ein paar Diener, und die mussten Will Verschwiegenheit schwören.«
»Arbella, du weißt doch, wie Dienstboten klatschen!«
Das muss Arbella Stuart sein, erkannte Patrick. Sie sieht um Jahre älter aus als Catherine, aber Cat sieht jünger aus, als sie wirklich ist.
»Wie lange bist du geblieben?«
»Natürlich die ganze Nacht.«
»Bella, du hast doch nicht mit ihm geschlafen?« Cat klang entsetzt.
»Viel geschlafen haben wir nicht«, antwortete Arbella selbstzufrieden.
Sie hat mit einem Will herumgehurt. Patrick interessierte sich nicht für Arbellas Moral, sondern nur für jene Catherines.
»Hat Will mit dir Liebe gemacht?« Cat fragte es ganz atemlos.
Arbella beschränkte sich auf ein zufriedenes Lächeln.
Cat seufzte und dachte an die Liebesszene, deren Zeugin sie an diesem Tag geworden war. »Dann hat er dich gebeten, ihn zu heiraten!«
Bellas Lächeln erlosch. »Nein! Aber ich bin sicher, dass er es noch tun wird, sehr bald sogar. Vielleicht schon nächstes Mal.«
Patrick lachte insgeheim. Wie naiv der kleine Teufelsbraten war!
»Ihr werdet fliehen müssen. Glaubst du, Will Seymour wird in eine heimliche Trauung einwilligen?«
Gott im Himmel! Die durchtriebenen kleinen Biester ließen sich auf eine Sache ein, die sie in den Tower bringen konnte! Eine Heirat William Seymours und Arbella Stuarts bedeutete eine Vereinigung zweier Thronansprüche. Elizabeth würde außer sich geraten, und der arme König James von Schottland würde sich in die Hose machen! Patrick überlegte angestrengt, was zu tun war. Ruhig Blut, Hepburn. Momentan bumst Seymour sie nur und hat nicht die Absicht, sie zu seiner Gemahlin zu machen. So tollkühn kann er nicht sein!
Dennoch war Patrick entschlossen, die zwei törichten Verschwörerinnen in ihrem eigenen Interesse im Auge zu behalten.