9
Patrick war an Deck geblieben, bis die Hepburn Rose die Mündung der Themse und damit die Nordsee erreichte. Als der befürchtete Regenguss kam, ging er hinunter in seine Kabine, um seine Sachen zu wechseln. Er hatte gerade sein durchnässtes Hemd ausgezogen und rieb seine Schultern trocken, als er ein Pochen an der Tür vernahm. Er öffnete und sah erstaunt, dass Catherine vor ihm stand. »Tretet ein.«
Sie trat ein und bemühte sich, nicht seine nackte Brust anzustarren. In der Hoffnung, gebührend zerknirscht zu klingen, sagte sie: »Es tut mir Leid, Euch zu stören, Mylord, aber ich brauche dringend etwas gegen Übelkeit.«
Patrick runzelte die Brauen, sein Inneres krampfte sich zusammen. »Seid Ihr guter Hoffnung, Teufelsbraten?«
Catherine schnappte buchstäblich nach Luft. Mit geballten Fäusten ging sie auf ihn los und trommelte auf seine nackte Brust. »Unverschämter Bastard! Maggie ist speiübel. Ich brauche etwas gegen ihre Seekrankheit.«
Patrick packte ihre Fäuste und lachte erleichtert. »Ach, Seekrankheit? Das ist alles?« Er ließ sie los und ging an einen in die Kabinenwand eingelassenen Schrank, dem er einen kleinen Flakon entnahm. »Dies enthält etwa vier Unzen Ingwerwein mit Laudanum versetzt. Der Ingwer müsste ihren Magen beruhigen. Und das Laudanum fördert den Schlaf.« Seine dunklen Augen sahen sie forschend an. »Braucht Ihr eine Dosis für Euch selbst, Cat?«
Zornbebend stieß sie hervor: »Seid versichert, Lord Stewart, dass ich nichts von Euch brauche!« Sie griff nach dem Flakon und flüchtete.
Catherine hatte kaum die Tür ihrer Kabine geöffnet, als ihr schon der üble Geruch von Erbrochenem in die Nase stieg. Sie zwang sich, rasch zu schlucken, und trat ein. Maggie saß auf dem unteren Bett, die Arme um den Leib geschlungen. Das Nachtgeschirr auf dem Boden floss beinah über. »Ach, mein armes Liebes, hier ist ein wenig Ingwerwein, der deinen Magen beruhigen wird. Hepburn schwört darauf«, sagte sie ermutigend. Cat warf ihren Umhang ab, setzte sich neben Maggie und hielt ihr das Fläschchen an die blauen Lippen. »Trink ganz langsam.«
Maggie gehorchte und trank zwischen tiefen Atemzügen. Sie würgte zwar noch einige Male, doch es kam nichts mehr hoch.
»Ach, Gott sei Dank, ich glaube, es hilft. Trink alles aus.«
Binnen zehn Minuten hörte Maggies Erbrechen auf, und ihre Übelkeit hatte sich völlig gelegt. Cat brachte Wasser und ein frisches Handtuch, um ihr Gesicht und Hände zu reinigen. »So, bestimmt fühlst du dich jetzt viel frischer. Nun leg dich hin, und ruhe dich aus.« Catherine hüllte ihre Begleiterin in eine warme Decke und stieß nach wenigen Minuten ein Dankgebet aus, weil Maggie eingeschlafen war.
Mit Widerwillen beäugte Cat den überfließenden Nachttopf. Sie wusste, dass ihr nichts anderes übrig bleiben würde, als sich seines üblen Inhalts zu entledigen. Widerstrebend hüllte sie sich in ihren Umhang und griff nach dem Gefäß, aber noch ehe sie es berührt hatte, wurde sie von trockenen Würgekrämpfen erfasst. Cat presste die Hände auf den Magen, um den Brechreiz zu beruhigen, und schließlich war es geschafft. Sie wusste, dass sie sich übergeben hätte, wenn sie etwas zu sich genommen hätte. Komm schon, du kannst das! Catherine hielt den Atem an und stellte sich der Aufgabe. Ganz vorsichtig hob sie das Nachtgeschirr und schaffte es mit ihm bis auf den Gang hinaus. Im Rhythmus der Schiffsschwankungen erklomm sie im Schneckentempo die Treppe zum Deck.
Der strömende Regen war eine Überraschung, die sie fast umwarf, doch erlangte sie ihr Gleichgewicht wieder und schüttete, die Reeling fest umfassend, den Inhalt des Nachtgeschirrs ins Meer. Sie war so erleichtert, diese schwierige Aufgabe bewältigt zu haben, dass sie plötzlich den glitschigen Topf fallen ließ, worauf dieser übers Deck davonrollte. »Verdammt!« Sie hatte mehr Verstand, als ihm nachzukriechen. Inzwischen nass bis auf die Haut, zitterte sie so sehr, dass ihre Zähne klapperten. So rasch wie möglich stieg Cat wieder hinunter zu ihrer Kabine. Drinnen warf sie den Umhang ab und lehnte sich an die Tür, um zu Atem zu kommen. Plötzlich hatte ihre Kampfkraft sie verlassen, und sie fühlte sich schwach wie ein Kätzchen. Cat fror und wusste, dass sie aus ihrem nassen Unterrock heraus und unter die warme Decke des oberen Bettes musste, doch vorher musste sie die Katastrophe auf dem Kabinenboden beseitigen. Mit dem letzten Quäntchen Kraft nahm sie das Handtuch, mit dem sie Maggie gesäubert hatte, und wollte sich eben bücken, als eine plötzliche Blutleere im Kopf sie schwindlig machte. Sie streckte die Arme aus, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, griff in leere Luft und sank ohnmächtig zu Boden.
Patrick stellte sein Weinglas mit lautem Klirren hin. Er wusste sofort, dass Catherine in Schwierigkeiten war. Er hatte eben sein Abendessen beendet, als ihn eine heftige Vorahnung übermannte. Ehe sein Herz den nächsten Schlag getan hatte, war er auch schon auf den Beinen und rannte los.
Als er die Kabinentür öffnete, würgte er, so intensiv roch es hier nach Erbrochenem. Maggie schlief fest in ihrer Koje, Catherine lag als kleines Häufchen Elend auf dem Boden daneben. Als Patrick sie hochhob, spürte er, dass sie klatschnass war, eiskalt und bewusstlos. Er trug sie aus der Kabine und brachte sie in seine. Er hatte keine Ahnung, ob sie erbrochen hatte, er sah nur, dass sie totenbleich war. Patrick nahm einen kleinen Flakon Ingwerwein aus dem Schrank und machte sich daran, sie auszuziehen. Da keine Zeit war, um Wäschebändchen zu suchen, riss er ihr den nassen Unterrock einfach herunter. Dann hüllte er ihren nackten Körper in eine seiner Decken und setzte sich mit ihr auf den Knien nieder. Er strich ihr feuchtes Haar zurück und tätschelte leicht ihre Wange. »Catherine, Cat... wach auf. Sieh mich an.«
Cat, die nicht wusste, wo sie sich befand, sich aber sofort wärmer und geborgener fühlte, wollte nur schlafen. Sie hörte aus der Ferne leisen Trommelschlag, ganz weit weg, unablässig. Allmählich wurde er so laut und kam aus so unmittelbarer Nähe, dass sie die Augen aufriss. Benommen stellte sie fest, dass sie auf Patrick Hepburns Schoß lag und ihr Ohr an sein Herz gedrückt war, das langsam und stetig schlug.
»Catherine, trink das hier.« Er sah ihr so tief in die Augen, dass sie wie gebannt war, ohne eigenen Willen. Gehorsam öffnete sie den Mund und trank die Flüssigkeit, die er ihr an die Lippen hielt. Der würzige Ingwer mit dem bitteren Nachgeschmack wärmte Kehle und Magen. Er wiegt mich wie ein kleines Kind. Sie merkte nicht, dass es das Schiff war, das schwankte. Ihre Lippen schürzten sich. Mir gefällt es, gewiegt zu werden. Ihre Augen wollten ihr zufallen, und schließlich gab sie nach. Fünf Minuten, und sie lag fest in Morpheus' Armen.
Mit sanften Händen wickelte Patrick die Decke auf und blickte auf ihren schönen Körper hinunter. Nachdem er sich satt gesehen hatte, drehte er sie um, so dass sie mit dem Gesicht nach unten auf seinen Knien lag. In seinen Augen blitzte es belustigt auf, als er die Tätowierung über ihrer Gesäßhälfte studierte. Da konnte Patrick nicht widerstehen, mit den Fingerspitzen über die kleine schwarze Katze zu streichen, bis er sie schnurren zu hören vermeinte. Eine Woge der Zärtlichkeit erfasste ihn. Sie war so klein, so verletzlich, und er wusste, dass noch kein weibliches Wesen so stark an seine Beschützerinstinkte gerührt hatte.
Patrick trug sie zu seiner Koje und bettete sie sanft hinein.
Dann zog er sich aus, drehte die Laterne herunter. Nun legte er sich neben sie und zog eine weiche Schafwolldecke über sie beide. Er drehte sie auf die Seite und schmiegte dann seinen langen Körper an ihren Rücken, so dass sie in seinem Schoß lag. Kaum berührte ihr nacktes Fleisch seinen Schwanz, wurde er hart vor Verlangen, doch verhinderte sein eiserner Wille ein ungezügeltes Aufflammen seiner Leidenschaft.
Patrick schob ihren Kopf unter sein Kinn, schlang seine starken Arme um sie und umfasste ihre Brüste. Es fühlte sich so richtig, so vollkommen an, da6s er wusste, so wollte er für den Rest seines Lebens schlafen. Um seinen Mund zuckte es amüsiert, als er sich ihre heftige Reaktion vorstellte, hätte sie gewusst, dass sie nackt zusammen im Bett lagen. Die Namen, mit denen sie ihn belegen würde, würden seine Ohren versengen, und jeden einzelnen hätte er verdient. Er dachte daran, wie sie vorhin auf seine Brust eingeschlagen hatte. Hätte sie gewusst, was er jetzt mit ihr anstellte, würde sie nicht nur ihre Fäuste zu Hilfe nehmen. Vermutlich würde sie ihn treten und beißen. Sein Schwanz pulsierte an ihrem Hinterteil, und Patrick verspürte keine Spur von Reue. Er wollte Catherine Seton Spencer und hatte die Absicht, sie zu bekommen. Was für eine glückliche Fügung, dass sie ihm enormen Reichtum und Landbesitz bescheren würde. Dieser kleine Teufelsbraten!
Der Schlaftrunk, den Catherine zu sich genommen hatte, bescherte ihr sonderbare und phantastische Träumen, die zugleich erstaunlich realistisch wirkten.
Sie war ein schwarzes Katzentier, keine richtige Katze, eher ein Leopard. Sie lag in einer Höhle, an ihr kraftvolles Männchen gekuschelt, das doppelt so groß war wie sie. Sie fühlte sich völlig sicher neben ihm, räkelte sich und kostete die Wärme und den Schutz seines Körpers aus. Als sie die großen gelben Augen aufschlug und ihn ansah, stieß er ein tiefes, kehliges Knurren aus, stand auf und stellte sich in dominanter Haltung über sie. Sie krümmte sich unterwürfig zusammen, und er neigte den großen Kopf und leckte sie mit seiner rauen Zunge. Es fühlte sich so sinnlich an, dass sie tief in ihrer Kehle zu schnurren begann.
Ohne ersichtlichen Grund veränderte sich der Traum und verwandelte sie von einem Katzentier in eine Frau.
Zwei Wachen, die gekommen waren, um sie in ihrem Unterrock festzunehmen, flankierten sie. »Euch wird Verschwörung gegen Ihre Majestät, die Königin, zur Last gelegt.«
»Wohin bringt man mich?«
»In den Tower von London.«
»In den Tower? Ich gehe nicht!«
Sie blieben vor einer eisenbeschlagenen Eichentür stehen, öffneten sie und drängten sie hinein. Eine hohe, dunkle Gestalt erwartete sie. Heiße Wut brach sich bei ihr Bahn. »Ihr! Ihr Ungeheuer! Ihr habt mir dies angetan!«
Patrick Hepburn zog amüsiert eine Braue hoch und legte langsam seine Kleider ab. Dann trat er auf sie zu und riss ihr den Unterrock vom Leib. Als sie mit den Fäusten gegen seine nackte Brust trommelte, hielt er ihre Hand fest, öffnete ihre Finger und legte ihr einen großen eisernen Schlüssel auf die Handfläche. »Es steht dir frei zu gehen, Teufelsbraten.«
Sie schob ihr Kinn vor und trat mit der Selbstsicherheit einer stolzen Katze zum Fenster. Mit großer Geste warf sie den Schlüssel hinaus.
Patrick trat hinter sie, legte seine Arme um sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Lady Catherine, Ihr seid verführerisch wie die Sünde. Seid Ihr bereit, Euch unerschrocken Eurem Schicksal zu stellen?«
Sie rieb ihr nacktes Hinterteil an seiner harten Länge. »Das bin ich, verfluchter Lord Stewart!« Cat leckte sich die Lippen. Dieser elende Bastard!
Catherine kämpfte sich durch Schichten des Schlafes hindurch, mit geschlossenen Augen daliegend, eingelullt von einem sanften, schaukelnden Gefühl, das sie träge machte. Schließlich brachte sie die Energie auf, die Augen aufzuschlagen. Anfangs war sie ein wenig desorientiert, als wäre die Kabine herumgedreht. Langsam setzte sie sich auf und starrte die zwei großen Jagdhunde an, die dasaßen und sie hochbeglückt ansahen. »Satan! Sabbath!« Mit einem Schlag wusste sie, in wessen Kabine sie sich befand, und dann merkte sie, dass sie nackt war.
Die Tür ging auf, Patrick Hepburn trat mit einem Tablett ein. Er hielt die Tür mit seinem Fuß auf. »Hinaus mit euch. Ich möchte nicht, dass Hund und Katze sich um das Frühstück balgen.«
Ihre Augen blitzten drohend, als sie in eisigem Ton ganz ruhig fragte: »Wie bin ich hierher gekommen?«
»Ich habe Euch betäubt und in mein Bett verschleppt.«
»Es ist mir ernst, Sir!«, fuhr sie ihn an.
»Mir auch, Catherine.« Sein Blick hing an ihrem Gesicht, dann registrierte er wohlgefällig ihre wirre Haarwolke. Bis jetzt hatte er sie immer nur makellos gepflegt gesehen. »Ich dachte, wir könnten im Bett essen.« Er blinzelte. »Ach, übrigens schulde ich Euch einen Unterrock.«
Ihre Miene verriet ihm, wie niederschmetternd seine Worte auf sie wirkten. Sofort versuchte er seine Bemerkung wieder gutzumachen. »Cat, ich wollte Euch nur necken.« Sie war so erleichtert, dass es seinen Stolz traf. »Jetzt gehe ich und hole Maggie, damit man eure Kabine säubern kann. Ich glaube, das Frühstück reicht für euch beide.« Er stellte das Tablett ab und ging wieder.
Als Cat sich von der Koje erhob und sich in die Decke hüllte, stieg ihr sein unverkennbarer Duft in die Nase. Der Geruch muss an der Decke hängen, an meinem Körper kann er unmöglich sein!
Später, am frühen Nachmittag, als die See ruhig schien, wagte Catherine sich an Deck. Sie lechzte nach frischer Luft, noch mehr aber sehnte sie sich danach, das Abenteuer einer Seereise auszukosten. Sie zog ihren blauen Wollumhang um sich und wagte sich ganz langsam, Schritt für Schritt, die Reeling fest umfassend, voran. Als die Brise munter mit ihren schwarzen Locken spielte, empfand sie das als so belebend, dass sie keinen Gedanken mehr an ihre Frisur verschwendete. Sie füllte ihre Lungen mit erfrischender Salzluft und richtete den Blick auf den Horizont. Mit Wind und See eins geworden, erlebte sie zum ersten Mal im Leben das Gefühl vollkommener Freiheit.
Als sie sich umdrehte, um zurückzugehen, bemerkte sie das Nachtgeschirr, das gegen eine Taurolle geprallt war. Hastig schaute sie sich um, um sich zu vergewissern, dass sie nicht beobachtet wurde, und machte sich daran, das Ding zu holen. Sie streckte die Hand aus, das Deck neigte sich leicht, und der Topf rollte davon. Sie beschleunigte ihren Schritt und nahm die Verfolgung auf, entschlossen, das widerspenstige Stück rasch an sich zu bringen. Als sie entschieden nach dem Griff fasste, vernahm sie ein tiefes Männerlachen, das über sie hinwegrollte. Jäh blickte sie auf und sah Patrick Hepburn direkt über sich auf dem Achterdeck. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er sie schon beobachtet hatte, und errötete tief. »Was zum Teufel ist daran so lustig?«
»Ihr.« Er konnte seine Erheiterung nicht verbergen.
Noch immer den Topfgriff fest in der Hand, schritt sie die Treppe zum Achterdeck hinauf, um ihn zu stellen. »Nun?«, fragte sie.
»Der Anblick der eleganten Lady Catherine treibt mir Tränen in die Augen, wenn ich sehe, wie sie alle Vorsicht fahren lässt...«
»... und einem Nachttopf nachjagt?«, rief sie, während ihre Blicke Dolche warfen. Plötzlich erfasste sie die Komik der lächerlichen Situation und brach in Gelächter aus. Als er einstimmte, lachte Cat noch lauter. »Ihr seid ein Teufel, Hepburn! Ich habe den deutlichen Eindruck, dass Ihr seit dem Moment unserer ersten Begegnung über mich lacht.«
»Eine ungerechtfertigte Anschuldigung. Es gab Augenblicke, da hätte ich Euch lieber den Hintern versohlt.«
Sie stellte das Porzellangefäß ab und kniff die Augen zusammen. »Eure Vergeltung fiel schlimmer aus. Ihr habt einen anderen Weg gefunden, es mich büßen zu lassen.«
»Catherine, wäre der Plan, Arbella mit Seymour zu verheiraten, erfolgreich gewesen, hätte man beide in den Tower geworfen. Und wenn die Königin entdeckt hätte, dass Ihr daran beteiligt wart, hätte man Euch ebenfalls eingekerkert.«
Als er das Wort Tower aussprach, fiel ihr ihr Traum in allen Einzelheiten ein. Sie waren nackt im Tower gewesen, und sie hatte den Schlüssel weggeworfen! Eine Erinnerung, die sie zurückschrecken ließ.
Patrick sah sie zusammenzucken und war entschlossen, ihre Abneigung gegen ihn zu überwinden. »Kommt, geht mit mir auf und ab.« Er faltete die Hände im Rücken, damit er nicht in Versuchung geriet, ihr die Stufen zum Deck hinunterzuhelfen. Seine Hunde tauchten auf und sprangen ihm voran. Er passte seine langen Schritte ihren kürzeren an, als sie die Reling entlanggingen. »Die Verbindung mit Seymour war aus anderen Gründen verwerflich.«
Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. »Aus welchen Gründen?«
»Arbella ist eine der reichsten Erbinnen Englands. Zusätzlich zu dem Vermögen ihrer verstorbenen Eltern, das an sie fiel, hat sie nach dem Tod ihrer Großmutter noch riesigen Grundbesitz zu erwarten.«
»Ihr meint, William Seymour will sie nur ihres Geldes wegen heiraten?«
»Natürlich will er das, aber das ist ja nicht unehrenhaft.
Die Verbindung ist schrecklich, weil Seymour ein liederlicher Mensch mit enormen Schulden ist. Er steht bei Geldverleihern, Schneidern, Juwelieren, Weinhändlern und Dutzenden anderen mit Tausenden Pfund in der Kreide. Er hat ein Vermögen für Garderobe, für Saufgelage und Frauen verprasst und braucht Arbellas Reichtum, um sich über Wasser zu halten, bis er Vater und Großvater beerbt. Und überdies sind auch seine Spielschulden enorm.« Patrick verschwieg Catherine, dass Henry Somerset in denselben Topf pisste. Er hoffte, ihre angeborene Intelligenz würde sie dazu bringen, Somersets Motive für seine Werbung um sie in Frage zu stellen.
Cat schien desillusioniert. »Arbella ist in ihn verliebt.«
»Arbella ist in die Idee einer Heirat verliebt. Sie ist eine junge Frau, die Angst hat, sitzen zu bleiben. Sie sehnt sich verzweifelt nach einem Ehemann ... irgendeinem.« Er machte kein Hehl aus seiner Verachtung.
»Arroganter Teufel! Ihr glaubt wohl, alles über Frauen zu wissen - da irrt Ihr Euch gewaltig. Euch steht ein böses Erwachen bevor, Sir!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging.
Er rief ihr nach: »Ihr vergesst Euer Nachtgeschirr, Teufelsbraten!«
Catherine entging sein belustigter Ton nicht. »Euren verdammten Topf könnt Ihr behalten, aufgeblasener Kerl!«
Den Rest des Nachmittags verbrachte Cat in der Kabine, die sie mit Maggie teilte. Obwohl sie lieber an Deck gewesen wäre, zeigte sie sich eigensinnig und blieb unten, um einer Begegnung mit Patrick Hepburn auszuweichen.
»Mein schöner grauer Samtumhang ist gestern ganz durch-nässt worden. Ich fürchte, er ist ruiniert«, sagte Cat seufzend.
»Wenn er wieder trocken ist, wird er nach gründlichem Ausbürsten vielleicht wieder ansehnlich«, meinte Maggie nachdenklich. »Seton ist schließlich nicht das modische Zentrum der Welt. Vergiss nicht, es ist nicht der Königshof.«
»In der Wildnis Schottlands werde ich das wohl kaum vergessen können. Ich wette, dass das Klima für die meisten meiner Kleider ungeeignet ist. Wird es im Juni warm?«
»Nicht so warm wie in London. Mit etwas Glück gibt es im Juli und August ein paar warme Tage.«
»O Gott, so lange werde ich hoffentlich nicht dort sein! Ich bin ja nicht lebenslänglich verbannt worden«, sagte Cat schaudernd.
Als es an der Tür klopfte, sträubte sich alles in Catherine. »Wenn es Hepburn ist, bin ich für ihn nicht zu sprechen!«
Maggie öffnete und nahm den Nachttopf entgegen, den Patrick ihr reichte.
»Fühlst du dich besser, Maggie?«
»Ich bin wieder ganz wohlauf, Euer Lordschaft, und völlig seefest. Wollt Ihr nicht eintreten?« Cats Blicke, die Maggie geflissentlich übersah, waren spitz wie Dolche.
»Lady Catherine«, sprach Patrick zu ihrem Rücken, »da ich Euch um das Vergnügen gebracht habe, einer Hochzeit beizuwohnen, darf ich Euch vielleicht begleiten zu ...«
»Ihr werdet mich nirgendwohin begleiten, Sir!« Sie kehrte ihm noch immer den Rücken zu.
»Wie Ihr wünscht.« Er war schon halb draußen, als er murmelte: »Robert und Liz werden sehr enttäuscht sein.«
Sie fuhr herum.«Wartet! Kommt zurück! Die Hochzeit von Robert und Liz?«
»Widdrington liegt in der Nähe, an der Küste. Das glückliche Paar müsste heute Nachmittag eingetroffen sein, deshalb sagt mir mein Instinkt, dass es morgen heiraten wird. Ich wollte vorschlagen, dass die Hepburn Rose heute dort ankert. Da Ihr aber nicht wünscht, dass ich Euch begleite, werde ich dem Captain befehlen, weiterzusegeln.«
»Wagt es nicht, Ihr Höllenschurke! Ich möchte nach Widdrington!«
»Dann zieht Eure Krallen ein, und bittet mich höflich, Lady Catherine.«
Ihre Miene verriet Enttäuschung. Er meint es wörtlich. Er will, dass ich bitte. Cat hatte nicht die Absicht, mit Anmut von ihrem hohen Ross herunterzusteigen. »Teuerster Lord Stewart, ich ersuche Euch inständig, mich nach Widdrington zu begleiten.«
»Lady Catherine, wenn Ihr so reizend bittet, seid Ihr verführerisch wie die Sünde.«
Verführerisch wie die Sünde? Das hat er letzte Nacht im Tower auch gesagt! Die Erinnerung ließ Catherine schaudern.
Patrick entging es nicht. »Vielleicht kann man Euch heute in ein hübsches warmes Bett verpacken, damit Ihr nicht fröstelt.«
Plötzlich wurden ihre Sinne vom männlichen Duft Hepburns überflutet. Hat dieses unzivilisierte Ungeheuer letzte Nacht mit mir geschlafen? Eine Vorstellung, so ungeheuerlich, dass sie sie sofort von sich wies. Als der sündige Gedanke sich nicht verdrängen ließ, kniff sie die Augen zu Schlitzen zusammen. »Vielleicht habt Ihr heute Morgen doch nicht gescherzt, und Ihr schuldet mir tatsächlich einen Unterrock.«
Eine knappe Stunde später ging die Hepburn Rose in Widdrington vor Anker, und Liz traute ihren Augen kaum, als sie sah, wer zu Besuch kam. »Cat, Liebste, was machst du denn hier mit Patrick? Sag nur nicht, Ihr hättet uns auf dem Weg zum Altar überholt?«
»Über diese Dinge versage ich mir jeden Scherz. Ein schlimmeres Schicksal kann ich mir kaum vorstellen. Wir sind Todfeinde - jetzt noch mehr als früher«, erklärte Catherine. »Und ihr beide seid noch nicht vermählt?«
»Nein, wir sind erst heute angekommen und bereiteten alles vor, damit wir morgen heiraten können. Wie schön, dass du da sein wirst.«
Catherine starrte Patrick an. »Woher zum Teufel habt Ihr das gewusst?«
»Er verfügt über magische Kräfte! Hat er dir das nicht gesagt?«, neckte Liz sie.
Obwohl die Worte im Scherz gesagt waren, konnte Cat die Idee nicht einfach so abtun. Zu viel an dem unheimlichen Schotten entzog sich einer Erklärung. »Hoffentlich hast du noch Platz für Maggie und mich. Die Seekrankheit hat uns in der Nacht an Bord sehr zu schaffen gemacht.«
»Natürlich haben wir Platz«, erklärte Robert. »Glaubst du, ich würde eine Frau heiraten, die kein großartiges Haus besitzt?«
»Ihr solltet wissen, dass Mutter mich vom Hof verbannt hat. Ich werde zu meinem Großvater nach Schottland gebracht, weil ich an den Heiratsplänen meiner Freundin Arbella Stuart, die William Seymour liebt, beteiligt war.«
»Du bist so verdammt impulsiv, Cat. War dir nicht klar, dass Ihre Majestät diese Heirat verbieten würde?«, fragte Robert unverblümt.
»Der Wunsch der Königin hat dich auch nicht vom Heiraten abgehalten, Rob Carey!«
»Die Königin ist gegen unsere Heirat?«, fragte Liz Robert.
»Elizabeth sieht es nicht gern, wenn ihre Höflinge sich vermählen.« Robert sah Cat mit gerunzelter Stirn an und hoffte, sie würde das Thema nicht weiter verfolgen.
»Mit zunehmendem Alter ist sie immer eifersüchtiger und anspruchsvoller geworden. Sie möchte, dass alle anderen Frauen ebenso unglücklich sind wie sie«, bemerkte Maggie.
»Ich sagte ja, dass sie eifersüchtig auf dich ist.« Robert schlang den Arm um Liz, drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe und hoffte, sie würde das Thema fallen lassen. »Die Flitterwochen verbringe ich mit Liz in Edinburgh. Obwohl sie nahe an der Grenze lebte, hat sie diese nie überschritten.«
»Ihr müsst für ein paar Tage nach Crichton kommen«, lud Patrick sie ein. »Vielleicht kommt ja auch Lady Catherine und bleibt.«
Cat wusste, dass eine Ablehnung beleidigend für Liz gewesen wäre. Auch musste sie sich eingestehen, dass sie Crichton gern sehen wollte. Dennoch sträubte sich in ihr alles, weil Hepburn sie so manipulierte, dass sie einwilligen musste.
Nach dem Dinner entschuldigte Maggie sich und ging zu Bett.
Während Cat und Liz sich eingehend über Hochzeiten und Kleider unterhielten, nutzten Patrick und Robert die Gelegenheit und zogen sich auf einen Drink und ein vertrauliches Gespräch in die Bibliothek zurück.
»Eine gute Idee, die Flitterwochen in Edinburgh zu verbringen«, sagte Patrick beifällig.
»Nun, ich konnte ja nicht an einem Tag heiraten und am nächsten wegfahren und es meiner frisch gebackenen Ehefrau überlassen, sich meine Abwesenheit zu erklären.«
Patrick grinste. »Frauen haben so eine Art, die Dinge zu komplizieren.«
»Offensichtlich! Was soll das - Catherine in Euren Fängen? Wäre es für Isobel nicht sinnvoller gewesen, sie nach Hertfordshire zu schicken, bis die Sache mit Arbella Stuart ausgestanden ist?«
»Nun, ich habe Isobel mehrfach gehörig Gottesfurcht oder Furcht vor Elizabeth eingejagt, was aufs Gleiche hinausläuft. Habt Ihr etwas gegen mein Interesse an Catherine?«
»Ich möchte nur nicht, dass sie verletzt wird.«
»Homo homini lupus - der Mensch ist des Menschen Wolf.«
»Die Königin würde eine Ehe Lady Catherines mit einem Schotten niemals billigen. Seht Euch lieber anderswo um, Patrick. Ihr habt Spencer Park gesehen. Catherines Besitz ist für Ihre Majestät viel zu wertvoll, als dass ihn einem anderen als einem englischen Edelmann überlassen würde.«
»Spencer Park habe ich allerdings gesehen. Aber Elizabeth wird nicht ewig regieren, Robert.«
Überzeugt, dass Hepburn über die Gabe des zweiten Gesichtes verfügte, bedachte Carey ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Mir ist klar, dass ihre Jahre gezählt sind.«
»Ihre Monate sind gezählt, Robert.«
»Patrick«, Carey räusperte sich verlegen, da er ihn nur ungern um einen Gefallen bat, »ließe es sich vielleicht einrichten, dass wir zusammen zu König James gehen? Er wird womöglich außer sich sein, weil ich seinen Brief Cecil und nicht Elizabeth übergeben habe. Daher wäre es mir lieb, Euch als Begleiter dabeizuhaben, wenn ich mich in die Höhle des Löwen von Schottland wage.«
»Natürlich. Wieder einmal mit vereinten Kräften zwei gegen einen?«
»So ist es! Da morgen die Hochzeit stattfindet, kann ich nicht fort, aber übermorgen können Liz und ich aufbrechen. Ich mache Station in Bewcastle, um meine Leute zu entlohnen, und treffe am zweiten Juni in Edinburgh ein.«
»Wenn wir gleich nach der Trauung die Segel setzen, müsste die Hepburn Rose morgen Abend den Hafen von Leith erreichen. Am Tag darauf werde ich Lady Catherine den Händen des reizbaren Earl of Winton übergeben und kann am zweiten Juni in Edinburgh sein. Wo Cannongate und Highstreet sich treffen, liegt das Castle Rock, eine empfehlenswerte Schänke.«
»Danke, Patrick. Die Zuversicht, die Ihr ausstrahlt, färbt unweigerlich auf mich ab.«
Meine Zuversicht wird sich in nichts auflösen, wenn Jamie von mir verlangt, ihm Elizabeths Todeszeitpunkt exakt vorauszusagen. Ach was, Hepburn, vielleicht wird dir in den nächsten achtundvierzig Stunden eine Offenbarung zuteil. Wenn nicht, musst du den König mit irgendeinem mystischen Hokuspokus abspeisen!