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3

 

Cat Spencer versuchte, die Tür leise zu öffnen, damit ihre Mutter nicht gestört wurde. Mitternacht war vorüber, und der konsumierte Wein hatte ihre Füße unsicher gemacht.

»Wo um alles in der Welt hast du bis jetzt gesteckt, meine Liebe?«

»Mutter, ich dachte, du schläfst.«

»Lieber Himmel, du bist ja angetrunken! Wenn Ihre Majestät das erfährt, werden wir beide vom Hof verbannt.« Ein alptraumhaftes Schicksal für Isobel Spencer, in ihren Augen genauso schlimm, wie lebendig begraben zu werden. »Sag mir sofort, wo du warst.«

»Nur im Flügel nebenan. Philadelphia ist von Carlisle zurück, deshalb habe ich sie und ihre Schwester Kate besucht.«

»Du solltest ihre Titel verwenden. Philadelphia, Lady Scrope, ist Baroness, und Kate, Lady Howard, ist Countess of Nottingham. Ich dulde nicht, dass du so respektlos von bevorzugten Hofdamen der Königin, die ihr seit über zwanzig Jahre treu dienen, sprichst.«

Cat verdrehte vielsagend die Augen. Philadelphia und Kate, zwei Carey-Schwestern, waren in Richmond ihre unmittelbaren Nachbarn. Sie kannte sie seit ihrer Kinderzeit, als sie mit ihnen im Garten spielte und herumtollte und mit ihnen mehr Zeit verbrachte als mit ihrer Mutter. Sie hätten sie ausgelacht, wenn sie ihre Titel verwendet hätte.

»Beth war auch da. Es gab ein kleines Fest.«

»Du solltest die Schwester deines Vaters Tante Beth nennen. Natürlich war sie da. Sie ist ja mit George, dem Bruder der beiden, verheiratet.«

»Ich weiß nicht, wieso du nicht auch da warst.«

Isobel schnaubte. »Weil ich nicht eingeladen wurde.«

Sofort fühlte Cat sich schuldig. »Ach, einerlei. Kommende Woche werden wir alle gemeinsam in Richmond sein. Dort brauchen uns Etikette und Vorschriften des Hofes nicht zu kümmern. Wir können lachen und tratschen und so viel Spaß haben, wie wir wollen.« Da Richmond günstig zu den königlichen Residenzen Whitehall, Windsor, Hampton Court und Richmond Palace lag, verbrachten die Carey-Damen alle zwei Wochen zwei Tage auf ihren Landsitzen an der Themse, um Erholung von ihren Hofverpflichtungen zu suchen.

»Eine junge Dame sollte höhere Ziel haben als Klatsch und Vergnügungen. Du bist bei Hofe, um Ihrer Majestät, der Königin zu dienen. Ich bin sehr enttäuscht von dir, Catherine. Geh zu Bett.«

Froh, entkommen zu können, gehorchte Cat sofort. Ehe sie der Schlaf übermannte, verglich sie das kalte Wesen ihrer Mutter mit jenem der anderen Damen, in deren Mitte sie aufgewachsen war. Kate war die Älteste der zehn Carey-Kinder, die Cousins der Königin waren. Dank ihrer Ungezwungenheit, die sie sich trotz ihres hohen Ranges als Countess und ihrer Ehe mit Lord Admiral Howard bewahrt hatte, fühlten sich alle in ihrer Gesellschaft wohl, und Kates Mütterlichkeit ermutigte ihre Umgebung, sie ins Vertrauen zu ziehen. Sie war der liebste und freundlichste Mensch, den Cat kannte. Ihre warmen braunen Augen, das sanfte Lächeln und ihre verständnisvolle Art machten sie für alle und besonders für die Königin liebenswert.

Ihre Schwester Philadelphia, die Schönheit der Familie, war als Einzige nicht rothaarig. Dunkelgoldene Flechten und schöne helle Haut bildeten den Rahmen für die auffallenden Kleider, die sie gern trug. Sie war witzig und mitteilsam, lachte gern und war eine unverbesserliche Kupplerin, die es nicht lassen konnte, Cat mit heiratsfähigen jungen Männern bekannt zu machen. Im Gegensatz dazu teilte Cats Mutter aus Furcht vor Elizabeths Missbilligung die strengen Ansichten der Königin und war wie diese der Meinung, die jüngeren Damen ihres Hofes sollten besser unvermählt bleiben. Catherine wusste, dass sie dem Gesetz nach ein Mündel der Krone war, da sie ihren Vater als Kind verloren hatte. Das Vormundschaftsgericht hatte ihre Mutter bis zu ihrer Großjährigkeit zur Treuhänderin des Gutes in Hertfordshire gemacht. Doch als Cat ins Bett kletterte, lächelte sie insgeheim. Letzten Monat war ich zwanzig. Ein knappes Jahr noch, und ich werde nicht mehr unmündig sein. Bin ich erst großjährig, werde ich mein Erbe antreten und kann ohne Erlaubnis meiner Mutter oder der Königin heiraten, wen ich will.

 

Patrick Hepburn und Robert Carey beobachteten, wie die Seeleute das Rahsegel des Fockmastes setzten, während das Schiff aus dem Firth of Förth auslief und Kurs auf die offene See nahm. In den wenigen Tagen, seit Robert eingewilligt hatte, als Geheimkurier zwischen den Höfen von Schottland und England zu pendeln, waren sie Freunde und Verbündete geworden. Roberts Bruder würde zusätzlich zu seinem eigenen Abschnitt an der Middle-March-Grenze patrouillieren, da das Frühjahr schon zu Ende ging und im Sommer an der Grenze meist Ruhe herrschte. »Mein Vater besitzt ein paar Schiffe, aber keine Schonerbarken.«

»Das einzig Schöne an ihr ist der Name ... Hepburn Rose. Sie ist ein alter Arbeitsgaul, der seine Pflicht tut. Zusammen mit ihr erbeutete mein Vater auch ein paar spanische Schatzschiffe. Mit der Beute wurde der neue Flügel von Crichton Castle erbaut.«

»Der Earl öf Bothwell war eiji Pirat?«

Patrick grinste. »Pirat, Bandit, Dieb. Um ihn braucht man sich nicht zu sorgen. Er führt in Florenz ein Luxusleben.«

»Apropos Luxus, Ihr werdet finden, dass Elizabeths Hof geradezu unvernünftiger Extravaganz frönt und in einer Pracht schwelgt, die übertriebener Genusssucht entspringt. Viele Höflinge sind bis über die Ohren verschuldet.«

»In meinem Jahr an der Universität in Cambridge habe ich gelegentlich den Hof aufgesucht. Im Vergleich dazu lebt James Stuart wie ein armer Schlucker. Die meisten schottischen Adligen sind verarmt, und ich bin da keine Ausnahme. Ich weiß Eure Einladung nach Hunsdon Hall sehr zu schätzen.«

»Es ist ein riesiges Anwesen am Fluss in Richmond, sehr günstig zum königlichen Hof gelegen. Zwei meiner Schwestern und Beth, die Frau meines Bruders, nutzen das Haus, wenn sie ihren höfischen Pflichten entfliehen können. Sie werden überglücklich sein, zwei Junggesellen unter ihrem Dach zu beherbergen.«

»Seid Ihr sicher, dass die Hunde sie nicht stören?«

»Es sind Engländerinnen - ihnen liegt mehr an ihren Hunden als an ihren Ehemännern! Und die Jagd in Richmond ist überwältigend!«

Patrick lachte. »Kein Wunder, dass Ihr Junggeselle bleibt!«

»Ach, eigentlich habe ich in letzter Zeit schon über eine Heirat nachgedacht. Vor einem Jahr begegnete ich einer attraktiven Witwe aus Northumberland, die in Carlisle auf Besuch weilte. Einer ihrer Reize ist ihr Vermögen, und zwar nicht der kleinste. Diese Ehe würde alle meine Geldprobleme lösen.«

»Falls James König von England und Schottland wird, verschwindet die Grenze, und Ihr werdet ohne Amt sein. Eine Ehe steht für uns beide in den Karten, mein Freund.«

»Herrje, daran habe ich nicht gedacht. Aber bis dahin kann noch viel Zeit vergehen. Wie ich meine Kusine Elizabeth kenne, hat sie nicht die Absicht, bald von dieser Welt zu scheiden.«

Patrick Hepburn hüllte sich klug in Schweigen. Seine Vision der zwei Kronen hatte ihm auch zwei Frauenhände gezeigt, die die Krone Englands viel zu besitzergreifend festhielten.

Während am späten Abend das Schiff entlang der Ostküste Englands die Wogen der Nordsee flink durchpflügte, setzte Patrick sich mit Seekarte und Schreibfeder hin, um ihre Ankunftszeit im Hafen von London zu berechnen. Er freute sich, als er sah, dass sie am nächsten Tag vor Einbruch der Dunkelheit einlaufen würden. Er zog sich aus, kletterte in seine Koje und hüllte seine nackten Glieder in die warme Decke. Dann griff er nach Papier und Feder, notierte die Anzahl der zum Verkauf stehenden Pferde und multiplizierte sie mit dem erhofften Preis. Die Summe war zufrieden stellend, und sein rastloser Geist wanderte weiter, dachte an seinen Besuch in London. Geistesabwesend brachte er das Pferdekopfsymbol des Hepburn-Wappens zu Papier und setzte darunter die Umrisse einer kleinen Katze. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. Als seine dunklen Augen durch das vergitterte Fenster seiner Kabine starrten, sah er nicht die Umrissse des Achterdecks, nicht das samtene Schwarz des gestirnten Himmels. Sondern er sah stattdessen das verlockende weibliche Wesen, das langsam, aber sicher zum Objekt seiner Begierde wurde.

Sie lag im Bett, fest in Morpheus' Armen, und Patrick schätzte, dass es ganz leicht sein würde, sich ihres Geistes zu bemächtigen, während sie schlief. Er konzentrierte sich intensiv auf ihre feinen Züge. Sein Blick ruhte auf den dunklen Halbmonden, die ihre zarten Backenknochen beschatteten, und wanderte dann zu ihren vollen Lippen, die im Schlaf ganz weich waren. »Komm zu mir.« Seine Worte, obwohl nur geflüstert, waren bezwingend.

Langsam hoben sich ihre Wimpern, sie starrte tief in bernsteinfarbene Augen mit schimmernden goldenen Punkten. Sie schob die Decke von sich, glitt aus dem Bett und schwebte auf ihn zu. Patrick spürte, wie sein Herz pochte und sein Blut heftig in Wallung geriet.

Schließlich stand sie vor ihm in der Kabine, im köstlichsten Nachtgewand, das er je gesehen hatte ... aus reiner weißer Seide, die sich eng an die Kurven ihres Körpers schmiegte und mit einem Dutzend winziger Schleifen vom Hals bis zu den Knien geschlossen wurde. Bei dem Gedanken, sie zu lösen, eine nach der anderen, wurde sein Mund trocken. Als sie sich im Rhythmus der Schiffsbewegungen schwankend bewegte, sah er, dass die Seide durchsichtig war und er durch den Stoff hindurch ihre rosigen Brustspitzen und den dunklen Schatten ihrer Schamhaare zwischen den Beinen sehen konnte.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, er spürte bis in seine Fußsohlen ein Hämmern, während sein Glied lang und hart wurde und vor Verlangen, tief in sie einzudringen, pulsierte. Während er sie wie gebannt anstarrte, hob sie langsam die Arme und löste das Band, mit dem ihr Haar zusammengefasst war und warf es in einer raschen, sinnlichen Bewegung über ihre Schulter zurück.

Ihr Körper begann, sich in einem rhythmischen, die Wellenbewegungen imitierenden Tanz zu drehen, der Wildheit und Freiheit des Meeres einfing, immer sinnlicher wurde und sich ins Hypnotische steigerte. Während sie sich völlig hingegeben drehte, flog ihr Haar wie eine schwarze Wolke um ihre Schultern, bis es zu einer wirren Lockenfülle wurde. Dann warf sie den Kopf zurück und lachte in hemmungslosem Entzücken.

Patrick, der nun voll erregt war, wollte sie neben sich in der Koje. Er lechzte nach ihrem Geschmack, verzehrte sich danach, sie unter sich zu spüren, doch er wollte sie zuvor nackt sehen. Er streckte eine kraftvolle Hand aus, kaum aber streiften seine Fingerspitzen ihre zarte Haut, begann ihr Bild zu schwinden. »Nein!«, rief er aus, als sie sich in dünne Luft auflöste.

Er fluchte laut, wohl wissend, dass es ihm nicht gelingen würde, sie wieder zu beschwören. Er hätte wissen müssen, dass ihr Geist für physischen Kontakt zu flüchtig war, zumindest bei diesem ersten Mal. Seine Mundwinkel verzogen sich nach oben, als er sich bückte, um ihre Haarschleife vom Boden aufzuheben. Hatte das kecke Ding sie mit Absicht zurückgelassen? War sie ein Zeichen dafür, dass sie wiederkehren wollte? Patrick war entschlossen, ihre Anwesenheit bald wieder herbeizuzwingen, ob sie es wollte oder nicht.

 

Maggie zog die schweren Brokatvorhänge zurück und ließ die Maisonne ein. »Du hast verschlafen, mein Mädelchen.«

Cat, die sich aufsetzte, schirmte ihre Augen vor dem grellen Licht ab. »Ach, ich hatte einen höchst sonderbaren Traum. Ich befand mich auf einem Schiff und fürchtete mich vor dem Wasser. Um meine Angst zu bezwingen, fing ich zu tanzen an, und plötzlich war meine Angst dahin und an ihre Stelle trat wilde Zügellosigkeit. Ich habe der Gefahr ins Gesicht gelacht!«

»Dein Bettzeug ist so zerwühlt, dass es aussieht wie nach einem Sturm auf dem Meer. Zu viel Wein, wette ich.«

Cat führte die Hand an den Kopf. »Du hast Recht, Maggie. Ach, wo ist nur mein Haarband geblieben?« Sie sah unter dem Kissen nach, doch das Band blieb verschwunden. »Ich muss mich beeilen ... für ein Frühstück ist keine Zeit. Ich muss zu einer Audienz, um mit Ihrer Majestät ein paar neue Entwürfe für Hauskleider zu besprechen.«

 

»Lady Catherine, Ihr seid in der Tat die eleganteste junge Dame, die unseren Hof zierr. Euer Geschmack ist erlesen, Eure Haltung perfekt und Eure Aufmachung makellos.« Elizabeths Kompliment klang wenig erfreut.

Cat versank in einem ehrerbietigen Knicks. »Ich tue mein Bestes, um meiner Königin in allen Belangen nachzueifern.«

Elizabeth war geschmeichelt, ihr Unwille verflog. »Erhebe dich, Kind. Du weißt, dass du bei mir nicht so förmlich zu sein brauchst.«

Cat lächelte liebreizend. Da sie wusste, dass das Gegenteil zutraf, wartete sie die Aufforderung ab, ehe sie sich neben Elizabeth auf einen niedrigen Hocker setzte, um ihr die Entwürfe zu erläutern. Mit zunehmendem Alter hatte sich der Geschmack der Königin in Garderobefragen immer mehr ins Extravagante und Phantastische entwickelt. »Dieses Hausgewand ist ganz lose und bequem, Euer Majestät. Die Blumen und Schmetterlingsmotive sind mit Silberfäden aufgestickt. Als Material wären Batist oder feiner Linon zu empfehlen. Die Ärmel sind besonders raffiniert. Ich habe sie mit Manschettenrüschen entworfen, damit Eure schönen Hände zur Geltung kommen, Madam. Diese Rüschen kann man natürlich abnehmen, um sie zu waschen und zu stärken. Separate Schleppärmel, die bis zum Boden fallen, sind unten an den Manschetten befestigt. Wenn Ihr die Arme hebt, Madam sehen die Ärmel aus wie flatternde, transparente Flügel.« Mit angehaltenem Atem erwartete sie Billigung oder Ablehnung der Königin.

»Euer Entwurf fängt das Wesen meiner Zartheit ein, Mistress Spencer. Mir gefällt die ätherische Qualität Eurer Entwürfe. Des Weiteren fällt mir auf, dass Ihr diesen Stil für Euch selbst kultiviert. Er lässt erkennen, dass wir sehr anspruchsvoll sind.«

»Euer Lob ist zu großmütig, Euer Majestät.«

»Unsinn! Eine Frau blüht unter Lob auf. Zeigt mir die anderen Skizzen.«

Cat ging die anderen Hauskleider durch, und als Elizabeth keine Kritik äußerte, wuchs ihr Selbstvertrauen. »Ich nahm mir die Freiheit, einen neue Art der Krause zu entwerfen, Majestät, fächerförmig, vor allem zu tief ausgeschnittenen Kleidern zu tragen. Sie steht senkrecht in die Höhe und rahmt den Hinterkopf ein, anstatt den Hals zu umgeben. Ich dachte, dieser Stil würde Euer prachtvolles Haar zur Geltung bringen, Madam, ganz zu schweigen von Euren herrlichen Juwelen.«

»Es gefällt mir! Ich möchte wetten, dass es in Frankreich nichts dergleichen gibt. Bringt es zu Eurer Mutter. Meine Erste Kammerfrau wird wissen, welche Näherinnen man mit diesem komplizierten Entwurf betrauen kann.«

»Danke, Euer allergnädigste Majestät.«

 

Cat traf ihre Mutter in der Garderobe der Königin an, wo sie dreißig Näherinnen und ein Dutzend Frauen beaufsichtigte, die nichts anders taten, als Elizabeths prächtige Kleider zu reinigen und auszubessern. Die Garderobenräume nahmen, da es jeweils eigene Kammern für Gewänder, Schuhe, Perücken und Schmuck gab, eines der oberen Stockwerke von Whitehall zur Gänze ein.

»Ich hoffe, du hast Ihre Majestät nicht irgendwie beleidigt, Catherine.« Isobel war nicht imstande, die Tatsache zu verhehlen, dass die Königin Mittelpunkt ihres Universums war und Wohl und Wehe ihrer Tochter weit abgeschlagen erst an zweiter Stelle rangierten.

Nein, liebe Mutter, ich bin nicht vor Lachen umgefallen, als ich ihre flammend orange Perücke sah, und. habe ihr auch nicht gesagt, dass ihre Haut so runzlig ist wie das Skrotum eines Elefanten. »Ihre Majestät schien entzückt von meinen Entwürfen und vertraut deinem Urteil, was die Wahl der geeignetsten Näherinnen angeht.«

Isobel plusterte sich stolz auf. »Hat sie das wirklich gesagt?«

»Wirklich, Mutter. Ihre Majestät hat ein Loblied auf dich angestimmt und gesagt, dass du ihr unentbehrlich wärest.«

 

Am Nachmittag unternahm Cat mit ihrer Freundin Arbella einen Spaziergang an der Arena und dem Gelände der Bogenschützen vorüber zu den Tennisplätzen von Whitehall. Das warme Frühlingswetter hatte viele Höflinge ins Freie gelockt. Die sportlichen unter den Gentlemen lieferten sich vor einem weiblichen Publikum Wettkämpfe, für die meisten jedoch war es eine Parade der Eleganz und eine Gelegenheit, amouröse Verabredungen zu treffen.

»Einen schönen Nachmittag, meine Damen.« William Seymour, in verwegen kurzem Cape und Satinhosen, blinzelte Cat zu, nahm dann seinen mit Federn geschmückten Hut ab und schaffte es, Arbella dabei eine Nachricht zuzustecken. Die zwei Damen schritten weiter, bis sie den Turnierplatz erreichten, wo sie sich auf den leeren Zuschauerbänken niederließen.

»Ist es ein Gedicht? Hai Somerset hat nach dem Theaterstück eines für mich geschrieben.«

»Nein, Cat, es geht hier nicht um Poesie. Will bittet mich zu einem geheimen Stelldichein«, vertraute sie ihr ganz atemlos an.

»Ach, Bella, du wirst natürlich ablehnen, oder?«

»Ich soll ihn zurückweisen? Glaubst du, ich möchte als alte Jungfer enden? Ich bin älter als du, Cat. William wird einmal Earl of Hertford sein. Und wir passen auch sehr gut zusammen, weil wir beide in direkter Linie Anspruch auf den Thron haben.«

In Arbella Stuarts Adern floss königliches Blut. Ihr verstorbener Vater war Urenkel König Henry VII.

»Wenn du dich allein mit ihm triffst, darf es niemand erfahren, Bella, vor allem nicht die Königin.« Das damit verbundene Risiko machte Cat nervös.

»Ich brauche einen plausiblen Grund für meine Abwesenheit vom Hof.«

»Anfang nächster Woche gehe ich für zwei Tag nach Richmond. Sag einfach, ich hätte dich aufgefordert mitzukommen«, schlug Cat hilfsbereit vor. »Eine Lüge ist es ja nicht, da ich in diesem Moment die Einladung ausspreche.

Arbella atmete auf. »Du bist eine so gute Freundin, Cat. Deine kluge Einladung löst mein Problem.«

 

Da es auf Hunsdon Hall ausreichend Dienerschaft gab, entfiel für Patrick die Notwendigkeit, eigene Leute mitzubringen, ein Umstand, für den er dankbar war. Einen Mann hatte er jedoch mitgenommen, einen seiner Verwalter, der für die Rückreise Fracht einkaufen sollte. Patrick wollte Hopfen für die Brauerei und einen Vorrat an goldenem Rheinwein, wie König James ihn liebte, mitnehmen. Er wusste, dass ihm ein hübscher Gewinn winkte, wenn er den Wein an Holyrood Palace verkaufte.

Am Morgen, nachdem die Hepburn Rose festgemacht hatte, wurden die Pferde ausgeladen und zu einem Tierhändler unweit der Docks gebracht. Robert begleitete Patrick zu dem Verkauf.

»Soviel ich weiß, züchtet Ihr auf Crichton Pferde. Habt Ihr Tiere behalten, die Ihr Euren Gefangenen abgenommen habt?«, fragte Robert.

»Nein, ich finde, dass englische Pferde unser raues Klima nicht vertragen. Ich ziehe wild lebende Pferde vor, die in den Lammermuirs überwintern. Alljährlich im Sommer mache ich mich auf, suche mir einen Wildhengst, der ein paar Stuten bei sich hat, und bringe einen Teil der Herde nach Crichton.«

»Einer meiner Brüder züchtet auf unserem Hunsdon-Be- sitz in Hertford Pferde. Vielleicht sollten wir einen Eurer Hengste zur Zucht erwerben ... würde Euch ein Besuch interessieren?«

»Sehr sogar. Pferde sind meine Leidenschaft. Und Hertford ist doch keine zwanzig Meilen von London entfernt, oder?« Patrick lächelte. »Wie könnt Ihr Eure Armut beklagen, wenn Eure Familie so viele Güter besitzt?«

»Sie alle gehören meinem Vater. Mein Bruder George wird der nächste Lord Hunsdon. Ich bin das zehnte Kind und werde nur wenig erben ... abgesehen von seinem könglichen Blut, natürlich«, setzte er spöttisch hinzu. »Lord Stewart, in Euren Adern fließt doch auch königliches Blut. Was ist dies heute schon wert?«

Patrick schnitt eine Grimasse. »So viel wie ein Haufen Fledermausdreck, denke ich!«

Robert bog sich vor Lachen. »Na, wenigstens bringen Pferde heutzutage gute Preise.«

»In der englischen Armee herrscht wegen der Kämpfe in Irland seit letztem Jahr Pferdemangel. Ich wusste, dass ich einen guten Preis erzielen würde, deshalb wollen wir heute feiern. Wo speist man in London am besten?«

»Bei Friar's Folly: reichliches Essen, guter Wein und angemalte Damen!«

»Sicher wird dort auch gespielt?«

Robert grinste. »Alle möglichen Spiele, vom Würfeln bis zum Tanz um den Maibaum!«

 

Mit einer großen Reisetasche kämpfend ging Lady Catherine von Bord der ersten Morgenbarke und betrat die Landestelle in Richmond. »Nein, Maggie, das schaffe ich allein.«

»Bestimmt ist es völlig unnötig, dass du Gepäck mitschleppst. Dein Schrank im Haus ist zum Bersten voll.«

»Eine Dame kann nie zu viel Garderobe haben, Maggie. Außerdem habe ich ein Dutzend Entwürfe für Philadelphia dabei. Leider konnte sie sich heute nicht von ihren Verpflichtungen befreien. Mutter sagte, sie würde warten und mit ihr und Kate abends nachkommen.«

»Hm ... falls Isobel sich von der Königin losreißen kann!«

»Ach, riech doch ... diese Maienblüte! Es ist die schönste Zeit des Jahres, wenn alles blüht.«

Sie nahmen die Abkürzung durch den Garten von Hunsdon Hall. Narzissen sprenkelten die Rasenflächen, Drosseln pickten emsig nach Raupen, um ihre Brut zu füttern. »Ich liebe Vögel. Sie nehmen in meinem Herzen einen besonderen Platz ein.«

»Du liebst alle Geschöpfe der Natur, sogar die kriechenden, beißenden Biester, die die Erde nur bevölkern, um uns zu plagen. Früher hast du geglaubt, Libellen wären Feen!«

»Shakespeare schreibt oft vom Feenreich, daher liegt es doch im Bereich des Möglichen, dass es existiert«, erwiderte Cat munter und hielt Maggie die Tür auf. »Hmm, das riecht nach Mrs. Dobsons Apfelkuchen.« Sie legte ihren Umhang ab. »Ich laufe direkt in die Küche und stibitze einen Apfel für Jasmine.«

»Du solltest dich umziehen, ehe du dein Pferdchen sattelst. Ich gehe lieber hinauf und sehe nach, ob das Bett deiner Mutter gelüftet wurde. Du weißt, wie reizbar sie sein kann.«

Ted Dobson, der Wildhüter, hatte ihre Ankunft bemerkt und kam an die Tür. »Hallo, Maggie. Würdest du Lady Spencer sagen, dass ich einen ansehnlichen Vorrat an Wachteln für die Königin gefangen habe? Und morgen bekomme ich vielleicht eine Steige mit Haselhühnern. Um diese Zeit wimmelt es in den Wäldern vor Wild.«

»Danke, Ted. Mylady hat mich gebeten, dich daran zu erinnern.« Sie griff nach Catherines Tasche und ging zur Treppe.

»Nein, nicht«, wehrte Cat ab. »Du trägst den Apfel und ich die Tasche.«

»Du bist ja nicht größer als eine Grille!«

»Das mache ich durch Eigensinn wett.« Cat löste Maggies Finger vom Griff und schleppte die Tasche hinauf.

Maggie öffnete den Schrank in Cats Schlafgemach und entnahm ihm ein Kleid in Jagdgrün. »So, und wo sind deine Stiefel?«

Cat hängte das Kleid wieder in den Schrank. »Maggie, ich reite nicht aus. Ich bringe Jasmine nur den Apfel zur Begrüßung.«

»Aber in diesem hellgelben Kleid kannst du nicht in den Stall. Du wirst es ruinieren.«

»Wann habe ich zuletzt ein Kleid ruiniert oder es auch nur beschmutzt?«

Maggie schüttelte resigniert den Kopf, während sie Cat musterte, die in ihrem zarten Kleid mit der passenden hellgelben Halskrause ein anmutiges Bild bot. Auch das Band, das die auf dem Kopf aufgetürmten schwarzen Locken bändigte, war gelb. »Ich gebe es auf. Fort mit dir, Mädchen.«

Cat griff nach dem Apfel. »Maggie, ruhe dich aus, es ist dein freier Tag.«

Im Stall ging Cat direkt zu der Box, in der ihre Schimmelstute duftendes Kleeheu kaute. »Jasmine, meine Schöne, ich freue mich ja so ... habe ich dir gefehlt? Sieh doch, was ich dir mitgebracht habe.« Sie hielt der Stute den Apfel hin.

Das Pferdchen schüttelte den Kopf und schnüffelte an Cats Hand, ehe es mit den Lippen den Apfel von der Handfläche aufnahm.

Cat streichelte den Hals des Pferdes und fuhr, leise Koseworte raunend, mit den Fingern durch die helle Mähne. Da hörte sie ein merkwürdiges, leises Geräusch, das ihre Aufmerksamkeit fesselte. Cat hob den Kopf. Es hörte sich an wie ein leises, verängstigtes Gegacker, in das sich ersticktes Hecheln mischte. Augenblicklich lief sie aus der Box, um sich auf die Suche nach den bedrängten Geschöpfen zu machen, und stieß auf eine mit grauem Gefieder gefüllte Holzsteige. Sie bückte sich, um den Inhalt zu prüfen. »O nein!«, rief sie erschrocken aus, als sie die weißen Schöpfe auf den Köpfen der kleinen Wildvögel sah. Es waren Wachteln, so dicht in die Steige gepfercht, dass sie nur noch ihre Köpfe bewegen konnten. Es mussten an die dreißig Vögel sein.

Ohne zu zögern, legte Catherine Jasmine einen Packsattel auf und schlang ihr ein Leitseil um den Hals. Dann hob sie entschlossen die Steige hoch und befestigte sie auf dem Rücken des Zelters.

Sie wusste natürlich, dass die Vögel ein Geschenk ihrer Mutter an die Königin waren; Isobel schickte ihr jedes Jahr Wachteln. Cat lächelte voller Ingrimm, ihr hübsches Kleid war vergessen. »Aber nicht in diesem Jahr! Ich bringe euch zurück in den Wald, wo ihr hingehört!«

 

Als Patrick Hepburn und Robert Carey in Richmond eintrafen, brachten sie ihre Pferde im Stall unter und trugen ihr Gepäck ins Herrenhaus. Sofort waren Diener zur Stelle, um ihnen die Sachen abzunehmen. »Ach, Barlow, mein Gast, Lord Stewart, braucht einen Kammerdiener. Würdest du seine Bedienung übernehmen?«, sagte Carey.

Barlow verbeugte sich ehrerbietig. »Mit Vergnügen, Sir. Ich werde mir erlauben, Eure Gewänder auszupacken und Eure Hofkleidung aufzufrischen, Lord Stewart. Sicher wollt Ihr zweimal täglich heißes Wasser zum Rasieren. Ihr müsst noch sagen, ob Ihr Wein oder Whisky bevorzugt. Und lasst mich auch wissen, falls Ihr besondere Wünsche habt.«

»Meine Jagdhunde sollen mein Gemach mit mir teilen, Barlow.«

»Eure Hunde sind kein Problem, Mylord.«

Als Hepburn und Carey ins obere Geschoss des Nordflügels hinaufgingen, meinte Patrick: »Es war richtig, dass ich Jock Elliot in Crichton zurückgelassen habe. Der derbe Kerl würde hier nicht herpassen.«

»Londoner Dienstboten haben einen gewissen Schliff, der den Grenzleuten fehlt.«

»Robert, ich glaube, von diesem Schliff könnte ich selbst ein wenig gebrauchen.«

Als sich die beiden wieder hinunterbegaben, wurden sie von einer hoch gewachsenen, schlanken und sehr ansehnlichen Dame mit burgunderfarbigem Haar begrüßt.

»Sieh an, Robert! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr hier in Richmond sein würdet.« Sie strahlte vor aufrichtiger Freude, als sie ihm beide Hände reichte.

»Lady Widdrington ... Liz ... das Vergnügen ist ganz meinerseits.« Er führte ihre Hände an seine Lippen. »Gestattet, dass ich Euch meinen Freund Patrick Hepburn, Lord Stewart, vorstelle.«

Ihre lavendelblauen Augen überflogen ihn mit einem abschätzenden Blick. »Hepburn ist ein berüchtigter Name, Mylord.«

»Ich bin entzückt, Eure Bekanntschaft zu machen, Madam.« Patricks Intuition verriet ihm, dass dieses Paar auf sehr vertrautem Fuße stand. »Ich nehme an, Ihr seid die schöne Frau, der Robert letztes Jahr in Carlisle begegnet ist?«

»Und woher wisst Ihr das? Seid Ihr ein Hexer, wie man munkelt?«

Patrick stritt das Gerücht nicht ab. »Ich ahnte es, weil er ständig von Euch spricht«, sagte er galant.

Liz' Miene verriet, wie sehr sie sich freute. »Robert, Eure Schwester Philadelphia lud mich nach London ein, mein erster Besuch in der Hauptstadt. Ihre Pflichten hielten sie die ganze Woche bei Hofe fest, so dass sie und Eure Schwester Kate erst abends eintreffen werden. In Richmond ist es herrlich ... zumal jetzt.«

Patrick wackelte vielsagend mit den Brauen, als er Robert anschaute. »Das muss Vorsehung sein ... eine vom Himmel geschickte Gelegenheit, Eure Bekanntschaft zu erneuern. Leider habe ich andere Pläne. Ich wollte sofort nach meiner Ankunft auf die Pirsch gehen. Die dichten Wälder um Richmond sind berühmt für ihren Wildreichtum. Ich werde die meiste Zeit draußen sein.« Als er sah, dass Lady Widdringtons Wangen sich röteten, wusste Patrick, dass sie den Wink verstanden hatte.

Er ging hinauf, um sich in seine gewohnte Jagdkluft zu werfen, schlüpfte in Lederbreeches und Stiefel und tauschte sein Hemd gegen eine Schaffellweste, die seine Arme bloß ließ.NÜber sein Stoppelkinn streichend, erwog er, sich zu rasieren, entschied dann aber, das erst abends nach seiner Rückkehr zu tun. Zuletzt schnallte er sich einen breiten Ledergürtel um, in dem Jagdmesser und Dolch steckten.

Erregt von der Aussicht auf Jagd in unbekanntem Gelände, folgten ihm die Hunde zum Stall und warten dort ungeduldig, bis er Valiant wieder gesattelt hatte. Er hielt sie zurück, bis sie den Wald erreichten, dann aber setzten sie sofort einem Hasen nach, den sie aufgestöbert hatten. Schottische Jagdhunde wurden für die Jagd auf Rotwild abgerichtet, und Patrick hoffte sehr, mit Wildbret heimzukehren.

Plötzlich durchschnitt ein Schrei die Luft, unverkennbar der Schrei einer Frau. Hepburn sträubten sich die Haare.

Er fasste die Zügel kürzer und lenkte seinen großen Rappen zwischen den Bäumen hindurch auf die Lichtung, wo die Hunde ihre Beute gestellt hatten.

»Satan! Sabbath! Bei Fuß!« Einer der Hunde hatte sich aufgerichtet und die schweren Pfoten auf die Schultern der Frau gelegt. Als er sie nun plötzlich wegnahm, warf die Wucht sie um.

Patrick war wie der Blitz aus dem Sattel, lief zu dem kleinen Mädchen und half ihm auf die Beine. »Bist du unverletzt, Kind?« Schon wollte er die Kleine nach gebrochenen Knochen abtasten, als sie dunkle Wimpern hob und ihn wutentbrannt mit Bernsteinaugen anstarrte, in denen Goldpünktchen schimmerten.

Patricks Herz schlug ihm bis zum Hals. »Cat!«