Lady Pamela Charlborough knipste ihre Gucci-Handtasche zu und nahm all ihren Mut zusammen. Sie drehte sich zu ihrem Gatten um.
»Mein Auto ist kaputt. Mark muss mich zum Flughafen fahren. Ich habe ein Hotel gebucht. Er kann da übernachten.«
Mit wenigen schnellen Schritten war ihr Mann durch das Zimmer zu ihr gelangt, packte ihr Handgelenk mit festem Griff.
Furcht zeichnete das schlaffe Fleisch um die mit Botox aufgespritzten Lippen, als sie sich wehrte. »Hör auf! Hör auf! Du tust mir weh!«
Er packte noch fester zu.
»Das ist gut. Ich will dir weh tun.« Er lächelte bei dem Gedanken, dass sie Schmerzen verspürte, dass das in den Venen gestaute Blut ihr Unbehagen bereitete.
Er lehnte sein Gesicht ganz nah zu ihrem.
»Lass mich los!«
»Schätzchen«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor. »Wie kann ich mein kleines Schätzchen gehen lassen, dich, die du das Recht zu haben glaubst, über meinen Besitz zu verfügen, noch ehe ich tot bin, über Dinge, die mir viel wert sind, Dinge, die sich seit vielen Jahren in diesem Haus befinden?«
»Ich brauchte das Geld!«
Jetzt packte Sir Andrew sie mit einer Hand am Hals. Sein Daumen drückte auf ihre Luftröhre. Sie begann zu würgen und zerrte mit beiden Händen an seinen Fingern, die Augen schreckgeweitet.
In der anderen Hand hielt er immer noch den Kognakschwenker. |245|Wie sie sich da wand, erregte ihn. Ihr Mund stand offen. Er wusste, dass sie zu schreien versuchte, aber sie bekam keinen Laut heraus. Dazu hielt er ihren Hals zu fest umspannt. Das Glas zerbrach in seiner Hand. Pamelas Augen waren weit aus dem Kopf getreten, teils weil sie keine Luft bekam, teils aus Furcht.
Nun führte er das schartige Ende des Stiels ganz nah an ihr Gesicht. Sie schloss die Augen. Als sie merkte, dass nichts geschah war, schlug sie sie wieder auf. Stumm formten sich ihre Lippen zu den obszönsten Flüchen, die sie kannte, aber ihre Stimme versagte. Doch er verstand sie schon. Sie konnte es an seinen Augen sehen. Seit Jahren hatten seine Augen sie nicht mehr aus so großer Nähe betrachtet. Er wirkte, als sei nur ein Teil von ihm in diesem Zimmer. Der Rest war ganz woanders.
Er lockerte den Griff um ihren Hals. Nach Luft japsend, torkelte sie zur Treppe.
Nachdem sie die Schlafzimmertür sicher verriegelt hatte, flogen Kleider und Schuhe und Toilettenartikel in die Koffer. Dessous wurden zusammengeknäult, Schuhe irgendwo zwischen zarte Spitze, Seide und Kaschmir gerammt.
Sie verschloss die Koffer und warf den Pass und alle wichtigen Unterlagen in die braune Ledertasche, auf deren Seite das berühmte Gucci-Zeichen prangte. Das Mobiltelefon fiel auf die Bettdecke aus Seidensatin.
Mit wogendem Busen starrte sie es an. Die Rachlust war wie ein eiskaltes Messer zwischen den Rippen. Andrews Leben konnte sie nicht zerstören, aber gewaltige Schwierigkeiten konnte sie ihm schon machen – dem Schweinehund.
Sie rief bei der Polizei an, fragte nach dem Beamten, der den Fall bearbeitete, und erzählte ihm, dass der ermordete Amerikaner tatsächlich in Charlborough Grange zu Besuch gewesen war.
»Es würde sich bestimmt lohnen, meinen Mann dazu zu befragen.«
Doherty notierte, was sie ihm gesagt hatte. »Wir verhören |246|in dieser Sache bereits jemanden. Ich lasse es Sie wissen, wenn wir noch einmal mit Ihnen oder Ihrem Mann sprechen müssen.«
Diese Antwort frustrierte sie. Wütend drückte sie auf den Knopf, um das Gespräch zu beenden. Irgendjemand musste sich dafür interessieren!
Die Hotel-Tussi! Die hatte doch ihre Visitenkarte hiergelassen!
Beim vierten Klingeln meldete sich Honey.
»Mein Mann hat gelogen. Der Amerikaner war hier«, sagte sie unmittelbar nach der Begrüßung.
»Das ist interessant. Vielen Dank.«
Lady Pamela blieb der Mund offen stehen. Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet – von keinem von beiden.
»Interessant? Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?«
»Also, ich habe im Augenblick zu tun, aber wenn Sie alles aufschreiben, woran Sie sich erinnern …«
»Was ich weiß, muss Ihnen doch sicher ein bisschen Zeit wert sein?«
»Also gut. Dann schießen Sie los.«
Pamela machte eine kleine Pause. »Elmer Maxted. Wissen Sie, wo er ermordet wurde?«
Honey seufzte. »Soweit man festgestellt hat, wurde er im Keller von einem der Häuser getötet, die einen Zugang zum Fluss haben. Wir nehmen an, dass das betreffende Haus entweder eine Nummer sechs oder eine Nummer neun war.«
»Aha.«
»Was wollten Sie mir denn sagen?«, fragte Honey.
»Egal. Ich schreibe Ihnen einen Brief.«
Wütend ließ Pamela das Telefon zuschnappen. Hauchdünn wie es war, fiel es ihr aus der Hand.
Nichts klappte so, wie sie es sich gewünscht hätte. Nun streikte auch noch ihr Auto und wollte nicht anspringen. »Gib mir eine Stunde, ich schau mir das mal an!«, hatte Mark gesagt.
»Eine halbe Stunde!«
|247|Er hatte ihren Wutausbruch einfach ignoriert. »Eine Stunde!«
»Mark, ich finde, du solltest mit mir nach Spanien kommen.«
Er warf ihr einen Blick zu, schaute dann wieder weg. Er sagte kein Wort.
Sie wollte so viel sagen, konnte aber nicht. Er war wohl nicht mit dem einverstanden, was sie tun wollte.
Das Hausmädchen hatte den Bath Chronicle von heute auf dem Frisiertisch liegen lassen. Die Schlagzeile fiel ihr in die Augen: VERDÄCHTIGER FREIGELASSEN. Sie las weiter. Die Polizei hatte das falsche Haus, die falsche Häuserzeile durchsucht. Mehr noch, der Verdächtige, den sie festgenommen hatten, war aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen worden. Sie erschauderte.
Ihr Zimmer war eine Oase aus hellem Leinen und dunklem Rosa. Sie setzte sich an den Sekretär, zog einen Briefblock heraus und begann zu schreiben. Als sie fertig war, las sie alles noch einmal durch. Ja. Das würde klappen.
Frances Tolly, die Haushälterin, kam und berichtete ihr, dass es Mark nicht gelungen war, ihr Auto zu reparieren.
»Dann sagen Sie ihm, er soll den Rolls vorfahren. Und dass ich einen Chauffeur brauche«, fügte sie hinzu. »Ich fahre dieses verdammte Riesenmonster nicht selbst! Er muss dann eben im Flughafenhotel übernachten.« Und mit mir mitkommen. Ja, er muss mit mir mitkommen!
Pamela lächelte bei dieser Zukunftsaussicht. Vielleicht war es ja gar nicht schlecht, dass der elegante kleine Mercedes nicht anspringen wollte. Beim Gedanken an Marks jugendlichen Körper liefen ihr Wonneschauer über den Rücken. Der junge Mann hatte so viel Potential. Sie hatte ihn zum Sex verführt. Nun musste sie ihn nur noch überreden, Sir Andrew aus dem Weg zu räumen.
Frances drehte sich um und wollte gehen.
»Einen Augenblick. Könnten Sie diesen Brief für mich einwerfen, Frances? Ich habe ihn noch nicht frankiert.«
Nachdem sie den Umschlag zugeklebt hatte, reichte sie ihn der Haushälterin. Damit, überlegte sie, wäre das letzte Kapitel einer lieblosen Ehe abgeschlossen. Sie würden sich scheiden lassen, sie würde ihren Anteil bekommen, und damit wäre die Sache erledigt.
Ihr Gepäck wurde in den Kofferraum des Rolls-Royce umgeladen. Trevor saß am Steuer. Sie hätte Mark vorgezogen, aber der musste irgendwas erledigen. Sie schaute sich nicht um, als sie losfuhren. Sie wollte dieses Haus nie wieder sehen.
Vor ihnen ragte das Haupttor auf. Plötzlich hielt Trevor den Wagen an.
»Was ist los?«, fragte sie hektisch.
»Irgendwas ist mit den Bremsen nicht in Ordnung. Wir müssen zurück.«
»Mein Gott!« Sie zitterte. Wenn ich ihn nicht umbringe, dann bringt er mich um! »Zum Glück haben Sie es noch gemerkt, Trevor!«
Er drehte um und fuhr mit dem Wagen wieder die Einfahrt hinauf.
Trevor ließ den Motor laufen, während er in die Garage ging, um zu holen, was er brauchte. Als er wieder ins Freie trat, war das Auto weg. Er rannte vor das Haus. Nichts. Kein Auto zu sehen.
Mit schlapp herabhängenden Armen zuckte er die Achseln und ging zum Haus zurück. Sie war wahrscheinlich einfach losgefahren. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie davonbrauste, um sich mit einem heimlichen Liebhaber zu treffen. Ihm war es egal. Er hatte sich um die Gewächshäuser zu kümmern. Er hatte Kriegsspiele vorzubereiten.