Liebe auf dem Dach

Die Hampton-Giddes waren die ersten, die nach dem Ballettabend eintrafen. »Wunderbare Tischlerarbeit«, schwärmte Archibald Anson Gidde, als er das neue Sonnendeck über der Wohnung seines Gastgebers sah.

Peter Cipriani nickte. »Ich habe im Mission einen obergeilen Tischler entdeckt. Spottbillig und Muskeln für zwei. Er heißt Jason oder so.«

»Heißen sie denn nicht alle Jason?«

Peter wieherte. »Oder Jonathan.«

»Hatte er einen Knopf im Ohr?«

»Nein. Aber er hatte Shorts an zum Ohnmächtigwerden. Und zu den Kniestrümpfen Komm-fick-mich-Stiefel von Lands End. Total scharf.«

»Meinst du, er bekommt eine Küche auch so gut hin?«

»Keine Ahnung. Ich kann nur sagen, welche Qualitäten er im Schlafzimmer entwickelt, meine Liebe.«

»Ohoooo«, sagte Archibald Anson Gidde.

 

Kurz vor Mitternacht tummelten sich auf dem Sonnendeck ganze Horden von A-Schwulen, die sich in kunstvollem Gezirpe über Glissaden und Pirouetten ergingen. Charles Hillary Lord hob einen Spatel mit Kokain an Archibald Anson Giddes linkes Nasenloch.

»Ich habe heute mit Nicky gesprochen.«

Arch inhalierte das Pulver lautstark. »Und?«

»Ich glaube, er macht mit.«

»Schön«, sagte Arch gleichgültig. »Das hilft dir sicher weiter.«

»Wir brauchen keine Hilfe, Arch. Die Sache läuft von selbst. Ich möchte nur, daß du von Anfang an deinen Profit daraus ziehst.«

»Dann macht es dir ja wohl nichts aus, wenn ich nein sage.«

Chuck Lord seufzte übertrieben und wies mit der Hand in weitem Bogen über die Dächer des Russian Hill. »Arch … hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie viele Tunten es dort draußen gibt?«

»Einen Moment. Ich seh mal in meinem Adreßbuch nach.«

»Innerhalb der Stadtgrenzen von San Francisco gibt es – und das ist noch zurückhaltend geschätzt – einhundertzwanzigtausend praktizierende Homosexuelle.«

»Und Praxis macht bekanntlich den Meister.«

»Diese einhundertzwanzigtausend Homosexuellen werden zusammen alt werden, Arch. Ein paar von ihnen werden nach Kansas zurückgehen, oder von wo sie sonst weggelaufen sind, aber der Großteil von ihnen wird hier in Shangri-la bleiben und sich gegenseitig anmachen, bis es Zeit ist für den Herzschrittmacher.«

»Ich brauche eine Valium.«

»Wann wird das endlich in deinen verdammten Schädel hineingehen, Arch? Wir haben natürlich keine Probleme. Wir besitzen Häuser und Autos und Treuhandvermögen und genügend … Kleingeld, um uns noch mit hundertundzwei jemand von Dial-a-Model kommen zu lassen, wenn wir wollen. Aber die Arschlöcher, die von der Fürsorge oder von Almosen leben, die auf dem Flohmarkt irgendwelchen Mist verkaufen oder im Haight Häuser anstreichen, die brauchen so was, wenn es mal so weit ist.«

Arch machte ein ernstes Gesicht. »Riecht das für dich nicht nach Ausbeutung, Chuck?«

»Ach, Mensch! Irgendwer wird es machen! Das weißt du doch, Arch. Warum sollen wir dann nicht die ersten sein?«

»Ich weiß nicht. Es kommt mir bloß … ziemlich riskant vor.«

»Riskant? Arch, damit schreiben wir im Sozialwesen Geschichte! Die Sache ist reif für das Wall Street Journal! Stell dir das mal vor! Das erste schwule Pflegeheim in der Weltgeschichte!«

Arch Gidde drehte sich um und schaute über die Stadt. »Laß mir noch ein bißchen Zeit, okay?«

Chuck legte ihm den Arm um die Schulter und sagte in einem zärtlicheren Ton: »Nicky hat sich sogar schon einen Namen ausgedacht.«

»Welchen?«

»The Last Roundup.«

»O mein Gott …«

»Kapierst du denn nicht? Ein geschmackvolles, herbes Westernmotiv, die Zimmer mit Holzverkleidung wie in einer Scheune, kleine Gulaschkanonen für das Essen …«

»Nicht zu vergessen die Beutel für die künstlichen Darmausgänge, die selbstverständlich in Hüllen aus Jeansstoff stecken müssen.«

Chuck funkelte ihn wütend an. »Du reißt zwar Witze, aber ich weiß, daß du den Profit siehst, der dabei zu machen ist!«

Schweigen.

»Sieh mal, Arch, es könnte dort doch sehr kultiviert zugehen. Ich meine, wir könnten eine Sauna mit allem Drum und Dran einbauen. Und als Pfleger könnten wir Colt-Modelle einstellen!«

»Das hilft einem sicher gewaltig, wenn sie einen aufs Klo tragen müssen. Weißt du, Chuck, kein Mensch ist wie der andere. Das ist deine Phantasie, die du da durchspielst. Was würdest du zum Beispiel mit den Fummeltrinen anfangen?«

»Wir könnten … Keine Ahnung … Wir könnten einen eigenen Flügel für sie bauen.«

»Und dort vielleicht Helen-Hayes-Look-alike-Wettbewerbe veranstalten?«

»Na, ich sehe keinen Grund, warum …«

Er wurde von Peter Cipriani unterbrochen, der seinen Gästen aufgeregt zurief: »Okay, nicht drängeln. Einer nach dem anderen, meine Herren, einer nach dem anderen.« Er drückte Rick Hampton ein Fernglas in die Hand, das dieser nach Norden richtete.

»Welches Haus?« fragte Rick.

»Das mit den Schindeln dran. An der Barbary Lane. Das Häuschen auf dem Dach, hast du’s?«

»Ja, aber ich kann nichts …«

»Das rechte Fenster.«

»Ach, du meine Güte!«

»Was ist?« fragte Arch, als die anderen sich um Rick drängelten.

»O Gott, seht euch bloß an, was er …«

»Was macht er denn?« kreischte Arch.

»Warte, bis du an der Reihe bist, meine Beste. O Gott, das ist ja nicht zu glauuuuuben … Wie lange geht das schon so, Peter?«

»Mindestens ein paar Wochen. Da drüben in dem weißen Hochhaus gibt es eine Frau, die er beobachtet.«

»Er ist hetero?«

»Offensichtlich.«

»Unmöglich! Heteros haben keinen solchen Body!«

»Ich will auch mal!« drängelte Arch.