Wie ausgewechselt

Brian wollte gerade zur Tür hinaus, als in seinem Häuschen auf dem Dach das Telefon klingelte.

»Ja?«

»Hallo! Was läuft denn so?«

Das mußte Chip Hardesty sein. Chip Hardesty würde selbst beim Begräbnis seiner Großmutter noch fragen: »Was läuft denn so?« Er wohnte in Larkspur, aber seine Wohnung war von seiner Praxis in Northpoint kaum zu unterscheiden. In beiden gab es Farne, Spiegel mit Watney’s-Ale-Werbung und Korbsessel, die an Ketten von der Decke hingen. Das Zahnarztdasein machte ihm nicht unbedingt Spaß.

»Nicht viel«, sagte Brian. Zum erstenmal seit Jahren log er unverschämt drauflos.

»Toll! Ich habe einen Plan.«

»Ja«, sagte Brian mit aller Zurückhaltung. Zu Chips letztem Plan hatten ein Kasten Cold Duck gehört, eine gemietete Blockhütte am Lake Tahoe und zwei todsichere Zahnarzthelferinnen. Eine von den beiden – die von Chip natürlich – hatte ausgesehen wie eine zweite Olivia Newton-John.

Brians Begleiterin hatte ihn auf unangenehme Art an Amy Carter erinnert und sich außerdem in reichlich schiefer Haltung fortbewegt, weil sie sich permanent um einen Ausgleich für ihre linke Brust bemühte, die ihrem Gefühl nach kleiner war als die rechte.

»Arbeitest du heute abend?« wollte Chip wissen.

»Ich fürchte.«

»Wann hast du Schluß?« – »Um elf.«

»Okay. Hör zu. Erinnerst du dich noch an Jennifer Rabinowitz?«

»Nein.«

»Okay. Riesentitten, ja? Arbeitet im Cannery. Knopf in der Nase …«

»Hat beim Tarr-and-Feathers-Sing-along gekotzt.«

»Wer sagt das?«

»Ich sage das. Der Vollgekotzte.«

»Das hast du mir nie erzählt.«

»Entschuldige. Ich hätte es auf meine Weihnachtskarte schreiben sollen.«

Es folgte beleidigtes Schweigen. Dann: »Ich will dir einen Gefallen tun, Mann. Mach mit oder laß es bleiben.«

»Erzähl weiter. Ich hör dir zu.«

»Okay. Jennifer hat da diese Freundin …«

»Näht sich ihre Kleider selbst. Beeindruckende Persönlichkeit. Alle Mädchen im Studentinnenwohnheim fliegen total auf …«

»Mensch, was ist dir denn über die Leber gelaufen?«

»Ich bin nicht mehr so drauf, Chip. Laß mich bei so was lieber aus dem Spiel.«

»Was soll das heißen, du bist nicht mehr so drauf?«

»Alle. Erschöpft. Elf ist ein bißchen spät für …«

»Mensch! Du bist doch seit fünf Jahren nicht mehr vor zwei in der Falle gewesen!«

»Na, vielleicht werd ich ja langsam alt.«

»Ja. Vielleicht wirst du das wirklich.«

»Chip?«

»Ja?«

»Rutsch mir den Buckel runter, ja?«

 

In Wirklichkeit war er kein bißchen müde, nachdem er sich bei Perry’s um seinen letzten Gast gekümmert hatte. Er fühlte sich so vital, angeregt und gut gelaunt wie ein Vierzehnjähriger, der eben beschlossen hat, sich mit Fanny Hill auf dem Klo einzuschließen. Lady Eleven war das Tollste, was ihm seit Jahren passiert war.

Als er später aus der Dusche stieg, stellte er fest, daß er gegenüber der Sirene aus dem Superman Building ein starkes Gefühl der Treue verspürte. Sie gehörte ihm, und zwar im reinsten, befriedigendsten Sinn des Wortes. Und er gehörte ihr. Wenn auch nur für eine halbe Stunde.

Er hatte endlich eine Gleichgesinnte gefunden.