Schwule Handelsklasse A

Die Technik des Partygebens war für die Hampton-Giddes mindestens genauso knifflig wie die Funktionsweise von Arch Giddes neuem Silver-Shadow-Rolls.

Nach sorgfältiger Prüfung wurden mögliche Gäste einer von vier Listen zugeschlagen:

Der A-Liste.

Der B-Liste.

Der schwulen A-Liste.

Der schwulen B-Liste.

Die Hampton-Giddes kannten keine C-Leute, ob schwul oder sonstwie.

In der Regel setzte sich die A-Liste aus den Schönen und den Alteingesessenen zusammen, aus Leuten, die in der Kolumne von Merla Zellerbach im Chronicle die Fragen nach ihrem liebsten Junk-food-Lokal oder ihrem bevorzugten Ziel fürs Underground-Sightseeing beantworten durften.

Natürlich gab es auf der A-Liste ein paar Einsprengsel von der schwulen A-Liste, aber man erwartete von ihnen, daß sie sich benahmen. Ein A-Schwuler, der trutschig wurde, wenn man nach einem Abendessen der A-Liste Scharade spielte, fand sich postwendend im Fegefeuer der schwulen B-Liste wieder.

Den B-Schwulen, diesen armen Wichten, wurde das Scharadespielen gar nicht erst zugestanden.

 

Die Bandbreite und die Intensität der Unterhaltungen bei den Cocktails der Hampton-Giddes hingen größtenteils davon ab, welche Liste zur Anwendung kam.

Leute von der A-Liste konnten sich über Kunst, Politik und die Wildledertapeten im Hauptschlafzimmer des Hauses unterhalten.

Leute von der B-Liste konnten sich über Kunst, Politik, die Wildledertapeten im Hauptschlafzimmer des Hauses und die Leute von der A-Liste unterhalten.

Die A-Schwulen konnten sich darüber unterhalten, wer wohl im Badezimmer Koks schnupfte.

Von den B-Schwulen, die größtenteils Dekorationszwecken dienten, wurde nicht erwartet, daß sie an einer Unterhaltung teilnahmen.

 

»Binky schwört, daß es stimmt«, sagte William Devereaux Hill III. eines Abends, als ein ganzer Schwarm von A-Schwulen über das Anwesen der Hampton-Giddes in Seacliff hergefallen war.

»Was Chinesisches?« stieß Charles Hillary Lord hervor.

»Zwillinge!«

»Gleich ein ganzer Wurf.« mischte sich Archibald Anson Gidde kreischend ein.

»O nein, das halte ich nicht aus!«

»Was heißt, du hältst es nicht aus? Mein Schatz, unsere Miss Gidde hier hat sich am Vormittag regelrecht die Fingernägel ruiniert an ihrem Princess-Telefon, damit sie die Neuigkeit unter die Leute bringen konnte.«

»Das stimmt überhaupt nicht.« Der Gastgeber war empört.

»Mir hast du es jedenfalls erzählt.«

»Aber auch nur dir.«

»Stoker behauptet, daß du es ihm auch erzählt hast.«

»Oh, wie die lügt!«

Charles Hillary Lords Bedarf an Gehässigkeiten war noch nicht gedeckt. »O Gott, Billy, mit einem Ornamentalen? DeDe hat es mit einem Ornamentalen getrieben?«

»Die haben doch bloß Kinderpipis.« Das kam von Archibald Anson Gidde.

»Es ist geradezu abstoßend, was ihr für Vorurteile habt«, sagte Anthony Latimer Hughes, der gerade zu der Gruppe stieß.

»Oh, die Gnädigste spricht! Du hast doch nicht zufällig wieder mal deine kleine Chinoiserie-Periode, was, mein Schatz?« Das kam erneut von Gidde.

»Es gibt zwei Dinge, die man in San Francisco beachten muß«, warf Charles Hillary Lord ein. »Daß man sich nie im Top of the Mark verabredet. Und daß man bei Regen nie durch Chinatown geht.«

»Warum nicht?« fragten alle im Chor.

»Weil die Chinesen so klein sind, daß sie den Weißen mit ihren Regenschirmen die Augen ausstechen!«

 

In einer anderen Ecke des Raums tauschte Edward Paxton Stoker Jr. zu Füßen des Claes Oldenburg mit seinem Gastge ber Richard Evan Hampton Nettigkeiten aus.

»Ich gäbe was dafür«, sagte der Gast, »wenn Jon Fielding hier wäre.«

»Also biiiitte!« Rick Hampton hatte es noch immer nicht verwunden, daß Jon Fielding bei einer Abendgesellschaft im letzten Herbst plötzlich explodiert war und sich wutschnaubend verabschiedet hatte. »Diese Zicke wirst du bei mir garantiert nie wieder auf der Gästeliste finden, Edward.«

»Aber er ist DeDes Gynäkologe und …«

»Und außerdem steigt Beauchamp ab und zu über ihn drüber.«

»Das stimmt nicht mehr.«

»Sag bloß?«

»Der Herr Doktor ist auf einmal überaus frömmlerisch geworden – wie das manchmal so seine Art ist – und hat unserem lieben Beauchamp den Laufpaß gegeben. Beauchamp war außer sich.«

»Ich würde zu gerne Fieldings Version hören!«

»Ich fürchte, da wirst du dich noch ein Weilchen gedulden müssen. Er ist nämlich auf dem Weg nach Acapulco.«

»O Gott, was will er da denn?«

»Na, was wohl? Er besucht einen Gynäkologenkongreß.«

Die reichere – und ältere – Hälfte der Hampton-Giddes verdrehte heftig die Augen. »Acapulco ist auch nicht mehr das, was es mal war.«