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Rosemarie klang am Telefon gehetzt. Ihre Stimme war ein gepresstes Flüstern. Ein schneller, atemloser Schwall.
Sie müssen kommen, Eva. Er ist auf dem Weg. Er kommt. Er hat wieder geschrieben. Er kommt zurück. Verstehen Sie, was ich sage. Jetzt kommt der Moment der Wahrheit, und Sie müssen ihn miterleben. Damit Sie verstehen, dass ich nicht in Gefahr bin. Lassen Sie mich jetzt nicht im Stich. Bitte.
Ist sie verwirrt?, schießt es mir durch den Kopf. Betrunken? Der Moment der Wahrheit? Was hat sie mir verheimlicht? Was kommt jetzt noch?
Ich schreibe Hendrik schnell eine SMS, während ich bei Manolo im Taxi nach Rodenkirchen sitze. Dass ich schnell wegmusste, eiliger Fall, dass jemand meine Hilfe bräuchte und dass es mir leidtäte. Dass es schön war mit ihm. Alles sei gut, und morgen würde ich ihm alles erklären.
Ich krame aus Nervosität in meiner Handtasche. Noch immer liegt mein digitales Aufnahmegerät darin. Außerdem das Foto der vier Männer und der USB-Stick. Und diese merkwürdige Liste. Manolo sieht immer mal wieder in den Rückspiegel und sagt keinen Ton. Er merkt, dass ich angespannt bin und lässt mich in Ruhe.
Ich ziehe den Ausdruck hervor und blättere ihn durch. Die Namen auf den ersten Seiten sagen mir immer noch nichts. Aber dann springt mir ein Name ins Auge. Heißt so nicht einer der drei Bürgermeister von Köln? Alfred Schmidt? Ich suche die Liste weiter ab und finde mehrere Namen aus dem öffentlichen Leben Kölns: einen stadtbekannten Hautarzt und Schönheitschirurgen, Dr. Pierre Mokisch. Ein fürchterlich aufgeblasener Typ mit mimiklosem Gesicht, der durch RTL-Sendungen tingelt. Einen Architekten, der den Bahnhof in Köln-Deutz umbauen will: Winnibald Scherten. Der Name ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich nehme mir vor, alle Namen zu googeln. Hinter den Namen stehen Zahlen. Hohe Zahlen. Ich hätte mir die Liste vorher genauer ansehen sollen.
Ich dummes Huhn.
Eine Liste von Menschen, Männern und Frauen, die alle Kunden bei demselben Autohändler sind? Einem Autohändler, der nichts anderes zu bieten hat als alle anderen Händler auf dieser Welt? Oder nicht? Mir schwant, dass Felix hier an einer großen Sache dran war. Das stinkt zum Himmel.
Warte mal eben. Noch mal von vorne.
Ich sehe aus dem Fenster und versuche meine Gedanken zu ordnen. Manolo lenkt den Wagen schnell, aber sicher durch die Stadt. Also: Der Informant gibt Felix diese Liste. Felix hat damit etwas in der Hand, ein Druckmittel.
Was würde ich machen, wenn mir jemand auf die Schliche käme?
Ich würde ihn kaltmachen oder wegschaffen. Andererseits: Wäre ich Felix und hätte dieses Druckmittel, würde ich untertauchen, weil die Gefahr entdeckt zu werden zu groß ist. Ich bin mir jetzt sicher: Felix war gestern nicht im dem brennenden Auto.
Das war er nicht.
Felix lebt, ganz bestimmt. Ich muss ihm schnell mitteilen, dass ich seinen USB-Stick habe. Dass ich sein Wissen mit ihm teile und ihm somit klarmachen, dass ich das Material weitergeben kann. Es veröffentlichen. Sollte ihm etwas zustoßen.
Ich tippe rasch eine SMS an ihn.
Felix. Ich habe deinen Stick und die Liste.
Ich weiß Bescheid. Melde dich. Egal wann.
xxx Eva.
Dann drücke ich auf «Senden».