Kapitel 37

 

Nebel waberte um das schwarzglänzende Schiff, das fast das gesamte Landefeld bedeckte. Lichtkegel beleuchteten die Ladeluken, in die Männer und Frauen alle möglichen Ausrüstungsgegenstände verfrachteten, bevor sie selbst an Bord gingen.

Das Landefeld wurde in den Registern der Erstwelt als Notlandeplatz für Kampfschiffe der Imperialen Flotte geführt, tatsächlich wurde es jedoch vom Imperator ausschließlich für Starts und Landungen genutzt, die nicht unbedingt auf jedem Vid-Schirm erscheinen mussten.

Auch das Schiff selbst war ziemlich obskur. Dem Eintrag im Schiffsregister zufolge trug es den Namen Normandie und war als Imperiales Passagierschiff konstruiert worden. Ein luxuriöses Hochgeschwindigkeits-Linienschiff, das nach seiner dritten Reise eingemottet wurde.

Von außen gesehen, wirkte die Normandie wie ein herkömmliches Linienschiff, doch sie war nur zu einem einzigen Zweck gebaut worden – als inoffizielles Raumschiff des Imperators, sei es für geheime Missionen oder für Vergnügungsfahrten. Sie war wie ein Zerstörer der Imperialen Flotte bewaffnet, und ihre Triebwerke entsprachen denen eines Kreuzers.

Dabei benötigte die Normandie dank neuester Computertechnik noch nicht einmal hundert Mann Besatzung. Viel mehr hätten allerdings an Bord auch gar keinen Platz gefunden, denn den größten Teil der Innenräume der Normandie beanspruchten die Gemächer des Imperators. Versetzbare Schotts und Zwischendecks garantierten dafür, dass der Imperator von einer Privatparty für sich und eine Besucherin bis hin zu Imperialen Gipfeltreffen jede Art von Gesellschaft auf dem Schiff empfangen und versorgen konnte.

Da das Schiff offiziell nicht existierte, war es nicht auf die vorgeschriebenen Abfertigungsformalitäten angewiesen. Im Notfall konnte die Normandie die Identität des einen oder anderen ihrer Schwesternschiffe annehmen.

Sie war wahrscheinlich das größte Geheimnis, das jemals konstruiert wurde.

»Marr, du bist mir vielleicht eine Mimose. Hier gibt es keinerlei Verschmutzung.«

»Du redest so, wie du es verstehst«, schniefte Marr. »Und ich sage dir trotzdem: Ich kann den Gestank des Antriebs riechen.«

Marr und Senn waren wahrscheinlich die einzigen Caterer in der Geschichte des Imperiums, die auch höchste Sicherheitskontrollen ungehindert passieren durften.

Sie standen in Höhe des schlanken Mittelteils der Normandie und sahen zu, wie ihre Vorräte über ein Förderband im Bauch des Schiffes verschwanden.

»Na schön, dann gibt es hier eben Verschmutzung.

Ich glaube deinen empfindlichen Nasenlöchern. Das macht aber den Fischen nichts aus. Sie sind in ihren Bassins und stehen nicht hier draußen herum und holen sich den Tod.«

»Ich mache mir ernsthaft Gedanken darüber«, sagte Marr, »ob diese Tahn etwas gegen unser Essen einzuwenden haben. Willst du etwa für das Scheitern dieser Konferenz aufgrund von Verstopfung verantwortlich sein?«

Ihr frühmorgendliches Kichern verstummte, als Subadar-Major Limbu herangeschlendert kam. Der Gurkha-Offizier war in vollem Kampfdress, komplett mit Willygun und Kukri, der in der dafür vorgesehenen Scheide auf dem Rücken steckte. Er salutierte. »Diese Fische sind doch nicht etwa für meine Leute?« erkundigte er sich.

»Nein, bestimmt nicht, Chittahang. Ich habe genug Dali, Reis und Sojasteak eingepackt, um jeden von euch Naiks in den Ballon zu verwandeln, zu dem Sie sich offensichtlich entwickeln möchten.«

Chittahang blickte automatisch auf seinen Bauch hinunter und entspannte sich dann wieder. »Ah. Sehr gut. Aber ich möchte Ihnen ein Geheimnis verraten.

Diese Kugel rührt nicht von meinem Bauch her. Ich musste leider einige meiner anderen Organe mit dem Gürtel nach oben schnallen.« Er grinste, zwinkerte und widmete sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe, die Einschiffung seiner Männer zu überwachen.

»Marr, glaubst du, dass wir aus diesen kleinen Braunen jemals schlau werden?«

»Wahrscheinlich nicht.« Marr drehte sich um und kommentierte: »Unser furchtloser Anführer ist angekommen.«

Fünf große A-Grav-Gleiter kamen neben der Normandie zum Stehen. Leute stiegen heraus.

»Sieh mal, ist das dort neben dem Imperator dieser Fettwanst Sullamora?« zischte Senn. »Warum wurde er denn eingeladen?«

»Ich bin nicht der Imperator, mein Liebster, aber da er ein Imperialer Handelsmann ist, vermute ich, dass es mit den Handelsrechten gegenüber diesen Tahn zu tun haben muss – Senn, bist du wirklich sicher, dass wir auf alles vorbereitet sind?«

Kurz nachdem das Treffen mit den Tahn verabredet worden war, hatte man Senn und Marr mit der Beschaffung der Vorräte beauftragt. Sie hatten sich sofort darangemacht, sich über die geschmacklichen Vorlieben der Tahn zu informieren, insbesondere die ihrer Lords. Zum Glück standen im vierzigsten Jahrhundert noch ausreichend Vid-Bänder über exotische Küche zur Verfügung. Sie hatten alles eingepackt, angefangen bei zarten Salzkrebsen über Stärke bis hin zu den Gemüsearten, die noch immer angebaut wurden.

Außerdem einige Überraschungen, da jeder Küchenchef davon überzeugt ist, dass er jede Mahlzeit durch einige spezielle Zutaten wesentlich verbessern kann.

Jetzt knallten Stiefelabsätze auf dem Stahlbeton des Landefelds, und das Kontingent Prätorianer kam im Laufschritt aus dem Sicherheitsareal herausgetrabt.

Colonel Den Fohlee ließ sie Aufstellung nehmen, durchzählen und dann im Paradeschritt an Bord marschieren.

»Haben wir auch genug?« fragte Marr ängstlich.

»Wir haben genug! Wir haben genug Stärke und Proteine dabei, um diese hundertfünfzig Prätorianer ein Jahrtausend lang glücklich zu machen; und die dreißig Gurkhas; und die Besatzung, die obendrein ihre eigenen Rationen hat. Wer weiß schon im voraus, was der Imperator haben will, dann Sullamora … Ich habe seinem Koch die Rezepte für seine Leibgerichte abgeluchst. Schließlich bleibt immer noch genug für die Tahn übrig, selbst wenn sie damit ihre sämtlichen verhungernden Herden füttern wollen. Wir sind auf alles vorbereitet, mein Liebster.«

»Ja, schon, aber was sollen wir – du und ich – essen?«

Gerade als Senns Membrane sich alarmiert zusammenzogen, ertönte der Gong der Bordanlage.

Die letzten Vorräte wurden an Bord geschafft, und die Luken des Schiffs schwangen zu. Die A-Grav-Flitzer verließen das Landefeld. Schon fing der Yukawa noch lauter zu zischen an, und die Normandie erhob sich in die Luft.

Etwas weiter draußen im All würde sie sich mit einem Zerstörer-Geschwader und einem Kreuzer treffen.

Diesen Imperialen Raumfahrern war nichts weiter mitgeteilt worden, als dass sie ein Schiff zu einem bestimmten Zielort begleiten sollten, unterwegs dafür zu sorgen hatten, dass dem Schiff nichts zustieß, und es dann wieder an seinen Ursprungsort zurückzubringen hatten. Sie hatten keine Ahnung, dass sich der Imperator an Bord dieses Schiffes aufhielt, und sie wußten auch nicht, dass das Treffen mit den Tahnlords die einzige Möglichkeit war, einen möglichen intergalaktischen Krieg zu verhindern.