Kapitel 1

 

Der Banth knurrte das Stachelschwein an, das sich in den hohlen Baumstamm zurückgezogen hatte, so weit es nur eben konnte.

Der Instinkt des Banth sagte ihm, dass das Baumstachelschwein essbar war, doch ihre Abrichtung hatte die sechsbeinige Katze etwas anderes gelehrt. Fleisch war etwas, das von Zweibeinern gebracht wurde, und zwar morgens und abends, und immer in Verbindung mit freundlichen Worten. Da konnte das Stachelschwein noch so gut riechen; es benahm sich nicht wie richtiges Fleisch. Der Banth ließ sich auf seinem Hinterteil nieder und versuchte mit der Vorderpfote zwei Stacheln aus seinem Nasenspiegel zu ziehen.

Plötzlich duckte sich das Tier flach auf den Boden.

Schon wieder dieses Geräusch – ein leises, hohes Pfeifen aus dem Wald. Der Banth blickte aufgeschreckt den Berg hinauf, dann wieder in die andere Richtung, aus der das Geräusch kam.

Ganz gegen seinen Instinkt brach er aus dem Schutz des Waldsaums heraus und rannte mit großen Sätzen den nackten, mit Felsbrocken übersäten Hang hinauf. Nach zweihundert Metern suchte er sich Deckung und versteckte sich hinter einer Gruppe von Felsen.

Das Pfeifen wurde lauter, als der A-Grav-Gleiter sich über die struppigen Baumwipfel erhob, eine elegante Pirouette drehte und dann in der Nähe des hohlen Baumstamms landete.

Terence Kreuger, der Chef der taktischen Einsatztruppe der Polizei auf der Erstwelt, überprüfte den Zielfinder, der auf den Armaturen des A-Grav-Gleiters lag. Die Nadel zeigte geradewegs den Berghang hinauf, und der Entfernungsanzeiger verriet ihm, dass der Banth kaum mehr als einen halben Kilometer von ihm entfernt sein konnte.

Kreuger zog die Projektilwaffe aus der Halterung hinter dem Sitz und überprüfte sie noch einmal: geladen, gesichert, die Zielvorrichtung auf einen Meter eingestellt – ungefähr das Ausmaß des Brustkorbs eines Banth.

Dann suchte er mit dem Fernglas den Hügel ab, bis er nach einigen Sekunden eine zuckende Bewegung wahrnahm. Kreuger grunzte zufrieden und steuerte den A-Grav-Gleiter ein Stück weiter den Hügel hinauf. Er hatte den Banth heute schon einmal verfehlt und war nicht sehr zufrieden mit sich.

Kreuger sah sich immer als Jäger der alten Schule.

Sobald es seine polizeidienstlichen Verpflichtungen zuließen, verbrachte er seine Zeit mit der Jagd oder mit der Vorbereitung darauf. Dabei war Jagen ein teures Hobby, besonders auf der Erstwelt. Der Zentralplanet des Imperiums verfügte über kein einheimisches Wild mehr, und die Gebühren der beiden Jagdreservate überstiegen selbst die Möglichkeiten des Chefs der taktischen Einsatztruppe erheblich – bis vor kurzem jedenfalls noch.

Zuvor hatte sich Kreuger bei seinen Jagdausflügen auf andere Planeten beschränken müssen, und auch dort meist auf minderwertiges, nicht essbares Wild. Das war zwar alles gut und schön, doch auf diese Weise kam Kreuger nie zu den begehrten echten Trophäen, zumindest nicht zu solchen, die in den offiziellen Jagdbüchern verzeichnet waren. Inzwischen hatte sich jedoch dank seiner neuen Freunde so einiges geändert.

Nach dreißig Jahren im Polizeidienst hielt Kreuger noch immer viel auf seine Ehrlichkeit; mittlerweile hatte er nur die Vorstellung verinnerlicht, dass das, was seine neuen Freunde von ihm verlangten, keinesfalls unehrlich war. Und was andererseits für ein paar kleine Gefälligkeiten heraussprang! Drei Wochen weg von dieser Wahnsinnsveranstaltung namens Imperialer Siegestag! Drei Wochen in einem Jagdrevier, ohne jegliche Unkosten. Lizenzen zum Abschuss von vier gefährlichen und wilden Tieren ein Nashorn von der Erde, ein Banth, ein Cervi und ein Riesenot.

Er wusste schon genau, an welche Wand er ihre Köpfe hängen würde. Natürlich würde Kreuger seinen neidischen Freunden nicht erzählen, wo er diese Trophäen geschossen hatte.

Der Stoßfänger des A-Grav-Gleiters wich einem Felsbrocken aus und holte Kreuger wieder in die Gegenwart zurück. Konzentriere dich, Mann, konzentriere dich.

Genieße jede Sekunde dieses Tages. Die klare Luft, den Geruch der Bäume weiter unten, die Staubwölkchen, die rund um den Gleiter aufgewirbelt werden.

Kreuger steuerte das Fahrzeug weiter den Hügel hinauf, immer der Nadel nach, die unbeirrbar auf den im Hals des Banth implantierten Sensor zeigte.

Weiter unten bewegte sich ein zweiter A-Grav-Gleiter parallel zur Baumgrenze. Clyff Tarpy brauchte kein Fernglas, um Kreugers Gleiter zu folgen.

Der Banth saß in der Falle.

Schräg rechts vor ihm ging es so steil abwärts, dass er sich selbst mit seinen klauenbewehrten Pfoten nicht hinabwagen konnte. Links stürzte der Fels sogar jäh in eine tiefe Schlucht ab. Verschreckt kauerte sich der Banth hinter einen großen Felsbrocken.

Der Gleiter landete direkt vor seinem Versteck.

Kreuger stieg aus und kam mit schussbereiter Waffe näher.

Der Banth wunderte sich erneut. Das Pfeifen war schon einmal die Ursache für einen lauten Knall und einen sengenden Schmerz gewesen, einen Schmerz, der den Banth durch den ganzen Wald und in die Berge hinaufgetrieben hatte.

Aber der Geruch war eindeutig Zweibeiner. Zweibeiner, aber nicht vertraut. Hatte der Banth etwas falsch gemacht? Der Zweibeiner würde es ihm bestimmt sagen, ihn füttern und dann wieder in seine warme Box zurückbringen.

Der Banth erhob sich und machte einige Schritte um den Felsen herum.

Kaum kam der Banth in Sicht, riss Kreuger sein Projektilgewehr hoch und entsicherte es. Jetzt nur keinen Fehler machen! Er zielte sorgfältig.

Der Banth maunzte verunsichert. Das dort war nicht sein Zweibeiner.

»Elender Dreckskerl!«

Kreuger wirbelte herum und vergaß den Banth kurzzeitig. Er hatte nicht gehört, dass hinter ihm ein zweiter A-Grav-Gleiter gelandet war.

Der Lauf der Waffe sah aus fünf Metern Entfernung enorm groß aus. Tarpy wartete noch einen Moment, bis sich das Erstaunen auf Kreugers Gesicht in schieres Entsetzen verwandelt hatte. Dann zog er den Abzug durch. Das weiche Metallgeschoß durchschlug Kreugers Brustbein, wurde durch den Aufprall noch größer und wirbelte dann durch den Brustkorb des Polizeichefs direkt in sein Herz. Kreuger war sofort tot. Er sackte auf einem kleinen Felsen zusammen und kippte dann nach vorn aufs Gesicht.

Tarpy lächelte, zog einen großen Fetzen Sojasteak aus seiner Gürteltasche und warf ihn dem Banth hin.

»Jetzt hast du noch acht Leben übrig, Miezekatze.«

Tarpy holte einen kleinen Sprühbehälter aus der Tasche und löschte damit seine Fußspuren vom staubigen Felsen. Bei Kreugers Gleiter hielt er sich nur so lange auf, wie er brauchte, um die Maschine und das Peilgerät abzustellen. Je länger es dauerte, bis die Leiche gefunden wurde, um so besser. Tarpy kletterte in seinen eigenen Gleiter und steuerte ihn wieder den Hügel hinunter.

Der Schwanz des Banth zuckte einmal hin und her.

Der Geruch dieses seltsamen Zweibeiners gefiel ihm überhaupt nicht. Also schnappte er sich das Stück Sojasteak, setzte über den Steinwall und trottete den Abhang hinunter. Er wollte in vertrauter Umgebung fressen und anschließend vielleicht doch noch das Geheimnis des anderen Sojasteaks lüften – des Sojasteaks mit Stacheln, das laufen konnte.