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Der Hochzeitstag des Kronprinzen begann mit schwerer Bewölkung und Regen in der Luft. Es würde sich auch später nicht wirklich aufhellen. Die Luft war drückend. Cato Isaksen hatte Bente versprochen, dass er früh zu Hause sein werde. Es war zwar Samstag, aber es war trotzdem eine Besprechung zum Fall Toyen angesetzt. Das war eine Besonderheit. Aber am Vorabend war ganz spät noch ein Geständnis abgelegt worden, und das war für die Polizei nun wirklich keine Alltagskost.

Während die Kollegen darüber sprachen, scharrte Cato Isaksen ungeduldig mit den Füßen. Er saß ganz starr da und horchte. Nicht auf die Stimmen der anderen, sondern auf seine eigenen Gedanken. Sein Blick richtete sich auf einen Punkt auf dem Tisch, einen Butterklecks, der aus der Mittagspause stammte. Er sah Randi Johansens Bewegungen zu, als sie Kaffee aus einer Thermoskanne einschenkte. Ihre Fingernägel waren sauber und kurz. Er wollte gerade von seinem Besuch bei dem Pathologen berichten, als Ingeborg Myklebust das Zimmer betrat. Der Fall Toyen schien seiner Aufklärung entgegenzugehen, und die Abteilungsleiterin war zufrieden. Das war eine Erleichterung. Sie sagte, sie könnten stolz auf sich sein und nun bald nach Hause gehen und die Kronprinzenhochzeit genießen, denn sie ging davon aus, dass sie sich allesamt vor den Fernseher setzen wollten. Cato Isaksen betrachtete ihre gepflegten Hände. Ihre Nägel waren feuerrot, die Ringe glänzten.

Randi Johansen setzte sich zu ihm. «Stimmt was nicht?», fragte sie.

Er gab keine Antwort. Fieberhaft versuchte er, die Stelle wiederzufinden, wo seine Gedanken gewesen waren, als Randi ihn herausgerissen hatte. Es gab etwas, das er aus dem Zwischenraum hervorzerren musste, aus der Stille zwischen Gewissheit und Ungewissheit. Er erhob sich und sagte, er müsse telefonieren. Er verließ das Zimmer. Er hatte schon mehrmals versucht, Solveig Wettergren anzurufen. Es klingelte, aber sie meldete sich nicht. Er wusste, dass die alten Damen jetzt im Grand Hotel waren. Endlich war der große Tag da. Sie konnten die Hochzeit des Kronprinzen feiern, wie sie es seit nun mehr neun Monaten geplant hatten.   

Als Cato Isaksen zurückkam, waren die anderen schon im Aufbruch begriffen. Er breitete hilflos die Arme aus, aber niemand wirkte sonderlich interessiert, als er seinen Pathologenbesuch vom Vortag erwähnte.

«Das nehmen wir uns am Montag vor», sagte Randi Johansen und sah ihn resigniert an, dann stürzte sie davon.

Cato Isaksen ging in sein Büro und sah noch einmal die Unterlagen über den Fall Gunn Berit Tobiassen durch. Er stellte fest, dass der Polizist, der damals die Ermittlungen leitete, notiert hatte, dass Alf Boris Moen vor Eintreffen der Polizei die Treppe geputzt hatte.

Der kurze Polizeibericht, der am 15. Januar 1983 abgestempelt worden war, enthielt Moens Erklärung, dass er den Anblick der Blutflecken auf der Treppe nicht ertragen habe. Er habe aufrichtig unglücklich gewirkt und sei deutlich aus dem Gleichgewicht geraten, hieß es. Die Polizei hatte auch keine Gegenstände gefunden, die zu Gunn Berit Tobiassens Schläfenverletzung passten. Sie hatten noch zweimal mit Moen gesprochen, aber dann war der Fall nicht weiter verfolgt worden. Ganz am Ende des Berichts hieß es noch, der Pathologe komme frisch vom Examen und könne sich deshalb durchaus geirrt haben. Einem weiteren Pathologen, den man um ein Urteil gebeten hatte, war nichts aufgefallen.

Eine halbe Stunde darauf saß Cato Isaksen allein in der Abteilung. Er musste zur Toilette, vergaß es aber wieder, als er etwas über die Unruhe las, die er selbst bei seinem ersten Besuch in Brenda Moens Wohnung verspürt hatte. Kannte Alf Boris Moen Solveig Wettergren besser, als er es zugeben wollte? Brenda Moens Sohn konnte doch wohl keine sexuelle Beziehung zur Freundin seiner Mutter unterhalten, einer Frau von vierundsiebzig Jahren? Die Vorstellung war im Grunde lächerlich.

Cato Isaksen blätterte noch eine Viertelstunde in den Unterlagen, dann fuhr er mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage. Er beschloss, auf der Heimfahrt einen Abstecher in die John-Colletts-Allee zu unternehmen. Alf Boris Moen konnte ja jetzt zu Hause sein.