Die beiden Freundinnen fuhren oft mit dem Auto aus der Stadt hinaus. Zwei Tage zuvor hatten sie die alte Porzellanfabrik besucht und sich eine Ausstellung über das Lebenswerk eines dänischen Künstlers angesehen. Aber sie fuhren nicht immer so weit. Sie besuchten gern den Holmenkollen, um den berühmten Apfelkuchen mit Sahne zu verzehren, und sie machten Abstecher nach Schweden, um billig Wein und Fleisch einzukaufen.
Immer saß dabei Solveig Wettergren am Steuer. Sie hatte einen kleinen roten Saab, den sie zwei Jahre zuvor gebraucht gekauft hatte.
Als sie von einem solchen Einkaufstrip nach Schweden zurückkehrte, stand Cato Isaksen wartend auf ihrer Treppe. Sie hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Sie stieg eilig aus dem Wagen.
«Sie haben hergefunden», sagte sie atemlos. «Warten Sie schon lange?»
Cato Isaksen schüttelte den Kopf.
Wenn er sich sonst bei den Freundinnen gemeldet hatte, hatten sie ihn immer in die Waldemar-Thranes-Gate bestellt. Jetzt aber wollte er sehen, wie Solveig Wettergren wohnte. Er war zu ihrem Haus gefahren, einem prachtvollen grauen Einfamilienhaus in Vindern.
«Ich habe Tulla eben nach Hause gebracht», sagte Solveig Wettergren jetzt. «Wir haben ein wenig eingekauft.» Cato Isaksen half ihr beim Tragen. Als er die Tür erreicht hatte, riss der Griff einer Einkaufstüte. Eine Dose mit gefrorenem Fischauflauf und eine Packung Binden für Inkontinente fielen heraus. Cato Isaksen bat um Entschuldigung und hob beides vom Boden auf.
«Königin Sonja ist hier um die Ecke aufgewachsen», sagte Solveig Wettergren und hielt die Tür für ihn auf. «Kommen Sie einfach herein. Wir haben uns hier immer sehr wohl gefühlt, mein Mann und ich.»
Sie hatte also einen Mann. Cato Isaksen betrachtete ihren üppigen Körper. Sie trug einen hellen Angorapullover und einen Rock von Burberry. Er hatte sich die Damen aus dem royalistischen Verein automatisch als alleinstehend vorgestellt. Brenda Moen war Witwe, Tulla Henriksen war nie verheiratet gewesen. Das hatte er auf irgendeine Weise registriert. Ehe er diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, erzählte Solveig Wettergren, dass ihr Mann in einem Pflegeheim wohnte.
«Ich konnte ihn einfach nicht mehr hier behalten», sagte sie mit ernster Stimme. «Obwohl ich Krankenschwester von Beruf bin und zehn Jahre im Krankenhaus Ullevål gearbeitet habe. Aber eigentlich hat mir diese Arbeit nie gelegen. Er konnte in der letzten Zeit hier zu Hause nicht einmal mehr das Wasser halten. Ich habe schließlich drei Stockwerke, die ich in Ordnung halten muss. Wir haben hier nämlich auch noch einen Keller. Das alles war dann einfach zuviel für mich», sagte sie und bat ihn, die Einkäufe in die Küche zu bringen. Sie schaltete das Radio auf der Anrichte ein und fing an auszupacken.
Seine Mutter war seit drei Tagen tot und Cato Isaksen kam sich ziemlich labil vor. Solveig Wettergren führte ihn in ihr helles Wohnzimmer, an dessen Wänden schwere Gemälde in Goldrahmen hingen. Das frühlingsgrüne Sofa und die weinroten Perserteppiche verstärkten noch den Eindruck von Wohlstand. Auf den Fensterbänken standen große Porzellantöpfe mit Blumen. «Ich habe einen Jungen, der sich um den Garten kümmert», sagte sie, als schien sie seine Gedanken gelesen zu haben. «Das schaffe ich nicht mehr allein. Und ich bin ja auch viel bei meinem Mann. Zum Glück ist das Heim nicht weit von hier, deshalb fahre ich alle zwei Tage zu ihm.»
Solveig Wettergren servierte Tee in weißen Tassen und verbreitete sich bereitwillig über die Treffen des royalistischen Klubs, die reihum bei den einzelnen Mitgliedern stattfanden. «Aber bei Brenda war es immer am spannendsten», betonte sie mit ihrer hellen mädchenhaften Stimme. «Wegen ihrer vielen Sachen, natürlich, der Kleider, der Fotos, ja, wegen allem, was sie hatte.»
«Wollen Sie noch immer am 25. August das Hotelzimmer im Grand mieten?» Cato Isaksen nippte an dem heißen Tee.
Solveig Wettergren schaute ihn müde an. «Meinen Sie, wir sollten das lassen?», fragte sie besorgt.
«Nein, auf keinen Fall. Die Toten bekommen wir ja doch nicht zurück», sagte er.
«In den ersten Tagen nach dem Mord, habe ich mich kaum getraut, hier allein zu sein. Das lag daran, wie es passiert war. Und dann war da ja zu allem Überfluss auch noch die Sache mit Kathrine. Das alles ist so schrecklich. Und das Schlimmste ist ja fast, dass Sie die Sache auch nicht aufklären können. Denn das können Sie doch nicht?» Sie blickte ihn fragend an. «Oder schaffen Sie es doch noch?»
Cato Isaksen erwiderte diplomatisch, er sei davon überzeugt, dass sie am Ende doch noch eine Lösung finden würden. «Das braucht eben seine Zeit», sagte er und fügte hinzu, dass sie mehreren Spuren gleichzeitig folgten.
Solveig Wettergren musterte ihn. «Ich habe heute Morgen lange geschlafen», sagte sie. «Ich zerbreche mir nachts immer wieder den Kopf. Und meine Beine sind auch ein wenig geschwollen. Ab und zu habe ich Angst, ich könnte im Schlaf sterben.»