21. Das goldene Gasalabad

 

Wir ritten wirklich wie die Dämonen und erreichten Gasalabad am Mittag des folgenden Tages, dem Tag der Sklavenversteigerung. Schon seit einiger Zeit war das Land grüner geworden, und auf dem letzten Teil unserer Reise entsprach es endlich Serafines Beschreibungen. Als wir auf der alten imperialen Straße über einen Hügel ritten und ich die Stadt vor mir liegen sah, war ich zunächst stark beeindruckt. Die hohen Wände mit den seltsam geschwungenen Zinnen und den runden Türmen strahlten gelb, fast schon golden, in der Mittagssonne. Der Gazar, der Fluss, der der Stadt seinen Namen gab und dem Land das Grün brachte, floss wie ein stählernes Band durch die Stadt hindurch, Dutzende von kleineren oder größeren Flussschiffen segelten den Strom hinab oder wurden auf Treidelpfaden flussaufwärts gezogen.

Eine gewaltige Festung, dachte ich, größer noch als Kelar. Aber als wir näher kamen und dann von den Wachen am Haupttor angehalten wurden, sah ich, dass diese beeindruckenden Mauern nicht aus Felsgestein, sondern aus gebrannten Ziegeln errichtet worden waren. Nicht nur das, überall waren Zeichen von Alter, Vernachlässigung und Verfall zu erkennen. An manchen Stellen befanden sich große Löcher in den Wällen, als habe jemand mit einem großen Löffel die Ziegelsteine abgegraben. Acht Jahre hatten die Katapulte Thalaks mannsgroße Steine gegen die Wälle von Kelar geworfen … Diese Mauern hier hätten keine Woche standgehalten. Ich war enttäuscht.

»Der Segen der Götter sei mit dir, Leutnant. Reich sei dein Haus mit dem Gelächter von Kindern, fruchtbar und wohlgerundet die Lenden deiner Frauen und hoch der Lohn der Stadt für einen solch tapferen Soldaten, wie du es bist«, begrüßte Armin den Wachsoldaten, der nun vortrat, um uns zu mustern.

Ich war Armins Rat gefolgt und trug nun einen Burnus, wie man diese wallenden Gewänder nannte. Er hatte uns die besten Pferde ausgesucht, und wir hatten insgesamt fünf dabei, zwei waren mit dem nötigsten unserer Ausrüstung bepackt. Der Rest unseres Gepäcks lagerte noch immer in der Wegestation.

»O schweigt, Vater der Übertreibung«, entgegnete der Soldat. »Arm bin ich, und keine Frau wird sich in meiner armseligen Hütte einfinden, wenn ich nicht meine Arbeit tue. Wer, o Meister des großen Mundes, ist dein Gebieter, und was ist sein Begehr in unserer goldenen Stadt?«

Nur weil ich darauf achtete, sah ich die gleitende Handbewegung Armins, hörte ich den Klang von Münzen, als die Hand des Soldaten scheinbar nebensächlich an der Gürteltasche vorbeiglitt.

»Hauptmann, mögen die Götter es fügen, dass deine Sorgfalt beobachtet und reich belohnt wird! Dies ist mein Herr Saik Havald, ein Fürst aus fernen Landen, er ist hier, um seinen Harem zu vergrößern. Seht, seine Tochter wurde ihm aus einer toten Mutter geboren, und nun sucht er eine Frau, die sich des kleinen Wurms erbarmt.«

Der Soldat besah sich die stille Helis, die Faraisa in den Armen hielt und nur geradeaus schaute. »Warum, Sohn eines Aufschneiders, sollte ein hoher Herr mit so wenig Gefolge reisen und gar mit einem Kind? Wäre es nicht sicherer im Harem? Gebt zu, Ihr verschweigt etwas!«

»O nein, Herr Oberst, niemals würde ich mich erdreisten. Unser Gewissen ist so rein wie die Milch einer Jungfrau, es ist nur so, dass mein Herr abergläubisch ist. Er denkt, der kleine Wurm soll seine neue Mutter selbst erkennen.«

»So eine Mär habe ich noch nie gehört, o Sohn der Lügen, und deshalb glaube ich sie Euch, denn niemals würde jemand auf die Idee kommen, von Jungfrauenmilch zu schwärmen, hätte er sie nicht selbst gekostet.«

»O Meister des Schwertes, du wirst bestimmt einst die Wache des Kalifen befehligen, bist du doch ein Mann von außergewöhnlicher Menschenkenntnis und tiefer Weisheit.«

Immer wieder hatte ich das Geräusch von Münzen gehört, und irgendwie schien man sich wohl handelseinig geworden zu sein, denn der Soldat lächelte zu mir hoch, widmete Helis einen langen Blick und hob die Hand. Auf diese Geste hin öffneten sich die Tore der Stadt Gasalabad vor uns.

Als wir einritten, gab mir Armin einen weißen Stein, auf dem ein Symbol eingraviert und mit Tusche unterlegt war.

»Bewahrt diesen Stein gut auf, Esseri, er kennzeichnet Euch als einen höchst ehrenwerten Gast der Stadt und öffnet Euch die meisten Tore ohne Fragen.«

Ich beugte ich mich zu Armin hinüber. »Was hat uns das jetzt gekostet?«

»Sieben Silberstücke.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ist das nicht ein wenig viel? Wieviel hätte es gekostet, wäre ich einfach eingeritten und hätte nach Einlass gefragt?«

»Ein Kupferstück oder so.«

Ich sah Armin fassungslos an. »Willst du uns am ersten Tag gleich ruinieren? Was sollte das Ganze?«

»Nun, mehrere Dinge. Zum einen ist dieser Soldat unser Freund fürs Leben und wird sich an uns wohlwollend erinnern. Wenigstens solange er nicht über den Rang eines Obersten aufsteigt. Als General wird er unbestechlich sein, das gebietet ihm seine Ehre. Zum anderen weiß er nun, dass Ihr eine oder mehrere Frauen sucht. Er wird keine Fragen stellen, sollten wir mit ihnen überhastet die Stadt verlassen. Zur Not wird er bezeugen, dass sie mit uns einreisten. Mit eigenen Augen wird er sie dann gesehen haben. Er weiß, dass Ihr wirklich ein Fürst seid und den Kettenmantel unter Eurem Burnus tragen dürft. Und nicht zuletzt weiß er nun, dass ein Kind eine Mutter braucht. Solange Ihr niemanden auf offener Straße grundlos erschlagt, wird die Wache ein Auge zudrücken. Der Tarif dafür ist je Vorfall sieben Silberstücke, der Preis unseres Einlasses.«

Ich konnte gerade noch verhindern, dass meine Kinnlade nach unten fiel. »Wie lernt man solche Verhandlungen, und wie konntest du all das in einer Unterhaltung unterbringen? Oder kanntest du ihn?«

»Nun, es braucht Jahre. Ich kannte ihn nicht. Aber es hilft, wenn beide Handelspartner in der Diebesgilde sind und ihre Zeichen richtig deuten können«, sagte er bescheiden.

Ich schaute sprachlos zurück, wo sich die großen Tore wieder hinter uns schlossen. Der Gardist hatte uns nachgesehen und nickte mir freundlich zu.

»Du bist Mitglied in der Diebesgilde? Und der Mann da auch?«

»Ja. Alle Gaukler sind es, auch wenn wir nicht stehlen. Es ist ein Schutz für uns, so werden wir nicht selbst bestohlen. Abgesehen davon hält uns sowieso ein jeder für Diebe.« Er sah mich an und grinste. »Es heißt, dass die Götter den Gauklern die Gabe schenkten, unsichtbar zu stehlen und niemals mit Beute erwischt zu werden. Ich kann Euch das Geheimnis nennen, o Herr des Unglaubens.«

»Dann nenn es mir.«

»Stiehlt man nicht, kann man nicht erwischt werden! Was ist ein Gaukler ohne Hände? Keiner von uns würde stehlen, wenigstens nicht ohne triftigen Grund!«

Als ich in Gasalabad einritt, wurde ich von Eindrücken und Gerüchen fast erschlagen. Die Straßen, obwohl breiter als die von Kelar, waren so dicht gedrängt und so verstopft, dass es fast schneller gewesen wäre, unsere Pferde zu Fuß zu führen. Überall eilten Händler hin und her, boten junge Männer und Frauen Waren aus Körben an, die sie entweder an einem Joch trugen oder, im Fall der Frauen, auf dem Kopf balancierten. Oft genug sah ich Stadtwachen in ihren lackierten Lederrüstungen und mit ihren langen Stäben, die in metallenen Kugeln endeten. Sänften schwammen im Strom der Menschen mit, hier und da ritt auch ein Adliger mit gelangweiltem Gesichtsausdruck durch die Straßen, deren Ränder mit Kisten und Auslagen gesäumt waren. Alles gab es hier, Bekanntes und Unbekanntes, und ein jeder schrie sich die Seele aus dem Leib, um lauter zu sein als ein anderer Händler. Junge Frauen, verschleiert, sodass nur die Augen sichtbar waren, flanierten die Straßen entlang, oft begleitet von zwei bis drei Männern, die hemmungslos ihre Knüppel einsetzten, um den Frauen Raum zu verschaffen. An jedem Platz, der nicht anderweitig besetzt war, stand ein Bettler, bat im Namen der Götter um Gaben, zeigte furchtbare, schwärende Wunden und Verstümmelungen und hielt mit zittriger Hand eine hölzerne Schale empor, die stets nur ein einziges Kupferstück enthielt.

Über unseren Köpfen spannte sich ein Gewirr aus Seilen, an denen Kleider, Wäsche, Bettlaken, oft auch Töpfe oder Kisten hingen, manche so schwer, dass es aussah, als würden sie im nächsten Moment auf uns herabstürzen.

Über allem lag die warme Luft Bessareins, hier in den Straßen stand sie und brütete die Hitze aus, an die ich mich immer erinnern werde, wenn ich an die goldene Stadt denke. Fliegen, ein Heer, nein, Legionen von Fliegen, tanzten in der Luft, krabbelten in den offenen Mündern der Bettler herum, saßen in Schwärmen auf dem Honigbrot oder den gezuckerten Früchten.

Zwischen halb zerfallenen Häusern, wohl so alt wie die Stadt selbst, überraschte immer wieder ein neues Bauwerk das Auge des Betrachters. Mal stand dort ein Springbrunnen im Schatten von Palmen, an dem die Wasserträger ihre Amphoren befüllten, mal lud ein Garten dazu ein, sich die Fülle der fremdartigen Blumen anzusehen, oder machten die hohen Mauern eines Palastes mit ihren glasierten Steinen neugierig darauf, was sich wohl hinter ihnen verbarg.

Sklaven eilten umher, manche nackt und traurig anzusehen, andere fast schon reich gekleidet und stolz einherschreitend, alle erkennbar an einem kupfernen Band um den Hals. Am überraschendsten für mich war, dass es hier Menschen gab, deren Haut schwarz war, dunkler noch als die von Zokora, wenn auch nicht so glänzend. In den meisten Fällen trugen diese dunklen Menschen Kupferringe um den Hals, aber ich sah auch einige, die reich gekleidet waren und den Kopf hoch erhoben trugen.

Laut, bunt, schreiend und erdrückend, das war Gasalabad, die goldene Stadt Bessareins.

Wir folgten dieser breiten Straße bis zum nächsten Tor in einer hohen Mauer. Dort verbeugte sich Armin tief, ausnahmsweise ohne einen Ton zu sagen. Er zeigte der Wache dort etwas – es sah aus wie ein kleiner Stein –, dann wurden uns die Türen zur inneren Stadt geöffnet, dem Ort, an dem die Reichen und Mächtigen wohnten.

Wir betraten eine andere Welt, in der die Straßen eher noch breiter waren, aber leerer, es gab keinen Verfall, aber dafür reich geschmückte Häuser und Zierbrunnen, immer wieder Palmen und Parkanlagen. Hier gingen die jungen Frauen in kostbaren Gewändern über die Straßen, ohne dass sie von knüppelschwingenden Männern verteidigt werden mussten, verharrten reiche Bürger oder Adlige in Muße an einem Dattelstand oder rauchten vor einer Bäckerei oder einem Teehaus ihre Pfeife.

Das Haus, zu dem uns Armin führte, glich einer Festung, doch waren die Mauern mit glasierten Kacheln verziert, davon viele golden. Das große Tor wurde von Wachen in farbenprächtigen Gewändern geschützt, es bestand aus Bronze und zeigte als Relief eine schöne Frau, die verträumt lächelnd Blumen pflückte.

Als wir in den Hof einritten, eilten fünf braungebrannte Kinder in weißen Hosen heran, für jedes Pferd eines. Zwei junge Mädchen brachten eine Leiter für Helis, und ein junger Mann von ausgesuchter Schönheit, im hochgeschlossenen Gewand eines Schreibers, begrüßte uns mit einer tiefen Verbeugung. Im Eingang befand sich ein Wasserbecken mit parfümiertem Wasser, junge Frauen lösten dort unsere Schuhe und wuschen uns die Füße. Danach ging es weiter über einen Boden, der mit Mosaiken belegt war, in eine große Halle, durch deren große offene Dachfenster goldenes Licht fiel und den Statuen aus kostbarem Gestein schmeichelte. Überall gab es kleinere und größere Springbrunnen, deren Wasser die Luft auf angenehme Art kühlte.

Ich achtete darauf, nicht auf meinen Burnus zu treten, während ich mich sprachlos umsah. Ich kam mir vor wie ein Schweinehirte, der zum ersten Mal ein Haus mit Dach betrat.

Ein grauhaariger Mann in einem reichen Gewand empfing uns in diesem offenen Raum und verbeugte sich tief, Armins Stirn hingegen berührte fast den polierten Boden.

»O Sohn der Weisheit, kennt Ihr den Spruch ›Mit Äpfeln fängt man Affen‹?«, hatte Armin mich gefragt, als wir von der Wegestation aufbrachen.

»Hat er in etwa dieselbe Bedeutung wie ›Mit Speck fängt man Mäuse‹?«

»Ihr seid wahrlich weise, Herr.«

»Bitte, schone meine Ohren und sag, was du zu sagen hast.«

»Nun, es heißt, dass in Gasalabad alles zu haben ist, wenn man nur über genügend Gold verfügt. Besitzt man Reichtum, oder besser, zeigt man seinen Reichtum, so stehen alle Türen offen. Wer wirklich reich ist, steigt ab im Haus der Hundert Brunnen.«

»In Ordnung. Warum?«

»Hört mich erst zu Ende an, o Herr der Ungeduld. Eine Woche dort würde uns zwei bis drei goldene Kronen kosten.«

»Götter, das ist ein Vermögen! Man könnte dafür ein Haus kaufen.«

»Ja, Esseri, aber mit der Wahl dieser Herberge erkauft Ihr Euch andere Privilegien. Seht Ihr, das Sklavengeschäft hat seine eigenen Regeln. Man kann ab einer gewissen Summe nur mitbieten, wenn man einen Bürgen hat, der versichert, dass man den Preis auch zahlen kann. Auch ist es fast unmöglich, vor der Auktion die Sklaven in den Verliesen zu sichten, dies ist nur dem Adel und den wirklich Reichen vorbehalten – und den Gästen des Hauses der Hundert Brunnen. Als Gast dort wird man Euch gern einen jungen Mann zur Verfügung stellen, der die Widrigkeiten, die für Normalsterbliche bei einem solchen Unterfangen auftreten, durch eine Geste auf magische Art verschwinden lässt. Gegen eine gewisse finanzielle Vergütung, versteht sich. Seht Ihr, Esseri, die meisten Sklaven kosten weitaus weniger als eine Nacht im Haus der Hundert Brunnen. Und es ist vonnöten, dass Ihr vor der Auktion die Verliese aufsuchen könnt. Sind Eure Frauen so schön, wie Ihr sagt, werden sie nicht öffentlich versteigert. Man wird schon vorher um sie bieten. Kommt Ihr, was die Götter verhüten mögen, zu spät, so wird man Eure Fragen eher beantworten wollen als die eines Unbekannten, der die Regeln nicht kennt. Niemand wird sich Gedanken darüber machen, warum ein Reicher etwas Seltsames wünscht, der unbedarfte Fremde jedoch wird Misstrauen auf sich ziehen.«

Ich blinzelte, ich musste mir den letzten Teil seiner Worte noch mal durch den Kopf gehen lassen, um ihn zu verstehen.

»Es ist der schnellste Weg zu meinen Freunden?«

»Ja. Es sei denn, Ihr stürmt den Sklavenmarkt mit gezogener Klinge.«

»Das, Armin, ist der andere Plan.«

So kam es, dass kurz nach Mittag Saik Havald, begleitet von seinem treuen Diener Armin und einem diskreten jungen Mann aus dem Haus der Hundert Brunnen, eine steile Steintreppe hinabstieg, die ihn zum Arbeitszimmer des obersten Sklavenaufsehers führte.

Armin startete die Verhandlung auf seine Weise. »O Herr der Ketten und Knüppel, mein Herr …«

Der oberste Sklavenaufseher war ein älterer Mann von der Statur eines Kampfhundes und mit einem Nacken wie ein Baumstamm. Er hatte kurzes, graues Haar und ein Gesicht wie aus Granit gebrochen, seine Nase war so oft zerschmettert worden, dass sie flach auflag. Eines seiner Ohren fehlte. Zu meiner Überraschung trug er ein kupfernes Band um den Hals.

Mitgefühl lernte man hier wohl als Sklave nicht. Ein Blick aus seinen Augen und eine nur scheinbar zufällige Berührung seines Eisenknüppels ließen Armin verstummen.

»Was wollt Ihr?« Er sprach mit einem seltsamen Akzent, aber ich verstand ihn gut.

»Gestern kam hier eine Ladung Sklaven an. Eine außergewöhnliche Ladung. Elfen, eine Alabaster gleich, die andere wie aus Obsidian. Begleitet von einer blonden Schönheit und einer rothaarigen. Nur die rothaarige Frau hat lange Haare, die drei anderen Frauen tragen sie kurz. Bei ihnen waren zwei Männer, einer blond, schlank und groß, der andere bullig, von einer Statur wie Ihr selbst.«

»Was wollt Ihr mit ihnen?«

»Sie Euch abkaufen.«

Der Aufseher lachte kurz und abgehackt. »Das dürfte schwerlich möglich sein!« Er sah mein Gesicht und hob die Hand. »Beruhigt Euch. Ich habe zumindest eine der beschriebenen Personen erblickt. Die dunkle Elfe. Es ist wahrlich schwer, sie zu vergessen. Sie wurde von zwei weiteren begleitet, deren Gesichter ich nicht sehen konnte. Ich nehme aber an, eine der anderen war ebenfalls eine Frau, auch wenn sie sehr groß war.«

Ich zwang mich zur Geduld. »Gut, wo finde ich sie?«

»Ihr dachtet, sie wären Sklaven?«

»Spielt nicht mit mir«, sagte ich leise. »Ihr wisst so gut wie ich, dass es keine Sklaven sind.«

»Warum sucht Ihr sie dann hier?« Er schien ehrlich erstaunt.

»Weil sie in die Sklaverei verschleppt wurden!«

»Nicht, als sie hier standen und mir selbst eine Ladung Sklaven verkauften. Die kleine Elfe, sie nannte sich Zokora, führte die Verhandlungen. Wir unterhielten uns privat ein wenig, und ich half ihr mit den Papieren.« Er lächelte amüsiert. »Ich habe das Geschäft genossen.«

»Guter Mann. Erzählt mir, was Ihr wisst. Bitte.«

Er sah zu mir hoch. »Es sind Eure Freunde, nicht wahr?«

»Ja.« Ich warf ein Goldstück auf den Tisch. »Erzählt.«

Armin zuckte zusammen und verzog entsetzt das Gesicht. »Esseri, Ihr müsst mehr Taktgefühl entwickeln! So führt man keine Verhandlungen …«

Der Aufseher warf ihm nur einen Blick zu, und Armins Redeschwall versiegte. Der Mann legte einen Finger auf das Goldstück, zögerte einen Moment und schob es dann wieder zu mir.

»Sie kamen gestern Morgen hier herein. Sie hatten neun Männer dabei. Jeder dieser Männer hatte eine absolute Furcht vor Essera Zokora, ein jeder schien froh, dass ich ihn kaufte. Die Essera fragte mich, was ich verlangen würde, um sicherzustellen, dass jeder dieser Männer bis an sein Lebensende Sklave blieb. Ich sagte es ihr, wir verschwanden in meinem Raum, sie erfüllte meinen Wunsch, dann machte ich die Papiere fertig und zahlte eine ganze Krone für alle neun. Mittlerweile habe ich die Männer mit Gewinn verkauft, an die Kupferminen. Keiner wird bis zu seinem Lebensende wieder das Licht der Welt erblicken. Ich kannte diese Männer, Esseri, es sind Sklavenhändler, die mir oft schwierige Ware brachten.« Sein Mund verzog sich zu einem bösartigen Grinsen. »Aber irgendwie habe ich ihre Gesichter seitdem vergessen.« Er sah zu mir hoch. »Ihr werdet Eure Freunde nicht hier finden, Herr.«

»Wisst Ihr, wo sie sich aufhalten?«

Er schüttelte den Kopf. »Leider nein, Herr.«

»Wie waren sie gekleidet?«

»Wie Sklavenhändler, dunkle Umhänge und scharfe Schwerter, auch die beiden Frauen.«

Ich nickte freundlich. »Ich danke Euch. Kann ich die Sklaven sehen?«

»Nein, ich sagte Euch ja, ich habe sie bereits verkauft. Es war auch besser so, die Angst vor den Minen hat sie wahnsinnig gemacht, ich musste sie knebeln lassen. Sonst würden sie bestimmt immer noch davon faseln, dass Eure Freunde allesamt Hexer sind.«

»Ich verstehe. Habt Dank.« Ich schob die Münze wieder zu ihm. Er ließ sie liegen.

Ich wandte mich zum Gehen.

»Herr?«

»Ja?«

»Wenn Ihr Sera Zokora wiederseht, sagt ihr bitte, dass ich jederzeit wieder Geschäfte mit ihr machen würde.« Er grinste breit. »Ihre Verhandlungstaktik ist beeindruckend.«

Ich war froh, den Gestank der unterirdischen Verliese hinter mir lassen zu können, und holte erst einmal tief Luft, als wir an die Sonne kamen. Der junge diskrete Mann vom Haus der Hundert Brunnen verabschiedete sich mit einer würdevollen Verbeugung – er hatte fünf Goldstücke verdient, ohne einen Ton zu sagen. Es war mir einerlei, ich wusste nun, dass meine Gefährten noch lebten.

»Sie haben sich selbst befreit, Armin. Zumindest drei von ihnen«, sprach ich. »Was sagst du dazu?«

»Ich würde sagen, o Sohn der Freude, dass Ihr Eure Freunde wahrhaft sorgfältig wählt. Und sie sind vorsichtig, was weiterhin für sie spricht, denn sie haben sich verkleidet.«

»Das macht es schwerer, sie zu finden.«

»Aber es ist gut überlegt. Es sind zwei Elfen, Herr. Es gibt Legenden und Erzählungen über diese Wesen, auch wenn man schon sehr lange hier keine mehr gesehen hat. Viele Männer würden sie begehren, wären sie zu erkennen.«

Ich lachte. »Sie sind bereits vergeben.«

»Das würde nicht stören. Sie wären eine Bereicherung eines jeden Harems. Manch einer würde eine Menge Gold zahlen, um sie zu besitzen. Allein weil dann die Jugend zu seinen Lenden zurückkehrt.«

»Das ist einfach nur Schwachsinn. Dummer Aberglaube, nicht mehr.«

»Ja, Herr der Weisheit. Ihr wisst es, weil es Eure Frauen sind, ich weiß es, weil Ihr es mir sagt, doch wissen es die geilen alten Männer, die ihr Anblick an die eigene Jugend erinnert? Welchen Preis ist wohl ein alter Mann zu zahlen bereit, wenn er denkt, er könne Jugend zurückgewinnen?«

Darüber wollte ich nicht nachdenken, die Frage schnitt zu tief in mein eigenes Fleisch.

»Wir müssen sie finden.« Ich sah mich um, als würde einer meiner Gefährten ausgerechnet jetzt durch mein Sichtfeld wandern. Und mir dämmerte langsam, welch ein Unterfangen es sein würde, sie in dieser Stadt wiederzufinden. Gasalabad war ein Ameisenhaufen. Wo sollte ich mit der Suche anfangen?

»Nun, Esseri, lasst das meine Sorge sein. Wenn sie in der Stadt sind, werde ich sie finden. Aber seid Ihr denn sicher, dass sie in der Stadt sind? Werden sie nicht vielmehr versuchen, Euch zu retten?«

»Hätten sie uns dann nicht entgegenkommen müssen?«

Er nickte nachdenklich. »Ja, Herr. Das stimmt nun auch wieder.«