17
Als Soo-Ja am späten Abend in Seoul ankam, fand sie ein handgeschriebenes Schild an der Glastür des Hotels: »Geschlossen«. Sie brauchte eine Weile, bis sie den Schlüssel ins Schloss gesteckt und die Tür geöffnet hatte, und bereute es, das Angebot ihres Bruders, sie zu begleiten, abgelehnt zu haben. Es war ein Fehler gewesen, zu glauben, sie würde mit der Sache allein fertig werden. Während der Zugfahrt jedoch hatte sie sich eingeredet, das alles wäre bloß ein Missverständnis und Fräulein Hong hätte sie ganz umsonst alarmiert. Min und Hana wären im Hotel, wenn sie ankäme. Sie würden sie umarmen und fragen, warum sie so lange fort gewesen war.
»Mutter von Hana?«, ertönte Fräulein Hongs körperlose Stimme.
»Wo ist Min? Wo ist Hana?«, fragte Soo-Ja und schaltete das Licht ein.
Da kam Fräulein Hongs Körper aus einem der Zimmer und vereinigte sich wieder mit ihrer Stimme. Sie kam in ihrem Hanbok angelaufen, schlüpfte schnell in ihre Hausschuhe und knotete sich das Haar zum Dutt.
»Mutter von Hana, ich habe wirklich versucht, sie aufzuhalten! Seien Sie bitte nicht wütend auf mich.«
»Was ist passiert?«, wollte Soo-Ja wissen. »Wo sind Hana und Min?«
»Das habe ich Ihnen doch schon am Telefon gesagt! Sie sind fort«, sagte Fräulein Hong mit weit aufgerissenen Augen.
»Nein, das kann nicht wahr sein«, murmelte Soo-Ja kopfschüttelnd. Hatte ihr Waffenstillstand so lange angehalten, dass sie die andere Seite ihres Mannes komplett vergessen hatte? »Selbst Min würde mir das nicht antun!«
Fräulein Hong nahm Soo-Ja am Arm und führte sie in ihr Zimmer. Dort auf dem Bett, wo eigentlich ein schlafender Körper hätte ruhen sollen, lag ein Zettel. Fräulein Hong, die ihn entdeckt hatte, wurde plötzlich ganz stumm. Soo-Ja griff nach dem Papier und begann zu lesen.
Liebe Soo-Ja,
so viele Leute wollen nach Amerika gehen und können nicht. Wir aber haben schon Familie dort und das nötige Geld. Darum habe ich beschlossen, dass wir dorthin auswandern.
Keuchend ließ Soo-Ja den Brief sinken. Jetzt konnte sie sich nicht länger einreden, ihre Familie wäre noch in Seoul. Fräulein Hong, die den entgeisterten Ausdruck auf Soo-Jas Gesicht sah, stützte sie und bot ihr an, ein Glas Wasser zu holen. Aber Soo-Ja schüttelte nur den Kopf und las weiter.
Jetzt, wo dein Vater tot ist, ist es wohl recht, wenn der Erlös aus dem Land an Hana geht. Wir werden das Geld für ihre schulische Ausbildung einsetzen. Ich verspreche dir, ich werde es nicht anrühren. Mit Gi-yong Im habe ich vereinbart, dass er das Geld auf unser Konto überweist. Für dich habe ich etwas Bargeld dagelassen, damit du dir ein Flugticket kaufen kannst.
Ich weiß, wir hätten dich fragen sollen, bevor wir alles arrangiert haben. Das hätten wir auch getan – wenn du hier gewesen wärst. Kommst du überhaupt je zurück? Findest du zwei Wochen nicht ein bisschen lang, um uns allein zu lassen? Vermisst du uns denn gar nicht?
Sei bitte nicht wütend auf mich. Ich hatte Angst, du hättest uns nicht gehen lassen, wenn ich dich gefragt hätte. Auf gewisse Weise erspare ich dir doch immerhin eine schwere Entscheidung. Diese Entscheidung hat ein anderer für dich gefällt, und jetzt kannst du dich auf eine großartige Zukunft in einem großartigen Land freuen!
Ich weiß, dass ich das Richtige getan habe, und ich werde dir alles erklären, wenn du hier bist. Wir werden bei meinen Eltern wohnen. Ihre Adresse findest du auf der Rückseite – auf Englisch, aber ich denke, du kannst sie entziffern.
Komm schnell in deine neue Heimat!
Dein Ehemann
Min
Soo-Ja raste an Mins Schreibtisch und suchte nach der Telefonnummer ihrer Schwiegereltern. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. Sie war zu lange fort gewesen. Sie hatte Min zu viel Zeit gelassen, die Entscheidung abzuwägen, und dann hatte er einfach die Koffer gepackt. Es konnte keine spontane Handlung gewesen sein – schließlich kostete es Zeit und Mühe, sich Flugtickets und Touristenvisa zu beschaffen. Soo-Ja fragte sich, ob Min sich in ihrer Abwesenheit einsam gefühlt hatte. Vielleicht hatte sie ihn ja tatsächlich verlassen, indem sie ihren toten Vater dem äußerst lebendigen Min vorgezogen hatte. Und dennoch hatte er sich ihr gegenüber feige und verletzend verhalten. Nicht einmal angerufen hatte er.
Aber warum die plötzliche Abreise? Seit Jahren hatte Min sich danach gesehnt, mit seinem Vater zusammen zu sein, aber sie hätte nie geglaubt, dass er so eigenmächtig handeln würde. Hinter dieser Entscheidung musste noch mehr stecken. Und außerdem, wie konnte er es wagen, Soo-Ja von ihrer Tochter zu trennen! Ohne sie zu fragen! Wie konnte er so egoistisch sein? Hana selbst war vermutlich begeistert, nach Amerika zu fliegen. Sie war noch zu jung, um zu begreifen, was ihr Vater da tat.
Soo-Ja fand die Telefonnummer ihrer Schwiegereltern im inneren Umschlag in einem von Mins Notizbüchern, hingeschmiert mit Kugelschreiber. Es war die längste Nummer, die sie je gewählt hatte, und sie musste sich sehr konzentrieren, weil ihre Hand so zitterte. Atemlos hielt sie sich den Hörer ans Ohr. Fräulein Hong beobachtete sie kummervoll. Als Soo-Ja die Stimme am anderen Ende hörte, wusste sie sofort, wer da sprach. Sie hatte seit fast sieben Jahren nicht mehr mit ihm geredet, aber sie erkannte den harten, ernsten Tonfall auf Anhieb.
»Hallo?«
»Schwiegervater …«
»Mutter von Hana«, sagte er beinahe vorwurfsvoll.
»Ist Hana da? Ich möchte mit ihr sprechen.«
»Sie ist draußen. Im Swimmingpool. Hier ist jetzt Vormittag.«
»Sei so gut und hol sie ans Telefon«, bat Soo-Ja und nahm das Telefonkabel zwischen die Finger. »Und Hanas Vater auch. Ich möchte auch mit ihm reden.«
»Er will aber nicht mit dir reden. Er fürchtet, du könntest ihn vielleicht anschreien. Oder ihn zur Rückkehr überreden«, erklärte der Schwiegervater.
»Willst du damit sagen, du lässt mich nicht mit meiner Tochter oder meinem Ehemann sprechen?«
Der Schwiegervater seufzte, als wäre Soo-Ja zu dumm, um die Sache zu begreifen. »Ich werde deine Tochter für dich erziehen. Unser Schulbezirk ist sehr gut. Wenn sie mit der High School fertig ist, muss sie mir meine Auslagen natürlich zurückzahlen, aber sie kann dann ein paar Jahre in meinem Warendepot arbeiten.«
»Sie wird nicht bei euch bleiben, sondern zu mir zurückkommen«, sagte Soo-Ja mit eiserner Stimme.
Der Schwiegervater antwortete nicht, legte aber auch nicht auf. Es folgte ein längeres Schweigen, und Soo-Ja nahm an, dass er seinen Sohn holte. Genauso wahrscheinlich war es allerdings, dass er einfach den Hörer auf den Tisch gelegt hatte, bis jemand anders ihn wieder auf die Gabel zurückbeförderte.
Soo-Ja fühlte sich, als würde sie in der Zeit schweben; jede Sekunde erschien ihr wie eine Ewigkeit. Dann endlich hörte sie Mins Stimme: »Soo-Ja?«
»Obwohl du mir schon viel Schlimmes angetan hast, hätte ich dir nie zugetraut, mir meine Tochter wegzunehmen«, schrie Soo-Ja in den Hörer.
»Wir fangen hier noch einmal ganz von vorne an, Soo-Ja«, sagte Min, der sich ebenfalls nicht mit Grußformeln aufhielt. »Wir fangen ganz neu an.«
»Wie konntest du nur? Ohne mich zu fragen?«
»Als Vater habe ich offiziell das Recht dazu.«
»Du kommst zurück, und zwar mit Hana«, befahl Soo-Ja. »Sofort, hast du mich verstanden?«
»Soo-Ja, wir haben hier eine einmalige Chance.« Mins Stimme wurde ebenfalls lauter. »In Korea lief es nicht gut für uns, aber in Amerika können wir einen neuen Anfang machen. Dieses Mal machen wir alles richtig.«
»Nein, Amerika wird überhaupt nichts ändern«, blaffte Soo-Ja und schnitt ihm das Wort ab. »Du bist immer noch du, und ich bin immer noch ich. Begreifst du das denn nicht?«
»Es geht ja nicht nur darum, in Amerika zu sein. Es geht auch darum, weg aus Korea zu sein. Weg von …« Mins Stimme erstarb, ohne dass ein bestimmter Name gefallen war.
Er versucht also, Yul und mich auseinanderzubringen, dachte Soo-Ja.
»Es ist unsere einzige Hoffnung, Soo-Ja. Es ist die einzige Möglichkeit, unsere Ehe zu retten.«
Das stimmt nicht, dachte sie. Yul ist nicht der Grund für den Zustand unserer Ehe.
»Wie oft muss ich es dir noch erklären, Min. Yul und ich sind nicht zusammen.«
Doch das schien ihn nicht zu überzeugen. »Hana und ich warten hier auf dich. Wir haben dir Geld für ein Flugticket dagelassen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis du ein Visum bekommst. Vielleicht eine Woche, vielleicht auch einen Monat«, sagte Min leicht genervt.
»Gib mir mal Hana«, forderte Soo-Ja.
»Nein, du versuchst doch bloß, sie …«
»Gib mir Hana!«
»Das geht nicht. Es ist zu ihrem Besten.«
Soo-Ja spürte, wie die Nacht sie umfing, und schloss die Augen, um nichts mehr sehen zu müssen. Sie legte den Hörer auf und schleuderte das Telefon zu Boden. Das Tuten des Besetztzeichens durchschnitt die Luft.
»Was meinst du, wird passieren, wenn du dort bist?« Yul fuhr Soo-Ja in seinem grauen Kia Brisa zum Flughafen; sie waren schon fast vor der Abflughalle angekommen. Seit dem Neujahrsfest hatte er nicht mehr mit ihr gesprochen.
»Ich weiß nicht. So weit denke ich nicht voraus«, erwiderte Soo-Ja und sah aus dem Fenster. Sie fühlte sich schrecklich erschöpft. Ein leichter Regen hatte eingesetzt, und die Tropfen plumpsten laut gegen die Scheibe.
»Was haben sie gesagt, als du angerufen hast?«
»Darüber möchte ich gerade nicht sprechen. Aber Min meint wohl, der Ehemann hätte das Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen.«
»Er will also dortbleiben?«
»Was er will, tut nichts zur Sache. Ich werde es nicht zulassen.«
»Dann holst du sie beide zurück?«, fragte Yul skeptisch.
»Natürlich«, gab Soo-Ja gereizt zurück.
»Und was, wenn Hana nicht zurück will? Wirst du dann in den USA bleiben?«
»Ein Kind kann nicht bestimmen, wo seine Mutter lebt«, sagte Soo-Ja.
»Also, wenn das Kind nach seiner Mutter kommt …« Yul lächelte Soo-Ja sanft an, doch sie konnte das Lächeln nicht erwidern. Dann hielt er am Straßenrand an und parkte ein. Prüfend schaute er sich um: Regen, Wolken, schlechte Sicht. Es war kein guter Tag zum Fliegen. »Rufst du mich an, wenn du angekommen bist?«
»Das würde deiner Frau gar nicht gefallen.«
Yul beobachtete die Flugzeuge, die in der Ferne landeten.
Soo-Ja betrachtete ihn, bemerkte seine Schweigsamkeit. Er wollte ihr etwas sagen, schien sich aber zurückzuhalten. »Was ist?«, fragte sie und legte die Hand auf den Türgriff.
»Nichts. Ich sage es dir, wenn du zurück bist.«
»Wie geht es Eun-Mee?«
»Ich sage es dir, wenn du zurück bist«, wiederholte er wie ein Mantra. Er stellte Motor und Scheibenwischer aus. Die Frontscheibe füllte sich sofort mit Regentropfen, die aus allen Richtungen zu kommen schienen.
Soo-Ja ließ die Hand auf dem Griff ruhen, öffnete die Wagentür aber nicht. »Hat sie dich verlassen?«
»Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen.«
Soo-Ja seufzte. »Es ist eine Warnung an mich, dringend mit den Träumereien aufzuhören. Min hilft mir bloß dabei. Genau das tut er.«
»Was soll das heißen?«
»Ich sage dir, was es heißt: Was auch immer da zwischen uns ist, muss sofort aufhören. Min könnte es in einem Scheidungsverfahren gegen mich verwenden. Der Richter würde mir niemals Hana lassen, wenn er herausbekäme, dass ich fremdgegangen bin.«
»Du übersiehst da etwas Wichtiges. Du bist nämlich überhaupt nicht fremdgegangen.«
»Ja, aber ich kann das Risiko nicht eingehen. Hana ist mir wichtiger als alles andere im Leben, dich eingeschlossen.«
»Also soll ich jetzt wegfahren und mir keine Hoffnung mehr machen«, sagte Yul matt.
»Es tut mir leid, Yul.«
»Dann trennen sich unsere Wege hier?«
»Ja. Hier trennen sich unsere Wege.« Soo-Ja schluckte. Eine Träne lief ihr über die Wange. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg und wandte das Gesicht ab. Wenn sie ihm nicht in die Augen schauen müsste, würde sie es schaffen.
Yul nickte. Er war leichenblass »Ich habe mich schon gefragt, warum du mich gebeten hast, dich hierherzufahren. Das ist der Grund, nicht wahr? Damit du es mir sagen konntest.«
»Deswegen habe ich dich nicht darum gebeten. Aber ich bin es dir einfach schuldig, mit offenen Karten zu spielen. Nach allem, was wir zusammen erlebt haben.«
»Meinst du wirklich, diese Entscheidung liegt allein bei dir?«
»Es tut mir leid, Yul.«
»Na schön, ich habe dir auch etwas zu sagen.« Soo-Ja beobachtete, wie sich sein Gesicht neu zu formen schien, wie Linien an ungewohnten Stellen entstanden. Er wirkte wie ein Damm vor dem Bersten.
»Ich will nicht …«
»Ich kann nicht für immer in Wartestellung bleiben«, unterbrach Yul. »Ich bin kein Gegenstand, den du ins Regal legen und wieder hervorholen kannst, wann es dir passt. Du hast mich schon so oft abgewiesen, und jetzt ist das Maß voll. Bevor du aus dem Auto steigst, solltest du dir über eines im Klaren sein: Ich kann nicht länger auf dich warten. Wenn du jetzt also sagst, es ist Schluss, dann weißt du hoffentlich, was das bedeutet.« Yul schwieg und wartete auf Soo-Jas Reaktion. »Was sagst du dazu?«
Soo-Ja schüttelte zaghaft den Kopf und wandte den Blick ab. Ihre Hand wanderte wieder zum Türgriff. Der Regen prasselte jetzt auf die Windschutzscheibe, und Soo-Ja hatte das Gefühl, als fiele er ihr direkt ins Gesicht. »Leb wohl, Yul.«
»Sie ist freiwillig mit ihrem Vater mitgegangen«, sagte Yul, und einen Moment lang klang er wie ein Fremder, der mit einem anderen Fremden sprach. »Hast du schon mal darüber nachgedacht? Dass du sie dieses Mal vielleicht nicht wiederbekommst?«
Soo-Ja drehte sich um und sah ihn an. Dann holte sie tief Luft. »Natürlich.«
»Begreifst du denn nicht? Was du auch tust, du wirst jemanden verlieren – entweder mich oder deine Tochter. Vielleicht auch uns beide. Vielleicht bringst du es ja fertig, uns alle zu verlieren. Verrückt, wie viel auf dem Spiel steht, nicht wahr? Dein Edelmut und deine Tugendhaftigkeit haben sich bezahlt gemacht – schau dir nur die ganzen Leichen an, die deinen Weg pflastern.«
»Yul! Hör auf!«, brüllte Soo-Ja, die seine Worte nicht länger ertrug.
»Ich frage mich gerade, ob Min nicht von Anfang an recht hatte«, sagte Yul schnell. Er würde seine Worte sicher bereuen, konnte sich aber nicht beherrschen. »Vielleicht war ich ja in die Falsche verliebt, ohne es zu merken.«
»Das ist nicht fair«, erwiderte Soo-Ja.
»Es ist auch nicht fair, dass ich mich die vergangenen zehn Jahre nach einer Frau gesehnt habe, die nie vorhatte, mich zu erhören!«
»Das stimmt überhaupt nicht!«, rief Soo-Ja.
»Steig aus. Steig aus meinem Auto! Ich will dich nie mehr sehen.«
Soo-Ja wurde von diesen Worten regelrecht auf die Straße katapultiert. Mit ihrem Koffer ging sie auf den Terminal zu, dessen automatische Glastüren sich öffneten und sie willkommen zu heißen schienen. Aber Soo-Ja blieb stehen und ließ sich vom Regen durchnässen. Die Tropfen fielen ihr in die Ohren, in den Mund, in die Lücken zwischen ihren Fingern. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie der Scheibenwischer Yuls Gesicht in kleine Stücke zerschnitt. Das Auto löste sich vom Straßenrand und fuhr langsam an. Die Reifen rutschten über den nassen Asphalt und wirbelten das Wasser auf. In Sekundenschnelle war er fort.
Endlich konnte Soo-Ja den Schmerz herauslassen. Sie ging in die Knie, legte die Arme auf ihren Koffer und ließ den Schrei entweichen, der in ihrem Herzen eingesperrt gewesen war. Fremdartig und brüchig zugleich erfüllte er die Luft. Soo-Ja keuchte und spürte die Tropfen, die auf ihre Haut schlugen. Yul hatte recht gehabt. Sie hatte alles verloren, was zu verlieren gewesen war. Sie hatte gleich mehrere Menschen verloren. Aus einiger Entfernung betrachtete sie die Glastüren, die automatisch auf und zu glitten. Diese Türen führten in die Zukunft, nach Amerika.
So endet die Geschichte also, dachte Soo-Ja. Der Schwiegervater gewinnt, Yul verliert, Soo-Ja verliert. Sie hatte geglaubt, es wäre nichts mehr übrig, das man ihr hätte nehmen können, doch plötzlich stand sie da ohne Knochen und ohne Haut. Sie hatten ihr alles genommen – sogar die Luft zum Atmen.