20

In Gedanken versunken lenkte Clarissa den Schlitten auf den Trail zurück. Die Warnung des greisen Indianers vor der Hexe hallte in ihren Ohren nach, noch immer spürte sie seinen prüfenden Blick, der langsam über ihren Körper glitt und an ihrem Bauch hängen blieb. Bei jedem anderen Mann hätte sie diese eingehende Musterung unverschämt und anmaßend gefunden, doch John war zu alt und weise, um Hintergedanken zu haben, und folgte lediglich der inneren Stimme aus seinen Träumen. Er war ein Medizinmann, ein heiliger Mann, der mit den Geistern in Verbindung stand und mehr wusste als die meisten anderen Menschen. Sie hatte lange genug bei Indianern gelebt, um eine solche Behauptung nicht als bloßes Hirngespinst oder Hokuspokus abzutun.

War sie tatsächlich schwanger?

Sie blickte unwillkürlich an sich herunter und legte eine Hand auf ihren Bauch, spürte und fühlte aber nichts, durch den dicken Anorak schon gar nicht. Sie wartete, bis ein ruhiges Teilstück des Trails kam und der Schlitten eben lag, und schob eine Hand unter den Anorak, ertastete aber nur den Bund ihrer Wollhose und ihre Unterwäsche. Etwas anderes durfte sie auch gar nicht er­warten. Wenn sie tatsächlich ein Kind bekam, konnte sie höchstens im ersten Monat sein. Noch war ihre Regel nicht ausgeblieben, ihr war nicht übel geworden, und sie hatte auch keinen Heißhunger auf saure Gurken entwickelt wie ihre Mutter bei ihrer Schwangerschaft. Ihre Mutter hatte immer gelacht, wenn sie davon erzählt hatte, denn Gurken waren nicht gerade ihre Lieblingsspeise gewesen. »Aber wenn du schwanger bist, ist nichts mehr wie früher.«

Clarissa schüttelte die verstörenden Gedanken ab. Ach was, sagte sie sich, mit seinem Blick hatte der alte Indianer doch nur angedeutet, dass eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen wäre und sie sich deshalb vor der indianischen Hexe hüten müsste. Kein Grund, sich deshalb gleich Gedanken zu machen. Bones hatte sie nicht wegen einer möglichen Schwangerschaft, sondern wegen Alex gerufen. Es ging um ihren Mann, der durch die Schmerzen und Stimmungsschwankungen nach der Operation aus dem Gleichgewicht geraten und sogar zum Trinker geworden war. Denn mit einem gelegentlichen Saufgelage, wie es die meisten Fallensteller und auch Jerry und seine irischen Freunde zelebrierten, hatte seine Trinkerei nichts zu tun. Er trank sich halb besinnungslos, um sich der Wirklichkeit nicht stellen zu müssen, und würde früher oder später daran zerbrechen, wenn ihn niemand daran hinderte. Sie selbst war zu schwach dazu, das war ihr während der vergangenen Wochen klar geworden, und einen Arzt, der Alex in die richtige Spur zurückbrachte, kannte sie auch nicht. Dr. Blanchard konnte schwierige Operationen durchführen, aber keine Seelen heilen. Ihre einzige Hoffnung waren der greise Indianer und seine Frau. Vielleicht hatten die indianischen Geister ein Herz für Alex.

Noch bezweifelte sie, dass Alex sich darauf einließ. Er hielt viel von indianischen Medizinmännern, immerhin hatte auch er indianisches Blut in seinen Adern, aber er war noch lange nicht verzweifelt genug, um seine Probleme einzugestehen und zuzugeben, dass er dem Alkohol verfallen war. Er würde es als Zeichen der Schwäche auslegen, sich einem greisen Indianer und einer Kräuterhexe anzuvertrauen. »Alles kommt, wie es kommen muss«, hatte John gesagt. Würde sich wirklich alles fügen? Oder würde Alex auch weiterhin zur Flasche greifen und irgendwann an seinen Problemen zerbrechen?

Schon allein, um auf andere Gedanken zu kommen, trieb sie ihre Hunde an. »Vorwärts, Emmett! Nur keine Müdigkeit vortäuschen! Ich bin schließlich auch noch wach. Benny … lass dich nicht so hängen! Das gilt auch für dich, Rick! Waco … du bist zu schnell … ja, so ist es besser! Bonnie … Chilco … immer dranbleiben an den anderen! Ich hab keine Lust, die ganze Nacht unterwegs zu sein. Ich brauche meinen Schlaf, also strengt euch gefälligst an!«

Sie hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war. Weit nach Mitternacht, schätzte sie. Der Wind pfiff von Norden über die Hügel hinweg, wie immer, wenn er sich einige Wochen vor dem Ende des Winters noch einmal aufbäumte, und vereinzelte Schneeflocken wirbelten durch die ansonsten klare Luft. Es war bitterkalt, kälter als im Januar, wenn das Thermometer schon mal minus dreißig Grad anzeigte, und der Schnee war so verkrustet und verharscht, dass er sich unter den Kufen ihres Schlittens sofort in Eis verwandelte. Im leichten Nebel verschwamm das trübe Licht von Mond und Sternen.

Als sie noch ungefähr eine halbe Stunde von ihrer Blockhütte entfernt war, zerriss plötzlich vielstimmiges Wolfsgeheul die Luft. Von allen Seiten und aus unmittelbarer Nähe schien es zu kommen, ein düsteres Konzert, das die Huskys für einen Augenblick vom Trail abkommen ließ und Clarissa zwang, auf die Bremse zu treten und den Schlitten anzuhalten. Während das Echo des vielstimmigen Heulens noch über die Hügel schallte, meldete sich ein einzelner Wolf, wohl um ihr klarzumachen, dass sie es mit vierbeinigen Freunden zu tun hatte, dem Rudel von Geisterwölfen, das Bones in letzter Zeit häufig um sich scharte, wenn es galt, einen besonders nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Sein heiseres Heulen wurde schon bald wieder vom Konzert der anderen Wölfe übertönt, so laut und eindringlich, dass Clarissa trotz ihrer winterfesten Kleidung fror. Was wollten ihr die Wölfe mitteilen?

Eine Warnung, vermutete sie, und ihr Verdacht wurde zur Gewissheit, als Bones keine zehn Schritte vor ihr auf den Trail sprang, einen raschen Blick in ihre Richtung warf und dann so schnell nach Süden rannte, dass seine Gestalt schon wenige Sekunden später mit der Dunkelheit verschmolz. Clarissa ahnte, was er ihr damit sagen wollte. Ohne weiter darüber nachzudenken, trieb sie die Hunde an und fuhr so schnell wie möglich weiter. »Schneller, Emmett!«, rief sie, von wachsender Panik getrieben. »Es muss irgendwas Schlimmes passiert sein. Schneller, schneller!« Sie stand geduckt auf den Kufen, um dem Wind weniger Widerstand zu bieten, feuerte die Hunde so lautstark und eindringlich wie selten zuvor an und ging so schnell in die Kurven, dass sie mit ihrem Schlitten jedes Mal an den äußersten Rand getrieben wurde.

Alex, durchfuhr es sie, vielleicht war irgendwas mit Alex. Oder Thomas Whittler hatte seine Drohung wahrgemacht und seine beiden Wachhunde auf sie gehetzt. Sie beugte sich nach vorn und tastete nach dem Revolver im Proviantsack, zog ihn heraus und steckte ihn in ihre Anoraktasche. Noch ungefähr zwanzig Minuten bis zu ihrer Blockhütte, vielleicht auch weniger, wenn die Hunde das Tempo halten konnten. »Vorwärts, Emmett! Es geht vielleicht um Leben und Tod! Benny, Rick, Waco, Chilco … zeigt, was ihr könnt! Weiter!«

Schon eine Meile, bevor sie ihre Blockhütte erreichten, sah Clarissa ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Flackernder Lichtschein leuchtete bis zum Himmel empor, warf unheilvolle Schatten auf die Bäume und verschneiten Hügel und reichte bis auf den Trail hinaus. »Feuer!«, flüsterte sie entsetzt und schrie dann aus vollen Lungen: »Feuer! Unsere Blockhütte brennt! Vorwärts, Emmett! Vielleicht können wir noch was retten. Schneller, verdammt!«

Von Bones war nichts mehr zu sehen, und auch das Geheul des Rudels war verstummt, als sie die letzte Viertelmeile anging. Ihre Anfeuerungsrufe waren so schrill, dass sie die Huskys nicht unterscheiden konnten, aber die Hunde merkten an der Lautstärke, mit der sie ihre Befehle brüllte, und an ihrer hektischen Körpersprache, was die Stunde geschlagen hatte, und rannten sich die Lunge aus dem Leib. Man hörte bereits das Knistern des Feuers, das Knacken des Holzes, das in den Flammen zerbarst, und als sie durch die letzte Biegung geschleudert war, sah sie auch die Flammen, die hoch aus ihrem Blockhaus schossen und gierig nach allem griffen, was sich ihnen in den Weg stellte.

Sie erkannte Dolly und Jerry, die verzweifelt versuchten, den Flammen mit nassen Decken beizukommen, aber das Feuer war stärker und hatte längst die Oberhand gewonnen. Jerry versuchte es dennoch, stülpte sich eine nasse Decke über den Kopf und stürmte geduckt ins Haus, kam rasch wieder heraus, als zwei Balken in einem Funkenregen zerbarsten und ihn nur knapp verfehlten. In einiger Entfernung bellten die zurückgebliebenen Hunde. Dolly und Jerry hatten sie gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht. Clarissa fuhr in den beißenden Rauch, den der stürmische Wind über den Trail trieb, bremste den Schlitten und rammte den Anker in den Tiefschnee.

»Clarissa! Da bist du ja! Wir dachten, du bist noch in der Hütte!« Dolly umarmte sie kurz und blickte wieder in die Flammen. Ihr Gesicht war mit Ruß beschmiert, und in ihren Augen standen Tränen. Obwohl sie wusste, was sie mit ihren Worten anrichtete, sagte sie vorsichtig: »Könnte es sein, dass Alex noch in der Hütte ist. Jerry sucht schon die ganze Zeit nach ihm.« Während sie die Worte aussprach, packte sie Clarissa an den Armen und hielt sie fest.

Clarissa riss sich los und starrte in panischer Angst in die Flammen. »Alex?« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Ich denke, der schläft bei euch.«

»Ich hab gehört, wie er sich aus dem Haus geschlichen hat.«

»Alex? Aber warum?«

»Vielleicht wollte er bei dir sein.«

»Und ich war nicht zu Hause!« Clarissa griff weinend nach einer Decke und tauchte sie in den Eimer mit dem schmutzigen Wasser. Beinahe von Sinnen vor Angst, stülpte sie sich die vor Nässe triefende Decke über den Kopf. Geduckt rannte sie auf den Eingang zu. »Ich muss ihn da rausholen!«, rief sie.

Jerry stand erschöpft vor dem brennenden Haus, seine Decke in der rechten Hand, und stellte sich ihr rasch in den Weg. Er ließ die Decke fallen und schlang beide Arme um sie. »Es ist zu spät. Du kannst da nicht mehr rein. Ich wär eben beinahe draufgegangen. Das Feuer ist zu stark. Zurück, Clarissa!«

Sie wand sich in seinen Armen, wollte sich mit Gewalt losreißen und schlug wild mit den Fäusten um sich, verhedderte sich in der nassen Decke und erschlaffte weinend in Jerrys Armen. Der Ire ließ sie langsam zu Boden gleiten. »Alex!«, wollte sie schreien und bekam doch nur ein Flüstern heraus. Ein heftiger Weinkrampf schüttelte sie und ließ sie unkontrolliert mit den Armen und Beinen zucken. »Du darfst nicht sterben, Alex!« Sie faltete die Hände. »Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht sterben! Er ist alles, was ich habe.«

Sie bekam das Gesicht frei und spürte die sengende Hitze des Feuers auf ihrer Haut. Die Flammen prasselten unentwegt, fraßen sich immer weiter in ihre Blockhütte hinein. Beißender Geruch ließ ihre Augen brennen, schwarzer Ruß drang in ihre Nase und ihren Mund. Sie spürte Asche zwischen den Zähnen. Durch die Tränenschleier vor ihren Augen beobachtete sie fassungslos, wie ihr Haus ein Opfer der Flammen wurde, das Feuer mit lodernden Armen nach ihrer Habe griff und sie in Asche und Rauch aufgehen ließ. Weder sie noch Dolly und Jerry konnten etwas dagegen tun. Das Feuer war stärker und ließ ihr nur die Hunde und den Schlitten und die Kleidung an ihrem Körper.

Clarissa blieb im Schein des Feuers sitzen, bis es heruntergebrannt war, und ließ ihre Tränen von der Hitze trocknen. Sie hatte ihre Panik überwunden und konnte wieder klar denken, sagte zu Dolly und Jerry, die ebenfalls geblieben waren: »Wer sagt denn, dass Alex in der Hütte war? Gut möglich, dass er hier war, aber wenn er einigermaßen bei Sinnen war, musste er doch sehen, dass der Schlitten und die Hunde fehlten und ich nicht im Bett lag. Vielleicht wollte er auf die Jagd!« Sie schlug die nasse Decke zur Seite und stemmte sich vom Boden hoch. »Ich muss ihn finden, Dolly. Er hatte keinen Schlitten, also ist er auf Schneeschuhen los. Weit kann er noch nicht sein.«

Jerry hatte sich dicht an die niedergebrannten Trümmer herangewagt und stocherte mit einem langen Ast darin herum. Die Überreste eines verbrannten Menschen konnte er tatsächlich nicht finden, und es stank auch nicht nach verbranntem Fleisch, aber die Überreste der Möbel und die Asche lagen so hoch, dass man sie leicht übersehen konnte. Die schwelenden Trümmer, zwischen denen immer noch winzige Stichflammen emporschossen, waren so heiß, dass ihn selbst seine schweren Stiefel nicht geschützt hätten. »Vielleicht war er wirklich nicht in der Hütte. Zuzutrauen wär’s ihm ja. Aber zu viel Hoffnung würde ich mir nicht machen.«

Clarissa machte sich nichts vor, wollte aber auch nichts unversucht lassen. Im Hitzedunst des heruntergebrannten Feuers lief sie zum Schlitten und zog ihre Schneeschuhe unter den Decken hervor. »Ich gehe Alex suchen«, sagte sie zu ihrem Leithund. Könnte sein, dass Alex in seinem Whiskeyrausch auf die Jagd gegangen ist und irgendwo im Schnee liegt. Nein, mit dem Schlitten kommen wir da nicht durch. Wenn er zu Fuß unterwegs ist, nimmt er bestimmt den schmalen Jagdtrail hinterm Haus. Ich muss allein weiter. Ich weiß, vor ein paar Minuten dachte ich noch, es wäre alles aus und er wäre in der Hütte verbrannt, aber warum sollten uns Bones und seine Wölfe dann gewarnt haben? Sie melden sich doch nur, wenn es noch eine Chance gibt. Er ist bestimmt noch am Leben, Emmett!« Sie kraulte ihn zwischen den Ohren und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps. »Ich bin bald wieder zurück.«

»Wir suchen auf der anderen Seite«, sagte Dolly. Auch sie klang nicht besonders optimistisch. »Wer ihn findet, feuert einen Schuss ab, okay?« Sie wartete, bis Clarissa auf die Kufen stieg. »Du hast deinen Revolver dabei?«

Clarissa klopfte auf ihre rechte Anoraktasche und stapfte los. Nachdem sie im Umkreis der Hütte vergeblich gesucht hatte, betrat sie den Jagdtrail und folgte ihm in den Wald hinein. Während der letzten Tage war kaum Neuschnee gefallen, und die Spuren auf dem Trail waren kaum auszumachen. Selbst wenn sie deutlicher gewesen wären, hätte sie sich schwergetan, die neuesten Abdrücke zu bestimmen. Das konnten nicht mal alle Indianer und Fallensteller. Sie musste sich auf ihren Instinkt verlassen, auf den siebten Sinn, den sie in der Wildnis entwickelt, und der sie schon einige Male vor einem Unglück bewahrt hatte. »Alex!«, rief sie. »Alex! Bist du hier irgendwo?«

Die einzige Antwort, die sie erhielt, war das Rauschen des Windes in den dichten Baumkronen. Einem Impuls folgend, blickte sie nach oben und sah eine Eule aus einer der Schwarzfichten steigen und mit ruhigem, beinahe lautlosem Flügelschlag davonfliegen. Sie blieb abrupt stehen. Für einen winzigen Augenblick vergaß sie ihren Mann und dachte an die Warnungen, die sie von der Indianerin in dem Roadhouse und dem greisen Medizinmann erhalten hatte. »Hüte dich vor Dzeba, der Hexe!« Wollte ihr der Todesvogel der Indianer zeigen, wen sie wirklich zu fürchten hatte? Hatte sich Dzeba ihren Umhang aus Eulenfedern so fest um die Schultern gebunden, dass sie selbst zur Eule geworden war? Überwachte die Hexe bereits jeden ihrer Schritte?

Sie verdrängte die düsteren Gedanken und stapfte weiter über den Schnee. Längst war sie sich darüber im Klaren, dass ihr die größte Gefahr nicht von einer indianischen Hexe, die es vielleicht gar nicht gab, sondern von Thomas Whittler und seinen Schergen drohte. Sie waren für den Brandanschlag verantwortlich, daran gab es keinen Zweifel. Whittler würde sie vernichten, wenn sie keine Aussage machte, und hatte mit ihrer Blockhütte angefangen, auch wenn er dafür gesorgt hatte, dass sie es ihm nicht beweisen konnte. Was würde er sich als Nächstes ausdenken? Einen gemeinen Mord?

Aus einer Gruppe von Bäumen, der am Ufer eines zugefrorenen Baches wuchs, drang ein leises Stöhnen zu ihr. Erst jetzt, als der Mond hinter einer Wolke hervorlugte, sah sie auch die Spuren von Schneeschuhen, die sich in den verschneiten Hang gegraben hatten. Sie stapfte bis zum Bach hinab und sah Alex zwischen den Bäumen auf dem Rücken liegen. Anscheinend hatte er sich den rechten Knöchel gestaucht. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.

»Alex!«, rief Clarissa zugleich ängstlich und auch überglücklich. Sie ließ sich neben ihn fallen und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Und ich dachte schon, ich hätte dich verloren!« Sie küsste ihn wieder und wieder und nahm ihn fest in die Arme, wärmte ihn mit ihrem Körper. »Du lebst, Alex!« Sie löste sich von ihm und strich mit der flachen Hand über seinen Knöchel. »Und deinen lädierten Fuß kriegen wir auch wieder hin. Wie ist das passiert, Alex?«

»Ich bin gestürzt, das siehst du doch!« Für einen Moment hatte sie Angst, er würde einen seiner Wutanfälle bekommen, doch diesmal gelang es ihm, sich zu beherrschen. »Ich bin ausgerutscht. Ich wollte doch nur …« Er stemmte sich auf den Ellbogen hoch. »Ich hab ein Feuer gesehen … in unserem Tal.«

»Unser Blockhaus … Es ist abgebrannt. Ich nehme an, Whittlers Wachhunde, dieser Mister Smith und der Indianer, haben das Feuer gelegt, um uns kleinzukriegen. Aber ich sage nicht für Frank Whittler aus. Für kein Geld der Welt würde ich mich für diesen miesen Verbrecher einsetzen. Und wenn er uns zehnmal das Haus niederbrennt. Mich kriegt er nicht klein … niemals!«

»Meine Kriegerin«, erwiderte Alex lächelnd. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich um Whittler und seine Schurken kümmere. Der glaubt wohl, er könnte alles mit uns machen, nur weil er ein bisschen Geld auf dem Konto hat.«

»Ein bisschen?« Sie küsste ihn erneut und zuckte erschrocken zurück, als er vor Schmerzen aufschrie und sich an den verstauchten Knöchel griff.

»Willst du mich eigentlich ewig hier liegen lassen?«, drohte er schon wieder die Beherrschung zu verlieren. Er verzog das Gesicht. »Hol endlich Hilfe und schaff mich hier weg, sonst friere ich mir noch den Arsch ab.« So sprach er sonst nie mit ihr, und obwohl sich Clarissa langsam an seine Ausbrüche gewöhnt hatte, zuckte sie auch diesmal zusammen. »Worauf wartest du?«

Sie stand auf, zog ihren Revolver aus der Anoraktasche und feuerte in die Luft. »Das Zeichen für Dolly und Jerry, dass ich dich gefunden habe«, sagte sie und wandte sich ab, damit er ihre Tränen nicht sah. Sie weinte lautlos.