17

Sie brauchten über drei Stunden, um den toten Indianer nach oben zu tragen. Clarissa fasste ihn unter den Armen und Betty-Sue an den Beinen. Schritt für Schritt stiegen sie den steilen Pfad hinauf, den zerschundenen Körper ständig im Blickfeld. Clarissa hatte ihm die vor Entsetzen geweiteten Augen zugedrückt und gab sich alle Mühe, Betty-Sue abzulenken. Doch Betty-Sue war voller Schmerz und Trauer und hörte sie nicht.

Er war schwerer, als sie dachten, und sie mussten ihn alle paar Schritte absetzen und neue Kraft schöpfen. Jedes Mal sank Betty-Sue schluchzend in den Schnee, berührte und liebkoste den toten Indianer, bis Clarissa sie hochzog und in die Arme nahm und so lange hielt, bis ihr Weinkrampf vorüber war. »Ich … ich kann nicht mehr«, stöhnte Betty-Sue mehrmals, und Clarissa antwortete immer mit dem gleichen Satz: »Wir beide schaffen das, Betty-Sue!«

Ihr einziger Vorteil war, dass sie der steile Hang gegen den Wind schützte, und sie nur gegen den tiefen Schnee zu kämpfen hatten, der den Pfad bedeckte. Unter dem Schnee lag blankes Eis, und hätte Clarissa an einer besonders glatten Stelle nicht blitzschnell reagiert und Betty-Sue am Arm gepackt, hätte es wohl ein weiteres Unglück gegeben. An anderen Stellen war der Schnee so tief, dass sie kaum vorwärtskamen und den toten Indianer ziehen mussten.

Der volle Mond und die Sterne begleiteten sie mit ihrem Licht bis an den Klippenrand. Die Schlucht war von einer beinahe ­andächtigen Stille erfüllt, die so gar nicht zu der grimmigen Aufgabe passte, die sie in dieser winterlichen Einöde zu bewältigen hatten. Als sie den Rand der Schlucht erreichten, wehte ihnen der Wind mit solcher Wucht entgegen, dass sie noch einmal alle Kräfte mobilisieren mussten, um Matthew über den Klippenrand zu wuchten.

Betty-Sue schrie auf, als Clarissa den Toten in Decken hüllte, fügte sich jedoch, nachdem sie den Toten noch einmal berührt hatte, und deutete auf ihren Schlitten. Sie wollte Matthew auf ihrem eigenen Schlitten nach Fairbanks bringen, auch wenn ihr der Anblick des leblosen Bündels, das Clarissa auf die Ladefläche ihres Schlittens band, beinahe das Herz zerriss. »Warum?«, fragte sie. »Warum nur, Clarissa? Matthew wollte doch niemandem etwas Böses.«

Sie fuhren schweigend nach Fairbanks zurück und erreichten die Stadt gegen Mitternacht. Auch zu dieser späten Stunde war dort noch viel los, besonders in den Kneipen und Saloons, wo man die Teilnehmer des Rennens feierte, mit reichlich Bier, Whiskey und sogar Champagner auf den Sieger anstieß und die Gelegenheit ausnutzte, um mal wieder richtig »die Sau rauszulassen«, wie man schon am nächsten Morgen in den Weekly Fairbanks News lesen konnte. Ungeachtet der eisigen Temperaturen feierte man im Lichtschein der unzähligen Fackeln und Lampen auch auf der Straße, und unter dem Banner an der Start-und-Ziel-Linie brannte sogar ein großes Lagerfeuer. Das Alaska Frontier Race war eine willkommene Abwechslung während des langen Winters.

Um keinen der angetrunkenen Bewohner zu rammen, fuhren Clarissa und Betty-Sue im Schneckentempo die Hauptstraße hinab. Nur ganz allmählich wurden die Leute auf sie aufmerksam, und Entsetzen machte sich breit, als ihnen klar wurde, welche Last auf einen der beiden Schlitten gebunden war. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde von dem toten Indianer in der Stadt. Die lauten Stimmen und das Gelächter verstummten, sogar eines der Walzenklaviere blieb hängen, und die irischen Fiddler, die in einem der Saloons zum Tanz aufgespielt hatten, beendeten ihre Darbietung mit kratzenden Geräuschen, als sie Clarissa und Betty-Sue durch eines der Fenster beobachteten. Innerhalb weniger Minuten wurde es so still auf der Hauptstraße, dass man sogar das Hecheln der Hunde und das Scharren der Kufen hören konnte.

Nur ganz allmählich stieg der Geräuschpegel wieder an, klimperten auch die Klaviere wieder los und feierte man ungerührt weiter, denn von einem toten Indianer ließ man sich noch lange nicht die Stimmung verderben. »Das wäre ja noch schöner!«, rief einer der Goldsucher. Niemand achtete mehr auf Clarissa und Betty-Sue, als sie vor dem Marshalbüro die Schlitten anhielten.

Novak bot ihnen heißen Kaffee an, den sie dankend annahmen, und zeigte sich wenig überrascht, als er von dem toten Indianer hörte. »Tut mir leid«, sagte er zu Betty-Sue, die keine Tränen mehr hatte und stumm und mit leeren Augen auf ihrem Stuhl saß. »Inzwischen weiß ich, dass Sie recht hatten mit Ihrem Verdacht, so unwahrscheinlich er auch klingen mochte. Lew Casey und Jayden King haben sich selbst verraten. In Sid Gillespies Saloon geben sie großspurig damit an, Matthew eins ausgewischt zu haben. Die ältere Dame, die Ihnen den Kuchen andrehte, ist Caseys Großtante. Eine Kräuterhexe, hab ich mir sagen lassen, die sich mit Betäubungsmitteln auskennt. Nicht mehr ganz richtig im Kopf und zu allen Schandtaten bereit, wenn sie dafür ein warmes Essen bekommt. Das haben ihr die beiden bestimmt spendiert.«

In Betty-Sues Augen trat ein wildes Feuer. »Das wissen Sie alles, Marshal? Und Sie haben die gemeinen Mörder nicht verhaftet und eingesperrt?«

»Das würde nicht viel bringen, Schwester. Für den Mord an einem Indianer ist noch niemand aufgehängt worden … Sorry, aber so sind die Gesetze nun mal. Außerdem könnte man sie sowieso nicht wegen Mordes belangen. Sie wollten lediglich, dass Matthew vom Schlitten fällt und das Rennen verliert. Dass er ausgerechnet über die Klippen fällt, konnten sie nicht wissen. Vor Gericht bräuchte ein Anwalt keine fünf Minuten, um sie auf freien Fuß zu bekommen. Aber ich kann Sie beruhigen: Ich habe ihnen nahegelegt, die Stadt bis morgen zu verlassen. Von denen haben Sie nichts mehr zu befürchten.«

Betty-Sue konnte es nicht fassen. In einer Mischung aus Entsetzen, Wut und Verzweiflung erwiderte sie: »Sie lassen die Mörder laufen? Obwohl Sie wissen, dass sie schuld an Matthews Tod sind? Sie unternehmen … nichts?«

»Casey und King werden die Stadt verlassen, Schwester.«

»Und damit ist die Sache für Sie erledigt?« Sie stand auf und stellte wütend ihren Kaffeebecher auf den Schreibtisch. »Ich dachte, Sie sind in Fairbanks für die Einhaltung des Gesetzes zuständig. Wenn es rechtens ist, einem Teilnehmer des Alaska Frontier Race ein Betäubungsmittel in den Kuchen zu geben und ihn in eine tiefe Schlucht zu jagen, und die Mörder auf freiem Fuß bleiben, weil ihr Opfer ein Indianer ist … Wenn der Deputy U.S. Marshal tatenlos zusieht, wie diese gemeinen Mörder in einem Saloon feiern, wenn wir so weit sind, werde ich das Gesetz wohl selbst in die Hand nehmen müssen.«

Auch zu Clarissas Überraschung verließ Betty-Sue das Büro. Clarissa ahnte, was sie vorhatte, und folgte ihr. Entsetzt beobachtete sie, wie ihre Freundin einem betrunkenen Goldsucher den Revolver aus dem Gürtel zog und entschlossen die Straße überquerte. Gegenüber lag Sid Gillespies Saloon, in dem sich wahrscheinlich auch Lew Casey und Jayden King aufhielten. »Betty-Sue!«, rief Clarissa verzweifelt. »Komm zurück! Du stürzt dich ins Unglück!«

Betty-Sue lief unbeirrt weiter, hatte bereits den neuen Gehsteig auf der anderen Seite erreicht, als Clarissa sich endlich einen Weg durch das Gedränge auf der Straße gebahnt hatte und sie an der Schulter erwischte. Sie zerrte die Freundin auf die Straße zurück, nahm ihr den Revolver ab und warf ihn in den Schnee. »Bist du verrückt?«, fuhr sie Betty-Sue betont ruppig an. »So betrunken, wie die Männer in dem Saloon sind, schießen sie zurück, wenn du mit einem Revolver reinkommst und auf sie zielst.«

Inzwischen war auch der Marshal aufgetaucht. »Normalerweise müsste ich Sie jetzt festnehmen, Schwester«, sagte er, »aber ich will nochmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Tun Sie so etwas nie wieder, hören Sie? Selbst wenn Sie die beiden töten, macht das Matthew auch nicht wieder lebendig.« Er wandte sich an Clarissa. »Hat sie denn niemand, bei dem sie bleiben kann?«

»Ich kümmere mich um sie, Marshal.«

Novak zeigte sich zufrieden und setzte seinen Rundgang durch die Stadt fort. Bei dem vielen Freibier, das in dieser Nacht aus den Fässern floss, hatte er wahrscheinlich noch ganz andere Sorgen. Clarissa führte ihre Freundin über die Straße und vergewisserte sich: »Alles wieder in Ordnung? Du hast gehört, was der Marshal gesagt hat. Oder willst du im Gefängnis landen?«

»Ich war so … so wütend, Clarissa!«

»Ich weiß. Was der Marshal sagt, ist nur schwer zu verstehen.«

Clarissa brachte ihre Freundin zu Doc Boone und seiner Frau, die beide noch auf waren und sich sofort ihrer annahmen. »Keine Angst, wir kümmern uns um sie«, versprach Mrs. Boone und nahm Betty-Sue in die Arme. Sie strich ihr tröstend über die Wange. »Mein Mann gibt Ihnen was, damit Sie besser schlafen können.« Sie blickte auf den Schlitten mit dem toten Indianer und schüttelte den Kopf. »Kommen Sie, ich bringe Sie in Ihr Zimmer, Betty-Sue. Wie wär’s mit einer heißen Suppe, bevor Sie sich schlafen legen?«

Doc Boone wartete, bis seine Frau mit Betty-Sue im Haus verschwunden war. »Wie ist das passiert? Die Goldsucher?«

Sie erzählte ihm in wenigen Worten, was geschehen war, und bedankte sich, als er versprach, sich um die Beerdigung zu kümmern. »Ich weiß, es wäre einfacher, ihn von seinem Stamm abholen zu lassen, aber Betty-Sue besteht wohl darauf, dass er hier begraben wird.« Ihr wurde erst jetzt bewusst, dass sicher einige Leute dagegen waren. »Auch wenn es nicht einfach sein wird, den Leuten klarzumachen, dass ein Indianer auf ihrem Friedhof liegt.«

Clarissa verabschiedete sich vom Doktor und überquerte die Straße zum Hotel. Sie war hundemüde und freute sich darauf, noch ein paar Stunden schlafen zu können, auch wenn Alex laut schnarchte und ihr Zimmer nach Whiskey stank. In ihrem Zustand hätte ein Feuerwerk vor ihrem Fenster abbrennen können, ohne dass sie mit den Wimpern gezuckt hätte, so erschöpft war sie. Die tragischen Ereignisse der letzten Stunden forderten ihren Tribut.

Sie war so abwesend, als sie das Hotel betrat, dass sie die beiden Männer, die sich ihr in dem düsteren Flur in den Weg stellten, erst im letzten Augenblick bemerkte. Der Weiße, der sich John Smith nannte, und der Indianer, dessen Namen sie nicht kannte. Sie hielten keine Waffen in den Händen, wirkten aber so bedrohlich, dass sie unwillkürlich an die Wand zurückwich.

»Keine Bange, wir wollen Ihnen nichts tun, Ma’am!« John Smith genoss ihre Angst und quittierte sie mit einem breiten Grinsen. »Wir wollten Ihnen nur Gute Nacht sagen und sollen Ihnen von Mister Whittler ausrichten, dass er morgen früh nach dem Frühstück auf Sie wartet. Sie sollten unbedingt Ihre schriftliche Aussage mitbringen. Sie wüssten schon, um was es sich handelt.«

»Und Sie sollen mir Angst einjagen?«

»Klappt doch ganz gut, oder?« Er zeigte seine schadhaften Zähne. »Sie würden sich eine Menge Ärger ersparen, wenn Sie sich an die Abmachung hielten, und bräuchten nicht mal vor Gericht zu erscheinen. Den versprochenen Lohn würde er in einem Umschlag mitbringen. Wenn Sie mich fragen …«

»Und wenn ich es nicht tue, bringt er mich um?«

»Oh nein.« Sein süffisantes Grinsen wurde langsam ärgerlich. »Als Tote könnten Sie ihm wohl kaum eine Aussage liefern. Aber wir kennen noch einige andere Mittel, um Sie an Ihre Abmachung zu erinnern. Sehr schmerzhafte Mittel, wie ich betonen möchte. Also tun Sie bitte, was man Ihnen sagt.«

Clarissa fand ihren Mut wieder. »Den Teufel werde ich tun!«

»Ich hätte Sie für klüger gehalten, Ma’am. Aber wie Sie wollen …«

Er stieß den Indianer mit dem Ellbogen an, und die beiden drängten sich an ihr vorbei zum Ausgang. Sie stanken nach Whiskey und Tabakrauch. Clarissa war so angewidert, dass sie nach der Begegnung noch minutenlang im Flur stehen blieb und gegen den Brechreiz ankämpfte, der aus ihrem Magen hochstieg. Am liebsten hätte sie vor Wut und Verzweiflung laut geschrien.

Nach einer Weile ging es ihr etwas besser, und sie betrat ihr Zimmer, in dem Alex noch tief schlief und mit offenem Mund laut schnarchte. Alle paar Atemzüge rang er nach Luft, stockte einige Sekunden lang, dass sie schon glaubte, er wäre erstickt, und zog sie dann geräuschvoll durch die Nase ein.

»Wie kann man sich nur so volllaufen lassen?«, schimpfte sie leise, nur so nachsichtig, weil man einem Mann keine Vorwürfe machen konnte, wenn er sich nach einer so gefährlichen Operation und etlichen Rückfällen einen oder auch mehrere Drinks gönnte. So konnte er wenigstens für eine Nacht vergessen, auch wenn er wahrscheinlich wusste, dass der Whiskey keine Dauerlösung war. »Nach der Beerdigung setze ich dich auf Tee und Quellwasser.«

Sie zog sich bis auf die Unterwäsche aus und legte sich so weit von ihm entfernt neben ihn, dass er sie nicht beschmutzte, falls er sich übergeben musste. Sekunden später war sie eingeschlafen. Sie träumte wirres Zeug, wachte einmal auf und schob das Fenster einen Spalt nach oben, schloss es zwei Minuten später wieder, weil es fast unerträglich kalt wurde, und wachte erst gegen acht Uhr wieder auf. Ihr Mann schnarchte noch immer.

Sie wusch sich und zog sich an, blickte auf ihren schlafenden Mann hinab und griff nach dem halb gefüllten Wasserkrug. Ohne eine Regung zu zeigen, goss sie Alex einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Er fuhr sofort hoch, schnaubte wie ein Walross, schüttelte sich und blickte sie benommen an.

»Cla-Clarissa! Was so-soll das? Willst du mich umbringen?«

»Nur aufwecken«, erwiderte sie. »Eigentlich sollte ich dir eine Tracht Prügel verabreichen, so betrunken, wie du gestern Abend warst. Und jetzt noch bist«, fügte sie schnell hinzu. »Ich hätte dich gestern Abend gebraucht, Alex!«

Er griff nach dem Handtuch, das sie ihm reichte, und wischte sich das Gesicht und die Haare trocken. Es dauerte eine Weile, bis er den Sinn ihrer Worte begriff. »Tut mir leid, Clarissa«, kroch er mit schuldbewusster Stimme zu Kreuze. »Ich hab wohl einen Whiskey zu viel erwischt. Ich war wütend, weil ich mich bei dem Rennen so blamiert habe und …« Er winkte wütend ab. »Ach, ich weiß nicht! Wobei hättest du mich denn gebraucht?«

Sie berichtete ihm, was während der letzten Nacht passiert war, und sah, wie er mit einem Schlag nüchtern wurde. »Matthew tot? Und der Marshal unternimmt nichts? Wofür haben wir ihn dann überhaupt?« Er stand auf, musste sich am Bettpfosten festhalten und setzte sich sofort wieder hin. »Ich sollte …«

»Das hat Betty-Sue schon versucht«, unterbrach sie ihn. Sie berichtete, wie Betty-Sue mit dem Revolver über die Straße gerannt war. »Aber das ist noch nicht alles, Alex. Thomas Whittler hat mir gedroht. Wenn ich ihm bis heute Morgen keine schriftliche Aussage bringe, in der ich seinen missratenen Sohn verteidige, will er mir von seinen Wachhunden einheizen lassen. Ein gewisser John Smith, der wahrscheinlich ganz anders heißt, und ein Indianer, dessen Namen ich nicht kenne, und der kaum ein Wort sagt. Sie haben mir heute Nacht im Hotelflur aufgelauert und mir noch einmal gedroht. Wenn ich nicht für Frank Whittler aussage, wüssten sie sichere Mittel, um mich zu zwingen.«

Alex war bereits dabei, sich anzuziehen. »Und warum sagst du mir das alles erst jetzt?« Er schlüpfte in seine Hose. »Ich weiß, ich weiß, weil ich mir ein halbes Fass Whiskey in den Magen gegossen habe. Aber das haben Whittler und die beiden nicht umsonst gemacht. Ich werde mir die Burschen kaufen und ihnen zeigen, was man davon hat, sich mit den Carmacks anzulegen.«

»Das wirst du schön bleiben lassen«, warnte ihn Clarissa. »Sie sind zu zweit, und du bist noch viel zu schwach, dich mit solchen Schurken anzulegen. Ich will nicht, dass du auch noch in die Sache reingezogen wirst. Ich werde Whittler so laut meine Meinung sagen, dass es jeder hört, und den Marshal auf ihn hetzen, wenn er uns nicht in Ruhe lässt. Alles andere bringt nichts. Mit Gewalt kommen wir gegen Thomas Whittler nicht an, weil er genug Geld hat, um immer wieder neue Schurken auf unsere Spur zu setzen. Und mit faulen Tricks besiegen wir ihn auch nicht. Wer weiß, wen er auf seiner Lohnliste stehen hat. Ich würde für keinen die Hand ins Feuer legen …«

Alex war wohl der gleichen Meinung, nahm aber seinen Revolver aus der Anoraktasche und steckte ihn hinter seinen Gürtel, als sie zum Frühstück gingen. Thomas Whittler saß am Tisch neben der Tür und rauchte eine Zigarre.

Sie ließen sich von einem Ober, der in einem großen Hotel in San Francisco gearbeitet hatte und das eher bescheidene Fairbanks Hotel mit einer Luxusherberge zu verwechseln schien, an einen Tisch führen, bestellten Eier mit Schinken und gesüßten Tee und frühstückten in aller Ruhe, bevor Clarissa zu Thomas Whittler an den Tisch trat. Sie zeigte keine Angst, lächelte sogar, denn sie wusste auch, dass Alex sie mit einem Revolver beschützte.

Whittler lächelte siegesgewiss. »Nun, Mrs. Carmack? Ich nehme an, Sie haben es sich überlegt und bringen mir endlich die eidesstattliche Erklärung.«

»Ich denke nicht daran«, antwortete sie mutig und brachte es sogar fertig, sein süffisantes Lächeln zu erwidern. »Ihr missratener Sohn hat versucht, mich zu vergewaltigen, und drei Menschen auf dem Gewissen. Warum sollte ich lügen, nur damit dieser dreiste Verbrecher nicht an den Galgen kommt?«

Whittler sprang auf und wollte sie schlagen, beherrschte sich aber angesichts der zahlreichen Leute im Frühstücksraum. »Diese Beleidigung lasse ich nicht auf mir sitzen, Mrs. Carmack. Sie werden von mir hören!«

»Ich will Sie nie wieder sehen«, erwiderte sie.