18
Die Beerdigung fand am frühen Morgen statt. Der Bestatter, ein guter Freund des Arztes, hatte sich bereit erklärt, die Bestattung vorzubereiten, allerdings erst nach Zahlung eines Aufschlags, weil er eine Racheaktion von Sid Gillespie und seinen Goldsuchern und die abfälligen Blicke einiger Bürger fürchtete. Immerhin hatte er sich Mühe gegeben, den zerschundenen Körper des toten Indianers einigermaßen menschlich aussehen zu lassen, und sein Gesicht so weit hergerichtet, dass ihn ein schwaches Lächeln ins Jenseits begleitete.
Die Kosten für die Beerdigung hatte Doc Boone übernommen, auch um Betty-Sues ausgezeichnete Arbeit während der letzten Monate zu würdigen, wie er sich ausdrückte, als der Bestatter sie zum Leichenwagen vor seinem Geschäft führte. Hinter den Scheiben war der einfache Holzsarg zu erkennen, in dem Matthew lag. Ein müder Ackergaul war vor die schwarze Kutsche gespannt.
Clarissa und Alex trugen die Kleidung, die sie während des Empfangs vor dem Rennen getragen hatten, und lächelten beim Anblick der ganz in Schwarz gekleideten Betty-Sue mitfühlend. Das Trauerkleid hatte Betty-Sue von der Frau des Doktors bekommen. Clarissa umarmte ihre Freundin und flüsterte ihr ein paar tröstende Worte ins Ohr, auch Dolly und ihr irischer Ehemann, die ebenfalls in der Stadt geblieben waren, taten ihr Beileid kund.
Der Bestatter machte keine Anstalten, auf den Kutschbock zu steigen. »Mein aufrichtiges Beileid, Schwester«, heuchelte er mit samtweicher Stimme. »Ich habe getan, was ich für ihren …« Er räusperte sich. »… was ich für den … den Indianer tun konnte. Betrachten Sie meine Arbeit bitte als Entgegenkommen. Sie wissen sicher, dass es mir normalerweise nicht gestattet ist, einen Indianer oder Chinesen auf unserem Friedhof zu bestatten, und ich werde deshalb auch nicht auf den Kutschbock steigen. Ich hoffe, Sie nehmen mir diesen Entschluss nicht übel, aber ich bin auf das Wohlwollen der Bürger in dieser Stadt angewiesen und kann es mir nicht erlauben, mir durch eine solche Aktion den Zorn dieser Gemeinde zuzuziehen. Bei aller Liebe, Miss …«
»Schon gut«, antwortete Alex für sie, »dann übernehme ich eben die Fuhre.« Er kletterte auf den Kutschbock und griff nach den Zügeln, blickte sich nach den wenigen Trauergästen um, bevor er mit der Zunge schnalzte und den Ackergaul auf die Hauptstraße trieb. »Vorwärts … reiß dich zusammen!«
Clarissa lief neben Betty-Sue direkt hinter dem Wagen. Doc Boone, seine Frau und Dolly und Jerry bildeten die zweite Reihe. Im Schein der wenigen Laternen und Fackeln, die um diese Zeit noch brannten, zogen sie über die Hauptstraße zum südlichen Stadtrand. Eiskalter Wind fegte durch die Dunkelheit heran und ließ die langen Röcke der Frauen flattern. Der Ackergaul setzte mühsam einen Huf vor den anderen, als hätte er eine ungleich schwerere Last zu tragen, blieb einmal sogar stehen und lief erst weiter, als Alex die Peitsche über seinem Rücken knallen ließ und ihn mit seinem »Giddy-up!« antrieb. Die Räder des Wagens gruben sich tief in den schmutzigen Schnee.
Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich mehrere Indianer auf und gesellten sich zu dem Trauerzug. In ihrer traditionellen Kleidung bildeten sie einen seltsamen Kontrast zu den dunkel gekleideten Weißen. Als Jerry einige seiner irischen Freunde am Straßenrand entdeckte, winkte er sie mit einer ungeduldigen Handbewegung heran und nickte zufrieden, als sie sich ebenfalls einreihten. Aus der Bank trat William E. Flemming in seinem besten Anzug, aus dem Gebäude der Weekly Fairbanks News der Herausgeber in einem schwarzen Anzug, der ihm mindestens zwei Nummern zu groß war und um seinen schmächtigen Körper flatterte. Immer mehr Bürger schlossen sich dem Trauerzug an und bekundeten auf diese Weise ihr Mitgefühl mit Betty-Sue, nur der Pfarrer blieb dem Trauerzug fern und machte deutlich, wie wenig seine Kirche mit der Verbindung eines Indianers und einer Weißen einverstanden war. An den Fenstern standen die Neugierigen und blickten auf sie herab.
»Siehst du?«, flüsterte Clarissa ihrer jungen Freundin zu. »Und ich hatte schon Angst, wir müssten allein zum Friedhof ziehen. Du hast mehr Freunde in Fairbanks, als wir dachten. Die Leute stehen hinter dir … und Matthew.«
Außer Clarissa sagte niemand etwas auf dem Weg zum Friedhof. Minutenlang waren nur das widerwillige Schnauben des Ackergauls und das Knarren der Kutschenräder zu hören. Die Stadt schien den Atem anzuhalten, so still war es, selbst der Schmied hatte sein Hämmern unterbrochen und legte eine längere Pause ein. Der Wind trieb feuchte Schneeschleier über die Straße.
Der Friedhof lag in einer Senke am Waldrand, Doc Boone hatte zwei Männer bezahlt, die den gefrorenen Boden mit einem Feuer aufgetaut und ein Grab für den Toten geschaufelt hatten, nach getaner Arbeit aber geflohen waren. Niemand sollte wissen, dass sie etwas für den Indianer getan hatten.
Vor dem Eingang des Friedhofs warteten Sidney Gillespie und seine Anhänger, ungefähr zehn Goldsucher, darunter auch Lew Casey und Jayden King. Einige von ihnen hatten Revolver hinter ihren Gürteln stecken, einer hielt ein Gewehr. Gillespie stoppte den Leichenwagen mit erhobener Hand und wandte sich an Alex. Sein Lächeln täuschte nicht darüber hinweg, dass er es ernst meinte, als er sagte: »Guten Morgen, Mister. Ich nehme an, Sie haben sich verfahren.«
»Mit einem Toten?« Auch Alex lächelte. »Es gibt nur den Friedhof hier.«
»Mit einem toten Indianer«, verbesserte Gillespie. »Laut Gesetz ist es verboten, einen Indianer oder Chinesen auf diesem Friedhof zu begraben.« Sein spöttisches Lächeln, das bisher nur an seinen verzogenen Lippen zu erkennen gewesen war, griff auf sein ganzes Gesicht über. Ich habe die Bestimmungen genau gelesen, müssen Sie wissen. Und da sich kein anderer bereitfindet, erlaube ich mir, Sie freundlich auf diesen Paragrafen hinzuweisen.« Er drehte sich nach seinen Männern um. »Wir möchten, dass Sie umkehren, Mister!«
Alex schien die Ruhe selbst zu sein. Er zeigte mit dem Daumen nach hinten. »Ich glaube kaum, dass die Trauergäste damit einverstanden wären. Matthew war kein gewöhnlicher Indianer, den man irgendwo verscharren kann. Er war vielen Menschen in Fairbanks ein guter Freund und treuer Diener. Vielleicht sind Sie noch nicht lange genug in der Stadt, um das zu wissen.«
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht von Gillespie, und er zeigte seinen wahren Charakter. »Wir sind fest entschlossen, die Gesetze dieser Stadt zu verteidigen, notfalls auch mit Waffengewalt.« Er blickte seine Männer an.
»Wenn es so ist, sollten Sie jetzt zur Seite treten«, wurde die befehlsgewohnte Stimme des US-Marshals laut. Ohne dass es einer gemerkt hätte, war er zum Friedhof mitgekommen und trat Gillespie und seinen Männern furchtlos entgegen. »Der Stadtrat hat für diese Beerdigung eine Ausnahmegenehmigung erteilt.« Er zog einen Brief aus der Innentasche und reichte ihn Gillespie. »Wie Sie sehen, hat sogar Bürgermeister Barnette unterschrieben.«
Gillespie überflog das Schreiben zähneknirschend und gab es dem Marshal zurück. Er gab seinen Männern ein Zeichen und ging aus dem Weg. »Das konnten wir natürlich nicht wissen, Marshal. Ich bitte um Entschuldigung.«
»Das genügt mir nicht«, ließ der Marshal nicht locker. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Sie gebeten, sobald wie möglich die Stadt zu verlassen. Zwei Ihrer Männer stehen in dem dringenden Verdacht, den Tod des Indianers zumindest mitverschuldet zu haben. Ich weiß, dass Sie dafür nicht belangt werden können, aber viele Freunde haben Sie sich in dieser Stadt auch nicht gemacht. Ich glaube kaum, dass Sie einer zum Bürgermeister wählt.«
»Schon gut, Marshal. Ich habe verstanden.«
Gillespie und seine Männer gaben den Weg frei und kehrten in die Stadt zurück. Noch während der Beerdigung sah man ihn und seine Männer mit mehreren Hundeschlitten die Stadt verlassen. Ihre Versuche, eine ganze Stadt in ihre Hand zu bekommen, waren kläglich gescheitert. Ein Verdienst aller Bürger, die nur anfangs auf seine Hassreden hereingefallen waren und keine Zustände wie zur Zeit des Klondike-Goldrauschs wollten, als Soapy Smith, ein berüchtigter Gangster, die Hafenstadt Skaguay in seine Gewalt gebracht und die meist ahnungslosen Goldsucher nach Belieben ausgenommen hatte.
In Ermangelung eines Pfarrers hielt Doc Boone die Grabrede. Er lobte Matthew als einen Indianer, der die Zeichen der Zeit erkannt und den Weg des weißen Mannes eingeschlagen hatte, weil sein Volk nur im friedlichen Zusammenleben mit den einst verhassten Weißen eine Zukunft haben könnte. Er hätte niemals einen Tropfen Alkohol angerührt, wäre zu allen Leuten freundlich gewesen und hätte sich zu jeder Zeit für das friedliche Zusammenleben von Weißen und Indianern eingesetzt. »Er war ein gottesfürchtiger Mann«, schloss er, »auch wenn das unser Reverend nicht erkannt zu haben scheint …« Er sprach jetzt lauter, in der Hoffnung, dass ihn auch der Pfarrer in der Stadt hören konnte. »… und er konnte besser lesen, schreiben und rechnen als mancher Goldsucher. Wir begraben ihn auf diesem christlichen Friedhof, weil wir ein Zeichen setzen wollen. Ein Zeichen gegen die Gewalt und für ein friedliches Miteinander aller Menschen, ganz gleich, welcher Abstammung sie sind. Nur so hat Fairbanks eine Zukunft.«
»Amen«, stimmten ihm die anderen Trauergäste zu.
Doc Boone und Jerry O’Rourke wollten den Sarg bereits in die Grube lassen, als Clarissa nach vorn trat und noch einmal die Stimme erhob: »Ich weiß, ich sollte eigentlich zu diesem traurigen Anlass nichts sagen, aber ich kann nicht anders. Doc Boone hat die Verbindung zwischen Schwester Betty-Sue und dem Indianer Matthew wohl ganz bewusst verschwiegen, und ich bin ihm deswegen auch gar nicht böse. Wie den meisten Menschen dieser Trauergemeinde, auch den anwesenden Mitgliedern seines Stammes, fällt es auch mir noch schwer, eine solche Verbindung als ›normal‹ zu empfinden. Zu groß sind die kulturellen Unterschiede zwischen unseren Völkern. Doch Matthew war kein gewöhnlicher Indianer, und Betty-Sue ist keine gewöhnliche weiße Frau, die vor einem Eingeborenen zurückschrecken würde. Das war sie vielleicht, als sie noch in San Francisco wohnte. In der Wildnis des Nordens hat sie erkannt, wie wichtig es ist, sich auf einen anderen Menschen verlassen zu können, egal, welche Hautfarbe er hat, und bei ihrem Einsatz als Krankenschwester hat sie auch nie einen Unterschied zwischen Weißen und Indianern gemacht, auch wenn das der Regierung nicht gefallen konnte. Sie hat Matthew aufrichtig geliebt, war für diese Liebe sogar bereit, ihren Beruf zu opfern, obwohl ihr klar sein musste, dass sie mit dieser Liebe ein Tabu brach, das wir wohl auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch nicht überwunden haben werden. Dafür bewundere ich sie und spreche ihr mein tiefstes Mitgefühl aus.«
»Amen!«, kam es auch diesmal von den Trauergästen zurück.
Betty-Sue bedankte sich bei ihr, indem sie ihre Hand drückte, und hielt sie auch noch fest, als Doc Boone und Jerry den Sarg ins Grab hinabließen und Erde auf ihn schaufelten. Als ihr der Arzt die Schaufel reichte, trat sie bis an den Rand des offenen Grabes, blickte lange auf den Sarg hinab und warf dann ebenfalls etwas Erde darauf. Dazu murmelte sie ein leises Gebet. Ihre Augen waren voller Tränen, als sie zu Clarissa zurückkehrte und sich an ihr festhielt. »Ich danke dir«, flüsterte sie, »für alles, was du für mich getan hast.«
Nach einem Umtrunk im Haus des Doktors verließen Clarissa und ihr Mann als Erste die Stadt. Gespenstisches Zwielicht leuchtete zwischen den Wolken am östlichen Horizont, als sie auf den gefrorenen Chena River fuhren und die Lichter der Stadt hinter sich ließen. Auf den tief hängenden Zweigen der Schwarzfichten glitzerte der Schnee. Eisige Kälte hatte das Eis noch härter gemacht und ließ den Schlitten in allen Fugen ächzen. »Vorwärts, Emmett!«, trieb sie ihren unermüdlichen Leithund an, »jetzt geht es nach Hause!«
Alex hatte sich gar nicht erst bemüht, die Führung des Schlittens zu übernehmen. Ohne etwas zu sagen, war er auf die Ladefläche gestiegen und hatte sich in die Decken gerollt. Er wirkte ruhiger als sonst und seltsam nachdenklich, fluchte aber öfter leise vor sich hin und spuckte einmal wütend in den Schnee. Die Whiskeyflasche in seinen Händen sah Clarissa erst, als er sie unter den Decken hervorzog und einen tiefen Schluck nahm. Er war nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber auf dem Schlitten hatte er nie getrunken.
»Alex!«, rief sie verärgert. »Musst du unbedingt wieder trinken?«
»Ich trinke doch gar nicht«, erwiderte er mürrisch. »Das ist nur der Rest von gestern. Oder soll ich das Zeug vielleicht verkommen lassen?« Er nahm einen weiteren Schluck. »Wäre doch jammerschade um den teuren Whiskey.«
»Das ist kein Rest. Die Flasche ist halb voll.«
»Oder halb leer«, meinte er grinsend.
Clarissa ließ ihm seinen Willen, auch weil es gar keinen Zweck gehabt hätte, ihm die Flasche wegzunehmen. Er wäre nur wütend und vielleicht sogar ausfallend geworden und hätte einen seiner Anfälle bekommen. Anscheinend brauchte er den Whiskey, um die Nachwirkungen der Operation besser ertragen zu können, und wenn es so war, würde sie ihm nicht im Weg stehen. Dann war der Whiskey vor allem Medizin, die ihm den Blick für die Wirklichkeit nahm und ihn beschützte, bis er wieder bei Kräften war. Solange er nicht wie ein Halbtoter in seinem Bett lag und die Blockhütte mit seinem Whiskeydunst verpestete, würde sie ihn gewähren lassen. Wenn er nur bald wieder gesund würde! Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass er so lange unter den Nachwirkungen leiden würde und einfach nicht auf die Beine kam.
»Vielleicht solltest du dich ein bisschen mehr schonen«, sagte sie am nächsten Morgen. Er hatte auch den Rest der Whiskeyflasche geleert und die ganze Nacht laut neben ihr geschnarcht. »Füttere die Hunde, oder dreh ein paar Runden mit dem Schlitten und lass die schweren Arbeiten erst mal liegen.«
»Wie lange denn noch?«, erwiderte er viel zu barsch. »Das sagst du mir doch schon, seitdem ich aus dem Krankenhaus raus bin. Wie eine Glucke hüpfst du um mich rum und passt auf, dass ich mir keinen Bruch hebe. Ich bin kein kleiner Junge mehr, Clarissa! Wie lange soll denn das so weitergehen?«
»Bis du ganz gesund bist, Alex!« Sie überhörte den vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme. »Bei so einer schweren Krankheit dauert es eben länger. Ich dachte auch, es geht schneller, sonst hätte ich dich bestimmt nicht bei dem Rennen mitfahren lassen, aber der Eingriff war wohl stärker, als wir dachten, und du brauchst noch Zeit. Ruh dich aus, Alex … bitte, mach langsam!«
»Das hättest du wohl gern!« Sie merkte, dass sie wieder einmal zu weit gegangen war. »Ich soll mich ins Bett legen, damit du deine mütterlichen Gefühle ausleben kannst! Den Teufel werde ich tun!« Er stapfte, ohne seinen Kaffee getrunken zu haben, nach draußen und begann Holz zu hacken. Wütend schlug er auf die Holzklötze ein, als wären sie schuld an seinem Kummer. Jeden seiner Schläge begleitete er mit einem lauten Stöhnen oder Fluch.
Nachdem er bis zur Erschöpfung gearbeitet hatte, wusch er sich mit eiskaltem Wasser, aß etwas von dem Elchschinken, den sie aus der Vorratskammer geholt hatte, und kümmerte sich um die Hunde. Er sagte kaum ein Wort, nicht mal zu den Hunden, fuhr mit dem Schlitten weg und kehrte erst am späten Abend zurück, ohne zu berichten, was er unterwegs erlebt hatte. Nach dem Abendessen, das er ebenfalls wortlos einnahm, ging er zu Bett und schlief.
So ging es am Tag nach ihrer Ankunft, am nächsten und auch am übernächsten Tag. Wenn Clarissa etwas sagte, brummte Alex nur. Nach den klaren Augenblicken, die er nach seinem Besäufnis in Fairbanks gehabt hatte, schien er in eine andere Welt abgetaucht zu sein und immer mehr den Kontakt zu ihr zu verlieren. Clarissa zwang sich, ihm keine Vorwürfe zu machen, und ließ ihn gewähren, hoffte unentwegt, dass er wieder zu sich zurückfand und ins normale Leben zurückkehrte. Der vorletzte Platz beim Rennen hatte ihn weit zurückgeworfen und sein Selbstbewusstsein so geschwächt, dass er kaum noch Ähnlichkeit mit dem Mann zeigte, den sie einmal geheiratet hatte.
Am dritten Tag nahm Clarissa ihre Arbeit im Roadhouse auf. Sie bereitete ihrem Mann das Frühstück zu, servierte ihm einen Imbiss zur Mittagszeit und empfing ihn mit dem Essen, wenn er von seinen Fahrten zurückkehrte, doch nützte sie jede freie Minute, um Dolly zu helfen und ihre Schulden abzuarbeiten. Natürlich klagte sie der Freundin ihr Leid, aber Dolly wusste auch nicht mehr zu sagen als: »Gib ihm etwas Zeit, Clarissa, der wird schon wieder.«
Bereits eine Woche war vergangen, als er über Nacht wegblieb und erst am nächsten Morgen stockbetrunken ins Haus torkelte. Er fiel aufs Bett und begann laut zu schnarchen. Es blieb ihr überlassen, sich um die Huskys zu kümmern und sie mit Reis und getrocknetem Lachs zu füttern. »Alex ist krank«, entschuldigte sie sich bei Emmett, »es wird noch etwas dauern, bis er wieder mit uns spricht. Er kann es nicht ertragen, dass er nicht mehr so stark wie vor der Operation ist. Aber das wird wieder. Er erholt sich, ganz sicher.«
Doch als er sie am nächsten Morgen mit einer geleerten Whiskeyflasche sah, explodierte er, riss ihr die Flasche aus der Hand und schleuderte sie gegen die Wand. Sie zersprang in tausend Scherben. »Seit wann spionierst du mir nach?«, schrie er sie an. »Hast du denn noch immer nicht genug? Lass mich endlich in Ruhe! Ich will allein sein, verdammt! Ich brauche niemanden!«
Sie verließ die Blockhütte und sank weinend in den Schnee. Hatte sie vor dem Rennen noch gedacht, er hätte die Nachwirkungen der Operation überwunden, so bezweifelte sie jetzt stark, dass er jemals wieder gesund werden würde. Die Niederlage beim Rennen und der Whiskey hatten ihn zurückgeworfen und einen anderen Menschen aus ihm gemacht. »Alex!«, flüsterte sie traurig.