KAPITEL ELF
Am frühen Nachmittag, etwa zu der Zeit, als Paul Ravel erfuhr, dass der Schweizer Pirat mit hoher Wahrscheinlichkeit den Spezialkräften angehört hatte, erreichte Mack die Küstenstadt Vannes. Mack hatte keine Ahnung, wie viel die französischen Behörden mittlerweile über ihn wussten, ob die versenkte Eagle entdeckt worden war oder Monsieur Laporte gegenüber den Gendarmen den Mund hatte halten können.
Soweit er wusste, konnte man ihn nicht mit anderen Verbrechen in Verbindung bringen. Alles hing nur von Laporte ab; sollte der Tankstellenbesitzer vom Peugeotkauf erzählt haben, dürfte die französische Polizei mittlerweile landesweit nach ihm fahnden. Allerdings würden sie nach den falschen Nummernschildern Ausschau halten. Mack sah auf seine Uhr. Wenn die Leichen gegen neun Uhr gefunden worden waren und Laporte kurz darauf geplaudert hatte, könnte die Polizei nun jederzeit die beiden Typen im Citroën festnehmen. Das hieß, sie würden bald von den ausgetauschten Nummernschildern am Peugeot erfahren. Obwohl er sich nach einer Tasse Kaffee sehnte, drückte Mack also aufs Gas und fuhr weiter nach Saint-Nazaire, weitere 70 Kilometer.
Um 15 Uhr erreichte er die Vororte der Industriestadt, drehte zur Orientierung eine schnelle Runde durch die wichtigsten Straßen und fand, wonach er gesucht hatte: einen großen Haushaltswarenladen. Gleich darauf entdeckte er ein innerstädtisches Parkhaus, in dessen Einfahrt er nach Überwachungskameras Ausschau hielt.
Nachdem er seinen Parkschein gezogen hatte, fuhr er absichtlich entgegen der weißen Markierungen auf der falschen Fahrbahn hinein und hoffte nur, dass ihm kein anderes Fahrzeug entgegenkam. Am Ende der Zufahrt ging es über eine breite, kreisförmige Rampe ins Untergeschoss, das er erneut in Gegenrichtung ansteuerte.
Er fand einen freien Platz, parkte den Peugeot und nahm seine Tasche und den Werkzeugkasten aus dem Kofferraum. Erneut sah er sich nach Überwachungskameras um und vergewisserte sich, dass der Peugeot von ihnen nicht erfasst wurde. Mit seinem Schraubenzieher entfernte er die Nummernschilder, schloss den Wagen ab und ging.
Auf der oberen Ebene warf er die Kennzeichen und die Schlüssel in einen mit einem schwarzen Plastiksack ausgelegten Mülleimer und hoffte, dass keiner zu genau nachsah, wenn der Müllbeutel entfernt wurde. Damit ließ er den Wagen zurück, der von den Polizeistreifen in halb Frankreich gesucht wurde, abgestellt im Untergeschoss eines Parkhauses in einer abgelegenen Ecke außerhalb des Erfassungsbereichs der Videokameras; einen Wagen ohne Nummernschilder.
Mack wusste, wohin er wollte. Und natürlich hatte er es eilig, sich vom Wagen zu entfernen. Niemand wusste, wie er aussah oder wer er war, aber man kannte den Peugeot. Er musste sich daher enorm zusammenreißen, um fast 20 Minuten am Ausgang zu warten, bis der Parkhauswärter von einem Fahrer abgelenkt wurde, der anscheinend seinen Parkschein verlegt oder verloren hatte.
Erst in diesem Augenblick marschierte er als Jeffery Simpson verkleidet schnell die Rampe hinauf und hinaus auf die geschäftigen Straßen von Saint-Nazaire. Er brauchte zehn Minuten, bis er den Haushaltswarenladen wiederfand. Schnell machte er die Werkzeugabteilung ausfindig, wo Hammer, Schraubenschlüssel, Meißel, Zangen und so weiter verkauft wurden. Ganz hinten fand er ein Regal mit Arbeitsschuhen und Arbeitskleidung in Grün und Blau. Das Blau war das Blau der Werft, wie er es auf den Fotos der Le Monde gesehen hatte.
Mit übergestreiften Autohandschuhen wählte er einen XXL-Overall und die größten verfügbaren Arbeitsstiefel. Dann eilte er in die Elektroabteilung, entschied sich für eine kleine, starke Taschenlampe, einen dünnen Taschenrechner und drei kleine Batterien. Im gleichen Gang befanden sich Sport- und Jagdartikel mit Gewehren (allesamt durch Schlösser gesichert), Angelruten, Messern und Kleidung, darunter grüne Gummistiefel, Socken, Mützen und Gürtel. Er nahm sich ein Fischermesser mit Scheide, eine Mütze und zwei Paar Socken.
Er ging zur Kasse, schob das Messer in einen der Stiefel, darüber stopfte er eines der Sockenpaare und verstaute das zweite Paar Socken im anderen Stiefel. Er zahlte alles bis auf das Messer, das der Kassiererin entging. Auf seinem Weg nach draußen legte er die Mütze und die Socken in ihre Regale zurück, was ihm als gerechter Tausch erschien.
Erleichtert verließ er den Laden. Sah man von dem Scharfschützengewehr ab, das für Notsituationen natürlich völlig ungeeignet war, war er seit mehreren Tagen unbewaffnet gewesen.
Das war Mack nicht gewohnt. Ohne Dienstwaffe und Messer zog er normalerweise nie in den Kampf. Natürlich konnte die Operation in Frankreich keineswegs mit SEAL-Einsätzen verglichen werden, trotzdem: Er brauchte etwas. Er schreckte nicht davor zurück, zwei Attentätern mit Maschinenpistolen entgegenzutreten, solange er mit einer vernünftigen Klinge bewaffnet war, mit der er sich … nun ja … verteidigen konnte.
Allerdings konnte er gut und gern darauf verzichten, dass eine Kassiererin der französischen Polizei erzählte, ein groß gewachsener Ausländer habe in einem Haushaltswarenladen in Saint-Nazaire ein potenziell tödliches Fischermesser erworben. Daher das aufwendige Täuschungsmanöver an der Kasse.
Er stopfte Messer, Overall, Stiefel und Taschenlampe in seine Tasche und ging zu einem Zeitungsladen, wo er sich eine Straßenkarte von Saint-Nazaire kaufte. In einem Café ließ er sich an einem Ecktisch nieder und studierte die Karte. Er blieb nur zehn Minuten, bestellte ein Baguette mit jambon et fromage und eine Flasche Perrier, die er mit nach draußen nahm, wo er das erstbeste Taxi anhielt. Er ließ sich zum Busbahnhof in Saint-Brévinles-Pins am Südufer des Flusses bringen, eine Strecke von sechs Kilometern.
Erst als sie auf die gut drei Kilometer lange Saint-Nazaire-Brücke auffuhren, die die Loire überspannte, wurde Mack so richtig bewusst, wie breit die Mündung wirklich war. Links und rechts von ihm erstreckten sich die am Nordufer gelegenen Werften. Er musste an die sonnenbeschienenen Gewässer unter sich denken und die Aufgabe, die ihm aller Voraussicht nach am nächsten Spätnachmittag bevorstand. Am Busbahnhof bezahlte er den Taxifahrer und stieg mit der Tasche und dem Werkzeugkasten aus.
Sofort marschierte er zu den hinter großen Glasscheiben aushängenden Abfahrtsplänen. Zwei, drei andere Personen gingen ebenfalls die Listen durch, sodass Mack ein wenig warten musste, bis er die Abfahrtszeiten der Abendbusse ins nahe gelegene Nantes in Augenschein nehmen konnte. Die exakten Abfahrtszeiten waren ihm dabei gar nicht so wichtig; es kam ihm vor allem darauf an, dass sie regelmäßig fuhren.
Daraufhin ging er nach drinnen, sah sich nach einem öffentlichen Telefon um und suchte im ausliegenden Telefonbuch nach der Nummer des Bahnhofs in Bordeaux. Er warf seine Euro-Münzen ein, rief dort an und erkundigte sich, wann der letzte Zug aus Nantes in Bordeaux eintraf.
… douze heures et demie, Monsieur. Gare St. Jean, à cours de la Marne.
»Et départe Nantes?«, radebrechte Mack.
Huit heures et demie.
»Merci beaucoup, Madame«, erwiderte Mack. Also halb neun in Nantes. Großer Gott, den Bus sollte ich nicht verpassen.
Er verließ den Busbahnhof, insgeheim zufrieden, dass er das Transportproblem von hier nach Nantes gelöst hatte, ohne ein verräterisches Telefonat geführt oder mit jemandem in Nantes darüber gesprochen zu haben. Niemand würde sich bei einer möglichen Befragung durch die Polizei an einen Ausländer erinnern können, der vorhatte, die Stadt zu verlassen.
Dann machte er sich auf den Weg, immer entlang der Straße, die ins 70 Kilometer entfernte Nantes führte. Nach drei Kilometern lagen die Häuser hinter ihm und an der rechten Straßenseite tauchte ein langes Waldstück auf. Linker Hand lag der Fluss. Als er eine Bushaltestelle erreichte, blieb er stehen – nicht um auf den Bus zu warten, sondern darauf, dass auf der Straße keine Fahrzeuge und Fußgänger mehr zu sehen waren. Fünf Minuten später trat er in den Wald.
Dort errichtete er ein kleines Lager, das von der Straße und, so weit er zu sagen vermochte, auch von allen übrigen Seiten nicht einsehbar war. Er erkundete die Gegend in einem Umkreis von 100 Metern und kam zu dem Schluss, dass er in Sicherheit war. Er suchte sich einen Busch mit dichtem Laub und ließ sich darunter nieder. Dort aß er sein Baguette, trank etwas Wasser und sah auf die Uhr. Es war fast fünf.
Mit seinem neuen Messer grub er eine Kuhle, in die die Ledertasche passte. Als er damit fertig war, holte er den schwarzen Taucheranzug heraus und zog sich bis auf die Unterhose aus. Vorsichtig schlüpfte er in die Beine des Anzugs und wand sich in das eng anliegende Oberteil; die Kapuze ließ er unten. Dann klemmte er sich die beiden SEAL-Flossen an die Druckknöpfe der Oberschenkel.
Er packte seinen neuen Overall aus, zog ihn über den Taucheranzug, knöpfte ihn zu und stopfte einen Packen Euro-Scheine in die Taschen. Er schlüpfte in die Arbeitsstiefel, schnürte sie zu und steckte das neue Kampfmesser mitsamt Scheide in die schmale Seitentasche am Hosenbein des Overalls. In die andere schob er die Taschenlampe und den Taschenrechner.
Er vergewisserte sich, dass alles in seiner Ledertasche verpackt war – Straßenkleidung, Pässe, Führerscheine, Geld und das Perrier –, schob die Tasche in die Kuhle und bedeckte alles mit der aufgeworfenen Erde. Er schnitt zwei buschige Äste ab und rammte sie in den Boden, um die umgegrabene Fläche vollkommen zu verdecken.
Er sah auf die Uhr und wartete, bis der 18.15-Uhr-Bus an »seiner« Bushaltestelle hielt. Er hörte, wie die Türen aufgingen, dann hörte er ihn auf der Straße nach Nantes wegfahren. Drei Minuten später griff er sich seinen Werkzeugkoffer, verließ das dichte Unterholz und kehrte auf die Straße zurück.
Ihm war heiß unter der Taucheranzug-Overall-Kombi, sein Herz pochte, aber Mack Bedford war bereit.
Henri Foches Mercedes, mittlerweile von einem Montpellier-Munitions-Mitarbeiter gesteuert, holte »Colonel« Raul Declerc um 18 Uhr am Flughafen in Rennes ab und brachte ihn direkt zum Privathaus des Gaullistenführers. Raul war sichtlich geschockt über die Brutalität der beiden Morde. Er hatte nie bei den britischen Spezialkräften gedient; er hatte zwar viel über deren Skrupellosigkeit gehört, wenn ihnen jemand in die Quere kam, persönlich aber hatte er so etwas noch nie erlebt.
Das Erste, was ihm – wenig überraschend – durch den Kopf ging, war das Geld. Ernsthaft besorgt fragte er sich, ob er Foche nicht zu wenig abgeknöpft hatte. Eine Million Euro war eine Sache, sich aber mit einem solchen Ungeheuer anzulegen war etwas ganz anderes.
Dennoch verfügte auch er über ein gewisses Pflichtgefühl. Er hatte mit jemandem, immerhin dem zukünftigen französischen Präsidenten, eine Abmachung getroffen. Foche hatte einen etwas zwielichtigen Hintergrund und war laut Einschätzung des ehemaligen Colonel Fortescue jemand, mit dem nicht zu spaßen war. Ein wütender Foche würde einem wütenden Gunther Marc Roche wohl in nichts nachstehen. Großer Gott, sogar ihre Namen klingen ähnlich, dachte sich Raul, der noch nichts vom Slapstick-Einsatz in der Rue de Bâle wusste, bei dem sich herausgestellt hatte, dass es den Schweizer Killer gar nicht gab.
Das zumindest war im Moment die Meinung der französischen Polizei. Pierre Savary hatte einige Stunden zuvor Foche angerufen und dieser Meinung Ausdruck verliehen. Das hieß natürlich nicht, dass es den vollbärtigen Piraten beziehungsweise Attentäter nicht gab. Dafür lagen zu zahlreiche und vielfältige Beweise vor, die sich über ein ziemlich weites Gebiet erstreckten, von Brixham bis nach Val André. Aber der Name war falsch, die Adresse war falsch, und der Schweizer Führerschein, den Monsieur Laporte so früh am Morgen in Augenschein genommen hatte, war ebenso falsch.
»Den Mann gibt es, keine Frage«, sagte Foche, »aber wir haben nicht die geringste Ahnung, wer er ist. Laut Polizei ist es unwahrscheinlich, dass er aus der Schweiz kommt.«
»Monsieur, Sie wissen, unserer Meinung nach kommt die Bedrohung aus England, daher spricht einiges dafür, dass der Killer Engländer ist«, sagte Raul.
»Aber in England gibt es mehrere Personen, die bei Gott schwören, dass er mit starkem ausländischen Akzent gesprochen hat.«
»Monsieur, ich kann auch mit einem starken ausländischen Akzent sprechen, wenn ich will.«
»Ja, da haben Sie recht. Aber beschäftigen wir uns mehr mit dem, was ansteht. Was haben Sie und Ihr Team vor, um mich vor diesem Attentäter zu schützen?«
»Im Moment bin ich noch damit beschäftigt, das Team in Marseille zusammenzustellen. Meine beiden SAS-Männer fliegen aus Zentralafrika ein. Beide haben unter den Briten in Sierra Leone gedient. Zwei der besten israelischen Commander, die mir jemals begegnet sind, werden morgen früh Tel Aviv verlassen. Dazu kommen fünf Ex-Fremdenlegionäre, die alle im aktiven Dienst in Nordafrika gewesen sind. Ich werde einen Stahlkordon um Sie herum aufbauen, Monsieur. Einen Kordon aus bewaffneten Männern, die jeden Attentäter umgehend liquidieren, wenn er auch nur seine Nase herausstreckt.«
Henri Foche gefiel, was er hörte. »Und was beabsichtigen Sie für meine Rede morgen Nachmittag in Saint-Nazaire zu unternehmen? Sind Ihre Männer bis dahin einsatzbereit?«
»Monsieur, Sie haben mir erklärt, dass dieser Gunther bislang allen entkommen ist. In Saint-Nazaire ist er noch nicht gesichtet worden, obwohl jeder Polizist dort nach ihm Ausschau hält. Da er noch kaum einen Tag in Frankreich ist, müssen wir uns wegen morgen vielleicht noch keine so großen Gedanken machen. Es würde mich überraschen, wenn er sich innerhalb von achtundvierzig Stunden so weit organisiert, dass er einen ernsthaften Anschlag auf Sie durchführen kann. Diese Typen von den Spezialkräften beschäftigen sich meistens sehr eingehend mit allen möglichen Details. Wir in den alten britischen Regimentern haben sie immer für ein wenig langsam gehalten.«
»Ach, wirklich«, erwiderte Foche. »Na, das klingt ermutigend. Ich werde Saint-Nazaire nicht absagen. Die Rede ist zu wichtig, für mich wie für die Bevölkerung der südlichen Bretagne.«
»Natürlich können wir mit dem Großteil unserer Ressourcen in Aktion treten, falls Sie sich Sorgen machen.«
»Mit welchen?«
»Die Fremdenlegionäre und die SAS-Männer können direkt von Marseille nach Saint-Nazaire fliegen. Die Israelis werden das wohl nicht mehr rechtzeitig schaffen, auch wenn ich sie über Paris umleiten sollte. Außerdem müssen sie erst gebrieft werden, und dafür ist keine Zeit mehr, wenn Sie uns morgen so früh wie möglich einsatzbereit haben wollen.«
»Das heißt, Sie haben acht Männer, Sie eingeschlossen?«
»Das ist Ihre persönliche Leibwache, Monsieur. Männer, die einzig und allein die Aufgabe haben, nach Gefahren Ausschau zu halten. Männer, die exakt dafür ausgebildet sind.«
»Natürlich werde ich auf der gesamten Werft unter Polizeischutz stehen«, sagte Foche. »Wahrscheinlich werden sie busweise herangekarrt. Aber sie sind keine Spezialisten, sie beeindrucken nur durch ihre schiere Präsenz und Masse.«
»Monsieur, ich muss Sie natürlich nach der Befehlskette fragen.«
»Als mein neuer Sicherheitschef üben Sie die alleinige Kontrolle über alles Personal aus mit Ausnahme der französischen Polizei. Die steht unter dem Befehl meines engen Freundes Pierre Savary, des bretonischen Polizeichefs. Heute Abend werden wir drei zusammen essen, und ich bin mir sicher, dass Sie großartig zusammenarbeiten werden.«
»Wunderbar, Monsieur. Wer wird mit Ihnen morgen Nachmittag von Rennes nach Saint-Nazaire fahren?«
»Am liebsten wäre es mir, wenn Sie und Ihre Männer so früh wie möglich auf der Werft wären. Ich werde dann später in Begleitung einer Polizeieskorte eintreffen. Zwei Streifenwagen, einer vorn, einer hinter meinem Wagen, dazu zwei Motorräder vorn und zwei hinten.«
»Klingt gut. Ich brauche Zeit auf der Werft, wenn wir jeden Quadratzentimeter absuchen wollen. Auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte, dass dieser Gunther dort auftaucht. Wahrscheinlich wird er erst in zwei, drei Tagen versuchen, zuzuschlagen, wenn er sich hier eingerichtet hat.«
»Na, es steht ja jeden Tag in den Zeitungen«, erwiderte Foche. »Ich werde am Mittwoch in Brest an zwei verschiedenen Orten eine Rede halten, dann am Donnerstag in Cherbourg an drei Orten. Am Freitag muss ich mich in Orléans meinen Geschäften widmen, am Samstag halte ich dann die Begrüßungsansprache bei der großen gaullistischen Wahlkampfveranstaltung in Rouen.«
»Ihm stehen also eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen«, sagte Raul. »Wenn es ihm wirklich ernst ist. Aber ich würde mich mal um Cherbourg kümmern, die Hafenstadt am Ärmelkanal, dort kann er leicht auf eine Fähre nach England.«
»Ich habe nur so das Gefühl, Raul, dass unser aller Leben wesentlich einfacher wäre, wenn die Polizei endlich seinen Wagen finden würde.«
»Da haben Sie recht. Dann hätten wir wenigstens eine Spur. Im Moment kann der Dreckskerl überall sein, in Saint-Nazaire, Brest, Cherbourg, überall. Sogar in Rouen.«
Während Mack Bedford den Fußgängerweg der zollpflichtigen Saint-Nazaire-Brücke betrat, erzielte die französische Polizei ihren ersten Durchbruch. Es war 19 Uhr, und dem gerade erst angekommenen Nachtwächter im Parkhaus fiel der Peugeot auf. Gewöhnlich kam es zwischen 17 und 18 Uhr immer zu einem Massenexodus der Shoppingcenter-Kunden und Büroangestellten. Das Untergeschoss leerte sich um diese Zeit meist vollständig. Der Nachtwächter ging dann hinunter und sah nach, ob noch jemand geparkt hatte. Waren alle Autos fort, sperrte er das Geschoss mit einem schweren Holzgitter ab und hatte somit nur noch ein Parkgeschoss zu überwachen. Heute Abend stand nur noch der Peugeot in einer Ecke. Der Parkwächter ging nach hinten, um einen Blick darauf zu werfen.
Als Erstes fielen ihm natürlich die fehlenden Nummernschilder auf. Also ging er zurück in sein Häuschen, meldete sich direkt in der Pariser Zentrale von Français National Parking und gab seinen Bericht durch: verdächtiger Wagen, dunkelblauer Peugeot, keine Nummernschilder, abgestellt im Untergeschoss, Place des Martyrs de la Résistance, Saint-Nazaire.
Der diensthabende Angestellte gab die Informationen in seinen Computer ein und schickte die Warnung sofort an die Anti-Terror-Abteilung der Préfecture de Police am Quai du Marché Neuf am Seineufer. Von dort wurde die Nachricht automatisch an die Polizei in Rennes weitergeleitet, zeitgleich erhielt das Commissariat de Police in Saint-Nazaire die Meldung.
Die Anti-Terror-Abteilung in Paris bat Saint-Nazaire sofort, Ermittlungen einzuleiten, während der diensthabende Polizeibeamte in Rennes kurz vor einem Herzinfarkt stand, da er nichts anderes als »dunkelblauer Peugeot« hörte.
Jeder verfügbare Streifenwagen wurde zum Parkhaus auf der Place des Martyrs beordert. Vier davon trafen fünf Minuten später ein, gleichzeitig wurde ein Sprengkommando aus Nantes losgeschickt.
Da die Werften in Saint-Nazaire in unmittelbarer Nähe zur Stadt lagen, verfügte die Polizei dort über einige Sprengstoffexperten, die ebenfalls unverzüglich zur Place des Martyrs geschickt wurden. Sie durchkämmten das Parkhaus und versammelten sich schließlich um den fraglichen Peugeot. Es dauerte eine Stunde, bis man sich vergewissert hatte, dass das Fahrzeug sauber war und keinesfalls die Stadt in Schutt und Asche legen würde.
Die Polizei schickte einen Abschleppwagen ins Parkhaus und brachte den Peugeot zur Dienststelle, wo man herausfinden wollte, ob es sich tatsächlich um den Wagen handelte, der an diesem ereignisreichen Morgen in Val André an einen gewissen Monsieur Gunther Marc Roche verkauft worden war.
Man öffnete die Türen mittels eines Generalschlüssels, worauf die Spurensicherung das Wageninnere auf Fingerabdrücke durchsuchte. Es fanden sich keine. Man fand allerdings die Fahrgestellnummer und verglich sie mit jener, die Monsieur Laporte auf den offiziellen Zulassungspapieren angegeben hatte. Volltreffer! Es war der Wagen, der von dem bärtigen Piraten erworben worden war, der wegen zweifachen Mordes gesucht wurde und von dem man annahm, dass er Monsieur Henri Foche ermorden wollte.
Das Hauptquartier der bretonischen Polizei rief bei Pierre Savary an, der bei Monsieur Foche zum Essen eingeladen war … Monsieur, man hat den Peugeot gefunden. Er ist in Saint-Nazaire.
»Mon Dieu!« Savary war wie vom Donner gerührt. Er kehrte ins Speisezimmer zurück, wo Raul und sein Gastgeber einen hervorragenden Burgunder schlürften, einen Corton-Bressandes Grand Cru der Domaine Chandon de Briailles. Er entschuldigte sich für die Unterbrechung und eröffnete den Versammelten, dass der dunkelblaue Peugeot in einem Parkhaus in Saint-Nazaire gefunden worden war.
»Das, Henri, erhöht morgen die Gefahr um tausend Prozent«, sagte Savary. »Wir können also davon ausgehen, dass es dieser Gunther oder wie immer er heißen mag auf die Werft abgesehen hat, die verdammte Werft, die ja nur 30 Kilometer lang ist und an die 37 000 Verstecke aufweist.«
Savary hielt kurz inne, bevor er mit ernster Stimme fortfuhr: »Ich bitte Sie, die Rede in Saint-Nazaire abzublasen.«
Henri Foche starrte ihn an, und es wurde ein wenig von den Wesenszügen sichtbar, die ihn eines Tages zu einem äußerst erfolgreichen Präsidenten machen würden. Mit ernster Miene, aber flammendem Blick sagte er: »Nichts, gar nichts auf dieser Welt wird mich davon abbringen, diese Rede zu halten. Hier bin ich zu Hause, ich komme aus der Bretagne, das sind meine Leute. Hier wird viel von mir erwartet. Es geht um Hunderte von Arbeitsplätzen in dieser Werft, Hunderte von Menschen sind von ihnen abhängig. Ich fahre nach Saint-Nazaire, um ihnen persönlich zu versichern, dass diese Arbeitsplätze gesichert sind, wenn ich im Élysée-Palast sitze. Es wird Arbeit geben, Schiffe, die gebaut werden, französische Schiffe für französische Arbeiter und ihre Familien. Meine Regierung wird – sei es für das Militär oder für die Zivilverwaltung – nichts, ich wiederhole es, absolut nichts erwerben, was außerhalb der französischen Grenzen hergestellt wurde. Das ist mein Wahlkampfthema, das entspricht meiner Überzeugung aus tiefstem Herzen. Das sind die Worte, die mich zum Sieg tragen werden.«
»Vive la France«, grummelte Savary. »Hoffentlich nicht in einem Sarg.«
»Beachten Sie ihn nicht, Raul«, sagte Foche. »Was denken Sie darüber?«
»Spontan stimme ich Pierre leider zu«, antwortete der ehemalige britische Colonel. »Sie sollten die Rede absagen. Aber ich verstehe auch, dass das für Sie nicht in Frage kommt. Also sollten wir uns mit dem auseinandersetzen, was ist, und nicht irgendwelchen Wunschvorstellungen nachhängen. Als Erstes müssen wir gewährleisten, dass zumindest zahlenmäßig absolute Sicherheit herrscht. Damit meine ich die Gendarmerie Nationale sowie jeden Polizeibeamten, der verfügbar ist …«
Savary schob den Stuhl zurück und stand auf. »Ich rufe sofort dort an. Wenn nötig, spreche ich sogar mit dem Präsidenten. Wir dürfen in Saint-Nazaire keinesfalls unterbesetzt sein.«
Er verließ erneut den Raum, und Henri Foche fragte seinen neuen Sicherheitschef. »Ich nehme an, Sie haben nichts Neues über diesen Morrison?«
»Nein. Ich habe noch einmal mit unserem Leiter in Zentralafrika gesprochen, einem ehemaligen britischen Armeemajor, einem sehr zuverlässigen Mann. Er meinte eine Spur nach Alabama zu haben. Aber er hatte ja nur ganz kurz Kontakt, keine Nummer. Es stellte sich als eine Sackgasse heraus.«
»Davon hatten wir heute mehrere«, sagte Foche. »Haben wir eine Gesamtstrategie?«
»Eine ganz einfache, sichere. Sieben meiner Männer und ich werden jeden Zentimeter der Werft im Auge behalten, jedes Fenster, jede Tür, jedes potenzielle Versteck, jedes Dach, jeden Kran, jeden im Bau befindlichen Schiffsrumpf. Wenn er da sein sollte, werden wir ihn stoppen. Jedem meiner Leute wird ein bestimmter Bereich zugeteilt, den er laufend überprüfen wird. Und vergessen Sie nicht, Monsieur, jeder von ihnen ist in der Lage, ebenso skrupellos zu töten wie er.«
Henri Foche nickte. Er vermisste Marcel, aber dieser Mann aus Marseille tat sein Bestes, um ihn zu ersetzen.
»Noch etwas, Monsieur. Sollte einer meiner Männer ihn aufspüren, lautet sein Befehl, ihn auf der Stelle zu töten. Für alles andere wird wahrscheinlich keine Zeit sein. Glauben Sie, wir könnten in diesem Fall Probleme mit der französischen Polizei bekommen?«
»Ganz und gar nicht. Im Gegenteil, Sie werden sich dadurch ihre immerwährende Dankbarkeit sichern.«
»Und – auch das muss ich Sie fragen – was passiert, wenn uns ein Fehler unterläuft? Wenn in dem ganzen Wirrwarr ein Unschuldiger verletzt wird? Müssen wir dann mit Problemen rechnen?«
»Nur, wenn es die Polizei auf massive Lohnkürzungen abgesehen hat, wenn ich Präsident bin«, erwiderte Foche lächelnd.
Selbst der besorgte Raul musste darüber lächeln.
»Und schließlich, Monsieur, muss ich die Sprache auf das Geld bringen. Ich habe bereits jetzt hohe Ausgaben, um die Jungs einfliegen zu lassen. Wann sehe ich die erste Million?«
»Wie wäre es mit Mittwochmorgen? Hier in Rennes. Bevor wir zur Werft in Brest aufbrechen?«
Raul versuchte nicht daran zu denken, was geschah, wenn seinem Auftraggeber am folgenden Nachmittag etwas zustieß. »Wunderbar, Monsieur«, erwiderte er.
In diesem Augenblick kehrte auch Pierre Savary zu seinem Essen und dem Wein zurück. »Es ist alles geregelt, Henri«, sagte er. »Der Präsident persönlich hat verfügt, dass morgen früh tausend Sicherheitskräfte nach Saint-Nazaire verlegt werden. Ich habe ihnen gesagt, dass sie um 14 Uhr von mir und Raul eingewiesen werden. Sie selbst treffen dann, soweit ich weiß, um 16.45 Uhr ein.«
»Genau«, erwiderte der Politiker.
Um 20.30 Uhr war Mack seit eineinhalb Stunden unterwegs. Er hatte das große Haupttor mit seinem hohen Stahlrahmen ausgemacht, der in gusseisernen Lettern verkündete: Saint-Nazaire Maritime. Ein Plakat daneben wies auf die Rede von Henri Foche am folgenden Nachmittag hin, warnte jedoch auch: Zugang nur für Werftarbeiter.
Mack las es im Vorbeigehen, weil er nicht stehen bleiben oder dem Wachpersonal am Tor auffallen wollte. Er hatte sich orientiert und wollte nun darangehen, Position zu beziehen. Zuerst suchte er aber einen Lebensmittelladen auf und kaufte ein Baguette, eine Salami, Schnittkäse, ein Päckchen Butter und dazu zwei Perrier in den leichteren Plastikflaschen.
Etwa 300 Meter vom Haupttor entfernt lag ein helles, billiges Restaurant. Um 21 Uhr ließ sich Mack dort an einem Fenstertisch nieder, seinen Werkzeugkasten stellte er unter den Tisch.
Er hätte kaum unauffälliger aussehen können. Wie alle anderen trug er einen Werftoverall und Arbeitsstiefel. Er vermittelte den Eindruck eines freundlichen, ruhigen blonden Mannes, der hinter seiner randlosen Brille die Abendzeitung las. Er hätte jederzeit als Elektroingenieur, vielleicht sogar als Radar- oder Sonarspezialist durchgehen können, aber nicht als Arbeiter. Definitiv nicht als Arbeiter.
Soweit er sehen konnte, wurden nirgends die beiden ermordeten Männer in Val André erwähnt. Allerdings fand sich ein Artikel über die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen für Henri Foches Rede in Saint-Nazaire am folgenden Tag. Die Leser wurden schon mal gewarnt, dass es am gesamten Nachmittag zu Straßensperren und Staus kommen könne.
Mack folgte dem Rat des Wirts und bestellte Seezungenfilet mit Pommes und Spinat. Er aß langsam und war beeindruckt von der Raffinesse der französischen Küche, selbst hier in diesem Arbeitercafé vor einer Schiffswerft. Es war köstlich, so wie alles, was er gegessen hatte, seitdem er mit einem Paukenschlag 14 Stunden zuvor hier angelandet war. Diese Dreckskerle haben mich umbringen wollen, ging ihm durch den Kopf. Das hätte Tommy nicht gefallen.
Bis jetzt hatte er keine Zeit gefunden, darüber nachzudenken, warum die Franzosen sich mit solchem Eifer an seine Fersen geheftet hatten. Ihm war klar, dass die Küstenwache auf die Meldung der britischen Kollegen reagiert hatte, jemand habe sich mit der Eagle auf und davon gemacht.
Aber die beiden Typen in Val André mit ihren geladenen Pistolen haben nicht zur Polizei oder zur Küstenwache gehört. Sie haben mich erwartet, haben meinen Namen gekannt, und ihre Aufgabe war es, mich loszuwerden. Also, wer zum Teufel waren sie? Die französische Polizei oder die Küstenwache muss jemandem Bescheid gegeben haben. Sonst wäre ich nur verhaftet, aber nicht von zwei windigen Killern empfangen worden, die mich über den Haufen knallen wollten.
Mack dachte darüber nach und fand nur eine Antwort. Jemand musste Henri Foche einen Tipp gegeben und ihn darauf hingewiesen haben, dass jemand, der brandgefährlich war, aus England einreisen würde, um ein Attentat auf ihn zu verüben. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Die beiden Typen, die ich liquidiert habe, müssen auf Foches Gehaltsliste gestanden haben. Und der Einzige, der ihn möglicherweise vor der Gefahr hatte warnen können, war dieser kleine hinterhältige Arsch Raul. Er muss es gewesen sein. Sonst hat keiner davon gewusst – Harry mal ausgenommen. Raul erzählt Foche, dass er in Gefahr schwebt; die Küstenwache erzählt Foche, hier kommt er. Ganz einfach, oder?
Insgeheim war er mit seinen logischen Schlussfolgerungen recht zufrieden. Er saß am Fenster des Cafés und dachte darüber nach, was ihn erwarten würde, wenn er es heute Abend tatsächlich in die Werft schaffen sollte.
Draußen kamen mittlerweile nahezu unaufhörlich Arbeiter von der Werft vorbei, die alle so wie er gekleidet waren. Manche trugen sogar Werkzeugkästen, die seinem ähnlich waren, aber bei den wenigsten dürfte das Innere mit schwarzem Samt ausgeschlagen gewesen sein.
Die Werft selbst war wahrscheinlich so groß wie die Bath Iron Works, und er war sich ziemlich sicher, dass um zehn oder halb elfein Schichtwechsel anstand. Er bestellte Kaffee, einen doppelten Espresso mit Zucker, und trank ihn langsam. Zehn vor zehn zog er seinen Werkzeugkasten zu sich und versuchte seine Lebensmittel im unteren Abschnitt neben dem Dräger zu verstauen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Die Butter konnte er auf die Patronen legen, aber das Baguette war länger als der Lauf, und die Salami war zu dick, um sie neben die Schulterstütze zu quetschen.
Also packte er alles wieder in die braune Papiertüte, die er im Lebensmittelladen bekommen hatte, und schob sich eine der Perrier-Flaschen in die Tasche seines Overalls. Draußen auf der Straße bewegte sich der Strom der Arbeiter nun eher in Richtung Werft, und mehrere unter ihnen hatten sowohl ihren Werkzeugkasten als auch ihr Essen für die Nachtschicht dabei. Er würde also kaum auffallen. Er stand auf, zahlte und trat auf die Straße, um sich der nächsten größeren Gruppe anzuschließen, die auf dem Weg zur Werft war und der langen, vor ihnen liegenden Nacht.
Auf der Straße war mittlerweile einiges los. Schichtwechsel, keine Frage. Arbeiter verließen die Werft, andere marschierten darauf zu. Mack schloss sich zunächst einer Gruppe an, die sich auf dem Heimweg befand; die Arbeiter unterhielten sich, sie waren guter Laune, und Mack wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er selbst angesprochen werden würde. Er zog den Kopf ein, trödelte am Ende der Gruppe herum und ließ dann sein Paket fallen. Er beugte sich hinunter, als er sich jedoch wieder aufrichtete, sah er in die andere Richtung. Schnell heftete er sich an eine Gruppe von etwa einem Dutzend Arbeiter, die entschlossen auf das große Werfttor zumarschierten. Hier wurde weniger gesprochen, die Arbeiter schienen auch nicht miteinander befreundet zu sein, sie gingen einfach nur wie jede Nacht zu ihrer Arbeit.
Von den zwölf trugen fünf metallene Werkzeugkoffer, zwei davon glichen exakt dem, den auch er hatte. Sieben hatten Essensbehälter aus Plastik bei sich, vier Papiertüten aus Supermärkten oder Lebensmittelläden. Er schob sich hinten zwischen die anderen; sieben Männer waren vor ihm, die anderen um ihn herum. Nur einer ganz vorne redete, die anderen schwiegen.
Als sie sich dem Tor näherten, bemerkte Mack einen Streifenwagen, der mit blinkendem Blaulicht auf dem Werftgelände stand. Zwei Polizisten sprachen mit einem uniformierten Mitarbeiter des Wachdiensts.
Sie erreichten das Tor und bogen nach links zum kleinen Wachgebäude ab, wo zwei weitere bewaffnete Wachmänner Dienst schoben. Einer aus Macks Gruppe rief: »Ça va, Louis!« – »Bonsoir, Gérard«, erwiderte der Wachmann. Die Männer der Nachtschicht, die normalen Arbeiter, die sie Tag für Tag sahen und kannten, wurden nicht überprüft. Wahrscheinlich hätten sie jedoch jeden Fremden in »Zivilkleidung« herausgezogen und von ihm wissen wollen, was er hier zu suchen hatte.
Die Gruppe marschierte auf das Werftgelände, drängte sich etwas zusammen, um andere, die auf dem Heimweg waren, vorbeizulassen. Vor ihnen lag ein weiter, von hohen Gebäuden umgebener Platz; hier teilten sich die Männer – Elektriker, Schiffbauer, Marineingenieure – auf und eilten in verschiedene Richtungen davon.
Der Platz war gut beleuchtet. Mack konnte den Elektronikblock, die Maschinenhallen und die Verwaltungsgebäude ausmachen. Direkt vor ihm am Fluss, am Rand des tiefen Gezeitenbeckens, wo die Schiffe zu Wasser gelassen wurden, erkannte er drei riesige Trockendocks. Klar zeichneten sich die Umrisse eines hochseetüchtigen nagelneuen Frachters ab, der nach Macks Vermutung an die 10 000 Tonnen haben dürfte.
Die Trockendocks waren so groß wie Flugzeughangars, riesige, zum Wasser hin offene Schuhschachteln. Wollte man ein Schiff dort hineinbringen, musste das Dock geflutet werden, danach pumpte man das Wasser ab. Daher lag der Boden der Docks sechs Meter unter dem Wasserspiegel.
Hoch oben an den jeweiligen Gebäuden waren Fensterreihen zu erkennen; in zweien davon brannte Licht, hier wurde also gearbeitet. Das dritte Dock lag in Dunkelheit. Daneben gab es im Zentralbereich der Werft nur ein weiteres Gebäude, in dem kein Licht brannte.
Etwa 20 Meter hinter dem Haupttor konnte Mack die Bühne erkennen – die er schon von den Fotos aus den Zeitungen kannte. Sie glich einer Open-air-Bühne mit einer gut einen Meter erhöhten Rednerplattform. Darüber war ein Banner gespannt, wie er es von Val André kannte: Henri Foche – Pour la Bretagne, pour la France.
Direkt gegenüber erhob sich das zweite unbeleuchtete Gebäude, ein hoher Bau, der wie ein Lagerhaus oder eine Maschinenhalle aussah. Mack zählte zehn Stockwerke. Vorn gab es Doppeltore, und hoch oben befand sich ein Portalkran. Direkt darunter, an den beiden höchsten Etagen, führten breite Tore auf eine Art Plattform, über die schwere Lasten aufgenommen oder abtransportiert werden konnten. Macks Ansicht nach musste es sich also um ein Lagerhaus handeln.
Noch immer war einiges los auf dem Platz. Mack schätzte jedoch – es ging mittlerweile auf halb elf zu –, dass ihm vielleicht noch an die fünf Minuten blieben, um alles auszukundschaften. Dann dürfte jeder an seinem Arbeitsplatz in den Maschinenhallen, den Trockendocks oder im Schiffsinneren sein.
Noch immer war er von unzähligen Arbeitern umgeben, als er vor das Podium trat und daraufhin so unauffällig wie möglich die Strecke zum Lagerhaus abschritt. Er kam auf 110 Meter. Dann ging er an der Wand entlang, bog nach rechts und kam über eine dunkle Gasse zur Rückseite des Gebäudes. Der Teerbelag endete an einer niedrigen Mauer, hinter der es zwei Meter tief zum Wasser hinunterging. Zu beiden Seiten des rechteckigen Hafenbeckens lagen Schiffe vertäut, nicht jedoch hier, an der Rückseite des Lagers. Der durch ein rotes Hafenfeuer markierte Eingang lag etwa 300 Meter entfernt.
Niemand hielt sich in diesem Teil der Werft auf, zumindest war niemand zu sehen. Weit draußen, hinter dem roten Hafenfeuer, sah er ein Schiff die Mündung hochfahren, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, ob es sich um einen Frachter, einen Tanker oder eine Fähre handelte.
Mack huschte die Seitenwand des Lagers entlang, bis er auf eine Tür stieß, wahrscheinlich der Notausgang. Vorsichtig drückte er die Klinke nach unten und stellte überrascht fest, dass sie sich öffnen ließ. Der Grund dafür war wohl ganz einfach: erstens war das Lager vom 130 Meter entfernten Wachgebäude voll einsehbar; zweitens konnte es vorkommen, dass Vorarbeiter während der Nachtschicht dringend etwas daraus holen mussten, und außerdem ließ sich das schwere, unhandliche Zeug, das darin gelagert wurde, nur schwer stehlen und am Wachpersonal vorbeischmuggeln. Das große Doppeltor an der vorderen Fassade war daher ebenfalls nicht abgeschlossen.
Leise zog Mack die Tür hinter sich zu, holte seine Taschenlampe heraus und inspizierte die Umgebung. Er befand sich in einem Treppenhaus, Steinstufen führten nach oben. Vor ihm lag eine Stahltür mit großem Griff, der aussah wie aus einem U-Boot. Leise öffnete er sie und richtete den Taschenlampenstrahl in den riesigen Raum, der sich vor ihm auftat. Um ihn herum befanden sich Regale mit hoch aufgestapelten, beschrifteten Kisten: Schiffsteile. Mack trat ins Treppenhaus zurück und schloss die Tür.
Mit seiner Lebensmitteltüte und dem Werkzeugkasten stieg er zum ersten Stock hinauf, wo er auf eine weitere Stahltür mit der gleichen Klinke wie unten stieß. Auf der Tür stand: SAM Zubehör und Komponenten: 0800-1600.
Da er nicht den Wunsch verspürte, sich in der Boden-Luft-Raketen-Abteilung herumzutreiben, stieg er weiter hinauf und kam an den Lagerräumen für die Elektronik, Sonar, Radar und Exocet-Abschussgeräte vorbei. Die Tür im fünften Stock schließlich klang etwas vielversprechender. Über der ursprünglichen Aufschrift klebte die Notiz: Fracht zugewiesen. Nichts eingelagert. Lieutenant Commander Mackenzie Bedford drückte die Tür auf und ließ den Strahl seiner Taschenlampe schweifen. Der Raum vor ihm war völlig leer, die hohen Regale, die ihn umgaben, enthielten nichts. Er trat ein, schloss die Tür und verriegelte sie hinter sich. Vom vorderen Fenster aus hatte er einen unverstellten Blick auf das Podium. Es war drei Minuten vor elf.
Die Journalisten in der bretonischen Hauptstadt Rennes spielten verrückt. Trotz aller polizeilichen Geheimhaltungsversuche war bekannt geworden, dass in Val André zwei Männer ermordet worden waren. Die Geschichte war am frühen Abend durchgesickert, nachdem die gesamte Bevölkerung von Val André von nichts anderem mehr sprach als den vielen Polizisten, den Streifenwagen, den Blaulichtern, den Krankenwagen, dem Hubschrauber am Strand, den Schüssen, dem geborstenen Fenster. Zut alors! C’est formidable!
Étienne Brix, der Le-Monde-Korrespondent in Rennes, hatte wie immer gegen halb sechs bei der Polizei angerufen. So machte er es bereits seit mehr als drei Jahren und hatte einige Freunde unter den Beamten. Einer von ihnen, ein junger Sergeant Ende zwanzig, ungefähr so alt wie er selbst, hatte ihm den Tipp gegeben. Keine Einzelheiten, keine Anhaltspunkte, sondern nur: »Schau doch mal nach, was heute in Val André los war. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
Étienne schaute mal nach. Und was war los gewesen? Verdammt viel war los gewesen. Er rief beim örtlichen Apotheker an, gab sich als Vertreter von Le Monde zu erkennen und bekam für seine Mühen einen ausführlichen Bericht über den anscheinenden Doppelmord. Der Apotheker hatte sich am Strand aufgehalten, als die Leichen abtransportiert wurden, und konnte es kaum erwarten, seine Erlebnisse loszuwerden. Er wusste von den Jungs und den Schüssen und von den vielen Polizisten, die im Einsatz waren. Außerdem, erzählte er, müsse Monsieur Laporte von der Tankstelle was damit zu tun haben, denn zweimal am Nachmittag seien Streifenwagen bei ihm aufgetaucht.
Wie jeder gute Reporter hängte sich Étienne daraufhin an die Sanitäter und erbat sich im Krankenhaus von Saint-Malo Auskunft darüber, wer an diesem Tag verstorben war. Solche Informationen sind in der westlichen Welt der Öffentlichkeit frei zugänglich; waren staatliche Stellen wie der Sanitätsdienst beteiligt, konnte man Todesfälle nicht vertuschen.
Zehn Minuten später standen die Namen und Adressen von Marcel und Raymond in seinem Notizblock. Beide waren wohnhaft in Rennes. Er wollte auch die Todesursache in Erfahrung bringen, doch darüber konnten die Sanitäter keine Auskunft geben. Sie bestätigten lediglich, dass Marcel schwere Verletzungen an den Augen davongetragen und Raymond sich offensichtlich den Arm gebrochen hatte.
Étienne sprang in seinen Wagen und kam kurz vor halb sieben in die Polizeidienststelle in Rennes gerauscht, wo er seine unverblümten Forderungen stellte. Nein, er wolle nicht mit dem diensthabenden Beamten reden. Er sei der offizielle Vertreter der größten Tageszeitung Frankreichs und möchte mit der ranghöchsten Person sprechen. Auf der Stelle.
Der diensthabende Polizist war beunruhigt, fragte Étienne aber nach seinem Anliegen, bevor er den Chef im Gebäude verständigen wolle.
»Ich recherchiere über die beiden Mordfälle in Val André heute Morgen. Ich habe die Namen und Adressen der Ermordeten, beide kommen aus Rennes. Ich habe das Gefühl, dass von der Polizei einiges unter den Teppich gekehrt wird. Wie Sie wissen, zählt ein Mord in diesem Land zu den Ereignissen, die von öffentlichem Interesse sind. Wenn Sie also nicht wollen, dass Le Monde Ihnen die Hölle heiß macht, schicken Sie schleunigst jemanden raus.«
Dem diensthabenden Beamten gefiel zwar nicht, wie hier mit ihm geredet wurde, aber er spürte, dass Probleme anstehen konnten. Ohne ein weiteres Wort ging er ins Büro von Inspecteur Varonne und erklärte ihm, was sich gerade unten abgespielt hatte.
Varonne war alles andere als beglückt. »Mir ist der Fall entzogen worden, bevor er überhaupt ins Rollen gekommen ist«, sagte er. »Soweit ich weiß, ist Paul Ravel aus Saint-Malo dafür zuständig. Soll er sich doch darum kümmern.«
»Inspecteur«, sagte der Diensthabende, »das wäre nicht besonders klug. Man hat uns gesagt, die Sache so lange wie möglich unter Verschluss zu halten. Nachdem jetzt alles rausgekommen ist, sollten wir nichts mehr verschleiern. Natürlich ist das einzig und allein Ihre Entscheidung, Monsieur, aber ich rate Ihnen dringend, Étienne zu empfangen. Er ist ein anständiger Kerl, hat im Moment aber das Gefühl, als wollten wir ihn hinhalten.«
»Damit hat er natürlich recht«, sagte Varonne. »Schicken Sie ihn rein.«
Eine Minute später saßen sich der Reporter und der Polizist am Schreibtisch gegenüber. »Monsieur Varonne«, begann Étienne, »heute Morgen wurden in der Bretagne zwei Menschen ermordet. Meiner Meinung nach hält die Polizei diese Information bewusst zurück. Ich frage Sie, warum.«
»Hören Sie, Étienne, wir kennen uns schon eine geraume Weile, und soweit ich weiß, hat bislang keiner dem anderen geschadet.«
»Das stimmt.«
»Bevor wir hier fortfahren, möchte ich ein paar Dinge klarstellen. Ich bin für den Fall nicht zuständig, werde Ihnen aber trotzdem sagen, was ich weiß und was ich öffentlich äußern darf – falls Sie auf die Idee kommen sollten, mich zu zitieren. Wollen Sie aber, dass ich Ihnen weiterhelfe und ein paar Hinweise zukommen lasse, dann gibt es einige Dinge, die ich nicht ansprechen kann und die Sie zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt für sich behalten müssen. Es wäre wohl das Einfachste, wenn wir uns auf die erste Möglichkeit einigen.«
»Nein, Monsieur Varonne. Ich würde Ihre Hinweise sehr zu schätzen wissen. In dem Fall wäre ich auch gern bereit, nichts davon zu veröffentlichen.«
»D’accord. Ich werde es nicht gestatten, dass Sie das Gespräch aufzeichnen, Sie können sich Notizen machen.«
»Einverstanden. Mir sind die Namen und Adressen der beiden Ermordeten Marcel und Raymond bekannt. Hat die Polizei irgendeine Ahnung, wer das Verbrechen begangen hat?«
»Ja. Letzte Nacht erhielt die Küstenwache eine Meldung von den Briten, wonach ein Fischerboot aus Brixham im Ärmelkanal von einem groß gewachsenen Ausländer mit schwarzem Vollbart gekapert worden sei. Er hat die Mannschaft über Bord geworfen.«
»Alle?«
»Es waren nur zwei. Die Küstenwache jedenfalls verfolgte dieses Boot, einen Zwanzig-Meter-Schleppnetzfischer namens Eagle, und gab die Warnung aus, dass es in Val André anlanden würden. Im morgendlichen Nebel verloren sie den Kontakt zur Eagle, der Täter allerdings ging irgendwann nach sechs Uhr an Land. Um neun Uhr wurden am Strand die Leichen der beiden Männer gefunden. Und um elf Uhr bestätigte der Besitzer der örtlichen Tankstelle, dass er einem großen Mann mit schwarzem Vollbart einen Wagen verkauft hat. Dessen Beschreibung passt exakt auf die des Piraten, die wir von den Briten bekommen haben.«
»Konnte man ihn über die Zulassungspapiere identifizieren?«
»Ja. Es handelte sich – scheinbar – um einen Gunther Marc Roche, einen Schweizer, wohnhaft in der Rue de Bâle 18, Genf. Pass und Führerschein waren gefälscht. Mittlerweile wird landesweit nach dem Wagen gefahndet, den er in Val André gekauft hat. Bislang ist der Täter nicht gefasst.«
»Dann haben wir also jetzt eine landesweite Fahndung nach einem Ausländer, der in dem Urlaubsort an der Küste zwei Menschen umgebracht hat?«
»Nicht ganz. Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist nur ein Tipp. Die Fakten müssen Sie sich von anderen Quellen bestätigen lassen.«
Étienne beugte sich gespannt vor.
»Die beiden Ermordeten«, sagte der Inspecteur, »waren die persönlichen Leibwächter von Monsieur Henri Foche.«
Dem Reporter schossen die Augenbrauen nach oben. »Non!«, entfuhr es ihm, als wäre er vom Blitz getroffen worden.
»Oui!«, bestätigte der Inspecteur. »Beide waren seit Jahren bei ihm rund um die Uhr im Dienst. Marcel galt als enger Vertrauter des Gaullistenführers.«
Monsieur Varonne hielt inne und senkte den Blick. Dann sah er auf und fuhr fort: »Aber, Étienne, da ist noch etwas. Vor ein paar Tagen bekamen wir einen Hinweis, wonach angeblich ein Attentat auf Monsieur Foche geplant sei. Der oder die Attentäter sollen angeblich aus England kommen. Es dürfte daher mehr als nur ein Zufall sein, dass der verrückte Pirat aus England in Val André auf Foches Leibwächter stieß.«
Étienne überlegte fieberhaft – wollte er eine große Titelstory, möglicherweise die größte, die er jemals an Land gezogen hatte, oder eine Geschichte auf Seite sieben mit einer bescheidenen Überschrift zu zwei nebensächlichen Morden? »Verbieten Sie es mir, das zu benutzen?«, fragte er.
»Nein, nein, keinesfalls«, erwiderte Varonne. »Ich habe Sie aber nur in die richtige Richtung gewiesen. Bestätigung für Ihre Fakten müssen Sie schon woanders suchen. Ich rate Ihnen, es mit Chef d’Escadron Paul Ravel in Saint-Malo und dann mit Henri Foche persönlich zu versuchen.«
»Trotzdem verstehe ich nicht so recht, warum Sie so nervös sind«, sagte Étienne. »Die Morde sind bekannt. Das Angestelltenverhältnis der beiden Ermordeten kann nicht lange geheim gehalten werden. Ich sehe kein Problem.«
»Das genau ist der Grund dafür, warum ich hier sitze und Sie immer die Gegend unsicher machen müssen, um dämliche Geschichten zu schreiben«, antwortete Varonne. »Jetzt passen Sie mal auf. Wir haben irgendwo in Frankreich einen Killer frei herumlaufen. Er hat heute zwei Menschen umgebracht, vielleicht werden es noch mehr. Aber vielleicht hat er es auf den kommenden französischen Präsidenten abgesehen, und deshalb wollen wir es ihm nicht einfacher machen, als es sowieso schon ist.«
»Was meinen Sie damit?«
»Vor allem soll er nicht wissen, dass wir ihm auf den Fersen sind. Er soll nicht wissen, dass uns bewusst ist, auf wen er es wirklich abgesehen hat. Er soll sich sicher fühlen. Dann macht er Fehler. Aber man kann nicht immer alles unter Verschluss halten. Nachdem Sie herausgefunden haben, was los ist, musste ich Ihnen die Wahrheit erzählen.«
Étienne erhob sich und dankte dem Inspecteur. Bevor er ging, stellte er eine letzte Frage: »Monsieur, was war die Todesursache?«
»Man sagte mir, er habe ihnen den Hals gebrochen. Aber soweit ich weiß, ist das noch nicht bestätigt. Fragen Sie in unserer Leichenhalle nach. Der Rechtsmediziner ist da gerade zugange.«
»Danke, Monsieur Varonne. Vielen Dank.«
Um 20 Uhr hatte Étienne mit Paul Ravel gesprochen, der nicht darauf vorbereitet war, Lügen zu erzählen, so sehr die Polizei die Sache auch unter Verschluss halten wollte. Étienne erfuhr nichts Neues – die Fakten wurden allerdings bestätigt – und rief daraufhin Henri Foche privat an. Der Politiker bestätigte ebenfalls, dass Marcel und Raymond seit mehreren Jahren bei ihm beschäftigt gewesen waren. Ja, er wisse, dass man ihm nach dem Leben trachte. Und nein, er habe die Männer nicht angewiesen, nach Val André zu fahren. Aber seine Männer arbeiteten immer eng mit der Polizei zusammen, er könne sich vorstellen, dass man auf irgendeine Weise miteinander kooperiert habe, nachdem bekannt geworden war, wo der Pirat anlanden würde.
Henri Foche hatte nicht die geringste Absicht, Le Monde gegen sich aufzubringen, und Étienne verabschiedete sich, zufrieden, dass er sich mit dem kommenden Präsidenten Frankreichs so gut verstanden hatte. Er verfügte nun über genügend Informationen, um einen wunderbaren Titelseitenartikel für seine Zeitung zu schreiben. Um halb neun rief er den Chefredakteur an und schickte seine Story gleich hinterher.
Der Millionär und gaullistische Präsidentschaftskandidat Henri Foche musste gestern Abend mit Entsetzen erfahren, dass seine beiden persönlichen Leibwächter und engen Freunde an einem bretonischen Strand auf grausame Weise ermordet wurden. Bei den Toten handelt es sich um Marcel Joffre und Raymond Dunant, beide Anfang 30, wohnhaft in der bretonischen Hauptstadt Rennes. Nach Auskunft der Polizei war in beiden Fällen ein Nahkampfexperte für ihren Tod verantwortlich. Beiden wurde der Hals gebrochen; Marcel wurden zudem beide Augen ausgedrückt, und Raymonds rechter Arm war unterhalb des Ellbogens vollständig gesplittert.
Zum Zeitpunkt ihres Todes waren beide Männer mit schweren Dienstpistolen bewaffnet, von denen sie jedoch keinen Gebrauch machten. Chef d’Escadron Paul Ravel von der Polizei in Saint-Malo wurde der Fall übertragen, nachdem Pierre Savary, der Chef der bretonischen Polizei und enger Freund von Monsieur Foche, persönlich den Tatort besichtigt hatte.
Die Leichen wurden von zwei Jungen gefunden. Sie gaben aus Raymonds Handfeuerwaffe, die im Sand lag, einen Schuss ab und zerstörten dabei die Fensterscheibe eines angrenzenden Wohnhauses. »Wir können von Glück reden, dass sie niemanden getötet haben«, sagte dazu Chef d’Escadron Ravel.
Die Polizei vermutete zunächst einen terroristischen Hintergrund, da Monsieur Foche als Leiter eines Rüstungskonzerns verantwortlich ist für die Produktion von Lenkraketen. Ihm werden Geschäftsbeziehungen in den Nahen Osten nachgesagt. Bis zum Mittag allerdings hatte sich keine islamistische Gruppierung zu den Morden bekannt.
Im Lauf des Nachmittags allerdings verdichteten sich Anzeichen, die auf sehr viel dunklere Machenschaften hinweisen. In den vergangenen zwei Wochen soll bekannt geworden sein, dass ausländische Agenten es darauf abgesehen haben, ein Attentat auf Monsieur Foche zu verüben. Die Polizei und die privaten Leibwächter waren daraufhin in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden.
Nach bisherigen Kenntnissen soll die Gefahr aus Großbritannien kommen – ohne dass die britische Regierung in irgendeiner Form darin involviert wäre. Laut Aussage der Polizei plane jemand mit Sitz in London ein Attentat auf den französischen Politiker.
Das alles waren lediglich Gerüchte, bis vergangene Nacht in Großbritannien ein Fischtrawler als gestohlen gemeldet wurde, dessen Besatzung über Bord geworfen worden war. Die Beschreibung des Täters passt zu dem Verdächtigen, dem der Doppelmord am Strand von Val André zur Last gelegt wird. Er ist groß, kräftig, hat schwarze Haare und einen schwarzen Vollbart; angeblich ist er Schweizer. Der Trawler gilt noch immer als vermisst.
Étienne tat wie angewiesen und unterließ jeden Hinweis auf den Wagen und die landesweite Fahndung. Aber die Geschichte war damit draußen, und die Presse auf beiden Seiten des Ärmelkanals versuchte aufzuschließen.
Ab 21 Uhr kamen sogar die notorisch trägen Nachrichtenredaktionen der Fernsehsender auf Touren. Der staatliche Sender France 2 eröffnete die 22-Uhr-Nachrichten mit »Die rätselhaften Ereignisse am Strand von Val André«. Wenn Fernsehsender das Wort »rätselhaft« benutzen, kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass sie nicht die geringste Ahnung haben, wovon sie sprechen, und niemand besonders darauf erpicht ist, ihnen weiterzuhelfen.
Eine bärbeißige Le Monde kann noch dem abgefeimtesten französischen Polizisten Angst einjagen, wenn sie sich auf die Suche nach der Wahrheit macht. Fernsehredakteure, deren Sendungen immer etwas Kurzlebiges anhaftet, kann man hingegen leicht abwimmeln – Tut uns leid, aufgrund der laufenden staatlichen Untersuchungen können wir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sagen …
Trotzdem brachte France 2 einige Fakten auf die Reihe und sendete ein Interview mit der Dame in Val André, deren Schlafzimmerfenster vom elfjährigen Pistolero Vincent Dupres zerschmettert worden war. Die Frau bestätigte, dass zwei Männer am Strand gelegen hatten. Ihrer Meinung nach seien sie tot gewesen, aber warum, das wusste sie natürlich nicht zu sagen.
Chef d’Escadron Paul Ravel ließ den Fernsehjournalisten gegenüber so gut wie nichts verlauten, außer dass man aufgrund gewisser Umstände mit dem Schlimmsten rechnen müsse. Ja, ein Hubschrauber der Polizei in Rennes sei nach Val André geflogen. Nein, er könne die Namen der Toten nicht bekanntgeben, solange die nächsten Angehörigen nicht verständigt seien. Ja, die Polizei fahnde nach dem Mörder, habe ihn aber noch nicht aufspüren können.
Nachdem die Abendausgabe von Le Monde herauskam, drohte der Nachrichten-Chefredakteur von France 2, mehrere Leute zu entlassen.
Gegen 22.15 Uhr lugte die Katze also aus dem Sack, ganz herausgelassen aber wurde sie erst in den frühen Morgenstunden. In den frühen Morgenstunden Frankreichs.
Es war erst 20.30 Uhr, als die Nachrichtenredaktion von Fox Television in New York Wind von der Geschichte in Frankreich bekam. Was sie am meisten daran fesselte, war die Vermutung, dass jemand den Gaullistenführer Henri Foche, den mit ziemlicher Sicherheit nächsten französischen Präsidenten, ermorden wolle. Das war einfach fantastisch. Und es wurde noch besser. Es gab einen Doppelmord an Foches persönlichen Leibwächtern am Strand von Val André. Und einen Killer mit schwarzem Vollbart, der nun auf der Flucht war, nachdem er ein Fischerboot in seine Gewalt gebracht hatte. Dazu die beinahe unumstößliche Gewissheit, dass das der Mann war, der es auf Foche abgesehen hatte. War das eine Story?
Oh là là! Heilige Scheiße! Das waren Wahnsinns-Nachrichten! Der Fox-Auslandsredakteur hätte am liebsten den weit entfernten Étienne Brix geküsst, dessen Name unter dem Le-Monde-Artikel stand.
CNN, der konkurrierende 24-Stunden-Nachrichtensender, war zu sehr damit beschäftigt, den republikanischen Präsidenten für alles zu kritisieren, was er jemals gemacht hatte, um die Story aus Europa aufzugreifen. Erst um 22 Uhr Ortszeit, als Fox längst davongeprescht war, machte man sich an diese Geschichte.
Fox News hatte einen erstklassigen Auslandsredakteur, einen ehemaligen Fleet-Street-Reporter aus London, der von Rupert Murdoch und seinen Vasallen ins Unternehmen geholt worden war. Er hieß Norman Dixon und wusste, wie eine heiße Story am Kochen gehalten werden konnte, so wie ein Mungo weiß, wie man eine tanzende Kobra erlegt.
»Das einzig Neue, das es zur Zeit dazu aus Paris geben wird, betrifft die Sicherheitsmaßnahmen«, murmelte er. »Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen für Foche. Sie müssen gewaltig sein. Ruft Eddie in Paris an und sagt ihm, er soll mir was besorgen. Irgendwas – nur eine Zeile, so in der Art, dass die gesamten französischen Sicherheitskräfte in den frühen Morgenstunden in höchste Alarmbereitschaft versetzt werden.«
»Aber Norman«, unterbrach ihn eine junge Journalistin, die aussah, als sei sie gerade vom Titelblatt der Vogue gesprungen, »die schlafen doch jetzt!«
»Schlafen!«, brüllte der berüchtigte Dixon. »Während ein vollbärtiger Psychopath frei herumläuft und dem kommenden Präsidenten eine Kugel zwischen die Augen jagen will? Wenn sie schlafen, dann weckt sie auf. Eddie soll ran an die Sache.«
Eine halbe Stunde später meldete sich der Fox-News-Mitarbeiter Eddie Laxton aus seiner Wohnung am Montmartre, nachdem er mit einem hellwachen Beamten der Polizeipräfektur gesprochen hatte, den er persönlich kannte.
»Ja, natürlich sind die Sicherheitsmaßnahmen enorm erhöht worden. Und das wird so bleiben, bis der Attentäter geschnappt ist.«
»Das gilt ab sofort?«
»Natürlich. Monsieur Foche hält heute in Saint-Nazaire eine Rede, in der Stadt und auf der Werft werden tausend zusätzliche Kräfte Dienst schieben.«
»Tausend! Großer Gott! Wer hat das angeordnet?«
»Wer weiß? Es kam jedenfalls von ganz oben. Es war eine politische Entscheidung, keine der Polizei.«
»Könnte es der Präsident persönlich gewesen sein?«
»Würde mich nicht überraschen. Wie auch immer, so ist es jetzt jedenfalls. Die Beamten werden aus dem ganzen Land nach Saint-Nazaire geschickt.«
»Bewaffnet?«
»Klar, was glaubst du denn!«
Der Fox-Nachrichtensprecher begann die 22-Uhr-Nachrichten mit dem Satz: Vergangene Nacht verfügte der französische Präsident ein massives Sicherheitsaufgebot zum Schutz des Gaullistenführers Henri Foche, dessen zwei Leibwächter an einem Strand in Nordfrankreich auf brutale Weise ermordet wurden. Alles andere basierte auf der grundsoliden Arbeit von Étienne Brix, der mit vollem Namen genannt wurde und dem Norman Dixon sogar einen Job anbieten wollte.
Fast 650 Kilometer nordöstlich der Fox-Redaktion sprang Jane Remson fast aus ihrem Sessel. Sofort rauschte sie hinaus in den Flur, wo ihr Mann Harry gerade telefonierte, und drängte ihn, sich sofort die Nachrichten anzusehen.
Harry beendete das Gespräch. Bis er jedoch das Arbeitszimmer erreichte, behandelte der Nachrichtenmoderator bereits Henri Foches politischen Hintergrund. Er schloss den Beitrag, indem er sagte: »Die Frage lautet also: Kann Foche bis zur Wahl überleben, wenn dieser gefährliche Attentäter auf freiem Fuß ist?« Worauf der Moderator sofort von einem grummelnden Norman Dixon zurechtgewiesen wurde. »Man hört nie mit einer Frage auf! Es ist nicht Ihre Aufgabe, Fragen zu stellen, sondern Antworten zu liefern. Beschränken Sie sich auf die Nachrichten.«
Es war lediglich eine milde Rüge. Sehr viel milder als jene, die Jane Remson ihrem Gatten zu erteilen gedachte.
»Was ist los?«, fragte Harry, als er ins Arbeitszimmer kam.
»Was los ist? Ach, nichts Besonderes, außer dass dein Privatkiller im Moment von sämtlichen Sicherheitskräften Frankreichs gejagt wird, nachdem er soeben die beiden Leibwächter von Henri Foche umgebracht hat.«
»Foche ist noch am Leben?«, fragte Harry.
»Ja, Gott sei Dank.«
»Haben sie den Mörder erwischt? Oder seinen Namen genannt?«
»Nein, weder das eine noch das andere.«
»Dann ist ja noch nichts verloren, oder?«
»Harry, ich respektiere unsere Abmachung, dass dieses Thema nicht mehr zur Sprache kommt. Ein paar Wochen konnte ich mir einreden, es wäre nie passiert. Aber wir wissen beide, dass es nicht stimmt. Und jetzt weiß die halbe Welt, was los ist. Es ist ziemlich sinnlos geworden, sich etwas vorzumachen, oder?«
Harry Remson ging darauf nicht ein. Er schritt durch das Zimmer und schenkte sich einen Drink ein. Dann drehte er sich zu seiner Frau um. »Jane, du hast die Nachrichten gesehen, ich nicht. Kannst du mir bitte sagen, wovon die Rede war?«
»Nichts leichter als das. Jemand hat in England ein großes Fischerboot gestohlen und ist damit über den Ärmelkanal nach Frankreich rüber. Scheint so, dass die Küstenwache sowie die beiden Leibwächter von Henri Foche ihn bereits erwartet haben. Die Leibwächter hat man dann tot am Strand gefunden, und jetzt wird landesweit nach dem Mörder gefahndet, von dem die Polizei annimmt, dass er es auf Foche abgesehen hat.«
»Großer Gott«, sagte Harry. »Weiß man irgendwas über den Mörder?«
»Ja. Er ist anscheinend groß, weit über eins achtzig, hat lange schwarze Haare, Locken, und einen schwarzen Vollbart. Man nimmt an, er ist Schweizer.«
»Na, klingt doch ganz nach Mack Bedford, was?«
»Dann müssen wir annehmen, dass er jemanden angeheuert hat, um die Tat auszuführen. Aber das ändert nichts an der Gefahr für uns. Und an der fürchterlichen Lage, in die du uns gebracht hast.«
»Jane, ich kann dir versichern, Foche hat wesentlich mehr Feinde, nicht nur uns. Manche glauben sogar, ihm gehört der Konzern, der diese geächtete Rakete herstellt, die Diamondhead, durch die unsere Jungs im Irak bei lebendigem Leib verbrannt werden.«
»Es ist mir egal, wie viele Feinde er hat. Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass du einen Auftragskiller auf den kommenden französischen Präsidenten angesetzt hast. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie den Attentäter haben. Sie waren schon hinter ihm her, bevor er überhaupt im Land war.«
»Ach ja?«
»Natürlich. Und auf der Werft in Saint-Nazaire sind tausend Mann, die alle nach ihm suchen. Foche wird dort morgen eine Rede halten.«
»Aber sie haben ihn noch nicht?«
»Noch nicht. Trotzdem, keiner entkommt so vielen Sicherheitskräften auf so engem Raum. Die Chancen stehen eins zu tausend. Und wenn sie ihn haben, fliegt alles auf – Macks Beteiligung, deine Beteiligung und letztlich sogar meine. In einem Monat stehen wir alle vor Gericht und werden des Mordes angeklagt – oder der Verschwörung zu einem Mord oder nur der Verschwörung. Das ist alles nicht sehr reizvoll und vor allem völlig unnötig … und gefährdet unser ganzes Leben.«
Harry starrte seine schöne, wütende Frau an. »Wenn der Killer Foche erledigt, bevor die Sicherheitskräfte ihn schnappen, ist Remson’s Shipbuilding wieder im Geschäft. Ich habe heute mit Senator Rossow gesprochen, er steht mit Foches Rivalen Jules Barnier in Kontakt. Nicht nur hat Rossow mir versichert, dass wir weiterhin mit Aufträgen für französische Fregatten rechnen können, Barnier selbst soll sich sogar mit dem Gedanken tragen, hier an der Küste von Maine ein kleines Feriencottage mit Anlegesteg zu kaufen. Er ist ein großer Segler und vom Mittelmeer gelangweilt.«
»Nicht so gelangweilt wie wir, wenn wir erst mal im Gefängnis sitzen«, sagte Jane.
Mack Bedford musterte sein neues Hauptquartier. Von den beiden Fenstern der Frontfassade hatte man freien Blick auf den großen Platz der Werft. An der rückwärtigen Wand, direkt gegenüber, befanden sich zwei eingestaubte Fenster mit Blick auf das Hafenbecken. Die anderen beiden Wände waren mit breiten, deckenhohen Holzregalen zugestellt.
Der Raum war an die vier Meter hoch. Hinter den obersten beiden Regalbrettern an der Wand mit der Tür befand sich ein weiteres, kleineres Fenster. Als Erstes prüfte Mack, ob sich die Fenster öffnen ließen und bei welchen er möglicherweise gewaltsam nachhelfen musste. Alle vier Schiebefenster waren dick eingestaubt und jahrelang vernachlässigt worden, doch alle ließen sich nach einigem Kraftaufwand nach oben schieben. Langsam ließ er sie wieder nach unten, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eines war ihm klar – es war der perfekte Ort für einen Anschlag auf Henri Foche, aber ebenso klar war, dass der Raum irgendwann in den kommenden Stunden von den Sicherheitskräften durchsucht werden würde. Er könnte versuchen, sich zwischen den Regalen zu verstecken oder sich im Gebäude weiter nach oben zu verziehen, vielleicht sogar aufs Dach. Aber wenn es hart auf hart kam, würde er sich dem Kampf stellen müssen. Und damit änderten sich die Spielregeln; in diesem Fall würde er sich mit ziemlicher Sicherheit zurückziehen und sich was Neues überlegen müssen.
Mack kehrte zum vorderen Fenster zurück und starrte hinunter zum Podium. 110 Meter von ihm zur Außenwand der Lagerhalle. Er hielt sich im fünften Stock auf, die Räume waren jeweils vier Meter hoch. Fünfmal vier plus einen Meter für den Fenstersims. Ergab 21 Meter.
»Das Quadrat der Hypotenuse ist gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seiten«, murmelte er. »Okay, Pythagoras, alter Kumpel, dann wollen wir mal.«
110 im Quadrat ergab 12 100. Dann nahm er 21 ins Quadrat und errechnete 441. Er zählte es zusammen, 12 541, und nahm davon die Wurzel, worauf ihm sein Taschenrechner aufgerundet 111,99 Meter anzeigte – die präzise Entfernung vom Fenstersims zum Rednerpult.
Das Teleskopvisier war für seine letzten Schüsse – damals auf die roten Positionslichter am Kran in Brixham – noch auf 600 Meter eingestellt. Das musste also nachjustiert werden, was er sofort in der Dunkelheit vornehmen wollte und nicht erst morgen bei hellem Tageslicht.
Er streifte die Autohandschuhe über und öffnete den Werkzeugkasten, entnahm die kostbaren Einzelteile des Gewehrs und setzte sie sorgfältig zusammen. Dann schob er vorsichtig das Fenster einen halben Meter weit nach oben und blickte über den Platz. Er trat zurück und sah durch das Visier, das wie zu erwarten alles unscharf wiedergab. Ruhig drehte er in dem dunklen Lagerraum, mitten auf der Werft in Saint-Nazaire, an dem Präzisionsrädchen, mit dem er das Podium allmählich in den Fokus rückte und scharf stellte.
Schließlich umfasste er das Gewehr fester und richtete es zur Feinjustierung direkt auf das Mikrofon. Dessen Chromhalterung glitzerte im Licht der Laternen. Nahezu lautlos stellte Mack es scharf; fast nichts war zu hören, nur die drei winzigen Klicks des Rädchens, mit denen Mack Bedford ganz sachte Henri Foches Todesurteil unterzeichnete.