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Rachels Foto war am nächsten Morgen auf der Titelseite sämtlicher Zeitungen, ihr Gesicht tauchte regelmäßig im Fernsehen auf und lächelte aus den Displays Hunderttausender Handys und PCs in Privathäusern und Büros, da Leute, die sich am Amber-Alert-System beteiligten, das Bild erhielten und es weiterleiteten. Elektronische Warntafeln an großen Straßen beschrieben ihr Aussehen, was sie getragen hatte und ihr Fahrrad, lokale und landesweite Rundfunksender wiederholten die Angaben in jeder Nachrichtensendung. Das Ziel war eine maximale Berichterstattung über ihr Verschwinden, um sie möglichst früh zu entdecken – Rachels größte Chance auf eine wohlbehaltene Rückkehr. Das Alarmsystem hatte seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten, wo Studien zeigten, dass Kinder, die von Fremden entführt wurden, in neunzig Prozent der Fälle in den ersten vierundzwanzig Stunden getötet werden. Ironischerweise verdankte es seine Einführung in Irland einer erfolgreichen Kampagne der Miller Show.

Jane briefte das Team: In Millers erster Stunde würde er dazu aufrufen, alle Beobachtungen zu melden, die bei der Suche nach Rachel helfen konnten, gefolgt von Anrufen aus der Öffentlichkeit, die zu einer Spur führen konnten. »Auch vor dem Alarmsystem hatten wir schon Erfolg, indem wir Hörer auf diese Weise einbezogen«, sagte Jane. »Einige von euch werden sich an diese Verbrecherbande erinnern, die alleinlebende ältere Menschen in den Außenbezirken von Dublin ausraubte. Hörer beschrieben den Lieferwagen, den die Bande benutzte. Dann rief ein Autofahrer an und sagte, der Wagen habe ihn gerade auf der M7 Richtung Landesinnere überholt. Er folgte ihm eine Weile und gab seine Position durch, bis er von der Autobahn abbog, aber ein zweiter Hörer entdeckte ihn danach und folgte ihm auf einen Supermarktparkplatz. Wir haben die Polizei verständigt, und die hat die Bande festgenagelt. Und das alles geschah im Zeitraum von zwei Stunden, während die Sendung lief.«

»Aber diesmal haben wir keine Beschreibung von einem Fahrzeug«, sagte Ali.

»Stimmt. Aber genau deshalb veranstalten wir das Ganze. Um der Erinnerung der Leute auf die Sprünge zu helfen. Jemand hat vielleicht ein Auto bemerkt, das in dieser Gegend am Straßenrand stand, es aber nicht für wichtig gehalten.«

Jane sagte es nicht, aber für sie war es viel unheilvoller, dass es noch keine Lösegeldforderung gab. Millers Annahme, dass man Rachel aus diesem Grund entführt haben könnte, war durchaus berechtigt – er war immerhin reich und prominent. Aber wer Rachel wegen Geld entführt hätte, der hätte doch sicher damit gerechnet, dass der Fall das grelle Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit anziehen würde – was es schwieriger machte, sie zu verstecken oder an einen anderen Ort zu verlegen. Einem Gelegenheitsverbrecher dagegen, der eine unbekannte Zehnjährige packte und in ein Auto oder einen Lieferwagen zerrte, wäre dergleichen nicht in den Sinn gekommen. Hauptsächlich, weil er gar nicht die Absicht hatte, Lösegeld für sie zu erpressen.

»Ich hatte also recht wegen Dervla, nicht wahr?«, sagte Carmel mit einem manischen Grinsen im Gesicht.

»Inwiefern?«, fragte Ali, die neben Carmels Schreibtisch stand.

»Habe ich nicht gesagt, dass sie es auf uns alle abgesehen hat? Yvette Daly. Jetzt Dave Miller. Und wenn jetzt noch einer ›reiner Zufall‹ zu sagen wagt, dann kratze ich ihm die Augen aus.« Sie war aufgestanden, zitterte vor Erregung, hatte die Arme erhoben und ihre Finger wie Klauen in Richtung Ali gestreckt.

Ali wich zurück.

»Hey, jetzt mal langsam, Carmel«, sagte Jane und trat zwischen die beiden. »Wir wollen uns doch an die Fakten halten, okay? Dervla hat vorausgesagt, was mit Yvette passiert ist, das steht fest. Aber sie hat kein Wort von Rachels Verschwinden gesagt.«

»Und?«

»Es passt nicht in das Muster.«

»Ja, das dachte ich auch«, sagte Joe.

Carmel riss den Kopf zu ihm herum. »Ach, halt doch den Mund, du Penner«, fauchte sie, dann verließ sie der Dämon, und sie sank in sich zusammen und setzte sich wieder.

Jane atmete erleichtert aus und setzte sich ebenfalls.

Ein abgespannt aussehender Miller traf zehn Minuten vor Beginn der Sendung ein. Er hatte bereits mehrere Radiointerviews gegeben und war in einer Morgenshow im Fernsehen aufgetreten. »Hab nicht geschlafen«, sagte er. Dann klatschte er in die Hände. »Also, was meint ihr, Leute? Werden wir meine Rachel bis zum Ende der Sendung finden?«

Verschiedene optimistische Laute ertönten von den Schreibtischen.

»Haben sich die Entführer schon gemeldet?«, fragte Laura.

Jane zuckte zusammen.

»Die Polizei glaubt, sie warten, bis sich der erste Trubel gelegt hat, bevor sie ihre Forderung stellen«, sagte er. »Aber je mehr es gelingt, ihre Pläne in der Anfangsphase zu stören, desto weniger sicher werden sie sich fühlen, und desto mehr werden sie geneigt sein, Rachel freizulassen. Sie ist dann eine zu heiße Kartoffel für sie. Und wenn sie hören könnte, dass ich sie so genannt habe, würde sie sagen: Dad, bitte!«

Alle lachten. Er hielt sich ohne Frage wacker.

»Kann ich dich einen Moment sprechen, Dave?«, sagte Jane, als er aus dem Büro ging.

»Sicher. Jetzt gleich?«

»Ja. Ich begleite dich.«

Im Studio angekommen, setzte sich Miller in seinen Sessel, während Jane stehen blieb und sich an das Fensterbrett zwischen Studio und Regieraum lehnte. »Erinnerst du dich, wie wir Dervla am Freitag nicht auf Sendung ließen, obwohl sie sagte, sie habe eine Nachricht wegen deiner Reise nach London für dich?«

»Wegen London?« Er schlug eine Zeitung auf. »Sie hat nicht gesagt, worum es ging, oder?« Er schien von der Berichterstattung über Rachels Verschwinden abgelenkt zu sein.

»Nein. Sie wollte, wie gesagt, nur mit dir sprechen. Und ich frage mich jetzt, ob es vielleicht wegen Rachel war.«

Er sah von der Zeitung auf. »Ach so. Ich verstehe, was du meinst. Wie kommst du darauf?«

»Ich habe mehr über Dervla in Erfahrung gebracht.« Sie warf einen Blick auf die Studiouhr. »Ich habe keine Zeit, näher drauf einzugehen, aber sie glaubt, dass du für etwas verantwortlich bist, was ihr in der Vergangenheit widerfahren ist. Sie will dich kriegen. Vielleicht also …«

»Jane, ich weiß, ich bin im Moment ein bisschen durch den Wind, aber ich kann immer noch halbwegs klar denken. Wenn sie mich kriegen wollte, wäre sie wohl kaum so nett, mich wegen der Gefahr für meine Tochter zu warnen.«

»Es sei denn, sie wollte, dass du es weißt, aber es wegen dieser Geschichte mit dem Interventionsparadox nicht verhindern könntest.«

»Sie wollte also, dass ich leide, ist es das?«

»Vielleicht. Aber vielleicht wollte sie dir auch Zeit geben, die Polizei zu alarmieren, damit sie die Kidnapper festnageln kann, sobald sie Rachel hatten.«

Er griff nach einer anderen Zeitung. »Du kannst dir sicher sein, dass wir Rachel nie im Leben aus dem Haus gelassen hätten, wenn es irgendeinen Hinweis gegeben hätte, dass sie am Sonntag entführt werden würde.«

Interessant, dass er Dervlas Warnung in diesem Fall beachtet hätte, dachte Jane. »So funktioniert das nicht bei Dervla. Sie sagt keine Dinge voraus, die möglicherweise in der Zukunft passieren werden, sondern sie berichtet von Dingen, die bereits passiert sind. Deshalb können sie nicht verändert werden.«

Miller sah sie an und zog die Stirn kraus. »Was soll das heißen, ›sie berichtet‹?«

»Ich habe diesen Typen kennengelernt … einen Neurowissenschaftler … er …« Jane hörte die Erkennungsmusik für die Nachrichten aus Millers Kopfhörer auf dem Schreibtisch erklingen. »Wir unterhalten uns später.«

Unmittelbar nach den Nachrichten umriss Miller die Ereignisse, die zu Rachels Verschwinden geführt hatten, dann begann er seinen Appell: »Sie haben über die Jahre zu mir gehalten, und ich hoffe, ein wenig kann man sagen, dass auch ich zu Ihnen gehalten habe. Und so rufe ich Sie, meine treuen Hörer, heute auf, meine Familie in dem Bemühen zu unterstützen, unser kleines Mädchen, unsere geliebte Rachel, gesund und wohlbehalten wiederzubekommen. Wenn Sie etwas gesehen haben, wenn Sie etwas wissen, bitte, bitte, sagen Sie es entweder der Polizei oder uns hier im Sender. Sie müssen nicht live auf Sendung gehen, Sie können einfach anrufen. Egal, für wie unwichtig Sie es halten, es könnte von Bedeutung sein. Ihren Entführern sage ich, bitte lassen Sie sie sofort frei. Ich nehme bereitwillig ihren Platz ein, wenn es darum geht, dass Sie eine Geisel brauchen. Doch wenn man Sie nicht dazu überreden kann, eine einsame und verängstigte Zehnjährige gehen zu lassen, sie unverzüglich zu ihren Eltern zurückzuschicken, dann können Sie sich zumindest bei uns melden und uns wissen lassen, dass sie wohlauf ist. Bitte. Für alle, die vorhin die Einzelheiten verpasst haben, will ich nun die Umstände wiederholen, die zu Rachels Verschwinden …«

War Jane ursprünglich beeindruckt gewesen von seiner Entschlossenheit, auf Sendung zu gehen, so empfand sie nun ein leises Unbehagen über das Theatralische seiner Rede. Es war, als würde er die Rolle des Entführungsopfer-Vaters, die alles an Dramatik überstieg, was seine Hörer im Lauf der Jahre erlebt hatten, nun, da sie ihm zugefallen war, bis zur Neige ausspielen.

Eine Stunde später hatte es eine Flut von Anrufen und SMS aus dem ganzen Land gegeben; es ging um Fremde, die sich vor Schulen herumtrieben, um Lieferwägen verschiedener Farben, die am Straßenrand hielten, und deren Fahrer Kinder in das Fahrzeug zu locken versuchten, um stehen gelassene Fahrräder und weggeworfene Handys. Es gab auch viele Anrufer, die ihre Empörung über Menschen, die so ein Verbrechen begehen konnten, zum Ausdruck brachten.

Wenige waren es wert, auf Sendung gelassen zu werden, aber ein Fahrrad, das man im Norden der Stadt gefunden hatte, ähnelte in Bauart und Farbe dem von Rachel, und Jane stellte den Anrufer durch, um Miller die Gelegenheit zu geben, die Unterschiede zu erklären. Und da ständig die Frage aufkam, ob Rachel ein Handy bei sich gehabt hatte und ob der Fund von welchen gemeldet wurde, erklärte Miller, dass Rachel keines besaß, da sie mit zehn Jahren seiner Ansicht nach zu jung dafür war; er hatte sie gebeten, bis zu ihrem zwölften Geburtstag zu warten. An diesem Punkt wurde er emotional und sagte, er und Zita hätten sich große Mühe gegeben, Rachel möglichst lange ihre Kindheit zu erhalten, auch wenn sich ihre Gleichaltrigen manchmal schon eher wie Teenager benahmen und kleideten.

Ein Anrufer, den sie in die Sendung gelassen hatten, weil er darauf hinweisen wollte, dass es in Irland nur wenige Fälle entführter Kinder gab und noch weniger, die durch ihre Entführer zu Schaden kamen, fuhr unglücklicherweise mit der Behauptung fort, Irland sei ein Paradies für ausländische Pädophile, die keine solchen Skrupel hätten. Ein anderer meinte, die Entführung sei der Beginn einer Kidnapping-Welle à la Mexiko, wo hauptsächlich Kinder die Ziele seien. Miller ging darauf ein, bis der Anrufer den Fall eines entführten Mädchens berichtete, das ermordet worden war, obwohl der Vater ein Lösegeld für sie bezahlt hatte.

Und während der ganzen Zeit ging auch eine Flut beleidigender SMS ein – die meisten auf Miller gezielt. »Geschieht dir recht, du arrogantes, überbezahltes Arschloch«, war noch eine der harmloseren. Die Absender schonten auch seine Tochter nicht. Jane dachte immer, dass sie nichts mehr überraschen könne, aber als Laura sie auf eine SMS aufmerksam machte, die lautete: »Der Bursche, der sie entführt hat, will nur eine zehnjährige Muschi ausprobieren, und wer könnte es ihm verübeln?«, schüttelten sie beide ungläubig den Kopf und löschten sie, ehe Miller auf seinem Schirm so weit nach unten gescrollt hatte. Andere hoben Dervla heraus und meinten, sie sei irgendwie für die Entführung verantwortlich, so wie es Carmel tat. Jane ging durch den Kopf, dass es ein tief verwurzelter menschlicher Zug sein musste, den Überbringer der Botschaft zu bestrafen – obwohl Dervla in diesem Fall nicht einmal das gewesen war. Bis zur letzten Woche hatte es so ausgesehen, als könnte sie nichts falsch machen – aber der Wankelmut der Öffentlichkeit war jedem vertraut, der beim Rundfunk arbeitete. Jane wies Laura an, auch alle diese Wortmeldungen zu löschen.

Doch trotz aller Anrufe, SMS und E-Mails, die bis elf Uhr eingegangen waren, schien nichts mit dem Verschwinden Rachels am Vortag in Zusammenhang zu stehen. Kein Mädchen, auf das ihre Beschreibung passte, war in der Gegend gesichtet worden, wie es auf seinem Rad fuhr oder es neben sich herschob, auch keins, das mit einem Fremden in einem Auto sprach oder von einem begleitet wurde. Gegen elf hatte Jane zudem den Eindruck, dass all die Verweise auf Pädophile, Perverse und Verbrecher Miller langsam zusetzten, deshalb kamen sie überein, die Telefonaktion abzuschließen.

Während der Nachrichten bat er Jane, zu ihm ins Studio zu kommen. »Erzähl mir, was die Leute sagen. Die Kommentare, die ihr mich nicht sehen lasst.«

Jane zuckte mit den Schultern. »Viel Anteilnahme, viel ›man sollte ihnen die Eier abschneiden, wenn man sie erwischt‹ und ein paar, na ja, du weißt schon …«

»Was meinst du, was ich weiß?«

»Leute, die sich fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen Dervla und Rachels Verschwinden gibt.«

»Du meinst, dass sie wusste, es würde passieren, wie du selbst gesagt hast?«

»Nein. Dass sie es verursacht hat.«

»Das ist ja noch lächerlicher.«

»Sicher, aber es geschehen tatsächlich scheußliche Dinge, und zwar uns, Leuten, die mit der Show zu tun haben, deiner Familie. Sogar mir selbst ist am Freitag etwas pass…«

»Moment …«, unterbrach er und suchte auf seinem Monitor nach einer Sounddatei. »Wie ist sie beschriftet?«

»Eiszeit.«

»Ich hab sie«, sagte er und suchte ein vorab aufgezeichnetes Interview mit dem Autor eines Buchs heraus, der behauptete, für die nächsten hundert Jahre sei eine globale Abkühlung weitaus wahrscheinlicher als eine globale Erwärmung. Er spielte nach den Nachrichten und dem Wetter die Erkennungsmelodie der Sendung und leitete dann zu dem Interview über. »Erzähl weiter.«

»Am Freitag wurde ich auf dem Heimweg von der Sendung von jemandem in einem BMW rund um den Three-Rock Mountain verfolgt. Als ich dann zu Hause ankam, wartete ein Kerl mit einem Messer vor dem Haus auf mich. Er hatte nichts mit der Verfolgungsjagd zu tun. Er war gestört und glaubte, Dervla habe ihm befohlen, mich anzugreifen. Wenn ich so paranoid wäre wie einige der Leute, die hier angerufen haben, wäre ich vielleicht geneigt zu glauben, dass sie es tatsächlich getan hat.«

»Aber das bist du natürlich nicht, oder?«

»Nein. Ich mache mir mehr Sorgen wegen der Verfolger im Auto. Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang mit der Entführung Rachels geben könnte.«

»Hm. Ich wüsste wirklich nicht, wie der aussehen sollte. Dich zu entführen, würde ja nicht viel Sinn ergeben, oder?«

»Es sei denn, sie waren … Ich weiß nicht. Es gibt da diese Organisation namens Matlas. Sie versuchen Dervla in die Hände zu bekommen, aber sie wissen nicht, wo sie ist. Vielleicht wollen sie uns zwingen, es ihnen zu verraten.«

»Du meinst, sie wären bereit, jemanden im Austausch gegen eine Adresse zu entführen? Das ist doch absurd.«

Jane sah ein, wie es wirkte. »Ja, vermutlich. Ich versuche einfach nur, schlau aus all diesen Vorfällen zu werden.«

»Und woher weißt du von diesen – wie heißen sie gleich wieder?«

»Matlas. Kommt von mind und Atlas, glaube ich. Ich habe gestern diesen Neurowissenschaftler getroffen. Er hatte einen Brief an Kirstin geschrieben, um dich vor Dervla zu warnen. Sie gibt dir die Schuld an etwas, das ihr zugestoßen ist. Etwas, das sie damit in Verbindung bringt, dass sie deine Stimme im Radio gehört hat – glaubt er jedenfalls, aber ich bin mir da nicht so …«

Ein merkwürdiger Ausdruck war auf Millers Gesicht getreten. Irgendwo zwischen Erstaunen und Erleichterung. »Davon hat sie also die ganze Zeit geredet …«, sagte er zu sich selbst. »Hat dieser Neurologe gesagt, was passiert ist? Sie hat mich im Radio gehört und dann – den Toast verbrannt? Ist ihr Haus in die Luft geflogen? Wurde sie vom Teufel besessen? Was war es?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte ich es erfahren, wenn ich gestern mit ihr Kontakt aufgenommen hätte. Sie hat McNamee das Okay dafür gegeben.«

»Wer ist McNamee?«

»Der Neurowissenschaftler.«

»Was zum Teufel hat er mit ihr zu tun?«

»Zunächst einmal ist – war – Dervla Autistin.«

Miller sah sie an und blinzelte.

Sie schaute auf die Uhr hinter ihm. »Aber es ist eine lange Geschichte, und die Aufzeichnung ist gleich zu Ende.«

Er drückte einen Knopf auf seinem Tisch, und der Ton war wieder da. Er setzte seinen Kopfhörer auf, spielte einen Jingle und nannte als Nachtrag zu dem Beitrag den Titel des Buchs und seinen Preis. Dann schob er eine Werbepause ein, schaltete das Mikrofon aus und zog eine Kopfhörermuschel vom Ohr. »Das alles hilft uns kein bisschen, Rachel zu finden«, sagte er.

»Ich glaube, ich sollte mit Dervla über ihr Verschwinden sprechen.«

»Nein.« Miller schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass diese Frau etwas mit Rachel zu tun hat. Wenn es ihre Absicht ist, mir das Leben schwer zu machen, dann könnte sie vorsätzlich unsere Chancen verderben, sie zurückzubekommen.« Er setzte den Kopfhörer richtig auf und öffnete sein Mikrofon.

Jane schlüpfte aus dem Studio und schloss die Tür leise hinter sich. Glaubte Miller wirklich, Dervla würde die Suche nach Rachel behindern, oder gab es einen anderen Grund, warum er nicht wollte, dass Jane mit ihr Kontakt aufnahm?