22. KAPITEL

Drei Tage später sitze ich gemütlich am Kamin in der Rächenden Axt. Es ist noch früh am Abend, und die Kaschemme ist leer. Ich bin einigermaßen zufrieden. Lisutaris, die Herrin des Himmels, ist jetzt ganz offiziell zur Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung ernannt worden, und ich wurde für meine Leistungen gut bezahlt.

»Für meine ganz hervorragenden Leistungen, wenn ich das einmal so sagen darf.«

»Einmal? Unzählige Male«, erklärt Makri.

Makri macht gerade eine Pause, bevor das Abendgeschäft einsetzt. Seit dem Ende des Konvents ist sie in einer ziemlich ausgeglichenen Stimmung. Sie bemüht sich redlich, mit dem Geld auszukommen, das sie in der Rächenden Axt verdient, und deshalb wird der Sold für ihre Rolle als Leibwächterin ihr das Leben eine Weile erleichtern.

»Ich bin für das Kämpfen bezahlt worden. Wirklich wie eine Gladiatorin. Nur bin ich als Gladiatorin nicht frisiert worden. Das heißt, eigentlich schon, aber die Orgk-Frau war ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Es ist wirklich schade um Copro.«

»Wenn ich richtig gehört habe, rauft sich unsere weibliche Aristokratie die Haare.«

»Tinitis Schlangenstrickerin hat bereits die besten Coiffeure aus Pargada abgeworben.«

»Warum denn?«, frage ich. »Sagen nicht alle, dass sie schon jetzt die schönste Zauberin der ganzen Welt ist?«

»Und?«

»Warum braucht sie dann einen hervorragenden Friseur?«

Makri sieht mich an. »Ich bezweifle, dass du das verstehen würdest, selbst wenn ich es dir erkläre.« Sie runzelt die Stirn. »Jetzt bin ich bestimmt in der Vereinigung der Frauenzimmer geächtet. Das ist unfair. Ich musste Copro töten.«

»Mach dir darüber keine Sorgen, Makri. Du warst immer schon geächtet.«

Makri hat ihre Rüstung gewienert und sie wieder verstaut. Bei der Arbeit trägt sie lieber ihren minimalistischen Kettendress, weil sie auf das Trinkgeld angewiesen ist. Das Kaminfeuer lässt ihre nackte Haut schön warm glühen. Seeleute und Arbeiter finden diesen Anblick so erfreulich, dass sie gern ein paar Gurans extra rüberschieben.

Meine Gewinne bei der Wette auf den Wahlausgang halten sich in bescheidenen Grenzen. Ich habe zwar nichts verloren, weil ich nicht auf Ramius setzen konnte, habe aber nur ein bisschen an Lisutaris verdient, weil ich so viel zu tun hatte, dass ich nicht dazu gekommen bin, meinen Einsatz zu erhöhen.

»Ich hasse es, wenn ich eine Wette verpasse. Ich hätte bestimmt viel mehr kassiert, wenn der Sohn vom Ehrlichen Mox nicht ausgerechnet damals an einer Überdosis Boah krepiert wäre.«

Marzipixa, die Bäckerin. Mox’ Sohn. Und der junge Tribun Bohemius. Die Stadt geht allmählich zum Teufel.

»Zieh mich bloß nicht in deine Spiele hinein«, erklärt Makri. »Ich muss mein Geld sparen. Schließlich warten Gebühren auf mich, wenn die Innungshochschule wieder öffnet. Ich muss dringend wieder büffeln. In Rhetorik hinke ich wirklich hinterher. Vier Tage an der Wasserpfeife, und ich habe die berühmtesten Reden des letzten Jahrhunderts vergessen.«

Ich verkneife mir tunlichst einen Kommentar.

»Dieser Zeuge verwirrt mich aber immer noch«, fährt Makri dann fort.

»Welcher Zeuge?«

»Kretinexan. Der Matteshaner, der gesehen hat, wie Incognixus aus dem Magischen Raum entkommen ist, nachdem er Ramius umgebracht hat. Du hast gesagt, niemand hätte Incognixus jemals gesehen.«

Ich trinke einen Schluck Bier. Ghurd versteht es wirklich, ein ordentliches Bierchen zu zapfen. Und Tanrose backt die beste Fleischpastete im Weiten Westen. Sie sollten zusammenkommen. Sie wären ein ideales Paar.

»Es ist alles arrangiert worden, glaube ich.«

»Von wem?«, fragt Makri.

»Von Zitzerius. Oder noch wahrscheinlicher von Tilupasis und ihrem Schmusekater, dem Konsul.«

»Ich kann dir nicht mehr folgen.«

»Incognixus wurde gedungen, um Ramius Sonnensturm zu ermorden. Turai hat ihn bezahlt. Ich sollte eigentlich gar nichts von ihm wissen. Das hätte auch geklappt, wenn Marihana nicht zufällig erfahren hätte, dass er hierher unterwegs ist.«

»Du meinst, diese Stadt hat tatsächlich einen Meuchelmörder engagiert, um Lisutaris’ Hauptkonkurrenten auszuschalten?«

»Das glaube ich. Es erklärt auch, warum Zitzerius mir eingeschärft hat, mich nicht um Incognixus zu kümmern. Er wusste die ganze Zeit, dass er keine Gefahr für Lisutaris war.«

Simnia hat Copro engagiert, Turai Incognixus. Es war nicht ganz einfach, das zu durchschauen. Und ich hätte eigentlich gar nichts davon erfahren sollen. Makri denkt eine Weile darüber nach.

»Aber macht Zitzerius nicht immer viel Brimborium darum, dass er der ehrlichste Politiker in Turai ist?«

»Das macht er. Und er hat im Großen und Ganzen auch Recht. Er ist absolut unbestechlich und erlaubt niemals, dass man seine Widersacher mit fadenscheinigen oder gefälschten Beweisen verfolgt. Aber wenn es um Außenpolitik geht, dann handelt er wohl etwas pragmatischer.«

Ich trinke mein Bier aus und versuche, die Kosten zu überschlagen, die es verursacht hat, Turai das Amt der Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung zu sichern. Zwei Morde, verschiedene unbeabsichtigte Todesfälle und unermesslich viel Gold und Bier und Boah.

»Ein sehr teurer Sieg. Aber für die Regierung war es die Sache wohl wert. Vor allem, weil letztlich die Bürger dieser Stadt die Rechnung mit ihren Steuerabgaben bezahlen.«

»Hast du noch Ärger mit Prätor Raffius?«

»Nein, Zitzerius hat ihn mir vom Hals geschafft. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ich nicht mehr als Tribun handele. Was ich auch nicht tun werde. Der Nächste, der eine Räumung verhindern will, soll woanders anklopfen.«

Senator Lohdius hat mir ebenfalls ein hübsches Sümmchen für meine Dienste vorbeibringen lassen. Ich kann Lohdius zwar immer noch nicht riechen. Aber wenigstens stinkt sein Gold nicht.

»Habe ich noch Ärger von der Bruderschaft zu erwarten?«

Ich schüttele den Kopf. Die Traditionalisten haben viel Einfluss bei der Bruderschaft, und Zitzerius hat dieses Problem ebenfalls unter der Hand geregelt.

»Großartig«, meint Makri. »Alles ist gut ausgegangen.«

Lisutaris ist als Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung in ihr Amt eingeführt worden, und die auswärtigen Zauberer verlassen allmählich die Stadt. In einer Woche werden sie alle abgereist sein, außer denen, die immer noch nach den Exzessen bei dem Konvent in ärztlicher Behandlung sind.

»Wie geht es eigentlich Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter?«, erkundigt sich Makri.

»Sie ist immer noch krank. Die Heiler, die sich um sie bemühen, sagen, es wäre einer der schlimmsten Fälle von Alkoholvergiftung, den sie je erlebt hätten. Aber am Ende wird sie mir dankbar sein.«

Als sich die Kaschemme langsam füllt, geht Makri wieder an die Arbeit. Ich verbringe den Abend damit, Bier zu trinken und eine Runde Raff mit Hauptmann Rallig und einigen anderen zu spielen.

»Diese verdammten Zauberer«, knurrt Rallig. »Weißt du, dass sie gegen eine strafrechtliche Verfolgung wegen Boahbesitzes immun sind? Die Stadt geht wirklich vor die Hunde.«

Hauptmann Rallig ist schlecht gelaunt, weil er ausgerechnet in einer der kältesten Nächte des Jahres auf Patrouille gehen muss.

Ich habe nicht vor, den Rest des Winters noch einmal einen Fuß vor die Tür der Kaschemme zu setzen. Und da ich gut verdient habe, brauche ich das auch nicht. Im Frühling wird das Geschäft wieder anziehen. Ich habe gerade großartige Dienste für die Stadt geleistet und erwarte, dass sich die Stadt auch dankbar erweisen wird. Zitzerius und Lisutaris sollten mich ab und an mit wohlhabenden Klienten versorgen können.

Es ist schon mitten in der Nacht, als ich mich endlich in meine Zimmerflucht zurückziehe. In meinem Büro ist es überraschend warm. Ein Feuer brennt, und ein Leuchtstab wirft seinen sanften Schimmer über die schäbigen Möbel. Makri, Lisutaris, Herrin des Himmels, und Prinzessin Direeva liegen bewusstlos auf dem Boden. Ich seufze. Makris gute Vorsätze haben nicht lange gehalten.

Direeva schlägt die Augen auf.

»Für eine Frau, die mich überhaupt nicht mag, verbringt Ihr verblüffend viel Zeit in meinen Gemächern«, knurre ich sie an.

Direeva zuckt betrunken mit den Schultern.

»Was ist eigentlich wirklich im Magischen Raum passiert?«, frage ich sie.

Plötzlich scheint die Prinzessin nicht mehr ganz so blau zu sein.

»Ihr kommt nicht gut mit Eurem Bruder aus, stimmt’s? Er kontrolliert die Armee und Ihr die Zauberer. In den Blauen Bergen wird sehr bald ein Bürgerkrieg ausbrechen. Turai würde eine Allianz mit Lisutaris’ Freundin Prinzessin Direeva sicher eher begrüßen als mit ihrem Bruder.«

»Was soll dieses Gefasel, Detektiv?«

»War Incognixus überhaupt in Turai? Niemand hat ihn je gesehen. Abgesehen von Euch und einem fadenscheinigen Zeugen, der von Tilupasis mit Gold geschmiert worden ist.«

»Natürlich war Incognixus in Turai. Er hat Ramius umgebracht.«

Ich sehe sie durchdringend an.

»Vielleicht. Aber ein intelligenter Mann könnte glauben, dass Ihr es wart.«

»Niemand dürfte Euch für einen intelligenten Mann halten«, behauptet Direeva.

»Es würde mich nicht überraschen zu erfahren, dass Turai Euch dafür bezahlt hat, Ramius umzubringen. Und genauso wenig wäre ich verwundert, wenn Turai Euch dabei helfen würde, den alten König abzusetzen.«

Die Prinzessin lacht. »Eine alberne Theorie. War nicht Marihana, die turanianische Meuchelmörderin, ebenfalls im Magischen Raum?«

»Allerdings. Sie hat ihre Busenfreundin Lisutaris beschützt, denke ich mal. Sie hätte Ramius erledigen können. Aber Ihr seid eine viel wahrscheinlichere Kandidatin.«

Eigentlich ist es mir aber ziemlich egal.

»Ihr investiert überraschend viel Zeit und Mühe in Eure schlecht bezahlte Arbeit«, erklärt Direeva.

»Soll das ein Kompliment sein?«

»Mitnichten. Eure Arbeit ist letztlich sinnlos.«

»Aber immer noch besser, als auf einer Sklavengaleere zu rudern.«

Ich zerre Makri hoch und schiebe sie auf den Flur hinaus. Ganz gleich, wie klein ihre Kammer ist, sie soll ihre Freundinnen gefälligst in ihrer Kemenate unterhalten. Direeva hilft Lisutaris auf die Beine.

»Der arme Copro«, murmelt die Herrin des Himmels, die kurz ihr Bewusstsein wiedererlangt.

»Keine Sorge. Nächste Saison wird es sicher wieder einen anderen brillanten jungen Coiffeur geben. Und da Ihr nun die Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung seid, dürftet Ihr auf seiner Klientinnenliste ganz oben stehen.«

»So spitz wie ein Elfenohr«, haucht Lisutaris, aber ich weiß nicht, ob sie sich selbst, Copro oder mich meint.

Da meine Gemächer jetzt von berauschten Zauberinnen und Barmädchen geräumt sind, genehmige ich mir noch ein letztes Bier, bevor ich ins Bett gehe. Ich frage mich, wie lange meine Amtsperiode als Tribun des Volkes wohl dauert. Aber wie lange es auch sein mag, ich werde mich dennoch aus der Politik zurückziehen. Man sollte sich nicht mit diesen Halunken einlassen. Es ist einfach viel zu gefährlich.

Inhaltsverzeichnis

1. KAPITEL 2. KAPITEL 3. KAPITEL 4. KAPITEL 5. KAPITEL 6. KAPITEL 7. KAPITEL 8. KAPITEL 9. KAPITEL 10. KAPITEL 11. KAPITEL 12. KAPITEL 13. KAPITEL 14. KAPITEL 15. KAPITEL 16. KAPITEL 17. KAPITEL 18. KAPITEL 19. KAPITEL 20. KAPITEL 21. KAPITEL 22. KAPITEL