14. KAPITEL
Glorius Viktorius liegt auf dem Rücken, den mächtigen Bauch nach oben gestreckt, auf dem Boden vor dem Tresen. Seine Gefährten schlummern neben ihm auf ihren zerwühlten Regenbogenumhängen. Tilupasis hat eine gut besuchte Taverne schließen lassen, damit ausschließlich den juvalianischen Zauberern deren Vorräte zugute kämen. Da die nicht ausreichten, ließ sie kurzerhand die nächste Taverne schließen und deren Bier-und Kleehfässer ebenfalls herankarren. Schließlich waren die Juvalianer von der Flut an Kleeh und Freibier völlig überwältigt und kaum noch bei Sinnen. Sie tauchen nur noch aus ihrem Rausch auf, um weiterzutrinken. Und haben vorher versprochen, Lisutaris ihre Stimmen zu geben.
Nicht weit von ihnen entfernt liegen die fünf Zauberer der misanischen Delegation. Sie sind dank Tilupasis völlig dem Boahrausch verfallen. Sie hat einige Sack voll der Droge von den konfiszierten Vorräten aus dem Justizdomizil besorgt.
Offiziell sollten diese Berge von Boah eigentlich längst vernichtet worden sein, aber Tilupasis hat offenbar unbeschränkte Vollmacht und kann machen, was sie will.
Die vier Zauberer aus Kamora, einem kleinen Stadtstaat im Weiten Westen, die so überlegen auf dem Konvent herumstolziert sind, sind jetzt nicht einmal mehr in der Lage, ihre Privatgemächer zu verlassen. Sie haben eine achtundvierzigstündige Orgie von nie gesehener Verworfenheit hinter sich. Einige Gebräuche der Kamoraner waren, offen gestanden, in Turai bisher aus gutem Grund illegal. Was natürlich nicht heißt, dass Tilupasis nicht das Nötige hätte organisieren können. Freilich nur mithilfe der höchst geschäftstüchtigen Bordellbetreiber der Stadt. Die Kamoraner haben versprochen, dass sie auf jeden Fall für Lisutaris stimmen werden, vorausgesetzt, sie erholen sich noch vor dem Wahlgang.
Ich weiß nicht, was sich Ramius Sonnensturm bei all dem denkt. Natürlich wird auch seine Delegation bestechen und schmieren, was das Zeug hält, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihre Korruptheit auch nur annähernd an den grenzenlosen Einfallsreichtum und die moralische Verworfenheit von dem heranreicht, was Tilupasis für das Wohl unserer Stadt lostritt. Dank unserer Hilfe hat sich dieser Zaubererkonvent zu einer in dieser Größe bisher unerreichten Orgie an verbotenem Gold, ausufernder Trunkenheit, zügellosem Sex und extremem Drogenmissbrauch entwickelt. Es erfüllt einen wahrhaftig mit Stolz. Turanianer zu sein.
»Ihr Turanianer seid eine schmierige, degenerierte Nation«, stellt Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter folgerichtig fest.
Oha. Das lässt sich gar nicht gut an. Ich hatte ihr eigentlich nur ein freundliches Hallo entbieten wollen.
»Ich kann kaum glauben, wie sich die Zauberer hier aufführen. Und ich gebe Turai die Schuld. Die ganze Stadt ist korrupt.«
»Na ja. so schlimm ist es wirklich nicht …«
»Es ist einfach ekelhaft«, unterbricht mich Sareepa. »Gottlob gibt es jemanden wie Allahlachmah. Er ist ein Lichtblick in dieser Lasterhöhle der Korruption.«
Ist das wirklich noch dieselbe Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter, die ich einmal kannte? Als wir fünfzehn waren, hatte sie die gesamte männliche Bevölkerung des Viertels über ihre Matratze gehetzt und suchte bereits in den Nachbarvierteln nach neuen Liebhabern.
»Warum werden Aufrufe zum Gebet von diesem Konvent ignoriert?«, will sie wissen.
»Eine gewisse Lockerheit ist bei solchen Veranstaltungen verbreitet.«
»Eine gewisse Lockerheit? Nicht bei den Niojanern. Sie beten sechsmal am Tag. Würden die anderen doch ihrem Beispiel folgen! Thraxas, du musst diesem Sündenpfuhl entkommen. Ich stelle dich Allahlachmah vor.«
»Könnten wir das nicht bei einer Flasche Wein besprechen?«, frage ich, als ich mich plötzlich an meinen Auftrag erinnere.
Sareepa sieht aus, als wollte sie jeden Moment an die Decke springen. »Wein? Ist dir eigentlich klar …?«
In diesem Moment taumeln einige sturzbetrunkene Zauberer an uns vorbei. Sie verfolgen ein schwebendes Bierfass.
»Eine Flasche Kleeh demjenigen, der es zu Boden bringt!«, grölt einer von ihnen und schießt mit feurigen Lichtstrahlen aus seinem Stab danach.
Sareepa ist tatsächlich einen Moment sprachlos. Mir ist mittlerweile klar geworden, dass Alkohol vielleicht im Moment nicht das beste Gesprächsthema ist, also lenke ich unsere kleine Plauderei auf den Zauberlehrling von Darius.
»Er hat Abelasi mit einem ziemlichen Zorn auf Darius verlassen. Hat er sich danach nicht in Mattesh niedergelassen?«
»Er ist mittlerweile ein ziemlich mächtiger Zauberer. Und ein Mitglied unserer Delegation.«
»Er ist bei euch? Wie kommt das?«
Wie sich herausstellt, hat besagter Zauberlehrling seine Studien beendet, die Staatsbürgerschaft von Mattesh angenommen und hält sich jetzt als voll anerkannter Zauberer unter den anderen Delegierten auf.
»Er hasst Darius noch immer«, verrät mir Sareepa. »Aber du brauchst ihn gar nicht des Mordes zu verdächtigen. Meine Delegation habe ich fest im Griff.«
Ich bitte sie trotzdem darum, mich ihm vorzustellen, was mir Sareepa auch verspricht. Vorausgesetzt, ich bin nüchtern. Sie hasst Alkohol wirklich wie die Pest. Ein trauriger Zustand.
»Ist dir jemals ein Zauberspruch begegnet, mit dem man eine neue Version der Realität erschaffen kann, die man anschließend in die Vergangenheit schickt?«, erkundige ich mich beiläufig.
»So einen Zauberspruch gibt es nicht«, antwortet Sareepa überzeugt. »Niemand könnte das bewerkstelligen.«
Einige Augenblicke später stürzt sich eine empörte Makri auf mich.
»Weißt du, was passiert ist? Ich habe Direeva gerade erzählt, wie ich in der Arena einmal drei Trolle mit der bloßen Hand umgebracht habe, als dieser schmierige Adonius mich provozierend angegrinst hat und sagte, er wäre zu dem Konvent gekommen, um solch unerfreuliche Dinge wie Kämpfen zu vergessen. Dann hat er Direeva einfach zum Abendessen abgeschleppt!«
»Konntest du sie nicht aufhalten?«
»Ich war zu erschüttert darüber, dass jemand auf die Idee kommen kann, das Kämpfen zu vergessen«, beschwert sich Makri. »Als ich mich wieder erholt hatte, waren sie schon weg. Dieser verdammte Adonius. Ich traue ihm kein bisschen. Im Augenblick hofiert er Direeva wahrscheinlich bei einer Flasche Wein, und wer kann schon sagen, was danach noch alles passieren wird? Und so gut sieht er auch nicht aus. Gal-an war viel attraktiver, und er hat sich nie bei meinen Kampfgeschichten gelangweilt. Ich hasse diese schleimigen Simnianer. Was soll ich jetzt tun?«
»Keine Ahnung. Frag einfach Tilupasis. Die ist die Expertin für solche Fragen.«
»Komm und hilf mir. Du könntest doch Adonius mit irgendeiner deiner sterbenslangweiligen Kriegsgeschichten ablenken, während ich Direeva umgarne.«
»Das geht nicht. Ich muss ermitteln.«
Als ich durch den Saal gehe, komme ich an einem hoch gewachsenen Mann mit einem langen Bart vorbei, der den schlichtesten Regenbogenumhang trägt, der jemals gewebt worden ist. Kaum zu glauben, dass ein Regenbogenumhang so trist sein kann. Er hält mit seiner tiefen Stimme vor einer großen Gruppe junger Zauberer einen Vortrag. Die scheinen vollkommen gebannt an seinen Lippen zu hängen. Was bei dem Lärm, der im Saal herrscht, eine bemerkenswerte Leistung ist. Vermutlich ist das Allahlachmah. Niojanische Zauberer halten nicht viel von klangvollen Künstlernamen. Ich höre ihm eine Weile zu, aber als er anfängt, über Ehre. Pflicht und dergleichen zu bramarbasieren, verliere ich schlagartig das Interesse.
Den Rest des Nachmittags fahre ich kreuz und quer durch die frostgeschüttelte Stadt und überprüfe alle Leute, die von Hehlox Drachenschuppen gekauft haben. Aber das bringt mich nicht weiter. Ich weiß ja nicht einmal genau, wonach ich eigentlich suche. Nach jemandem, der Drachenschuppen kauft, dessen Haare aber nicht so wirken, als würde er sie sich hineinstecken. Jemand, der aussieht, als könnte er einen Auslöschungszauber wirken, der noch nie in Turai angewendet worden ist. Aber niemand von denen, die ich aufsuche, passt in diese Schuhe. Ich treffe nur auf einen Haufen vornehmer Damen mit jeder Menge Klunker an ihren welken Hälsen und Handgelenken. Oder auf Händlergattinnen, die auf der sozialen Leiter nach oben kraxeln und auch mit einem Haufen Klunker behängt sind. Selbst ein Hauptmann der Garde ist darunter. Er kauft Schmuck für ein Mädchen, für deren Eltern er niemals reich genug sein wird.
Der letzte Name auf meiner Liste ist Rizzrads, der Holzhändler, dessen Frau ich beschattet habe. Er ist über mein Auftauchen nicht gerade begeistert. Die meisten Leute, die mich einmal engagiert haben, reagieren so, selbst wenn ich gute Arbeit für sie geleistet habe. Das Ergebnis ist das gleiche wie bei all den anderen. Rizzrads hat die Drachenschuppen für seine Frau, die Ex-Schauspielerin, gekauft. Seine Frau braucht offenbar eine Menge Requisiten. Rizzrads macht mir unmissverständlich klar, dass er meine Anwesenheit nicht sonderlich schätzt. Da er seiner Frau jetzt wieder vertraut, soll sie auf keinen Fall herausfinden, dass er sie hat beschatten lassen.
Aber er wird sie immer wieder beschatten lassen. Er hätte eine Frau heiraten sollen, die nicht so anspruchsvoll ist. Und sie hätte weiter die Schauspielerin mimen sollen, bis ihr jemand Besseres ins Netz gegangen wäre.
Es hat wieder angefangen zu schneien. Als ich durch die nördlichen Außenbezirke von Pashish zurückgehe, fallen mir zwei Beine auf, die aus einer Schneewehe herausragen. Sie gehören zu einem erfrorenen Bettler. Und dabei ist das hier nicht mal das schlimmste Viertel der Stadt. Wenn ich an all das Gold denke, das in den Konvent gepumpt wird, fange ich an, mich aufzuregen. Ein winziger Bruchteil davon hätte einem dieser Bettler ein Dach über dem Kopf gewährt, statt in der Tasche oder in flüssiger Form in der Kehle eines dieser fetten Schmarotzer zu verschwinden. Wie Glorius zum Beispiel. Oder wie ich selbst. Mein Ärger verpufft und weicht tiefer Niedergeschlagenheit. Am liebsten würde ich nach Hause gehen, aber ich muss vorher noch zu dem Konvent, nach Lisutaris schauen und Zitzerius Bericht erstatten. Mich fröstelt. Ich habe zwar zwei neue Zaubersprüche gelernt, mit denen ich meinen Mantel aufwärmen kann, aber sie scheinen trotzdem nicht stark genug zu sein, um die Kälte auszusperren.
Ich berichte Zitzerius und spare dabei auch mein Scheitern nicht aus, Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter zum Suff zu bekehren.
»Ihr müsst es noch einmal versuchen.«
»Gut. ich versuche es noch einmal. Wo ist Lisutaris?«
»Sie ist bewusstlos. Bohemius und Dandius haben sie in meine Privatgemächer geschafft.«
»Kostet es sie Stimmen, weil sie ständig so berauscht ist?«
Zitzerius kann das nicht mehr beurteilen. Da jetzt die Hälfte der Teilnehmer des Konvents ständig unter dem Einfluss von Boah oder Thazis steht, oder vielmehr liegt, könnte es sogar zu ihren Gunsten ausschlagen.
»Und wir streuen auch weiterhin fleißig unser Gold unter die Magier?«
Der Vizekonsul nickt. Anscheinend bereitet ihm das auch keine besondere Freude.
»Wäre Euch ein netter, ordentlicher, frommer Kandidat wie Allahlachmah lieber?«
»Ja. So einen hab ich aber nicht.«
»Macht Euch keine Sorgen, Zitzerius. Wenn Lisutaris gewählt wird, erntet Ihr reichlich Meriten.«
Zitzerius nickt. Es gefällt ihm, die Rosinen zu lutschen. Nur der Prozess der Lese gefällt ihm nicht.
In diesem Moment schlendern Makri und Lisutaris an uns vorbei. Makri hat ihre Körperrüstung abgelegt und trägt jetzt nur noch ihren zweiteiligen Kettendress. Es ist der kleinste zweiteilige Kettendress, den die bekannte Welt je gesehen hat. Und sie hat ihn nicht mal ordentlich angelegt. Lisutaris ist zwar bekleidet, aber auch völlig durchnässt. Vermutlich ist ihr ein Experiment beim Bierschweben misslungen. Beiden baumelt je eine riesige Thazisrolle zwischen den Lippen, die eine pilzförmige Rauchwolke über ihren Köpfen erzeugt.
Zitzerius starrt sie entsetzt an. »Haben Bohemius und Dandius nicht …?«
»Ich bin ausgebrochen.« Lisutaris Stimme klingt undeutlich. »Ich musste Makri trösten.«
»Ich habe bei Direeva versagt«, erklärt Makri. »Tut mir Leid. Der Simnianer hat mich ausgetrickst. Sagt Tilupasis, dass sie ihn gleich hätte umlegen sollen.«
»Thraxas muss Sareepa umgarnen«, schlägt Lisutaris vor.
»Eine ziemlich schwergewichtige Aufgabe«, meint Makri und lacht. Dabei fällt ihr die Thazisrolle aus dem Mund und wird von dem Bier gelöscht, das aus Lisutaris’ Gewand tropft. Die Herrin des Himmels murmelt einen Zauberspruch, woraufhin sich die Thazisrolle vom Boden erhebt, in Makris Mund landet und sich selbst entzündet. Wenigstens hat die Zauberin nicht vergessen, wie man zaubert.
Es ist ein sehr glücklicher Umstand, dass der Eintritt zu dem Konvent so stark kontrolliert wird. Wenn die gewöhnlichen Bürger von Turai sehen könnten, wie ihre Oberschicht sich großzügig an allgemein verbotenen Substanzen bedient, dann wären sie vermutlich ziemlich konsterniert. Oder höllisch eifersüchtig.
»Ihr seht so mürrisch aus wie eine niojanische Hure«, erklärt Lisutaris Zitzerius. »Möchtet Ihr eine Thazisrolle?«
»Bitte, bringt sie nach Hause«, antwortet Zitzerius in meine Richtung. Ich habe ihn noch nie so verzweifelt gehört.
Die beiden Mädels wollen aber lieber nach ZwölfSeen statt nach Thamlin. Ich widerspreche ihnen nicht. Es ist ganz gut, wenn ich in Lisutaris’ Nähe bleibe. Makri ist nicht gerade in der Lage, sie zu beschützen. Ich schaffe sie unauffällig aus einem Seiteneingang hinaus und verfrachte sie in eine Regierungskutsche. Auf der Rückfahrt nach ZwölfSeen wacht Makri auf.
»Hast du meine Rüstung mitgenommen?«
»Ja.«
»Pass gut auf sie auf.« Dann schläft sie wieder ein und umklammert dabei ihren Panzer. Ich habe Makri in meinen Mantel gewickelt, damit sie nicht friert. Die Kutsche braucht lange für die Fahrt. Die Straßen sind beinah unpassierbar, und der Fahrer muss die Pferde mühsam durch das Schneegestöber treiben. Mir ist so kalt wie im Grab der Eiskönigin. Ich friere schon seit Wochen. Allmählich habe ich es satt.
Es ist ziemlich schwierig, meine Mündel die Treppe zu meinem Büro hinaufzuschieben. Als wir es halb geschafft haben, taucht plötzlich eine Bande Männer aus dem Schneetreiben auf.
»Thraxas!«, rufen sie.
Ich ziehe mein Schwert. Ich erkenne sie nicht. Es sind nicht die üblichen Schläger der Bruderschaft von ZwölfSeen. Es müssen etwa dreißig Männer sein, alle bis an die Zähne bewaffnet.
»Was wollt ihr?«
»Wir sind geschäftlich hier.«
»Wessen Geschäfte?«
»In Geschäften von Prätor Raffius.«
Ihr Anführer tritt vor. »Der Prätor steht im Rang über dir, Tribun. Es war nicht besonders schlau, sich gegen ihn zu stellen.«
»Es war nicht schlau von dem Prätor, euch mir auf den Hals zu hetzen. Ich arbeite für den Vizekonsul, und der steht rangmäßig über dem Prätor.«
»Ach wirklich?«, fragt der Sprecher. »Und wie findest du das hier?«
Dreißig Bewaffnete greifen mich an. Als Makri die Stimmen hört, wird sie wach. Sie erkennt die Lage und reißt schnell ein Schwert aus ihrem magischen Beutel. Als sie es hochhebt, rutscht es ihr aus der Hand und fällt polternd die Treppe hinunter.
Makri hat noch nie ihr Schwert fallen lassen.
»Ätzux!«, sagt sie auf Orgkisch und zieht ein zweites Schwert heraus. Doch dabei verliert sie den Halt auf der vereisten Treppe, fällt hinunter und landet hilflos auf dem Hosenboden. Die Männer lachen bei dem Anblick. Makri versucht aufzustehen, aber sie schafft es nicht. Raffius’ Schläger kommen näher.
»Glaubt ihr nicht an die Macht des Gesetzes?«, frage ich, während ich die Treppe hinuntergehe und mich schützend vor Makri auftaue. Wäre ich allein, hätte ich mich längst in der Kaschemme in Sicherheit gebracht und die Tür mit einem Schließbann gesichert. Aber ich kann die beiden Frauen ja nicht einfach hier draußen herumliegen lassen. Selbst ohne die Bedrohung durch Raffius’ Schläger würden sie schon bald erfrieren.
Die Lage ist hoffnungslos. Normalerweise kann ich mich selbst aus einer ausweglosen Lage befreien, indem ich meine zahlenmäßig überlegenen Gegner mit einem Schlafzauber außer Gefecht setze. Aber aufgrund der Temperaturen habe ich außer dem Wärmezauber für den Mantel keinen Zauber im Gedächtnis. Sondern nur ein Schwert in der Hand. Und auch wenn ich sehr gut damit umgehen kann, vermag ich gegen dreißig Schwerbewaffnete nichts auszurichten. Nur einer der reichsten Adligen von Turai würde sich dreißig Bewaffnete halten. Es sind viel zu viele, nach üblichem Maßstab. Ich werde also sterben, weil ich gezwungenermaßen einer Räumung widersprochen habe. Ich wusste doch, dass ich mich besser aus der Politik hätte heraushalten sollen.
Der erste Mann ist kaum einen Meter von mir entfernt, als hinter mir eine Stimme ertönt.
»Mich friert.«
Lisutaris, die Herrin des Himmels. Ihr ist kalt.
»Was geht hier vor?«
»Wir werden angegriffen.«
Ich hebe mein Schwert, um den ersten Schlag zu parieren. Im gleichen Moment werden die dreißig Schläger wie Federn in einem Wirbelsturm weggefegt. Und nur wenige Sekunden, nachdem ich mich auf meinen Tod vorbereitet habe, sehe ich mich einem großen Haufen von dreißig miteinander verschlungenen, bewusstlosen Schwertkämpfern gegenüber. Ich schaue mich um. Lisutaris kann zwar immer noch nicht stehen, hat sich aber am Geländer auf die Knie gezogen.
»Zauberhaft«, sage ich.
»Gern geschehen«, erwidert Lisutaris. »Ich komme nicht hoch. Helft mir hinein.«
Ich werfe mir Makri über die Schulter und marschiere die Treppe hinauf.
»Wenigstens könnt Ihr noch zaubern«, erkläre ich, während ich Lisutaris hineintrage.
»Natürlich kann ich noch zaubern. Ich bin die Nummer eins, was Magie angeht. Legt ein paar Scheite aufs Feuer. Hier drin friert es ja.«
Ich werfe einige Scheite aufs Feuer. Lisutaris wedelt schlaff mit ihren langen, manikürten Fingern, und die Scheite lodern fauchend auf. Das macht mich richtig neidisch. Hätte ich nur fleißiger studiert!