13. KAPITEL

Am nächsten Morgen statte ich Lisutaris in ihrer Villa einen Besuch ab und finde Makri an einem reich gedeckten Frühstückstisch sitzen.

»Ist Lisutaris noch bewusstlos?«

»Nein, sie ist hellwach.«

Das überrascht mich. »Was ist passiert? Ist die Wasserpfeife wegen Überlastung geplatzt?«

»Lisutaris zündet sich nie die Pfeife an, bevor Copro mit ihrem Haar fertig ist. Sie muss bei der morgendlichen Schönheitsbehandlung vollkommen wach sein. Copro würde es nicht gefallen, wenn sie nicht aufpasst. Er ist sehr temperamentvoll.«

Während ich mit Makri das Thema Copro bespreche, komme ich mir selbst auch recht temperamentvoll vor.

»Ich muss zu ihr.«

»Das geht jetzt nicht. Copro mag es nicht, wenn er bei der Arbeit gestört wird.«

»Wie bitte? Ist das dein Ernst? Ich versuche, sie vor einer Mordanklage zu bewahren, und sie hat keine Zeit, weil sie toupiert wird?«

»Du kannst nicht von einer bedeutenden Zauberin erwarten, dass sie unfrisiert auf einen wichtigen Konvent geht«, erwidert Makri. »Das dürfte kaum jemanden beeindrucken.«

»Sie wählen den Obersten Hexenmeister, nicht die modischste Frau des Jahres.«

»Niemand wird für sie stimmen, wenn sie glauben, dass sie sich keine Mühe mit ihrem Aussehen gibt«, versichert Makri mir.

»Wieso bist du so plötzlich eine Anhängerin von Copro geworden? Ich dachte, du magst ihn nicht.« Ich mustere Makri misstrauisch. »Irgendwas an dir ist anders.«

»Nein, ist es nicht.«

»Doch, ist es wohl. Du hast eine andere Frisur.«

»Nur eine winzige Veränderung«, sagt Makri abwehrend. »Copro meinte, es würde meine Wangenknochen besser zur Geltung bringen, wenn …«

»Deine Wangenknochen? Was ist denn in dich gefahren? Als du in Turai angekommen bist, hast du ständig davon gefaselt, wie dumm diese reichen Frauen wären …«

»Ich versuche nur, mich anzupassen«, meint Makri. »Als Lisutaris’ Leibwächterin kann ich wohl schlecht mit ihrem Friseur streiten. Das würde nur zu Spannungen führen.« Sie mustert ihre Fingernägel. »Glaubst du, ich sollte mir auch die Fingernägel neu lackieren lassen? So richtig gefällt mir diese Farbe nicht.«

»Was stimmt denn damit nicht?«

»Sie passt nicht so recht zu meinem Kettenhemd.« Makri hält ihre Finger über ein Stück Panzer und äugt aufmerksam in den Spiegel. »Thraxas, erinnerst du dich noch daran, wie ich dir gesagt habe, ich würde mein Haar gern blond färben? Das war auf Avula, als wir all diese blonden Elfenfrauen gesehen haben. Was hältst du eigentlich davon?«

»Hörst du endlich auf, so einen Unsinn zu reden? Gestern noch wolltest du Grobiax mit deiner Axt in Stücke hacken, und jetzt zwitscherst du davon, dein Haar blond zu färben?«

»Ich wüsste nicht, wieso diese beiden Dinge sich ausschließen sollten«, protestiert Makri.

»Das Leben war wirklich einfacher, als du noch eine unwissende Barbarin warst.«

»Ich war nie eine unwissende Barbarin.«

»Jedenfalls hast du damals nicht von Frisuren und Schminke palavert. Als du in dieser Stadt ankamst, wolltest du nur eins: die Universität besuchen.«

»Das will ich immer noch. Aber vielleicht trage ich dann ein bisschen Lidschatten.«

»Was ist nur aus Makri, der wahnsinnigen Schwertkämpferin, geworden?«

»Entscheide dich endlich, Thraxas. Erst letzte Woche hast du mir die Leviten gelesen, weil ich den Boahhändler getötet habe. Willst du, dass ich jemanden umbringe? Gern. Zeig einfach mit dem Finger drauf.«

»Ich will nicht, dass du jemanden umbringst.«

»Mach dir keine Sorgen um mich«, sagt Makri, die sich zusehends für dieses Thema erwärmt. »Ich töte jeden, der getötet werden muss. Orgks, Menschen, Elfen, Trolle, Drachen, Schlangen, mythische Biester…«

»Wirst du endlich aufhören, ständig vom Umbringen zu reden?«

»Was denn, ich soll also weder davon reden, Leute umzubringen, noch über Frisuren oder Schminke? Gibt es vielleicht ein Thema, mit dem du einverstanden wärst?«

»Die Lösung eines Mordfalls wäre zum Beispiel ein sehr gutes Thema. Wie lange wird Lisutaris brauchen?«

»Ich glaube, sie bekommt heute auch noch eine Maniküre. Copro hat seine besten Assistenten mitgebracht und auch einen Fußpfleger.«

Das kann ja noch ziemlich lange dauern. Makri scheint sich nicht besonders für das Essen auf dem Büfett zu interessieren, also häufe ich mir ein ordentliches zweites Frühstück auf den Teller und verwünsche dabei lautlos Copro und seinesgleichen. In meiner Jugend war die Stadt noch nicht von Kosmetikern und Coiffeuren überlaufen. Der alte Konsul Juvenius hätte Copro kurzerhand von der Mauer geworfen. Was ich ganz gut finden würde.

»Also, was ist deine Meinung?«, fragt Makri.

»Wozu?«

»Ob ich mein Haar blond färben sollte.«

»Ich glaube, du würdest wie ein billiges Flittchen aussehen. Hör auf, mich deswegen auszufragen.«

»Musst du so unfreundlich sein? Es ist sehr anstrengend, auf Lisutaris aufzupassen. Ich brauche dringend eine Entspannung.«

Ich kann das einfach nicht länger ertragen, gehe mit meinem Teller ans Fenster und betrachte den weißen Garten. Wenn Makri mich noch einmal wegen ihres Haars fragt, dann könnte ich geneigt sein, sie wegen Beihilfe zum Mord hinter Gitter zu bringen. Plötzlich gibt es Unruhe in der Halle, und ein Bote kommt herein. Er ruft nach Makri. Dann reicht er ihr ein Stück Papier. Makri bricht das Siegel auf, liest, und ihre Stirn kräuselt sich in Sorgenfalten.

»Schlechte Nachrichten von dem Konvent.«

»Haben die Zauberer etwa den Schleier durchdrungen …?«

»Nein. Ramius Sonnensturm hat Adonius losgeschickt, damit dieser Prinzessin Direeva zum Abendessen einlädt. Tilupasis macht sich große Sorgen.« Makri springt auf die Füße. »Ich muss sie abfangen.«

»Wer ist denn Adonius?« Ich bin verwirrt.

»Nach übereinstimmenden Berichten der bestaussehende junge Mann von Simnia. Tilupasis hat sich schon die ganze Zeit seinetwegen Sorgen gemacht. Dieser Ramius ist wirklich gerissen.« Makri will sofort aufbrechen. Sie hat einen entschlossenen Ausdruck in ihren Augen. »Ich werde es nicht zulassen. Nicht einmal der bestaussehende junge Mann von Simnia wird Direeva dazu verleiten können, ihre Stimmen Ramius Sonnensturm zu geben.« Sie legt hastig ihre Rüstung an und wirft ihre Waffen in das kleine Täschchen, in dem sich auch der magische Beutel befindet. Die ganze Zeit über murmelt sie dabei etwas von der Hinterhältigkeit der Simnianer. »Das ist eine wirklich verschlagene Taktik. Denen werde ich es zeigen.«

»Ich dachte, du wärst nicht begeistert über diese Sache mit dem Stimmenabwerben? Du sagtest, es wäre korrupt.«

»Das ist es ja auch. Aber ich lasse mich auf keinen Fall besiegen«, behauptet Makri. »Kümmere dich um Lisutaris, bis sie zum Konvent kommt. Und was du auch tust, beleidige Copro nicht. Er ist extrem empfindlich.«

Makri wirft einen letzten missbilligenden Blick auf ihre Fingernägel und eilt davon. Ich setze mich hin, verdrücke den Rest des Büfetts und klingele nach mehr Bier. Die junge Dienerin, die auf das Klingelzeichen hin auftaucht, hat einen deutlich bäuerlichen Akzent. Zweifellos eine bodenständige und kluge Frau, die von den Bauernhöfen vor der Stadt kommt.

»Was haltet Ihr von Copro?«. frage ich sie.

»Er ist ein großer Mann und eine Zierde für die Stadt«, erwidert sie wie vom Katapult geschossen. »Man sollte ihn zum Senator machen.«

Ich mustere ihr Gesicht. »Gab es auf Eurem Bauernhof Kosmetikbehandlungen?« Sie schüttelt den Kopf. »Deshalb bin ich ja in die Stadt gezogen.«

Turai ist wahrhaftig dem Untergang geweiht.

Lisutaris’ Schülerin kommt aus den Privatgemächern der Zauberin. Sie teilt mir mit, dass ihre Herrin gleich fertig sein wird.

»Wie lange dauert gleich?«

»Höchstens eine Stunde.«

Schließlich taucht Lisutaris auf, begleitet von Copro und seinen Helfern.

»Thraxas.« Lisutaris begrüßt mich zuvorkommend. Sie ist hellwach. Ich sehe sie zum ersten Mal seit dem Beginn des Konvents in diesem Zustand. Copro fummelt immer noch mit einem Kamm an ihr herum. Er ist dünn, dunkelhäutig und etwas jünger, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Und er redet nicht so affektiert, wie ich erwartet habe, auch wenn ich ihn nicht unbedingt bei einem Kampf neben mir haben wollte. Er dürfte wohl ein Schwert längst nicht so souverän handhaben wie seinen Kamm. Ich bemerke zu meinem Missfallen, dass unter seinem langen Haar juwelenbesetzte Ohrringe in seinen Läppchen glänzen. Viele Zünfte in Turai benutzen goldene Ohrringe als Rangabzeichen, aber nur wenige Männer möchten Juwelen in ihren Ohren tragen.

Copro deutet mit einer extravaganten Geste auf Lisutaris. »Gefällt es Euch?«

»Es ist wunderbar. Lisutaris, wir müssen zum Konvent. Zitzerius beklagt sich nachdrücklich über Euer Fernbleiben. Und Tilupasis macht mir wirklich zu schaffen.«

Lisutaris verspricht mir, dass sie gleich fertig ist, und verschwindet kurz nach oben.

»Ich liebe Eure Freundin Makri«, erklärt Copro. »Was für eine ungezähmte Schönheit.«

Ich grunze zustimmend und setze mich.

»Sie sollte mir wirklich erlauben, ihr Haar ein wenig zu personalisieren.«

Makri hat eine gewaltige, ungebärdige Mähne, die auf ihre Art schon bemerkenswert ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihr Haar in einem derart gekünstelten Stil tragen möchte, wie Turais Aristokratinnen ihn bevorzugen. Zu meiner Enttäuschung stimmt Copro anscheinend mit mir in diesem Punkt überein.

»Natürlich würde einer Frau wie Makri keine gekünstelte Haartracht stehen. Ihre wundervollen Gesichtszüge würden nur heruntergesetzt. Aber ein bisschen Stil könnte ihre Ausstrahlung nur verstärken, die Kraft ihres Charakters betonen. Diesen Stil nennen die Abelasianer übrigens Sommergewitter. Einfach atemberaubend. Ich habe dasselbe bereits bei Prinzessin Direeva bewerkstelligt.«

»Ihr frisiert auch Direeva?«

»Prinzessin Direeva besteht auf den Diensten des Besten. Ich bin oft in die Blauen Berge geladen worden.«

Ich hatte eigentlich nicht vor, mich mit Copro in ein Gespräch zu vertiefen, und widme mich angelegentlich meinem Bier. Aber Copro findet mich anscheinend weit interessanter als ich ihn. Er setzt sich mir gegenüber an den Tisch.

»Ihr habt ja einen so faszinierenden Beruf. Ist es denn sehr gefährlich, all diese bösen, bösen Verbrecher zu jagen?«

»Ja.«

»Und? Ist es schön aufregend?«

»Nein. Aber ich brauche das Geld.«

Copro mustert mich. Ich warte nur darauf, dass er irgendeine dumme Bemerkung über mein Aussehen macht. Ich habe mein langes Haar zu einem Zopf geflochten, und wenn er vorschlägt, ob er es nicht frisieren sollte, dann werfe ich ihn achtkantig hinaus. Aber er stellt mir nur ein paar neugierige Fragen über meine Arbeit, und ich knurre lustlos ein paar nichts sagende Antworten. Die ganze Zeit über wünsche ich mir, dass ich nicht in Lisutaris’ Villa wäre, und erinnere mich an die Zeit, als ich ebenfalls in diesem besseren Teil der Stadt gelebt habe. Ich habe mich hier nie besonders wohl gefühlt. Schließlich gibt Copro auf und unterhält sich mit Lisutaris’ Schülerin über die neueste Mode aus Samserika. Anscheinend geht es da um Sommermode, auch wenn ich nicht begreifen kann, wieso sie mitten im Winter über Sommermode reden können.

Copro ist mit leeren Händen in Turai angekommen, und jetzt ist er steinreich. Trotz seines Herumgefuchtels und seines gezierten Geredes verbirgt sich unter dieser Maske bestimmt ein eiskalter und gerissener Geschäftsmann. Zudem einer, der schlau genug war, sich niemals von einem Drachen die Haare versengen zu lassen.

Schließlich habe ich das Geplappere satt und begebe mich auf die Suche nach der Zauberin. Die Diener schauen mich missbilligend an. als ich mich ihren Privatgemächern nähere, aber ich ignoriere sie einfach. Schließlich finde ich Lisutaris in ihrem Schlafzimmer, wo sie an ihrer Wasserpfeife nuckelt.

»Es wird Zeit zu gehen«, erkläre ich und ziehe sie unsanft auf die Füße.

Sie schaut mich überrascht an. »Ich kann nicht glauben, dass Ihr mich eben angefasst habt.«

»Wäre es Euch lieber gewesen, wenn ich Euren Stylisten umgebracht hätte?«

»Als mich das letzte Mal jemand angefasst hat, habe ich ihn mit einem Herzanfallzauber bestraft.«

»Es würde mich ehrlich gesagt überraschen, wenn Ihr Euch noch an einen Zauber für eine Rotznase erinnern könntet. Werdet Ihr denn Eure Thazisträume niemals leid?

Zieht Euren warmen Mantel an, und ruft die Kutsche! Wir werden auf dem Konvent erwartet. Ihr müsst eine Wahl gewinnen. Zitzerius bezahlt mich dafür, dass es klappt. Also gehen wir.«

Lisutaris wirft einen sehnsüchtigen Blick auf die Wasserpfeife.

»Fasst Ihr diese Pfeife noch einmal an, dann werde ich Euch ohrfeigen.«

»Ich würde Euch töten, wenn Ihr das versuchen würdet.«

»Und wer schafft Euch dann die Mordanklage vom Hals? Seht der Wahrheit ins Auge, Lisutaris, Ihr braucht mich. Also gehen wir.«

Lisutaris schaut mich mit sichtlichem Ekel an. »Mir war gar nicht klar, wie unfreundlich Ihr seid.«

»Dann seid Ihr wohl die letzte Person in Turai, die das nicht weiß. Meine Unfreundlichkeit ist berüchtigt. Und jetzt macht Euch fertig, bevor ich Euch hochhebe und in die Kutsche schleppe.«

Lisutaris packt etwa hundert Thazisrollen zusammen und verstaut sie in einem magischen Beutel. Schon auf dem Weg zum Konvent fängt sie an, sie zu rauchen. Wir haben die Wahre-Schönheit-Chaussee kaum verlassen, als ihr Kopf bereits verdächtig hin und her pendelt. Ich nehme ihr die Thazisrolle aus der Hand und werfe sie aus dem Kutschfenster.

»Was zum Teufel ist los mit Euch? Ihr wart einmal eine gute Zauberin, und jetzt seid Ihr so nützlich wie ein Eunuch in einem Bordell.«

Sie schüttelt langsam den Kopf. »Ich mache mir Sorgen, dass ich Darius vielleicht getötet haben könnte.«

»Neulich wart Ihr ziemlich sicher, dass Ihr es nicht wart.«

»Jetzt bin ich nicht mehr so sicher.« Sie nimmt eine frische Thazisrolle aus dem magischen Beutel. Lisutaris, Herrin des Himmels, bricht langsam zusammen. Als wir auf dem Konvent eintreffen, kann sie kaum noch laufen. Tilupasis fängt uns an der Tür ab und führt Lisutaris zu einem Privatgemach, bevor einer der anderen Zauberer ihren Zustand bemerken kann. Makri und Prinzessin Direeva schauen zu.

»Vor zehn Jahren war sie noch nicht so«, erklärt Direeva. Ihr Haar schwingt sacht hin und her. Die Drachenschuppen, die von einem Juwelier sehr schön geschliffen wurden, funkeln schillernd im Licht der Fackeln.

»Es ist unser Pech, dass Ramius Sonnensturm ein ziemlich asketischer Zauberer ist.«

Direeva erkundigt sich, ob ich Fortschritte in dem Fall gemacht habe. Ich antwortete unverbindlich.

»Am Ende werde ich ihn lösen. Das hängt davon ab, wie viel Zeit ich habe. Wie funktioniert der Verschleierungszauber?«

»Er ist stark genug«, antwortet die Prinzessin.

Gestern Nacht hat Melis die Reine Lisutaris einen Besuch abgestattet und ihre Kräfte zu der Anrufung hinzugefügt. Damit ist der Zauber erheblich verstärkt worden. Ich hoffe nur, dass wir Melis trauen können. Sie ist so spitz wie ein Elfenohr und Lisutaris eng verbunden. Aber sie ist trotzdem eine Person mehr, die uns verraten könnte. Der Druck der Ereignisse lastet schwer auf mir. Makri fragt sich, was wohl passieren würde, wenn Lisutaris die Wahl tatsächlich gewinnen und anschließend des Mordes überführt werden würde.

»Das ist schwer zu sagen«, antworte ich. »Soweit ich die Regeln der Zaubererinnung verstehe, kann der Oberhexenmeister nicht aus der Innung ausgeschlossen werden. Lasath die Goldsichel ist der derzeitige kommissarische Oberhexenmeister, aber sobald er den neuen Zauberer in seinem Amt bestätigt hat, kann der nicht mehr abgewählt werden. Und in Anbetracht der Tatsache, dass man wichtigen adligen Bürgern von Turai normalerweise gestattet, ins Exil zu fliehen, bevor sie eines ernsthaften Verbrechens für schuldig befunden werden, könnte Lisutaris die Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung sein und gleichzeitig im Exil in einer anderen Stadt leben.«

»Könnte sie denn jemals nach Turai zurückkehren?«

»Vielleicht, wenn ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist. Vermutlich spekuliert Zitzerius auf diese Lösung, falls ich ihren Namen nicht rein waschen kann. Mir und dir wird das allerdings kaum helfen.«

Ich bin fest in der Unterschicht Turais verwurzelt. Schon das »as« am Ende meines Namens weist mich als Proletarier aus. Wenn ich in einen Mordfall verwickelt werde, wird niemand wegsehen, falls ich versuchen sollte, aus der Stadt zu fliehen.

Makri ist es gelungen, Prinzessin Direeva vor deren Verabredung mit Adonius abzufangen. Und jetzt gibt sie ihr Bestes, um die Prinzessin mit Geschichten von ihren Heldentaten in der Gladiatorenarena zu unterhalten. Es scheint zu funktionieren. Direeva lauscht interessiert.

»Ich musste selbst sehr oft kämpfen«, meint sie. »Als mein Großvater gestorben ist, hat mein Onkel versucht, meinem Vater das Königreich wegzunehmen. Der Bürgerkrieg dauerte zwei Jahre, bis wir ihn schließlich besiegen konnten. Mein Onkel hatte eine Armee von orgkischen Söldnern angeworben, die wir nur mithilfe der Abelasianer besiegen konnten. Darius Wolkenstürmer war damals unser Verbündeter. Wir werden ihn vermissen.«

Ein listiger Ausdruck schleicht sich in Makris Blick. »Ja, das ist wirklich ein schrecklicher Verlust. Aber da Ihr jetzt dreißig Stimmen übrig habt, werdet Ihr sie doch sicher Lisutaris geben, hm?«

»Wart Ihr deshalb so herzlich zu mir?« Direeva wirkt ein wenig verschnupft.

»Natürlich nicht«, beeilt sich Makri zu versichern. Sie ist tatsächlich etwas verlegen. »Ich begegne grundsätzlich jeder Frau herzlich, die eine ganze Armee befehligen kann. Aber da Euer Freund jetzt brutal ermordet worden ist, müsst Ihr ja für jemand anderen stimmen. Ich meine, es ist schon schade, dass Euer alter Bundesgenosse mit meinem Messer im Rücken in einer Schneewehe enden musste, aber man soll sich ja an der Vergangenheit nicht zu lange festklammern. Und das Natürlichste wäre doch, für Lisutaris zu stimmen … Angesichts der Tatsache, dass Darius bedauerlicherweise in Thraxas’ Büro hinterrücks ermordet worden ist… gerade neulich … mit meinem Messer…« Makris Stimme wird bei den letzten Worten immer leiser. Sie hebt ihre Hand. »Gefällt Euch mein Nagellack? Ich selbst bin mir da nicht so sicher.« Direeva lacht schallend. Und für eine Prinzessin recht herzlich. »Wenn Ihr jemals aus Turai vertrieben werdet, Makri, könnt Ihr gern zu mir in die Blauen Berge kommen«, sagt sie. »Vielleicht stimme ich tatsächlich für Lisutaris. Nachdem ich mir einen Eindruck von Turai verschafft habe, vermute ich stark, dass es für Euren Stadtstaat von lebenswichtiger Bedeutung ist, dass Lisutaris die Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung wird. Ich wusste nicht, dass ihr so schwach geworden seid. Ihr seid für einen Angriff der Orgks extrem anfällig.«

»Bis jetzt haben sie sich noch nicht von den Prügeln erholt, die wir ihnen das letzte Mal verabreicht haben«, mische ich mich ein.

Davon ist Prinzessin Direeva allerdings nicht so überzeugt. »Es ist sehr schwierig, vorauszusagen, wann ein neuer Führer auftaucht, der die orgkischen Nationen vereinen und sie nach Westen fuhren kann.«

Ich habe einen großen Orgk-Krieg mitgemacht und erwarte auch eigentlich nicht, mein Leben zu beschließen, ohne einen weiteren über mich ergehen lassen zu müssen. Aus diesem Grund bin ich sehr an Direevas Einschätzung interessiert.

»Letztes Mal konnte man das eigentlich ebenfalls nicht vorhersehen«, fährt die Prinzessin fort. »König Bergamotz von Ätherol war relativ unbedeutend, bis sein Nachbarland ihn gebeten hat, ihren Erbfolgestreit zu schlichten. Er hat daraufhin kurzerhand seinen eigenen Vetter dort als König eingesetzt, die Kontrolle über die östliche Handelsroute an sich gerissen, angefangen, mit Gold und Sklaven zu handeln, und ist sehr reich geworden. Bevor man es sich versah, nannte er sich Bergamotz der Fürchterliche und hat eine Armee ausgehoben, um die ganze Region zu erobern. Nachdem er Rezaz den Schlächter auf seine Seite gezogen hatte, entwickelte er sich zu einem sehr einflussreichen Führer der Orgk-Lande. Und das nur sechs Jahre, nachdem er den Thron von Ätherol bestiegen hat. Was danach passiert ist, erinnert Ihr ja noch.«

Das kann man wohl sagen. Ohne die gerade noch rechtzeitige Intervention der Elfenarmeen wäre Turai jetzt eine unbedeutende Provinz von Ätherol.

»Das Königreich von Ätherol hat sich zwar noch nicht von der Niederlage erholt«, fährt die Prinzessin fort, »aber die Nation von Gzak wird immer stärker. Es ist ein sehr reiches Land, und viele Orgk-Nationen verehren Gzak wegen ihrer zahllosen Siege im letzten Jahrhundert.«

»Also glaubt Ihr, dass Gzak bei uns einmarschieren könnte?«, fragt Makri. Sie klingt allerdings nicht sonderlich entsetzt über diese Vorstellung. Hier in Turai findet sie einfach nicht genug Orgks, die sie abschlachten kann.

»Möglich ist es. Aber schwer vorauszusagen. Es braucht etwas Besonderes, um die Orgks zu vereinen. Im letzten Jahrhundert hat Osamaian der Große seine Karriere als kleiner Rebellenführer begonnen. Die gleiche Anziehungskraft, die seine Gefolgsleute selbst in schwierigen Zeiten an ihn fesselte, war auch dafür verantwortlich, dass er schließlich zum höchsten Kriegslord des ganzen Ostens aufstieg. Die Orgk-Lande sind selten friedfertig. Wer weiß schon, ob nicht vielleicht auch einer der gegenwärtig um die Macht ringenden Rebellenprinzen zu wahrer Größe auserkoren ist? Habt Ihr von dem jungen Prinz Amrag von Kose gehört, der gerade den König gestürzt hat? Man sagt, dass er als uneheliches Kind ausgesetzt wurde, aber seine brillante Kriegsführung war zu gerissen für die Armee, die sich mit ihm auseinander gesetzt hat. Er soll ein wirklich ausgesprochen charismatischer Orgk-Führer sein.«

Ich nicke. Ich habe von Prinz Amrag gehört. Angeblich ist er ebenso charismatisch wie wild und erfolgreich.

»Kursiert da nicht die wüste Geschichte, dass er kein hundertprozentiger Orgk sein soll?«

»Was meinst du mit ›kein hundertprozentiger Orgk?‹«, fährt Makri hoch.

»Er ist ein Halbblut«, antwortet ihr Direeva. »Ein bisschen Menschenblut scheint in der Mischung zu sein. Ein paar abenteuerlichere Geschichten besagen, dass er sogar Elfenblut in sich habe, aber das mag ich nicht glauben. Doch schon die Tatsache, dass sich solche Geschichten um Amrag ranken, zeigt, wie sehr dieser Orgk die Fantasie seiner Landsleute anheizt.«

Mich überkommt kurz eine Vision der Schrecken des letzten Krieges. Mit einiger Mühe gelingt es mir, sie zu verbannen. Darüber nachzudenken, fehlt mir die Zeit, genauso wie über die Zukunft zu räsonieren.

»Ich muss etwas wegen der aktuellen Krise unternehmen. Ich bin dem Mörder noch keinen Schritt näher gekommen. Und da wir jetzt wissen, dass Incognixus hier ist, schwebt Lisutaris in allerhöchster Gefahr.«

»Vielleicht weiß Marihana ja Genaueres. Ich werde sie fragen«, erklärt Makri.

»Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?«

»Du hast schließlich auch Sermonatius geholfen.«

Die arme Makri. Wenn sie nicht so naiv wäre, dann wusste sie, dass ich mich niemals in die Räumung eingemischt hätte, wenn man mich nicht erpresst hätte.

Makri wendet sich wieder an Direeva, aber die Prinzessin hat ihre Aufmerksamkeit auf einen jungen Mann in einem sehr gut geschnittenen, körperbetonenden Regenbogenumhang gerichtet. Sein goldblondes Haar fällt fast wie Bast über seine Schultern. Vermutlich ist das Adonius.

»Wo ist der denn so plötzlich hergekommen?«, will Makri wissen. Es gefällt ihr gar nicht, dass sie von dem jungen simnianischen Zauberer verdrängt worden ist. »Findest du den Schönling etwa gut aussehend?«

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern.

»Ich finde nicht, dass er gut aussieht«, behauptet Makri. »Sieh dir bloß diese mädchenhaften blonden Löckchen an!«

»Du magst doch mädchenhafte blonde Löckchen.«

»Ja, eigentlich sind sie wirklich ganz hübsch, wo du das so sagst«, erklärt Makri. »Entschuldige, ich muss den beiden mal eben dazwischenfunken.«

Mit dem entschlossenen Gesichtsausdruck einer Frau, die man nicht so leicht einfach stehen lassen kann, drängt sich Makri zwischen Direeva und Adonius und mustert den Simnianer feindselig.

»Ich habe gehört, dass in Simnia die Syphilis ziemlich schlimm wütet«, erklärt sie. »Womit behandelt ihr sie denn?«

Ich überlasse sie ihrem Kampf. Die Dinge mögen schlecht stehen, aber wenigstens verlangt Tilupasis nicht von mir, jemandem um den Bart zu gehen. Der Konvent bildet weiterhin den einzigen bunten Punkt in dieser ansonsten grau gefrorenen Stadt. Das Verhalten von Glorius Viktorius und seinen fröhlichen juvalianischen Kumpanen lässt jedenfalls nicht darauf schließen, dass der Schatten, den der Mord an Darius über die Versammlung geworfen hat. besonders lang ist. Hinter den Kulissen arbeiten die hohen Zauberer vielleicht eifrig an einer Aufklärung, aber im Hauptsaal gerät die Feier allmählich aus den Fugen. Zitzerius ist bis ins Mark erschüttert.

»Darauf war ich nicht ganz vorbereitet«, gibt er schließlich zu. Neben ihm haben einige dunkelhäutige Zauberer einen Wettkampf angezettelt, in dem sie ermitteln, wer allein mittels der Kräfte der Magie das größte Bierfass in der Luft schweben lassen kann.

»Wenigstens haben wir ihre Stimmen«, meint Zitzerius und tritt rasch zur Seite, um einem Bierstrom auszuweichen. »Wir haben eine ganze Wagenladung Bier in ihr Quartier geschickt.«

Da Darius jetzt aus dem Weg geräumt ist, scheint es so gut wie sicher, dass Ramius die Wahl gewinnt. Allerdings ist Lisutaris nach wie vor die heißeste Anwärterin auf den zweiten Platz. Noch vor Rourkim dem Allwissenden. Aber offenbar legt gerade ein Zauberer namens Allahlachmah einen überraschend guten Auftritt hin.

»Ausgerechnet ein Niojaner«, meint Zitzerius lebhaft.

Nioj ist unserer nördlicher Nachbar und momentan die größte Bedrohung für Turais Existenz. Sollten die Niojaner die Kontrolle über die Zaubererinnung gewinnen, können wir uns gleich König Lamachus unterwerfen.

»Wie kann denn ein Niojaner Stimmen für sich gewinnen?«, frage ich. »Niemand mag Niojaner. Sie sind fanatische religiöse Fundamentalisten. Ihre Kirche hält nicht einmal etwas von Magie. Sie trinken nicht, sie verstehen keinen Spaß, und sie tun nichts anderes außer beten.«

»Nüchternheit und Frömmigkeit werden nicht überall verachtet«, kontert Zitzerius.

»He, wir reden hier von Zauberern. Wann hätten die je für einen Abstinenzler gestimmt?«

Da muss Zitzerius mir Recht geben. Das ist tatsächlich merkwürdig.

»Hat er vielleicht mit seinem niojanischen Gold um sich geworfen?«

»Höchstwahrscheinlich. Aber vergesst nicht, viele Staaten aus dem Hohen Norden hoffen darauf, dass Nioj sie vor den Orgks beschützt. Allahlachmahs nüchterne Art ist denen, die mit einem unmittelbaren Angriff rechnen müssen, vielleicht nicht so unwillkommen. Außerdem ist er ein Kriegsheld und war mindestens ebenso tapfer wie Lisutaris oder Ramius. Möglicherweise noch viel mehr. Die Geschichten, wie er unerschrocken die Truppen in die Schlacht führte, haben sich allgemein herumgesprochen.«

»Ich kann mich an Allahlachmah erinnern. Er war wohl ein ganz guter Befehlshaber. Aber seine Zauberkunst hat längst nicht dasselbe Niveau wie die von Lisutaris.«

»Immerhin kann er alleine gehen. Das hilft ungemein«, versetzt Zitzerius bissig. »Was ist mit dem Verschleierungszauber?«

»Er hält noch. Direeva und Melis die Reine haben ihn verstärkt.«

»Habt Ihr Prinzessin Direeva mittlerweile von der Liste der Verdächtigen gestrichen?«

»Nein. Ich habe sie von gar nichts gestrichen. Es gefällt mir immer noch nicht, wie eng sie an Lisutaris klebt. Aber ich verfolge auch noch ein paar andere Spuren. Es gibt einen Lehrling, der für Darius gearbeitet hat. Er wurde gefeuert, nachdem er beschuldigt wurde, Gelder unterschlagen zu haben. Als er ging, hat er wüste Drohungen gegen Darius ausgestoßen. Die letzten Nachrichten von dem Lehrling kamen aus Mattesh. Anscheinend hat er immer noch Magie praktiziert. Außerdem habe ich eine Spur, was den Auslöschungszauber angeht.«

Es wird orange und goldfarben, als die südlichen Zauberer mit ihren Leuchtstäben prahlen. Nach drei Konventtagen fallen die Hemmungen allmählich, und es kommt mehr Magie ins Spiel. Wenn man keine derben Überraschungen mag, sollte man einen großen Bogen um die Königliche Halle schlagen.

»Ich kann es einfach nicht ertragen, den Hauptsaal zu betreten«, gesteht mir Zitzerius genervt. »Jedes Mal, wenn ich einen Fuß hineinsetze, nehme ich ein Fußbad in Bier oder Wein.«

»Wenigstens feiern sie. Das ist besser, als wenn sich alle daranmachten, den Mordfall zu lösen.«

Zitzerius’ Assistent Harrius kommt auf uns zugehastet. Er beugt sich vor und flüstert dem Vizekonsul etwas ins Ohr. Obwohl die Zauberer ein derbes Trinklied angestimmt haben und man bei dem allgemeinen Lärm sein eigenes Wort kaum versteht. Zitzerius hört aufmerksam zu und schickt Harrius dann weg.

»Schlechte Nachrichten. Ramius Sonnensturm und der Alte Hasius Brillantinius haben wissen lassen, dass sie kurz davor stehen, die verborgenen Ereignisse zu entschleiern. Ramius ist natürlich besonders scharf darauf. Es würde seinen Ruf erheblich untermauern.«

»Könntet Ihr nicht etwas unternehmen, um den Alten Hasius von der Fährte abzulenken? Er ist spitz wie ein Elfenohr, wenn es darum geht, in die Vergangenheit zurückzublicken. Gibt es nicht zufällig irgendeine hochnotpeinliche Angelegenheit im Justizdomizil, um die er sich dringend kümmern muss?«

»Unglücklicherweise nicht«, erwidert Zitzerius. »Der König hat Hasius die ausdrückliche Erlaubnis erteilt, hier zu bleiben und zu helfen. Der König will natürlich dem Zaubererkonvent alle nur denkbare Unterstützung gewähren.«

»Dann kann ich wohl davon ausgehen, dass Majestät nichts davon weiß, dass unsere eigene Kandidatin als Hauptverdächtige fungiert?«

Zitzerius schüttelt den Kopf. Seine Miene ist grimmig. »Ihr müsst sie wenigstens bis nach der Wahl aufhalten«, befiehlt er mir. »Wir sind auf dieses Amt angewiesen. Und jetzt noch ein paar Worte zu der Angelegenheit mit Prätor Raffius und der Räumung.«

Ich erwarte, dass Zitzerius mich deswegen zusammenfaltet, aber der Vizekonsul scheint dieses eine Mal zu begreifen, dass ich in einer ausweglosen Lage gesteckt habe.

»Es war sehr raffiniert von Senator Lohdius, zu erkennen, dass Ihr ihm in dieser Sache helfen könntet. Dass dies passieren könnte, ist mir nicht klar gewesen, als ich Euch zum Tribun des Volkes gemacht habe. Ich bedauere, dass er damit für die Volkspartei einen kleinen Sieg errungen hat, aber im großen Kontext spielt das keine Rolle. Trotzdem solltet Ihr versuchen, Euch in Zukunft aus solchen Aktionen herauszuhalten, was auch immer passiert.«

»Ich tue mein Bestes.«

Tilupasis gesellt sich zu uns und umkurvt elegant einen schwebenden Krug. Sie scheint von dem allgemeinen Aufruhr um uns herum vollkommen unbewegt und gibt dem Vizekonsul einen kurzen Bericht. Es sind noch zwei Tage bis zur Wahl, und unsere Lage ist gar nicht einmal so schlecht. Allerdings macht sich Tilupasis Sorgen wegen des wachsenden Zulaufs für Allahlachmah.

»Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter scheint ziemlich von ihm eingenommen zu sein. Gott allein weiß, warum.«

Zitzerius ist bestürzt. Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter ist die Oberhexe der Zaubererinnung von Mattesh, unserem südlichen Nachbarn.

»Sie haben eine Menge Einfluss in der Liga der Stadtstaaten. Sareepa kontrolliert etwa zwölf Stimmen. Die können wir nicht einfach kampflos Nioj überlassen.«

»Haben wir Sareepa nicht schon bestochen?«

»Sie hat das Gold zurückgegeben«, erklärt Tilupasis. »Nachdem sie Allahlachmah zugehört hat, wie er über die Pflichten der Zauberer Gott und dem Staat gegenüber monologisiert hat, meinte sie, dass sie es bereut, überhaupt daran gedacht zu haben, ein Bestechungsgeld anzunehmen.« Tilupasis breitet verzweifelt die Arme aus. »Was soll ich mit einer Oberhexe tun, die plötzlich religiös wird?«

»Das Bestechungsgeld erhöhen?«

»Das funktioniert in dem Fall nicht.«

»Legt ihr doch einen der beiden jungen Tribune in ihr Schlafgemach.«

»Das habe ich schon versucht. Sie hat beide weggeschickt. Und die Mitglieder ihrer Delegation angewiesen, dass weder Thazis noch Boah länger toleriert werden wird. Die Frau ist geradezu beseelt von moralischem Verhalten. Dieser verdammte Zaubererpriester.« Tilupasis legt eine Hand auf meine Schulter. »Thraxas, kanntet Ihr Sareepa Kreuzblitzunddonnerwetter nicht noch aus Eurer Zeit als Zauberlehrling?«

»Natürlich. Sie hat einmal Kleeh in einem Kessel zu brennen versucht und junge, unerfahrene Söldner zum Kosten eingeladen, wenn ich mich recht entsinne. Die Frau war niemals mehr als einen Schritt von einem Ausschluss aus dem Zauberlehrlingskolleg entfernt. Merkwürdig, dass sie plötzlich moralisch geworden sein soll.«

»Ihr müsst sie wieder zurückverwandeln.«

»Wie bitte?«

»Bringt sie wieder zum Suff zurück. Sobald sie einen Schluck Kleeh intus hat, sollte sie diesen niojanischen religiös-ethischen Unsinn vergessen und das Bestechungsgeld annehmen.«

Ich weise sie darauf hin, dass ich bereits mit einigen anderen lebenswichtigen Aufgaben mehr als genug beschäftigt bin und mich außerdem auch nicht gerade als besonders geschickten Diplomaten verstehe.

»Niemand wird auf meine bloße Empfehlung hin für Turai stimmen.«

»Wie wichtig ist Sareepas Stimme?«, erkundigt sich Zitzerius.

»Absolut lebenswichtig.«

Zitzerius richtet sich zu seiner vollen Größe auf, zupft seine Toga zurecht und dreht sich zu mir um. »Thraxas, Tribun des Volkes, ich befehle Euch, sie wieder zum Alkohol zu bringen«, erklärt er salbungsvoll. »Widersprecht nicht. Ihr seid genau der richtige Mann für diese Aufgabe.«