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Josh war bereits im Büro, als Zan am Donnerstagmorgen um acht Uhr dort eintraf. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, hatte sich etwas Neues ereignet. Doch mittlerweile war sie so abgestumpft, dass sie alles nur noch gleichgültig hinnahm. »Was?«, fragte sie nur.

»Zan, du hast mir gesagt, Kevin Wilson hätte die Entscheidung zwischen dir und Bartley Longe erst einmal auf Eis gelegt?«

»Ia. Aber nach den Fotos in den Zeitungen, die zeigen, wie ich gestern zum Krankenwagen getragen wurde, ist es mit dem Auftrag wahrscheinlich vorbei. Es würde mich nicht überraschen, wenn meine Unterlagen noch heute von ihm zurückgeschickt werden.«

»Zan«, erwiderte Josh, »das mag schon sein, aber davon rede ich nicht. Zan, wie hast du nur die Stoffe und Möbel und Wandbehänge für die Musterwohnungen bestellen können, ohne das endgültige Okay für den Auftrag zu haben?«

»Du machst Witze«, entgegnete Zan mit ausdrucksloser Stimme.

»Wenn es nur so wäre. Du hast Bestellungen für die Stoffe und die Möbel und Armaturen aufgegeben. Du hast, großer Gott, alles bestellt. Der Liefertermin für die Stoffe ist bestätigt worden. Vom Geld mal abgesehen, wo sollen wir das ganze Zeug unterbringen?«

»Ohne Bezahlung würden sie doch nicht liefern«, sagte sie. Es muss sich um ein Versehen handeln, zumindest das kann ich beweisen, dachte Zan verzweifelt.

»Zan, ich habe bei Wallington angerufen. Sie haben ein Schreiben von dir vorliegen, in dem du um Aufschub der üblichen zehnprozentigen Anzahlung bittest, weil es sehr eilt. Du schreibst darin, du würdest die Gesamtsumme sofort begleichen, sobald der Vertrag von Kevin Wilson eintrifft. Du behauptest, er sei bereits unterzeichnet und der Honorarscheck müsse bald kommen.«

Josh griff sich ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch. »Ich habe sie gebeten, mir eine Kopie des Briefs zu schicken. Hier ist er. Unser Briefpapier, und darauf steht deine Unterschrift.«

»Ich habe diesen Brief nicht unterzeichnet«, sagte Zan. »Ich schwöre bei meinem Leben, dass ich diesen Brief nicht unterzeichnet und nichts für die Musterwohnungen bestellt habe. Alles, was ich von unseren Lieferanten geordert habe, waren Musterproben und Bilder der Möbel und Perserteppiche und Vorhänge, die wir verwenden wollen, falls wir den Auftrag bekommen.«

»Zan«, begann Josh und schüttelte den Kopf. »Hör zu, wir müssen sofort Charley Shore kontaktieren. Als ich bei Wallington angerufen habe, dachte ich, jemandem wäre ein Fehler unterlaufen. Jetzt wurden sie natürlich hellhörig und sorgen sich um die Bezahlung. Außerdem hast du kleinere Anzahlungen für die Stoffe und einige der antiken Möbel geleistet. Du musst also Schecks ausgestellt haben, die auf dein Privatkonto laufen.«

»Ich habe diesen Brief nicht unterzeichnet«, sagte Zan nun ganz ruhig. »Ich habe auch keine Schecks ausgestellt. Und ich bin nicht verrückt.« Sie bemerkte, wie besorgt er war und dass er ihr nicht glaubte. »Josh, ich kann verstehen, wenn du kündigen willst. Sollte das alles zu einem Skandal ausarten, sollten die Lieferanten uns verklagen, möchte ich nicht, dass du da mit hineingezogen wirst. Man könnte meinen, du wärst an irgendwelchen Betrügereien beteiligt. Warum packst du nicht einfach deine Sachen und gehst?«

Er starrte sie nur an, worauf sie aufgebracht fortfuhr: »Gib es doch zu! Du glaubst auch, ich hätte meinen eigenen Sohn entführt und den Verstand verloren. Wer weiß, vielleicht bin ich wirklich gefährlich. Vielleicht brate ich dir eins über, sowie du mir den Rücken zukehrst.«

»Zan!«, brauste Josh auf. »Ich werde dich nicht im Stich lassen! Ich werde versuchen, dir zu helfen!«

Das Telefon klingelte, ein lauter, unheildrohender Klang. Josh nahm ab, lauschte, dann sagte er: »Sie ist noch nicht da. Ich gebe ihr Bescheid.«

Josh notierte sich eine Telefonnummer. Als er auflegte, sagte er: »Das war Detective Billy Collins. Er will, dass du dich mit deinem Anwalt so bald wie möglich in der Central-Park-Dienststelle einfindest. Ich werde sofort Charley Shore anrufen. Es ist noch früh, aber er hat mir gesagt, dass er immer ab halb acht in seiner Kanzlei ist.«

Gestern, dachte sich Zan, bin ich in Ohnmacht gefallen. Das darf, das wird mir heute nicht passieren.

Nachts, nachdem Willy sie abgesetzt hatte, hatte sie, voller Verzweiflung, reglos im Bett gelegen, während erneut eine Lampe auf Matthews Bild gerichtet war. Aus irgendeinem Grund wollte ihr der mitfühlende Blick des Mönchs nicht aus dem Kopf. Ich habe mich ihm gegenüber nicht sehr freundlich verhalten, dachte sie, aber ich habe gespürt, dass er mir helfen wollte. Er hat gesagt, er will für mich beten, und ich habe ihm gesagt, er soll stattdessen für Matthew beten. Als er meine Hände nahm, fühlte es sich an, als würde er sie segnen. Vielleicht wollte er mir helfen, mich der Wahrheit zu stellen.

Während der gesamten Nacht, ausgenommen die kurzen Phasen, in denen sie doch eindöste, hatte sie Matthews Bild nicht aus den Augen gelassen. Ihre Nachtwache. Als die Morgendämmerung anbrach, sagte sie: »Mein Kleiner, ich glaube nicht, dass du noch am Leben bist. Ich habe immer gedacht, ich würde spüren, wenn du tot bist. Ich habe mir etwas vorgemacht. Du bist tot, und für mich ist auch alles vorbei. Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber ich kann nicht mehr kämpfen. Wahrscheinlich habe ich die ganze Zeit, die vielen Monate, insgeheim gewusst, dass du von jemandem entführt, missbraucht und schließlich umgebracht worden bist. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so weit kommen würde, aber in der Schublade liegt eine Packung Schlaftabletten, die wird uns wieder zusammenbringen. Es ist an der Zeit, dass ich sie nehme.«

Erschöpfung und ein Gefühl großer Gelassenheit machten sich in ihr breit, schließlich schloss sie die Augen. Sie sah Pater Aidens Gesicht vor sich, als sie um Verzeihung und Verständnis bat und dann nach den Schlaftabletten griff.

In diesem Moment hatte sie Matthews Stimme gehört: »Mommy, Mommy!« Mit einem Satz war sie aus dem Bett. »Matthew!«, rief sie. Gegen jegliche Vernunft war sie in diesem Augenblick absolut davon überzeugt gewesen, dass ihr Sohn noch am Leben war.

Matthew ist am Leben, dachte sie nun, als sie Josh mit Charley Shore telefonieren hörte. Als er auflegte, sagte er: »Mr. Shore wird dich um 10.30 Uhr abholen.«

Zan nickte. »Du sagtest, dass ich die Ausgaben für die Musterwohnungen von meinem Privatkonto bezahlt haben muss. Ruf mir doch am Computer mein Bankkonto auf.«

»Ich kenne dein Passwort nicht.«

»Dann gebe ich es dir jetzt. Es lautet ›Matthew‹. Es müssen etwas mehr als siebenundzwanzigtausend Dollar sein.«

Josh setzte sich vor den Bildschirm und rief die Seite auf.

Zan bemerkte seine beunruhigte, aber wenig überraschte Miene. »Wie lautet der Kontostand?«, fragte sie.

»Zweihundertdreiunddreißig Dollar und elf Cents.«

»Dann ist da ein Hacker am Werk«, sagte sie mit tonloser Stimme.

Josh ging nicht darauf ein. »Zan, was machen wir mit den Bestellungen, die du aufgegeben hast?«, fragte er.

»Du meinst, was machen wir mit den Bestellungen, die ich nicht aufgegeben habe«, sagte Zan. »Hör zu, Josh, ich habe keine Angst, zur Polizei zu fahren und mit Detective Collins zu reden. Ich weiß, es gibt für alles eine Erklärung. Jemand hasst mich so sehr, dass er versucht, mich zu vernichten. Und dieser Jemand ist Bartley Longe. Das habe ich Detective Collins und seiner Partnerin bereits nach Matthews Verschwinden gesagt, aber sie haben es nicht ernst genommen. Ich weiß es. Und wenn Bartley mich so sehr hasst, dass er mich beruflich vernichten will, dann geht sein Hass vielleicht auch so weit, dass er meinen Sohn kidnappt und ihn jemandem gibt, der sich ein Kind wünscht.«

»Zan, sag das nicht gegenüber der Polizei. Ehe du dichs versiehst, verwenden sie es gegen dich«, flehte Josh sie an.

Die Gegensprechanlage summte. losh griff zum Hörer. Es war der Gebäudeverwalter. »Für Sie ist eine Lieferung eingetroffen. Ziemlich groß und ziemlich schwer.«

Zehn Minuten später wurden zwanzig lange Stoffrollen ins Büro gebracht. Zan und Josh mussten den Schreibtisch zur Seite schieben und die Stühle im hinteren Zimmer stapeln, um Platz zu schaffen. Nachdem die Spediteure fort waren, öffnete Josh den an einer Rolle beigelegten Lieferschein und las ihn laut vor. »Einhundert Meter Stoffbahnen zu 125 Dollar pro Meter. Zahlbar innerhalb von zehn Tagen. Zahlungsverpflichtung nicht stornierbar, gezahlte Beträge nicht erstattungsfähig. Brutto-Gesamtbetrag: 13 874 Dollar.«

Er sah zu Zan. »Wir haben vierzigtausend Dollar auf der Bank und sechzehntausend Dollar an ausstehenden Forderungen. Du hast dich so sehr auf die Musterwohnungen konzentriert, dass du für die vier kleineren Aufträge, die wir an Land gezogen haben, so gut wie nichts gemacht hast. Nächste Woche ist die Miete fällig, dazu die Zahlung für das Darlehen, das du aufgenommen hast, um das Büro zu eröffnen, ganz zu schweigen von den sonstigen Kosten und unseren Gehältern.«

Erneut klingelte das Telefon. Diesmal machte Josh keinerlei Anstalten, den Hörer abzunehmen. Zan eilte an den Apparat. Es war Ted. Wütend fauchte er: »Zan, ich bin auf dem Weg zu Detective Collins. Als Matthews Vater habe ich gewisse Rechte – Rechte, die du mir vorsätzlich genommen hast. Ich werde darauf bestehen, dass du auf der Stelle verhaftet wirst, und ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit du endlich damit herausrückst, was du mit meinem Sohn gemacht hast.«