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Nach seinem Wutanfall im Four Seasons suchte Ted Carpenter die Herrentoilette auf. Als er aufgesprungen und auf Zan losgegangen war, hatte er sich den Rotwein, den er in der Hand gehalten hatte, über das Hemd und die Krawatte geschüttet. Mit einem Handtuch betupfte er vergeblich die Flecken und betrachtete sich im Spiegel.

Ich sehe aus, als stünde ich kurz vor dem Verbluten, dachte er und vergaß darüber sogar kurz die schockierende Neuigkeit der aufgetauchten Fotos.

In seiner Jacketttasche spürte er das Vibrieren seines Handys.

Es konnte nur Melissa sein.

Er wartete, bis er sicher war, dass sie ihre Nachricht aufgesprochen hatte, bevor er die Mailbox abhörte. »Ich weiß, du kannst jetzt nicht reden, aber komm um halb zehn ins Lola’s.« Von ihrer sonst so betörenden Stimme war nichts zu hören. Es klang wie ein Befehl. »Nur wir zwei. Gegen halb zwölf brechen wir dann in den Club auf«, fuhr Melissa fort, bevor sich etwas Gereiztes in ihre Stimme schlich. »Gib deiner Ex ja keinen Gutenachtkuss!«

Ich kann mich doch in der Öffentlichkeit nicht auf einer Party blicken lassen, wenn gerade publik wurde, dass meine Ex-Frau mein Kind entführt und wahrscheinlich versteckt hat, dachte er entsetzt. Melissa muss das doch verstehen!

Die Fotos.

Wahrscheinlich hatte sie davon noch gar nichts mitbekommen.

Warum mache ich mir überhaupt um Melissa Sorgen?, ging ihm durch den Kopf. Die einzige Frage, die mich interessieren sollte, lautet doch: Sind diese Fotos gefälscht? Ich weiß, wie Fotos manipuliert werden können. Wie oft haben wir unbedeutende Personen aus unseren Publicity-Aufnahmen herausretuschiert. Wenn man sie herausnehmen kann, kann man sie auch hineinsetzen. Es ist gängige Praxis, die Gesichter von Stars auf wohlgeformtere Körper zu setzen. Wie viel hat dieser Tourist überhaupt bekommen, als er sie an dieses Schmierenblatt verhökert hat?

Ein Mann, der in die Toilette kam, sah ihn verständnisvoll an. Ted, der sich auf kein Gespräch einlassen wollte, verschwand schnell. Wenn sich herausstellt, dass diese Fotos Fälschungen sind, wie stehe ich dann nach meinem Auftritt mit Zan in den Augen der Öffentlichkeit da?, dachte er entsetzt. Wenn es ums Krisenmanagement geht, gelte ich doch als Meister der Public Relations.

Er musste mit Melissa reden. Er würde sich mit ihr treffen. Er hatte noch genügend Zeit, um nach Hause zu fahren, sich umzuziehen und dann zum Lola’s zu eilen. Sollten draußen Journalisten warten, würde er ihnen mitteilen, dass er Matthews Mutter wegen seiner vorschnellen Reaktion um Verzeihung bat.

Er wappnete sich und trat aus der Lobby, vor der wie vermutet Kamerateams auf ihn warteten. Ein Mikrofon wurde ihm vors Gesicht gehalten. »Bitte«, sagte er, »ich bin gern zu einer Aussage bereit, aber dazu müssen Sie mir schon etwas Platz lassen.«

Als die auf ihn einprasselnden Fragen allmählich verstummten, griff er sich das Mikro eines Reporters und sprach mit fester Stimme: »Als Erstes möchte ich mich bei Matthews Mutter, meiner früheren Frau Alexandra Moreland, für mein ungebührliches Verhalten an diesem Abend entschuldigen. Wir beide wünschen uns nichts sehnlicher, als unseren kleinen Jungen wiederzufinden. Als ich gehört habe, dass es Fotos gibt, auf denen angeblich Matthews Mutter zu sehen ist, wie sie ihn entführt hat, habe ich, ganz ehrlich gesagt, die Beherrschung verloren. Hätte ich nur eine Sekunde nachgedacht, hätte mir klar werden müssen, dass diese Fotos gefälscht oder manipuliert wurden oder wie immer man es bezeichnen möchte.«

Ted hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: »Ich bin so sehr davon überzeugt, dass es sich um einen Betrug handelt, dass ich mich jetzt mit meiner Klientin, der talentierten und schönen Melissa Knight, zum Abendessen in Lola’s Café treffe. Wie Sie sehen, habe ich mich bei meiner unangemessenen Reaktion mit Wein bekleckert. Ich werde also nach Hause fahren und mich umziehen, bevor ich mich auf den Weg ins Lola’s mache.«

Ted konnte das Zittern in seiner Stimme nicht verbergen. »Mein Sohn Matthew ist heute fünf Jahre alt geworden. Weder seine Mutter noch ich glauben, dass er tot ist. Möglicherweise ist er bei einer einsamen Frau, die sich immer verzweifelt ein Kind gewünscht und damals kurz entschlossen die Gelegenheit ergriffen hat, ihn zu entführen. Wenn diese Person uns jetzt sieht, möge sie Matthew doch bitte sagen, wie sehr Mommy und Daddy ihn lieben und wie sehr sie sich danach sehnen, ihn wieder in die Arme zu schließen.«

Die Journalisten schwiegen respektvoll, als Ted zur Straße ging, wo Larry Post, sein Freund aus der Highschool und langjähriger Chauffeur, ihm bereits die Fondtür aufhielt.