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Nachdem er vor dem Four Seasons mit den Reportern gesprochen hatte, schaltete Ted Carpenter im Wagen sein iPhone ein und fand nach kurzer Suche die Fotos, auf denen unverkennbar Zan zu sehen war, wie sie Matthew aus dem Buggy hob. Schockiert stieg er vor seiner Luxus-Eigentumswohnung im gentrifizierten Meatpacking District in Lower Manhattan aus, und in seiner Wohnung überlegte er kurz, ob er sich tatsächlich mit Melissa in Lola’s Café treffen sollte. Welchen Eindruck macht das denn, falls die Fotos wirklich beweisen, dass meine Ex-Frau mein Kind entführt hat?

Er rief bei der Polizei an und wurde zu einem Beamten durchgestellt, der ihm mitteilte, es werde mindestens vierundzwanzig Stunden dauern, bis man mit Bestimmtheit sagen könne, ob die Fotos manipuliert waren. Wenigstens kann ich das den Paparazzi erzählen, dachte er, als er das Hemd wechselte und zu seinem Wagen zurückeilte.

Die Pressemeute vor dem in bestimmten Gesellschaftskreisen sehr beliebten Café wurde hinter einer Samtkordel-Absperrung zurückgehalten. Einer der Türsteher hielt ihm die Wagentür auf, mit eingezogenen Schultern eilte er zum Eingang, blieb dann aber stehen. Eine der ihm zugerufenen Fragen konnte er einfach nicht ignorieren: »Haben Sie schon die Fotos gesehen, Ted?«

»Ja, habe ich, und ich habe die Polizei eingeschaltet. Ich halte sie für eine hinterhältige Fälschung«, gab er zurück.

Im Café sammelte er sich kurz. Er war eine halbe Stunde zu spät dran und fürchtete, eine schlecht gelaunte Melissa vorzufinden. Aber sie saß an einem großen Tisch, umgeben von den fünf Mitgliedern der Band, deren Leadsängerin sie früher gewesen war, und genoss sichtlich, wie sie um sie herumscharwenzelten. Ted kannte sie alle und war froh um ihre Anwesenheit. Hätte Melissa allein auf ihn gewartet, hätte er einiges zu hören bekommen.

Ihre Begrüßung – »Hey, du bekommst ja mehr Schlagzeilen als ich« – wurde von den anderen mit schallendem Gelächter quittiert.

Ted beugte sich vor und gab Melissa einen Kuss auf die Lippen.

»Was darf ich Ihnen bringen, Mr. Carpenter?« Der Kellner war an den Tisch gekommen. Neben ihm wurden bereits in einem Sektkübel zwei der teuersten Champagner gekühlt, die das Haus zu bieten hatte. Ich will nichts von diesem verdammten Prickelwasser, dachte sich Ted, während er neben Melissa Platz nahm. Davon bekomme ich immer nur Kopfschmerzen. »Einen Gin Martini«, sagte er. Einen nur, gelobte er. Den brauchte er jetzt auch.

Er achtete darauf, liebevoll den Arm um Melissa zu legen und den Blick nicht von ihr zu lassen, damit die Klatschkolumnisten etwas zu schreiben hatten. Er wusste, dass Melissa morgen unbedingt etwas lesen wollte wie: »Top-Musikstar Melissa Knight zeigte sich nach der öffentlichen Trennung von Rocksänger Leif Ericson wunderbar erholt und scheint sich Hals über Kopf in ihren PR-Manager Ted Carpenter verliebt zu haben. Sie wurden letzte Nacht beim trauten Tête-à-Tête im Lola’s gesehen.«

Damals, als Eddie Fisher mit Elizabeth Taylor verheiratet war, hatte dieser ein Telegramm aus Italien geschickt und mit »Die Prinzessin und ihr Liebessklave« unterzeichnet, erinnerte sich Ted. Den gleichen Quatsch soll ich also für Melissa abziehen. Weil sie sich einbildet, in mich verliebt zu sein.

Aber ich brauche sie. Ich brauche ihren dicken Scheck, der jeden Monat eintrudelt. Hätte ich nur nicht das Gebäude gekauft, als unser Mietvertrag auslief. Die Kosten dafür wachsen mir über den Kopf. Melissa wird mich noch früh genug verlassen, dachte er und kippte seinen Gin Martini. Ich muss nur dafür sorgen, dass sie mich dann nicht ganz fallen lässt und zu einer anderen PR-Agentur wechselt und dabei auch noch ihre Freunde mitnimmt.

»Das Gleiche noch einmal, Mr. Carpenter?«, fragte der Kellner, als er das nächste Mal vorbeikam.

»Warum nicht?«, entgegnete Ted unwirsch.

Um Mitternacht beschloss Melissa, in den Club aufzubrechen. Wenn er mitkam, würde es wieder vier Uhr morgens werden. Er musste weg. Ihm fiel nur ein Ausweg ein.

»Melissa, Schätzchen, ich fühle mich ziemlich elend«, sagte er so leise, dass es im allgemeinen Lärm für die anderen nicht zu hören war. »Ich glaube, ich hab mir irgendeinen Virus eingefangen. Ich sollte mich also besser von dir fernhalten, du hast einen prallvollen Terminkalender und kannst es dir auf keinen Fall leisten, krank zu werden.«

Er kreuzte die Finger. Abschätzig sah sie ihn an. Seltsam, wie schnell sich ihre wunderbaren Gesichtszüge verzerrten und alle Schönheit wich, wenn sie aufgewühlt oder wütend war. Ihre unergründlich blauen Augen verengten sich, und sie verdrehte ihre langen blonden Haare zu einem einzigen Strang, den sie über die Schulter nach vorn zog.

Sie ist sechsundzwanzig Jahre alt und so egoistisch, wie ich es selbst in meiner Branche noch nie erlebt habe, dachte Ted. Am liebsten würde ich sie einfach zum Teufel jagen.

»Du hast doch nichts mit deiner Ex, oder?«, fragte sie.

»Meine Ex-Frau ist die Letzte, die ich jetzt sehen mochte. Mittlerweile solltest selbst du wissen, wie verrückt ich nach dir bin.« Bewusst verlieh er seiner Stimme einen gereizten Ton, er ließ es einfach darauf ankommen. Das konnte er sich nicht allzu oft erlauben, aber wenn er es tat, war die Botschaft klar: Sie müsse völlig verrückt sein, wenn sie sich einbildete, er würde andere Frauen auch nur ansehen.

Mit einem Schulterzucken wandte sich Melissa den anderen am Tisch zu. »Teddy kneift«, lachte sie.

Sie standen alle auf.

»Du bist mit deinem Wagen da?«, fragte Ted.

»Nein, ich bin zu Fuß gekommen. Großer Gott, natürlich bin ich mit dem Wagen da!« Sie tätschelte ihm die Wange, ein spielerischer Patsch zur Belustigung der Zuschauer.

Ted bedeutete dem Kellner, ihm wie üblich alles auf seine Rechnung zu setzen, und die Gruppe verließ das Café. Melissa hielt seine Hand und blieb kurz stehen, um den Paparazzi zuzulächeln. Ted begleitete sie zu ihrem Wagen, schloss sie in die Arme und gab ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Weiteres Futter für die Klatschpresse, dachte er sich. Das sollte Melissa zufriedenstellen.

Ihre ehemaligen Bandmitglieder drängten sich mit ihr in ihre Limousine. Als sein eigener Wagen vorgefahren wurde, trat ein Reporter an ihn heran. Er hielt etwas in der Hand. »Mr. Carpenter, haben Sie die Fotos schon gesehen, die dieser englische Tourist am Tag der Entführung Ihres Sohnes gemacht hat?«

»Ja.«

Der Reporter hielt ihm die vergrößerten Abzüge hin. »Wollen Sie einen Kommentar dazu abgeben?«

Ted betrachtete die Bilder, dann nahm er sie dem Reporter aus der Hand und rückte ans hell erleuchtete Fenster, um sie besser sehen zu können. »Wie gesagt«, begann er, »ich gehe davon aus, dass es sich bei diesen Fotos um eine Fälschung handelt.«

»Sie meinen also nicht, dass das Ihre Ex-Frau Zan ist, die Ihren Sohn aus dem Buggy nimmt?«, fragte der Reporter.

Ted war sich der Kameras um sich herum vollauf bewusst. Er schüttelte nur den Kopf. Larry Post hielt ihm die Wagentür auf, und er beeilte sich, fortzukommen.

Als er endlich zu Hause war, stand er noch zu sehr unter Schock, um irgendetwas zu empfinden. Er zog sich aus und nahm eine Schlaftablette. Quälende Träume unterbrachen immer wieder seinen Schlaf, und als er aufwachte, war ihm unwohl und schwindlig, als hätte er sich wirklich seinen erfundenen Virus eingefangen. Vielleicht waren es aber auch nur diese verdammten Gin Martinis.

 

Am nächsten Morgen um neun Uhr rief Ted in seinem Büro an und sprach mit Rita. Als sie ihr Entsetzen über die Fotos zum Ausdruck brachte, fiel er ihr unwirsch ins Wort und bat sie, Detective Collins anzurufen, den Polizeibeamten, der die Ermittlungen zum Verschwinden von Matthew geleitet hatte, und einen Termin für den nächsten Tag auszumachen. »Ich werde mindestens bis Nachmittag zu Hause bleiben«, sagte er ihr. »Vielleicht habe ich mir eine Grippe eingefangen. Ich komme dann später, ich muss mir unbedingt noch die Abzüge des Fotoshootings von Melissa fürs Celeb Magazine ansehen, bevor ich sie freigeben kann. Falls sich Medienleute melden, sagen Sie ihnen, dass ich keinerlei Kommentar abgebe, solange die Polizei nicht die Echtheit der Aufnahmen überprüft hat.«

Um drei Uhr nachmittags traf er schließlich, kreidebleich, im Büro ein. Ohne zu fragen, machte ihm Rita eine Tasse Tee. »Sie hätten zu Hause bleiben sollen, Ted«, sagte sie. »Ich verspreche, ich werde das Thema nicht mehr zur Sprache bringen, aber eines sollten Sie sich immer vergegenwärtigen: Zan vergötterte Matthew. Sie hätte ihm nie etwas zuleide getan.«

»Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie ›vergötterte‹ sagten?«, herrschte Ted sie an. »Das ist die Vergangenheitsform. So, wo sind die Celeb-Abzüge von Melissa?«

»Sie sind großartig«, kam es von Rita, während sie sie aus dem Umschlag auf seinem Schreibtisch zog.

Ted sah sich die Abzüge genau an. »Ihrer Meinung nach sind sie großartig. Meiner Meinung nach sind sie großartig. Aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass Melissa sie abscheulich finden wird. Sie hat Schatten unter den Augen, und ihr Mund ist zu schmal. Und vergessen Sie nicht, ich habe sie dazu überredet, die Fotos für die Titelgeschichte machen zu lassen. Mein Gott, schlimmer kann es kaum noch kommen.«

Mitfühlend betrachtete Rita ihren langjährigen Chef. Ted Carpenter war achtunddreißig Jahre alt, wirkte aber sehr viel jünger. Mit seinem dichten Haar, den braunen Augen, dem markanten Kinn und der schlanken Figur sah er ihrer Meinung nach besser aus und verfügte über wesentlich mehr Charisma als viele der Kunden, die er vertrat. Im Moment aber machte er den Eindruck, als wäre er unter eine Dampfwalze geraten.

Und wenn ich nur daran denke, wie leid mir Zan immer getan hat, dachte Rita. Das hätte ich mir vielleicht alles sparen können. Wenn sie diesem wunderbaren kleinen Jungen wirklich etwas angetan hat, dann bringe ich sie eigenhändig um.