Kapitel 13
Ethan führte Weaver zu den Wohnwagen und erklärte: »Hier wohnt meine Mutter.«
Weaver betrachtete mit gerunzelter Stirn die säuberliche Gruppierung der silbrig-metallischen Airstream-Wohnwagen, von denen zwei auf der einen Seite des Pfades und zwei auf der anderen standen. »Und wer wohnt in den anderen?«
»Gus neben Glenda. Die anderen haben Old Fred und Hank gehört, aber die sind schon gestorben. Delphas Wagen steht am Ende des Pfades, direkt am Flussufer.«
»Also stehen hier zwei Wohnwagen leer, und du schläfst im Wald?«
»Ich bin gern im Wald – man weiß nie, wer hier auftaucht.« Ethan klopfte an die Tür von Glendas Wohnwagen. Als sie öffnete, begann er: »Weißt du noch, dass du immer wolltest, dass ich ein nettes Mädchen mit nach Hause bringe?«
Glenda blickte an ihm vorbei Weaver an, die, ganz in Schwarz, das Gewehr unter dem Arm, hinter ihm stand.
»Die hier ist kein nettes Mädel«, fuhr Ethan fort. »Das ist Weaver. Der ›Mann-in-Schwarz‹.«
Glenda blickte wieder Weaver an und nickte. »Mab hat es erwähnt.«
Er wandte sich Weaver zu. »Komm rein, und erzähle Glenda alles.«
»Da wird Ursula aber sauer sein«, meinte Weaver.
»Wie viel ist dir denn diese ärztliche Untersuchung an mir wert?«, fragte Ethan.
Weaver presste einen Augenblick die Lippen zusammen, dann stieg sie die Stufen hinauf und drängte sich an Glenda vorbei in den Wohnwagen.
Glenda murmelte: »Also das ist die berühmte Kampf-Barbie. Wie ich höre, hast du ihr Carls Drachen geschenkt.«
»Weaver hat ein Gewehr, mit dem man Minion-Dämonen töten kann«, erklärte Ethan ihr. »Und Spezialbrillen, mit denen man sie im Dunklen sehen kann.«
»So was brauchen wir nicht«, entgegnete Glenda. »Wir haben unsere Kräfte.«
»Und wenn wir unsere Karten richtig ausspielen, haben wir beides«, erwiderte Ethan und schob sie sanft hinein.
Als sie drinnen Platz genommen hatten, sagte er: »Also gut, ich mache den Anfang. Weaver, meine Mutter und ich gehören zur Guardia, das ist eine durch Vererbung fortbestehende Dämonenbekämpfungs-Friedenstruppe mit übernatürlichen Kräften, die hier in Dreamland stationiert ist, um fünf Super-Dämonen zu bewachen, die ›Unberührbaren‹ genannt.«
»Ethan!«, rief Glenda zornig.
»Übernatürliche Kräfte?«, wiederholte Weaver ungläubig.
»Mom, Weaver gehört zu einer geheimen Elitetruppe der Regierung, die Dämonenrecherche betreibt und im Moment Dreamland wegen seines hohen Dämonenaufkommens überprüft.«
»So viel zu geheim«, knurrte Weaver.
»Elite?«, spottete Glenda und musterte Weaver von oben bis unten.
Ethan blickte von einer Frau zur anderen. »Seid ein bisschen nett zueinander.«
Glenda hob trotzig das Kinn und presste die Lippen aufeinander, da erklärte Weaver: »Na gut, dann fange ich an. Die Regierung ist an Dämonen genauso interessiert wie an anderen gewaltbereiten Kräften, nämlich als möglicher Bedrohung oder als möglicher Waffe. Mein Partner ist der Auffassung, dass es keine gute Idee ist, Dämonen als Waffe einzusetzen, weil er es für falsch hält, Lebewesen für Regierungszwecke zu missbrauchen, und ich bin der Meinung, dass es keine gute Idee ist, sie einzusetzen, weil es gemeine kleine Biester sind, die sich jederzeit gegen uns wenden können.«
»Außerdem hat sie für uns schon einen ganzen Haufen von ihnen weggeputzt«, fügte Ethan hinzu und hoffte, dass das Glenda besänftigen würde.
Glenda sagte gar nichts, und so fuhr Weaver fort: »Meine Chefin dagegen ist hin- und hergerissen. Sie glaubt nicht wirklich an Dämonen. Sie meint, das wäre ungefähr so wie mit Ufos und mein Partner und ich wären verrückt. Aber sollten sie sich als wirklich existent herausstellen und nutzbar gemacht werden können, dann würde sie das im Verteidigungsministerium ein ganzes Stück nach oben bringen.«
»Besonders wenn die Dämonen alle über ihr killen«, bemerkte Glenda und holte eine Zigarette hervor, was Ethan für ein gutes Zeichen hielt.
Weaver nickte. »Das Problem ist, dass sie mit jedem Bericht, den wir einreichen, mehr davon überzeugt ist, dass es die Dämonen wirklich gibt. Sie spricht schon davon, selbst hierherzukommen, und falls sie zu dem Schluss kommt, dass sie ihr nützlich sein könnten, wird sie versuchen, den Park im Namen der Regierung zu beschlagnahmen.«
»Nur über meine Leiche«, entgegnete Glenda. »Die hat keine Ahnung, worauf sie sich da einlässt.«
»Das denke ich auch«, stimmte Weaver zu. »Vor allem, da ich selbst keine Ahnung habe, worauf wir uns eingelassen haben. Und deswegen brauche ich mehr Informationen.« Sie lehnte sich zurück und wartete höflich.
»Sie hat mir das Leben gerettet, Mom«, fügte Ethan hinzu. »Mehr als ein Mal. Sprich mit ihr.«
»Es sind also Minion-Dämonen im Park«, begann Glenda. »Wie sind sie reingekommen?«
»Ray Brannigan bringt sie hierher«, antwortete Weaver.
»Aber warum?«, fragte Glenda und sah zum ersten Mal ratlos drein. »Er will doch den Park in seine Finger kriegen, nicht zerstören. Ich weiß, dass er uns alle hier weghaben möchte, aber er will nicht, dass der Park kaputtgeht.«
»Er bringt sie hierher, damit sie uns töten, Mom«, erklärte Ethan. »Sie haben Delpha umgebracht, sie haben vor Kurzem versucht, Gus umzubringen, und heute wollten sie Weaver und mich umbringen.«
Glenda entgegnete kopfschüttelnd: »Was hat denn Ray davon, wenn ihr beide tot seid? Mir ist klar, dass er hinter Mab her ist, weil er ihre zehn Prozent erben will, aber es bringt ihm doch nichts ein, dich und Weaver umzubringen. Er ist immer nur hinter Geld her, er würde seine Seele verkaufen, um …« Sie verstummte.
»Seine Seele verkaufen, um …«, wiederholte Ethan fragend.
Glenda lehnte sich zurück. »Mein Gott. Es war direkt vor meiner Nase, und ich habe es nicht gesehen.«
»Was denn?«, fragte Ethan.
»Er hat einen Pakt mit Kharos geschlossen, um den Park in die Finger zu kriegen.«
»Wer ist denn Kharos?«, fragte Weaver.
»Der Teufel«, antwortete Glenda. »Ray hat ihm seine Seele für Geld und Macht verpfändet. Schon vor vierzig Jahren. Warum habe ich das nie erkannt?«
»Ich verstehe nicht, wie hättest du denn das erkennen sollen«, meinte Ethan. »Ich verstehe nicht mal, woran du das jetzt erkennst.«
»Augenblick mal«, mischte Weaver sich ein und richtete sich auf ihrem Stuhl auf. »Der Teufel?«
Glenda beachtete sie nicht, sondern wandte sich an Ethan. »Vor vierzig Jahren war Ray Brannigan ein schmächtiger, dummer Teenager. Einige Zeit nach dem Wochenende, an dem Kharos und Vanth entkamen, begann er, sich zu verändern. Er wurde kräftiger, schlauer, Himmel noch mal, sogar sein Haar wurde voller, fast von einem Tag auf den anderen. Alles lief bei ihm nach Wunsch. Die Ausbildung zum Offizier in West Point, dann die Army Rangers, später dann erfolgreiche Investmentgeschäfte, das Bürgermeisteramt …« Glenda klopfte ärgerlich mit der Zigarette auf den Tisch. »Und ich habe damals nicht darauf geachtet, weil dein Vater gerade gestorben war und ich mit dir schwanger war und … o Gott, Ethan, er hat seit vierzig Jahren geplant, Kharos diesen Park zu übergeben.«
»Aber warum nach einer so langen Zeit?«, fragte Ethan.
»Ich weiß es nicht, das musst du Ray fragen.« Glenda zerdrückte die Zigarette ungeraucht. »Das ist schlimm. Ray hat überall Zutritt. Er …«
»Ja, ja, aber der Teufel«, unterbrach Weaver, deren Selbstbeherrschung schwand. »Der echte Teufel? Den gibt es wirklich?«
»Ein Teufel«, erwiderte Glenda. »Ein großer. Und, ja, es gibt ihn wirklich, diesen Hurenbock.« Sie schauderte, als wäre jemand über ihr Grab getrampelt oder hätte es gerade geschaufelt. »Kharos will heraus, er will, dass alle Unberührbaren herauskommen, und wenn sie alle zusammen frei sind, können sie ihre wahre Form annehmen, und dann sind sie so mächtig, dass wir sie nicht mehr …«
»Wir brauchen Weaver auf unserer Seite, Mom«, unterbrach Ethan sie beschwörend, als ihre Stimme sich voller Panik in die Höhe schraubte.
Glenda schluckte. »Also gut.« Sie nickte Weaver zu. »Gut, Sie können uns helfen. Aber mischen Sie sich nicht bei der Gefangennahme eines Unberührbaren ein. Mit den Minions können Sie machen, was Sie wollen, aber die Unberührbaren müssen Sie uns überlassen.«
»Und der Teufel ist einer der Unberührbaren?«, fragte Weaver.
»Ja«, erwiderte Glenda. »Es sind insgesamt fünf: der Teufel, seine Frau, seine rechte Hand, eine sexbesessene Meerjungfrau und ein Trickspieler.«
Mit großen Augen nahm Weaver das nickend zur Kenntnis. »Also gut.«
»Und Sie müssen die Regierung da raushalten«, verlangte Glenda.
»Ich werde Ursula raushalten«, versprach Weaver. »Aber mein Partner muss es erfahren. Dann werden wir zusammen entscheiden, wie wir unsere Berichte abfassen. Mein Partner ist gegen das Töten, aber ich glaube, dass sogar er zugeben muss, dass man beim Teufel den Daumen draufhalten sollte. Wir haben noch immer einen Auftrag zu erfüllen und können unsere Arbeit nicht einfach abbrechen, aber wir können dabei helfen, das Böse zu besiegen.«
»Auch ich habe einen Auftrag«, entgegnete Glenda. »Und ich mache Sie einen Kopf kürzer, wenn Sie mir dabei in die Quere kommen.«
»Das ist nur fair«, meinte Weaver. »Vor allem, wenn wir’s mit dem Teufel zu tun haben.« Sie schüttelte den Kopf, fassungslos, ein wenig blass im Gesicht.
Glenda sah sie erstaunt an, und Ethan erklärte: »Ihr Dad war Prediger. Und jetzt zu unserem ersten Problem. Wir wurden von Piraten angegriffen …«
»Von Piraten?«, rief Glenda verständnislos.
»Die vom Piratenschiff«, erklärte Ethan. »Sie waren von Minions besessen. Wir haben sie alle vernichtet, aber ich bin mir sicher, dass es noch mehr Angriffe geben wird, denn Kharos versucht, uns alle zu töten. Deswegen …«
»Ihr habt sie vernichtet?«, fuhr Glenda auf. »Aber dann haben wir keine Piratenschiff-Rundfahrt mehr.«
Ethan sah sie verblüfft an. »Na ja, die haben versucht, uns umzubringen.«
»Ich weiß, aber jetzt haben wir eine Rundfahrt weniger«, entgegnete Glenda. »Das verringert die Einnahmen.«
»Ein Dutzend Minion-besessener Piraten würden das auch«, argumentierte Weaver.
»Tja, stimmt«, gab Glenda stirnrunzelnd zu. »Na gut, vergessen wir die Piraten, wir müssen die Piraten-Rundfahrt eben schließen. Und jetzt müssen wir Tura wieder in ihre Urne stecken.«
»Tura?«, fragte Weaver, die versuchte zu verstehen.
»Die sexbesessene Meerjungfrau. Bringt alle um, die fremdgehen«, erklärte Ethan.
Glenda nickte. »Und sobald Fufluns’ Urne repariert ist, müssen wir ihn auch wieder einfangen.«
»Urne?«, fragte Weaver.
»Altertümliches hölzernes Gefäß mit Deckel, in dem man Unberührbare gefangen hält«, erklärte Ethan. »Und Fufluns ist der Trickspieler-Dämon.«
»Aha«, sagte Weaver.
Glenda fuhr fort: »Und haltet Ray auf, wenn er etwas unternimmt, aber verratet ihm nicht, dass wir über seinen Pakt mit Kharos Bescheid wissen. Sobald Kharos das erfährt, ersetzt er Ray durch einen anderen Trottel, und dann wissen wir wieder nicht, wer es ist.« Sie überdachte ihre Anweisungen und nickte dann. »Das sind die unmittelbaren Ziele. Danach können wir die Minion-Dämonen erledigen.« Sie erhob sich. »Ich werde Gus warnen, dass Minions hinter ihm her sind. Er ist jetzt wahrscheinlich bei der Drachenbahn. Ihr warnt Mab. Sie ist in Delphas Zelt und weissagt den Leuten die Zukunft, also ist sie im Moment wohl in Sicherheit. Aber sie muss es erfahren.«
Ethan nickte. »Also sage ich einfach zu ihr: ›Mab, dein Onkel hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, und er versucht, dich zu töten‹, ja?«
»Ja.«
»Mab ist Rays Nichte?«, mischte Weaver sich ein. »Können wir ihr trauen?«
»Ja«, erwiderte Ethan. »Sie ist eine Guardia, deswegen kann sie uns nichts antun. Guardia können anderen Guardia keinen Schaden zufügen.«
»Keinen Schaden«, wiederholte Weaver. »Ist das nur körperlich gemeint, oder heißt es auch, sie können euch nicht betrügen und verraten?«
»Das würde Mab nie tun«, stellte Glenda entschieden fest. »Delpha hat ihr getraut. Und Delpha hat sich nie geirrt.«
»Also gehen wir und warnen Mab.« Weaver erhob sich. »Vielen Dank, dass Sie mich jetzt akzeptieren, Mrs Wayne.«
Sie streckte ihre Hand aus, und Glenda ergriff sie nach einem Moment des Zögerns und schüttelte sie.
»Haltet Ray auf«, meinte sie beschwörend, und die beiden verließen den Wohnwagen.
»Ich finde, wir sollten ihn erschießen«, sagte Weaver. »Dieser bösartige Mistkerl versucht, den Teufel auf Erden zu entfesseln.«
»Du hast doch gehört, was Mom sagte. Über Ray wissen wir wenigstens Bescheid. Wir nehmen uns erst die Dämonen vor. Apropos, kriege ich jetzt endlich ein D-Gewehr?«
»Vielleicht«, erwiderte Weaver.
Nun ja, zum Glück sprachen seine Mutter und Weaver jetzt miteinander, dachte Ethan. Ob das allerdings ein Glück war, das hing davon ab, was sie miteinander besprachen.
»Du mochtest meine Mutter nicht besonders, oder?«, fragte er, während er Weaver den Pfad hinunter zum Hauptweg folgte.
Vier Stunden nach ihrer ersten Kundschaft hatte Mab ihre Sinne so sehr geschärft, dass sie Bilder und Wörter empfing, als ob jemand in ihrem Kopf flüsterte, und dazu all die Gefühle, die ihre Kunden bewegten. In ihnen allen brodelten Gefühle, meistens in Bezug auf Beziehungen. Zuerst dachte sie, dass sie es zufällig mit leicht erregbaren Leuten zu tun hatte, aber im Laufe des Tages wurde ihr klar, dass in jedem Menschen Gefühle wie Gummibälle hin und her sprangen, selbst wenn man glaubte, man sei ruhig. Sogar der Gang zu einem für das Übersinnliche empfänglichen Wahrsager ließ die Leute nicht ruhiger werden; viele von ihnen dachten: Denke nicht daran, in der Hoffnung, sie würde dann ihre geheimsten, tiefsten Wünsche nicht entdecken.
Es war sehr anstrengend.
»Ich weiß nicht, wie du das ausgehalten hast«, sagte sie zu der Urne, und dann kam schon der nächste Kunde herein, ein Mann, der mitten in einem Vergnügungspark Anzug und Krawatte trug. »Ich habe eine berufliche Frage«, sagte er und nahm Platz.
»Ach wirklich«, erwiderte Mab. »Das kostet einen Zehner.«
»Das ist aber viel Geld.«
»Sie können’s wieder einstecken, wenn Sie nicht überzeugt sind, dass ich Ihnen die Wahrheit sage«, erwiderte Mab und sah gierige Berechnung in seinen Augen aufblitzen.
Oben auf dem Dachbalken krächzte Frankie und spreizte seine Flügel.
»Das nenne ich fair«, meinte der Mann und legte zwei Fünfer auf den Tisch. »Was können Sie mir über meine Geschäfte sagen?«
»Ich kann Ihnen sagen, dass Sie vorhaben, mir zu sagen, dass Sie mir nicht glauben, selbst wenn Sie’s tun, damit Sie Ihre zehn Mäuse wieder mitnehmen können.«
Der Kerl fuhr ein wenig zurück. »Sagen Ihnen das Ihre übersinnlichen Kräfte?«, fragte er mit einem Schnarren in der Stimme.
»Nein, das sagt mir meine große Erfahrung mit der menschlichen Natur.« Mab streckte die Hand aus. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
Er streckte ihr die rechte hin, und sie sagte: »Die andere«, und er gehorchte.
Sie sah … nichts. Gähnende Leere. »Ha, könnte sein, dass Sie Ihre zehn Mäuse ganz legitim zurückkriegen. Aber lassen Sie’s mich mit der anderen versuchen.«
Der Kerl blickte gen Himmel und streckte ihr die rechte Hand hin. Und plötzlich drängte ihr ein Schwall von Emotionen entgegen, brodelnde Ängste, Niedertracht und Hinterlist, massive Gier, und dann eine Vision von ihm, wie er drei anderen Männern die Hand schüttelte … »Sie betrügen Ihre Geschäftspartner.« Sie blickte zu ihm auf. »Sollte man nicht meinen, dass die Leute allmählich klüger werden?«
»Das können Sie gar nicht wissen«, wehrte er ab und wollte seine Hand zurückziehen.
Mab hielt sie fest. »Nein, aber Sie wissen es, und genau das fühle ich, genau das, was Sie wissen. Wie lautete Ihre Frage?«
Er hörte auf, sich gegen ihren Griff zu wehren. »Ich will einfach nur wissen, ob meine Geschäfte in Zukunft erfolgreich laufen.«
»In Zukunft«, erwiderte Mab. »Nun ja, die Zukunft ist so eine Sache. Viele Gelegenheiten, sich so oder so zu entscheiden. Aber wenn die Dinge weiter so laufen, wie sie jetzt laufen …« Sie hatte eine blitzartige Vorstellung von ihm in einem Mercedes, selbstbewusst und arrogant. »… werden Sie einen Mercedes fahren.«
Der Mann entspannte sich. »Aha, gut zu wissen. Nicht, dass ich an diesen Quatsch glaube.« Er strotzte vor Selbstzufriedenheit, zeigte keinerlei Schuldgefühle, und Mab fuhr fort: »Das betrifft natürlich dieses Leben.«
»Was?«
»Nach Ihrem Tod werden Sie in die Hölle gehen, weil Sie ein unehrliches Arschloch sind, und dort werden Sie in alle Ewigkeit brennen.«
Der Kerl riss seine Hand zurück. »Ich glaube nicht an die Hölle.«
»Das tun die meisten Leute nicht. Bis sie dort landen.« Mab lächelte ihn an. »Allerdings, wenn Sie aufhören damit, andere zu belügen und zu betrügen, dann könnten Sie wahrscheinlich erlöst werden. Wenn nicht, lassen Sie sich ein paar Grillwürstchen mit in den Sarg legen. Man muss an allem die positive Seite sehen, sage ich immer.«
»Das ist doch der größte Quatsch, den ich je gehört habe«, schimpfte der Mann und wandte sich zum Gehen. Dann drehte er sich noch einmal um und wollte nach den beiden Fünfern auf dem Tisch greifen.
» Sie glauben mir nicht?«, fragte Mab und sah ihn verächtlich an. »Vergessen Sie nicht, wohin dauerndes Lügen Sie bringen kann, Sie Würstchen.«
Er wollte die Geldscheine wirklich an sich nehmen, das konnte Mab ihm ansehen, aber dann zog er seine Hand zurück und marschierte hinaus.
»Das mit der Hölle habe ich erfunden«, erklärte Mab zu Frankie gewandt, nachdem der Kerl die Schiebetüren hinter sich geschlossen hatte. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich trotzdem recht hatte.«
Die Türen öffneten sich wieder, und Ray kam herein, einen Styroporbecher mit Deckel in der Hand, eine Zigarre zwischen den Zähnen. Frankie krächzte warnend.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Mab etwas erschreckt. »Willst du, dass ich dir die Zukunft weissage?«
»Nein.« Er lächelte auf sie hinunter. »Na, ich nehme an, du hast deine Meinung über den Verkauf deiner zehn Prozent nicht geändert?«
»Nein.« Mab betrachtete ihn blinzelnd. »Gehen dir die Haare aus?«
»Nein«, erwiderte Ray fest entschlossen. »Das liegt nur an der miesen Beleuchtung hier. Hast du das Testament schon unterschrieben?«
»Ray, ich nehme Delphas Erbe nicht an, also hinterlasse ich auch nichts. Ein Testament wäre völlig sinnlos.«
Er nickte, als überraschte ihn das nicht. Dann blickte er auf seine Hand und schien sich wieder zu erinnern, was er mitgebracht hatte. »Hätt ich fast vergessen. Cindy schickt dir etwas Tee.«
»Danke.« Mab nahm den Becher entgegen. Sie öffnete den Deckel und schnüffelte daran. Es roch seltsam. Sie schnitt eine Grimasse.
»Irgend so ein Kräutermix«, quetschte Ray neben seiner Zigarre hervor. »Sie sagte, es wären lauter Vitamine, damit du hier draußen in der Kälte nicht krank wirst.«
»Okay.« Mab drückte den Deckel wieder auf den Becher und stellte ihn zur Seite. »Setz dich, ich lese dir aus der Hand. Ich sage dir, wie deine Geschäfte in Zukunft laufen.«
»Sehr witzig. Trink deinen Tee.«
»Nein, glaube mir, ich habe gemerkt, dass ich das wirklich kann.« Mab streckte ihm ihre Hand entgegen. »Gib mir deine Hand, dann lese ich dir deine Zukunft.«
»Nein.« Er zögerte, nahm dann die Zigarre aus dem Mund und fügte hinzu: »Du bist ein gutes Mädchen, Mab«, und ging hinaus.
»Was meinst du damit?«, rief sie ihm nach, doch da kam eine Frau durch die offen stehenden Türen herein, einen Zehn-Dollar-Schein in der Hand.
»Ich möchte etwas über meinen Lebensgefährten erfahren«, bat sie und nahm Platz.
»Na, so eine Überraschung«, murmelte Mab und zog den Becher Tee zu sich heran. »Setzen Sie sich und …«
Ethan klopfte an die Seite des Zeltes und trat ein, und Frankie gab von oben ein heiseres Krächzen von sich und erschreckte damit die Frau, die ihn noch nicht bemerkt hatte.
»Ich bin hier gerade mitten in einer Sitzung«, erklärte Mab abweisend.
»Wir müssen Sie dringend sprechen«, beharrte er, während Weaver hinter ihm erschien.
»Ach«, seufzte Mab, »hallo Weaver.«
Weaver verschränkte die Arme. »Kampf-Barbie?«
Mab erwiderte das kalte Lächeln. »Ich bin sicher, Sie haben sich für mich was Schlimmeres ausgedacht. Und jetzt, wie Sie sehen, würde diese freundliche Dame hier gern ihre Zukunft …«
Ethan bedachte die Frau mit einem Nicken. »Parksicherheitsdienst, Ma’am. Wenn Sie uns bitte einen Augenblick entschuldigen würden.«
Die Frau blickte Mab an. »Drogen, oder?«
»Nein, sie benimmt sich nur, als wäre sie auf Drogen«, verbesserte Ethan, und die Frau erhob sich rasch und verschwand.
»Wie gut, dass ich von dem Job hier nicht leben muss«, meinte Mab und griff nach dem Becher. »Sonst wäre ich jetzt stinksauer.«
Frankie schwebte in einer Kurve herab und im Tiefflug über den Tisch, packte dabei den Becher mit seinen Krallen und verschüttete die heiße Flüssigkeit.
»Frankie!«, schimpfte Mab und riss ihren Schal hastig aus der Gefahrenzone. »Verdammt.«
»Woher haben Sie den Tee?«, fragte Ethan.
»Ray hat ihn mir gebracht …« Mabs Stimme erstarb beim Anblick seines Gesichtsausdrucks.
»Ihr Onkel versucht, Sie umzubringen«, erklärte Ethan. »Hat er Ihnen sonst noch etwas gegeben? Was ist in dem Eimer?«
»Eimer?« Mab blickte auf die Urne. »Das ist Delpha. Und warum sollte Ray versuchen, mich umzubringen?«
Ethan blickte die Urne mit gerunzelten Brauen an. »Er versucht, uns alle umzubringen. Er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, mit Kharos, und dazu gehört es, uns umzubringen.«
»Aha«, sagte Mab und verbot sich den Gedanken Sind Sie verrückt geworden?, um ehrlich darüber nachzudenken, denn in der vergangenen Woche hatte sich das meiste von dem, was sie für vernünftig gehalten hatte, in Schall und Rauch aufgelöst. »Der Teufel. Ha.« Sie sah den Becher an, den Frankie auf den Boden hatte fallen lassen.
»Dieser Vogel ist klüger als Sie«, meinte Weaver.
»Wahrscheinlich.« Mab blickte zu den Dachsparren auf. »Entschuldige, dass ich dich angeschrien habe. Und danke, dass du mir das Leben gerettet hast.«
Frankie spreizte die Flügel und trippelte ein paarmal von einem Fuß auf den anderen, dann plusterte er sich auf und machte es sich wieder gemütlich.
»Seien Sie vorsichtig«, warnte Ethan Mab. »Wandern Sie nicht mehr in der Dunkelheit im Park herum. Und gehen Sie nirgends mehr allein hin. Verriegeln Sie nachts Tür und Fenster …«
»Ist es so schlimm?«, fragte Mab, die sah, dass er es ernst meinte. »Ist er hinter uns allen her? Sie wissen ja, dass er bei den Army Rangers war. Wahrscheinlich kann er einen Menschen mit dem kleinen Finger umbringen oder so was.«
»Er schickt Minion-Dämonen«, erklärte Weaver. »Das sind gemeine kleine Biester, die in alles hineinfahren können, also achten Sie immer auf Ihre Umgebung.«
»Ach, es gibt mehr als eine Art von Dämonen?«, erkundigte sich Mab.
»O ja«, erwiderte Weaver. »Es gibt Incubi, Succubae, die marschierenden Horden der Hölle …«
»Sind Sie Expertin für Dämonen?«, fragte Mab ungläubig.
»Ich habe gründlich recherchiert.«
»Recherchiert?« Für einen Augenblick war Mab fast sprachlos bei dem Gedanken, dass jemand diese Arbeit vielleicht schon für sie getan hatte. »Darf ich mir die Rechercheergebnisse mal ansehen?«
Weaver blickte Ethan fragend an, der nickte. »Na ja, sicher. Aber mein Partner ist der wirkliche Forscher. Ich werde Sie miteinander bekannt machen.«
»Ich entschuldige mich für die Kampf-Barbie«, erwiderte Mab.
»Seien Sie vor allem vorsichtig«, mahnte Ethan, bevor sie gingen, und Mab hätte am liebsten erwidert: »Halt, bleiben Sie hier, lassen Sie mich nicht allein«, was für sie ein gänzlich neues Bedürfnis Ethan gegenüber war, und erst recht Weaver gegenüber.
Wieder trat eine junge Frau ein und setzte sich.
»Hallo«, grüßte Mab zerstreut, noch immer mit dem Gedanken beschäftigt, dass sie bei Dämonen und bei ihrem Onkel auf der Todesliste stand. »Äh, Sie möchten etwas über Ihren Lebensgefährten wissen?«
»Ja«, erwiderte die Frau beunruhigt. »Woher wissen Sie das?«
»Telepathie«, antwortete Mab. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
Als Weaver gegen sechs Uhr wieder erschien, brachte sie Ethan ein D-Gewehr mit.
»Danke«, sagte er. »Munni?«
Sie reichte ihm einen schweren Beutel hinüber, und er nahm ihn.
»Gehört dir. Kannst du behalten. Pfeif auf Ursula.«
»Vielen Dank«, sagte Ethan.
»Ich möchte heute Nacht bei der Dämonenjagd dabei sein«, fuhr sie fort. »Ich werde mich nicht einmischen, aber ich möchte sehen, was mit den Unberührbaren passiert.«
Ethan zögerte, denn Glenda würde darüber nicht begeistert sein, dann blickte er auf den Sack Munition. Sie hatte ihn wirklich reichlich versorgt, aber … »Keine D-Brille?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Okay.« Er prüfte die Balance des Gewehres in seiner Hand. Es fühlte sich gut an. »Komm, ich zeige dir unseren Plan.«
Er führte sie auf den Personalweg im Hintergrund des Liebestunnels, bis sie das Schaubild mit Antonius und Cleopatra erreicht hatten, wartete dort, bis das letzte Boot vorbeigeschaukelt war, und zeigte ihr dann, wie man durch den Schlitz in dem Kulissennetz zwischen die Figuren des Schaubilds gelangte.
»Ich bin hier auch schon gewesen, weißt du«, stellte sie fest, »und habe deinen Arsch gerettet.«
»Richtig«, erwiderte Ethan. »Also, wir warten hier. Young Fred hat sich schon in den untreuen Idioten verwandelt, den Tura hier reinlotst und an seiner Stelle eingeschmuggelt. Sobald sie hier vorbeifahren, verwandelt sich Fred wieder zurück, erschreckt den Geist damit und sagt: Frustro, und der Geist fährt aus dem besessenen Körper heraus.«
»Frustro?« Weaver runzelte die Stirn. »Ich enttäusche?«
»Bestimmt nicht«, widersprach Ethan.
»Ich täusche, ich betrüge, ich halte dich zum Narren …«
»Das ist es, zum Narren halten. Dann sollte Mab den Geist erstarren lassen, indem sie Specto sagt …«
»Ich sehe dich?«, fragte Weaver mit einem Schnauben.
»Aber da sie nicht dabei ist, werde ich versuchen, Tura auch ohne das zu packen. Bei Selvans ist es mir gelungen, aber der bewegt sich langsam. Tura ist schnell.« Er erinnerte sich, wie sie das letzte Mal wie ein Blitz in ihn gefahren war und nach seinem Herzen gegriffen hatte. »Dann zwingt Glenda sie in die Urne hinein, und Gus versiegelt sie, und damit hätten wir’s geschafft.«
»Ohne einen Schuss?«, fragte Weaver.
»Genau. Wir machen das auf die klassische, gebildete Art. Wir sprechen lateinisch und nageln sie in Holzgefäßen fest.«
»Und warum erschießt ihr sie nicht einfach?«
»Weil man Unberührbare nicht töten kann.«
»Habt ihr’s versucht?«
Ethan sah die Frau an, die mit ziemlicher Sicherheit seine Lebensgefährtin werden würde. »Nein, aber du. Du hast auf Tura geschossen, als du mir den Arsch gerettet hast. Aber es hat nicht funktioniert. Sie ist nur aus dem Wirtskörper entwichen.«
»Lass es mich noch einmal versuchen«, bat Weaver grimmig.
»Nicht heute Nacht, Liebes«, lehnte Ethan ab und führte sie durch den Tunnel zum Eingang zurück.
Als sie wieder ins Freie und auf den Hauptweg traten, war der Park bereits ziemlich bevölkert. Es waren noch nicht so viele Besucher, wie zu der großen Halloween-Feier am nächsten Tag kommen würden, aber immerhin genug, um das Dreamland-Bankkonto bis Mitternacht ordentlich anschwellen zu lassen. Sie begegneten einigen beunruhigten Blicken von Parkbesuchern, die wohl niemanden in kugelsicheren Westen und mit Dämonengewehren erwartet hatten. »Parksicherheitsdienst«, erklärte Ethan jedem, der erschreckt dreinblickte, und das machte Eindruck. »An Halloween denken die meisten sowieso, dass wir nur kostümiert sind«, sagte Ethan zu Weaver. »Das macht’s leichter.«
»Für die Dämonen aber auch«, erwiderte sie.
Sie gingen den Hauptweg entlang bis in die Nähe des Teufelsflugs, da verlangsamte Ethan seinen Schritt. Auf der Bank neben der Teufelsstatue saß Ray, eine Zigarre rauchend, und sah nicht besonders glücklich drein. Als er sie erblickte, erschrak er, aber damit unterschied er sich kaum von allen anderen, deswegen beachtete Ethan es nicht weiter.
Weaver schob den Gewehrriemen von der Schulter und nahm das Gewehr in die Hand, starr vor Zorn. »Sie sitzen hier einfach so herum, Ray? Und halten ein Schwätzchen mit dem Teufel?«
Ray lächelte. »Wie bitte? Ich bin allein hier.«
Weaver machte eine Geste zu der Statue neben Ray. »Mit dem da.«
»Ah.« Ray zuckte die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. »Der ist mir eine gute Gesellschaft. Redet nicht viel. Passt zu mir.«
»Scheint mir auch so«, erwiderte Weaver und trat näher an die Statue heran, steif, als müsste sie sich dazu überwinden.
Rays Gesicht rötete sich, und er richtete sich auf. »Was tun Sie hier überhaupt?«
»Parksicherheitsdienst«, sagte Ethan wieder und blickte an Ray vorbei zu der über zwei Meter hohen Teufelsstatue. Die roten Augen schienen lebendig vor Energie, und zum ersten Mal kamen ihm Zweifel an seinem Plan.
Ray starrte Weaver an. »Ich erinnere mich nicht, Frauen für den Sicherheitsdienst angeheuert zu haben.«
»Glenda hat mich eingestellt«, erwiderte Weaver und starrte weiter die Teufelsstatue an. »Ganz offiziell.«
»Sie sind gefeuert«, blökte Ray.
Weaver beachtete ihn nicht. Sie war blass geworden, vollkommen auf die Statue konzentriert, und gerade als Ethan etwas sagen wollte, drehte sie sich um und ging davon, den Pfad hinauf in Richtung Bier-Pavillon.
»Kein Respekt«, beschwerte Ray sich bei Ethan. »Die weiß nicht, wer hier der Boss ist. Schmeißen Sie sie raus. Sie wirkt psychisch labil.«
»Während Sie sich lediglich mit einer Teufelsstatue unterhalten«, sagte Ethan und ging ebenfalls den Pfad hinauf, der am Bier-Pavillon vorbei und zu den Wohnwagen führte, darum bemüht, Weaver einzuholen.
»Ich würde ihn am liebsten erschießen«, erklärte sie.
»Ich auch«, erwiderte Ethan. »Glaub mir, ich habe daran gedacht.«
Sie verließ den Pfad, und er folgte ihr zwischen den Bäumen hindurch und durch das Unterholz bis zu seiner Lagerstelle. »Tja«, sagte er und wusste nicht recht, wohin sie als Nächstes gehen sollten, obwohl er genau wusste, was er am liebsten getan hätte.
»Ich habe eine ganze Menge Dämonen besiegt«, begann Weaver bebend.
»Ja, das hast du«, stimmte Ethan besänftigend zu.
»Aber das war nichts gegen das, was da in dieser Statue ist.«
»Weaver …«
Sie zitterte heftiger. »Mein Vater hat mir früher immer gesagt, jeden verdammten Morgen, bevor ich in die Schule ging, hat er mir gesagt: ›Sei wachsam, denn dein Feind, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht sich diejenigen, die er verschlingen kann‹. Und jetzt ist der Teufel hier, ich habe ihn gefühlt, Ethan. Es ist das Böse, es steckt da drin, und es ist kein Löwe, sondern es ist Schmerz und Verzweiflung und Tod, und dieses Arschloch Ray will es befreien …«
Er legte seine Arme um sie, um sie zu beruhigen, aber sie wich zurück.
»Ich hasse es, Angst zu haben«, stieß sie hervor. »Mein Vater hat mir damit die schlimmsten Alpträume verursacht. Er hat bei seinen Predigten immer geschrien, dass der Teufel überall sei und alle im Höllenfeuer schmoren lassen will …«
»Weaver …«
»Und jetzt ist es Wirklichkeit.« Es schüttelte sie. »Ich hasse die verdammten Dämonen, diese bösartigen, kleinen Kreaturen, aber dieses Ding da in der Statue, das ist nicht nur einfach bösartig, das ist … das Böse schlechthin. Die Apokalypse.«
»Ja, aber die Guardia ist hier bei dir«, entgegnete Ethan aufmunternd. »Wir haben ihm schon einmal den Arsch versohlt, und wir werden es wieder tun.«
»Ja? Also gut. Tut mir leid. Ich wollte mich nicht wie eine Heulsuse aufführen. Vergessen wir das, ja? Hilfst du mir dabei?«
»Da kannst du drauf wetten«, erwiderte er, zog sie mit sich auf seinen Schlafsack hinab und hielt sie eng umschlungen, da sie noch immer zitterte.
»Autsch«, entfuhr es ihr, und in einem Versuch, sich zu beruhigen, fuhr sie fort: »Wann nimmst du endlich diesen verdammten Stein da weg?«
»Entschuldige.« Er zerrte ihn unter dem Schlafsack hervor und warf ihn in die Büsche.
»Von jetzt an gehen wir in einen der Wohnwagen. Keine Steine mehr.«
Ihre Stimme war noch immer zu hoch und voller Anspannung, und Ethan stützte sich auf einen Ellbogen und meinte: »Glenda hat Hanks Wohnwagen für mich vorbereitet. Wir können jetzt sofort dorthin gehen, wenn du dich dann sicherer fühlst.«
»Nein«, erwiderte sie und sah ihm in die Augen. »Ich will es gleich jetzt und hier mit dir.«
»Bei mir bist du sicher«, versprach er. »Das schwöre ich. Sollte der Teufel dir zu nahe kommen, schicke ich ihn zur Hölle.«
»Also gut, ich glaube dir«, erwiderte sie und zog ihn zu sich hinunter, und er tat sein Bestes, um sie ihre Horrorvorstellungen vergessen zu lassen.
»Dieses Miststück«, fauchte Ray, als Ethan und Weaver gegangen waren. »Mich wie ein Nichts zu behandeln. Mich einfach Ray zu nennen, als hätte ich es ihr erlaubt. Für dich heißt es immer noch Mayor Brannigan, du Aas.«
SIE IST UNWICHTIG.
»Na ja, sie mag unwichtig sein, aber sie weiß, dass ich mit dir spreche. Meine Tarnung ist aufgeflogen.«
DIE MINION-DÄMONEN WERDEN SIE TÖTEN.
»Da habe ich schlechte Nachrichten für dich«, erwiderte Ray. »Sie sollten nämlich eigentlich schon tot sein. Ich hatte gehört, wie Ethan sagte, er wollte in den Wachturm gehen, und da habe ich die Minions hingeschickt, um ihnen dort aufzulauern, aber die beiden sind immer noch sehr lebendig. Deswegen befürchte ich, dass wir wieder ein Dutzend von den kleinen Mistviechern verloren haben.«
Kharos dachte an mehrere qualvolle, langsame Todesarten für Ray. DU MACHST DEINE SACHE SCHLECHT.
»Ich doch nicht, sondern die Minions«, rief Ray. »Ich habe versucht, sie zu organisieren. Hab sie zum Wachturm gebracht, hab ihnen einen Plan erklärt, hab einen von ihnen zum Anführer ernannt …«
WAS?
»… und die haben den einfach gekillt. Haben ihren eigenen Anführer geschreddert.«
STELLE NIE EINEN ÜBER DIE ANDEREN. SIE HASSEN JEDEN, DER ÜBER IHNEN STEHT.
»Herrje, über denen steht doch jeder«, entgegnete Ray. »Das ist wahrscheinlich der Grund, warum sie die ganze Zeit so fuchsteufelswild sind. So was kann einen schon verrückt machen. Also gut. Die Minions nicht mehr organisieren. Ich werde ihnen nur noch … die Ziele vorgeben. Und ihnen klarmachen, dass die Befehle von dir kommen. Die haben eine Höllenangst vor dir.« Es klang etwas verdrießlich.
IST DEINE NICHTE TOT?
»Wahrscheinlich. Ich habe sie gerade vergiftet.« Ray drückte seine Zigarre auf der Bank aus. »Das ist gar nicht so leicht. Ich werde heute Nacht bestimmt nicht gut schlafen.« Er erhob sich. »Kann’s kaum noch erwarten, dass Halloween endlich vorbei ist.«
SUCHE FUFLUNS UND TURA. ER WIRD DORT SEIN, WO LEUTE LACHEN. SIE WIRD VON MÄNNERN UMGEBEN SEIN …
»Ich sag dir doch, ich habe nach ihnen gesucht«, erwiderte Ray ärgerlich.
Die Asche an seiner Zigarre fiel herab.
Ray wischte sie von seiner Hose und starrte seine gekappte, kalt gewordene Zigarre an. »Sicher, sicher«, beeilte er sich zu sagen. »Ich werde deine Honigblüte und deinen Spaßmacher suchen. Hab ja sonst nichts zu tun.«
Er warf seine Zigarre angewidert fort und marschierte über den Hauptweg davon.
Kharos wurde bewusst, dass er eines mit Ray gemeinsam hatte.
Auch er konnte es kaum noch erwarten, bis Halloween endlich vorbei war.