Warum die Behörden tatenlos zusehen

Wenn es im Sexgewerbe so viele Sklavinnen gibt, warum wird dies dann nicht, könnten Skeptiker fragen, häufiger zur Anzeige gebracht? Der Grund ist zum einen, dass die Branche ihre eigene liberale Kultur hervorgebracht hat. Und zum anderen ist die Sexsklaverei zwar ein Straftatbestand, doch das ist bei den von Geschlechter- und Klassendiskriminierung durchdrungenen Behörden noch nicht angekommen. Der Leiter einer Sonderermittlungseinheit in Bangkok versicherte mir allen Ernstes, man könne kaum etwas unternehmen, »vor allem wenn die geretteten jungen Frauen zu ihren Zuhältern zurückwollen. Ich nehme an, es gefällt ihnen. Die armen Dinger.«

Wenn die Polizei auf den Hinweis von Touristen, Botschaftsangehörigen oder Hilfsorganisationen hin ein Opfer befreit und dann einsperrt, suchen die Menschenhändler das Gefängnis auf und weisen sich als Verwandte des Opfers aus. Sie zahlen die Kaution für die Mädchen und nehmen sie wieder mit. Die Angestellte einer Reinigungsfirma, die in der für die Prostitution verantwortlichen Polizeidienststelle in Bangkok arbeitet, versicherte mir, die Polizeibeamten wüssten sehr wohl, dass es sich nicht um Verwandte handelte. Innerhalb von einer Woche habe ein Zuhälter mit dem Spitznamen »der Hund« die Kaution für neun »Nichten« bezahlt, ohne dass die Beamten irgendwelche Fragen gestellt hätten.

Zwar nimmt die Zahl der Aufklärungskampagnen zu, doch die Menschenhändler erzählen ihren Sklavinnen ihre eigene Version von der Arbeit der Hilfsorganisationen. Sie nennen ihnen die Namen dieser Einrichtungen und warnen sie, wenn sie um Hilfe bitten und sich gegenüber der Polizei als Opfer des Menschenhandels zu erkennen geben würden, dann kämen sie ein Jahr oder länger ins Gefängnis und wären nicht in der Lage, ihre Familien zu sehen oder mit Geld zu unterstützen. Außerdem drohen sie damit, Angehörige der Mädchen zu ermorden, wenn diese sich nicht an den »Vertrag« halten.

In Kambodscha hörte ich vom Fall einer 26-jährigen Frau, die ihrem Zuhälter entkam und vom Netz der Tuk-Tuk-Fahrer aufgespürt wurde. Der Zuhälter sagte ihr, sie könne sich freikaufen, wenn sie ihm ein Mädchen aus ihrem Dorf bringe. Wie Tausende andere Opfer willigte sie ein. Ähnliches kommt auch in Mexiko und Guatemala vor. Es ist kein Zufall, dass die aktive Beteiligung der Frauen an den Verschleppungen exponentiell zunimmt. Die Mafia hat ganze Arbeit geleistet: Sie kennt die Gesetze (eine philippinische Menschenhändlerin, mit der ich mich unterhielt, kannte sogar das Protokoll von Palermo auswendig) und einigt sich mit den Behörden.