13
Sie brachten nicht einmal zu Ende, was sie gerade taten. Sie hörten sofort auf. Er wälzte sich von ihr herunter und stand schon neben dem Bett, während sie noch dalag und versuchte, sich mit den Händen zu bedecken. Es war eine lächerliche Geste.
Er hätte sich anziehen, die Schuhe binden und an mir vorbeigehen können. Mit ihm hatte ich keinen Streit. Ich war zwar noch nicht so weit, dass ich ihm meine unsterbliche Liebe verkündete. Aber ich wollte ihm auch nicht die Zähne einschlagen. Er war nicht mehr in seinem Element. Seine Schlafzimmerakrobatik hatte sich in etwas ganz anderes verwandelt, und es war an der Zeit, dass er seine Hose zusammensammelte und nach Hause ging.
Das war nicht sein Stil. Für ihn gab es nur eine Sicht der Dinge: Ich hatte seine Privatsphäre verletzt, ihn bei seiner Akrobatik unterbrochen und ihn lächerlich aussehen lassen. Das war die einzige Diagnose, die seine schönen blauen Augen an sein Gehirn weitergeben konnte, und bei jemandem, der so von seinen Muskeln beherrscht war, gab es nur ein einzige Reaktion auf diese Art von Informationen.
Er griff mich an.
Wahrscheinlich hatte er früher einmal Football gespielt. Er kam mit gesenktem Kopf und ausgestreckten Armen auf mich zu. Jeder sieht in dieser Haltung dumm aus, aber er wirkte noch dümmer. Er war nackt, und alle Männer wirken nackt lächerlich. Aber dann war noch etwas. Ich starrte von oben auf seinen Kopf, als er sich auf mich stürzte, und ich sah, dass jede einzelne Haarsträhne wie durch Zauber liegen blieb.
Ich trat ihm ins Gesicht.
Er machte eine Art Rückwärtspurzelbaum und kam dann auf seinem Hintern zu sitzen. Meine Schuhspitze hatte ihn voll am Kinn getroffen, und er war benommen – nicht verletzt, keine Schramme, aber benommen.
Er versuchte aufzustehen.
So komisch es klingt, doch ich war immer noch nicht wütend auf ihn. Aber ich musste ihm deutlich machen, welche marginale Rolle er in der ganzen Geschichte spielte. Ich wollte ihn loswerden. Ich hatte Wichtigeres zu tun, als mich um diesen bescheuerten Idioten zu kümmern.
Ich machte mir nicht die Mühe, fair zu spielen. Das wäre dumm gewesen. Ich wartete, bis er halb aufgestanden war. Dann trat ich ihm noch einmal ins Gesicht. Diesmal traf ich besser. Seine Lippe platzte, und er verlor einen Zahn. Für einen Monat oder so würde er nicht besonders hübsch aussehen.
Auch seinen Lebensunterhalt würde er sich nicht verdienen können, denn den nächsten Tritt verpasste ich ihm zwischen die Beine. Tief in seiner Kehle gab er einen Ton von sich wie ein kleines Mädchen, noch ein halb ersticktes Stöhnen, dann war Ruhe.
Er war ohnmächtig geworden.
Ich wandte mich Mona zu. Sie hatte sich in einen Morgenrock gehüllt. Ich konnte sehen, dass sie Angst hatte, aber irgendwie brachte sie es fertig, diese Angst nicht zu zeigen. Das wenigstens musste ich anerkennen.
Ich wartete. Schließlich versuchte sie zu lächeln, gab es auf und seufzte. »Ich glaube, ich sollte jetzt wahrscheinlich etwas sagen«, meinte sie. »Aber wo soll ich anfangen?«
Ich steckte mir eine Zigarette an.
»Ich wäre nach Miami gekommen«, sagte sie. »Ich hatte nur Angst, wenn wir zu schnell Verbindung aufnehmen …«
»Halt’s Maul.«
Sie sah aus, als hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen.
»Du brauchst nicht zu reden«, sagte ich. »Ich rede. Aber zuerst schmeißen wir deinen Freund raus.«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Ein paar Sekunden lang saht ihr mir beide aber doch sehr freundlich aus.«
Sie schluckte. »Er war nicht wie du, Joe. Niemand hat mir so viel bedeutet. Du warst immer der Beste. Du …«
»Spar dir das«, sagte ich. Ich ärgerte mich, dass sie mir mit dieser Masche kam. Wenigstens etwas Besseres hätte sie sich ausdenken können. »Wir schaffen deinen Freund jetzt weg«, sagte ich noch einmal. »Dann reden wir.«
Ich ging zum Telefon, nahm den Hörer und verlangte den Chefportier. Er war sofort da.
»Oben«, sagte ich, »in Achthundertvier. Sie könnten eine Kleinigkeit für mich erledigen. Mir einen Gefallen tun.«
»Sie sind der eifersüchtige Liebhaber?«
»Genau.«
»Sind Sie immer noch in Spendierlaune?«
»Ja, sehr. Und Sie sind immer noch scharf aufs Geld?«
Ein leises Lachen. »Bin gleich da«, sagte er und legte auf.
Ich sah nach dem Knaben mit den breiten Schultern. Er war immer noch weggetreten. »Zieh ihn an«, befahl ich ihr. »Und zwar schnell. Zieh ihm die Kleider an. Er braucht nicht schön aussehen, aber zieh ihn an.«
Sie machte sich ans Werk.
»Der Chefportier kommt jeden Moment«, fuhr ich fort. »Mach keine Dummheiten. Du schaffst es doch nicht. Wenn es sein muss, bringe ich uns beide auf den elektrischen Stuhl.«
»Das würdest du nicht tun.«
»Bist du dir da sicher?«
Keine Antwort. Sie zog ihn weiter an, und ich wartete auf den Portier. Ein paar Minuten später klopfte es sehr diskret an der Tür, und ich ließ ihn herein.
Ich gab ihm noch einen Hunderter. »Unser Freund hier hatte einen Unfall«, sagte ich. »Zu viel getrunken. Dann ist er gestürzt und hat sich verletzt. Jemand sollte ihn nach Hause schaffen.«
Er blickte zu dem Kerl, dann zu mir. »Praktisch, so ein Unfall«, sagte er. »Und es hat genau den Richtigen erwischt. Er lebt doch noch, oder?«
Ich nickte. »Das schon. Aber er ist müde«, sagte ich. »Ich bin auch müde. Ich würde ihn selbst in sein Apartment zurücktragen. Aber ich brauche meinen Schlaf. Deshalb dachte ich, Sie würden das vielleicht für mich übernehmen.«
Er lächelte.
»Noch etwas«, meinte ich. »Die Dame und ich möchten gerne allein sein. Eine ganze Weile lang. Keine Telefonanrufe. Niemand, der an der Tür klopft. Können Sie dafür sorgen, dass uns niemand stört?«
Er sah zuerst Mona und dann mich an. »Ein Kinderspiel.«
Ich wartete, während er den schönen Mann aufhob. Er legte ihn sich über die Schultern und lächelte mich traurig an. Dann trug er ihn wie einen Sack nasser Wäsche aus dem Zimmer. Ich schloss die Tür hinter ihm und verriegelte sie.
Sie wandte sich zu mir um. Diesmal waren ihre Augen geweitet, die Angst war deutlich in ihnen zu sehen. Auch das Atmen fiel ihr nicht leicht.
»Wirst du mich umbringen, Joe?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was willst du dann? Geld? Du kannst die Hälfte haben, Joe. Es ist so viel. Mehr als ich je brauche, mehr als du brauchst. Du kannst die Hälfte haben. Das ist doch ein faires Angebot. Ich überlasse dir die Hälfte. Ich wollte dir sowieso die Hälfte geben, und …«
»Lüg mich nicht an.«
»Es ist die Wahrheit, Joe. Ich …«
»Du sollst mich nicht anlügen.«
Sie verstummte und sah mich an. In ihren Augen lag ein verletzter Ausdruck. Mit ihren Blicken sagte sie mir, dass ich sie keine Lügnerin nennen sollte, dass das nicht nett sei. Zu einem hübschen Mädchen, so wie sie eines war, musste man nett sein.
»Keine Lügen«, sagte ich. »Wir spielen jetzt ein ganz neues Spiel. Es heißt Stunde der Wahrheit. Wie im Fernsehen.«
Sie sah sehr nervös aus. Ich steckte eine Zigarette an und reichte sie ihr. Sie hatte sie nötig.
»Du warst verdammt gut«, sagte ich. »Du warst so gut, dass du nicht einmal alle Schwachstellen verbergen musstest. Du hast mich die Lücken in deiner Geschichte sehen lassen, und ich hab sie als Zufälle abgetan. Das war sehr gut.«
Ich erinnerte mich an den Hitchcock-Film, den ich in Cleveland gesehen hatte. Wenn die Regie stimmte, nahmen die Zuschauer die irrsten Zufälle als Erklärungen hin, Und Mona war ein ausgezeichneter Regisseur.
»Fangen wir vorn an«, sagte ich. »Keith hat angeblich Heroin importiert. Das war sein Geschäft. Du wusstest angeblich überhaupt nichts davon. Das hätte mir von Anfang an auffallen müssen. Wie, zum Teufel, hätte er ein solches Geschäft führen können, ohne dass du je etwas davon mitkriegst? Und warum sollte er dich mit nach Atlantic City nehmen, während er dort ein Geschäft abwickelte? Er war nicht auf Urlaub in der Stadt. Er hatte eine Lieferung für Max Treger dabei, und du wusstest von Anfang an darüber Bescheid. Das war verdammt clever eingefädelt.«
Sie sah mich unglücklich an.
»Ich stell mir das so vor«, fuhr ich fort. »Du warst am Bahnhof. Du hast gesehen, wie ich Keiths Koffer genommen habe. Er hat es nicht gesehen, aber du. Du hättest mich sofort aufhalten können, aber das war viel zu einfach. Du hast plötzlich verschiedene Möglichkeiten gesehen, dir sind tausend Pläne durch den Kopf gegangen. Vielleicht sprang etwas für dich dabei heraus. Deshalb hast du nichts gesagt.
Also, ich hatte die Koffer genommen. Dann hast du mich aufgegabelt. Mag sein, dass du dir etwas Zeit gelassen hast, aber lange hast du jedenfalls nicht gewartet. Du hast mich am Strand gefunden, dich mit mir verabredet und dich dann nachts am Strand mit mir getroffen. Du hast mich nach und nach herausfinden lassen, wer du warst. L. Keith Brassards hübsche kleine Frau nämlich. Du hast mich zwei und zwei zusammenzählen lassen, bis ich auf fünf kam.«
»Ich mochte dich.«
»Du warst verrückt nach mir. Am nächsten Morgen hat die Zimmermädchennummer auch ausgezeichnet geklappt. Du hast gewusst, dass ich das Heroin hatte, doch nicht mehr. Irgendwo musste etwas für dich in der Sache stecken. Du hast in meinem Zimmer herumgeschnüffelt. Zum Teufel, selbst wie du mich geweckt hast, war eine tolle Nummer. Du hast mich geschüttelt und herumgeplappert, dass du Keiths Koffer in meinem Schrank gefunden hast. Es war wirklich genial. Du musstest mir nicht einmal vorspielen, dass du verwirrt warst. Du warst wirklich ziemlich irritiert. Du hast den Stoff nicht gefunden. Das hat dich total durcheinandergebracht.«
Ich hielt inne und schüttelte den Kopf. Es hörte sich irgendwie anders an, wenn ich es laut aussprach und mir nicht nur im Kopf zusammenreimte. Alles passte perfekt zueinander. Falls ich noch Zweifel gehabt hatte, waren sie jetzt ausgeräumt. Die Geschichte fügte sich nahtlos zusammen.
»Hättest du den Stoff in meinem Zimmer gefunden, wärst du damit wahrscheinlich auf und davon gewesen. Gott weiß, was du damit getan hättest. Vielleicht hättest du versucht, auf eigene Faust ein Geschäft damit zu machen, oder es an Keith zurückverkauft oder so etwas. Gott weiß. Aber du hast gemerkt, dass du es nicht so einfach zurückbekommst. Und dann hast du ernsthaft Pläne geschmiedet. Vielleicht könntest du mich dazu benutzen, Keith für dich umzubringen. Das war doch eine gute Idee, nicht wahr?
Und du hast es perfekt inszeniert, hast mich selbst auf den Gedanken kommen lassen und mich in dem Glauben bestärkt, es wäre von Anfang an meine Idee gewesen. Du hattest genug von ihm. Er ist dir auf die Nerven gegangen, und du wolltest raus aus dieser Ehe. Aber du wolltest auch das Geld, und vielleicht konnte ich es dir verschaffen. Du hast die Sache kaltblütig durchgezogen, Mona. Du warst perfekt.«
»So war es nicht, Joe …«
»Doch, zum Teufel, genau so war es. So einfach. So verdammt einfach, dass ich keine Sekunde gezweifelt habe. Du warst eine wunderbare Schauspielerin. Sogar im Bett. Hast so getan, als wärst du verliebt in mich. Du warst perfekt, und ich bin voll drauf reingefallen.«
Ihr Gesichtsausdruck war seltsam. Sehr traurig, bedrückt. Ich blickte ihr in die Augen und versuchte, sie zu ergründen. Doch ihre Augen verrieten nichts.
Also gab ich auf. Ich saß da und sah sie an, und sie sah mich an. Ich rauchte noch eine Zigarette. Als sie schließlich zu reden anfing, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Sie spielte kein Theater mehr. Ich wusste, dass sie mir jetzt die Wahrheit sagte, weil sie keinen Grund mehr hatte zu lügen. Das wusste ich, das begriff ich. Deshalb konnte sie mich nicht mehr anlügen. Die Lügen würden nur auf sie zurückfallen.
Sie sagte: »Es ist noch mehr, Joe.«
»Ja?«
Ein langsames Nicken.
»Dann sag es mir. Ich bin ein guter Zuhörer.«
»Du glaubst wahrscheinlich, dass es mir nur um das Geld ging«, sagte sie. »Das stimmt nicht. Ach, am Anfang war das Geld das Wichtigste, das gebe ich zu. Aber dann … dann waren wir zusammen, und es war … mehr … als nur das Geld. Es ging um uns beide. Ich dachte darüber nach, wie es sein würde, wenn du und ich zusammen wären. Ich dachte darüber nach und …«
Sie hielt inne. Die Stille in dem Hotelzimmer war körperlich fühlbar. Ich zog an meiner Zigarette.
»Aber irgendwann ist es dir dann doch wieder nur um das Geld gegangen. Weil du mich nicht mehr gebraucht hast.«
»Vielleicht.«
»Was sonst?«
Sie überlegte einen Augenblick, ehe sie antwortete. »Weil du ihn getötet hast«, sagte sie.
»Wie bitte?«
»Du hast ihn getötet«, sagte sie. »Sicher, wir waren beide schuldig. Juristisch gesehen, meine ich. Das weiß ich. Aber … in mir, wenn ich daran dachte, dann warst du derjenige, der ihn umgebracht hat. Und wenn ich zu dir ging, dann war ich an dem Mord beteiligt. Aber wenn ich alleine blieb, dann war es etwas anderes. Ich konnte so tun, als wäre er einfach … gestorben. Als hätte ihn jemand getötet, aber ich hatte nichts zu tun damit.«
»Hat das funktioniert?«
Sie seufzte. »Vielleicht. Ich weiß nicht. Eine Weile lang. Dann dachte ich an dich und ich wusste, dass du in Miami auf mich wartest und dich fragst, was schiefgelaufen ist. Und ich dachte, dass dir etwas zustand für den … für das, was du getan hast. Deshalb habe ich dir das Geld geschickt. Die dreitausend Dollar.«
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Gewissen hast.«
Sie brachte ein Lächeln zustande. »So ein schlechter Mensch bin ich nicht.«
»Nein?«
»Nicht so schlecht. Schlecht, aber nicht verkommen. Nicht wirklich.«
Sie hatte recht. Und mir wurde klar, dass ich das schon die ganze Zeit gewusst hatte. Ein eigenartiges Gefühl.
»Was nun, Joe?«
Ihre Worte brachen das Schweigen. Ich wusste, was jetzt kam, aber ich scheute mich davor, es ihr zu sagen. Ich wollte den Augenblick ausdehnen, bis er so lang wie eine halbe Ewigkeit war. Ich wollte nicht, dass dieses Was nun? jetzt schon kam. Wir waren beide noch nicht bereit dazu.
»Joe?«
Ich gab keine Antwort.
»Du hast gesagt, du wirst mich nicht töten. Hast du es dir anders überlegt, Joe?«
Ich sagte ihr, dass ich sie nicht töten würde.
»Was willst du dann tun?«
Ich drückte die Zigarette aus und atmete tief ein. Die Luft im Zimmer war zum Schneiden dick, zumindest kam es mir so vor. Das Atmen bereitete mir Mühe.
»Mich heiraten?«
Ich nickte.
»Du willst mich heiraten«, sagte sie. Ihre Stimme hatte einen leichten, fast flüchtigen Klang. Sie sprach mehr mit sich selbst als mit mir, als sie die Worte ausprobierte. »Nun ja, in Ordnung. Ich … Es ist nicht sehr romantisch. Aber wenn du das haben willst, meinetwegen. Ich werde mich nicht wehren.«
Ich hörte ihre Worte und lauschte auf die dahinterliegende Bedeutung. Ich versuchte ein letztes Mal, mir vorzustellen, wir beide wären glücklich verheiratet. Wieder wurde das Bild nicht scharf. So, wie sie es sich wünschte, funktionierte es nicht.
Bei Gott, ich wünschte, es könnte funktionieren. Aber das tat es nicht, nicht ohne meine kleine Lösung. Meine Methode war der einzige Weg, so sehr sie mir auch widerstrebte.
Also setzte ich mich neben sie, rückte dicht zu ihr und lächelte sie sanft an. Sie erwiderte das Lächeln zögernd. Ihre Welt begann vor ihren Augen wieder Gestalt anzunehmen. Da waren wir, lächelten einander zu, und bald würde alles in Ordnung sein. Eine kleine Veränderung im Plan natürlich, aber nichts Drastisches.
Ich sagte: »Es tut mir leid, Mona.«
Und dann schlug ich sie. Ich erwischte die richtige Stelle genau über der Nasenwurzel, und ich schlug nicht allzu fest zu. Ein kräftiger Schlag auf die Nase bricht den Knochen und jagt Splitter ins Gehirn. Aber ich war sanft. Ich hatte sie nur k. o. geschlagen. Sie verlor sofort die Besinnung und fiel mir schlaff in meine Arme.
Als sie ein paar Minuten später zu sich kam, hatte sie einen Knebel im Mund. Die Füße hatte ich ihr mit Stoffstreifen zusammengebunden, die ich vom Bettlaken abgerissen hatte, ebenso die Hände hinter ihrem Rücken.
Sie starrte mich an, und in ihrem Gesicht stand das blanke Entsetzen.
»Eines Tages wirst du dich daran gewöhnen«, sagte ich. »Eines Tages wirst du verstehen. Ich erwarte nicht, dass du es jetzt begreifst. Aber irgendwann wirst du es begreifen.«
Ich nahm die beiden Päckchen aus der Jackentasche, die zusammengerollte Papiertüte und das Lederetui. Ich machte die Tüte auf und nahm eine der kleinen schwarzen Kapseln heraus. Dann öffnete ich das Etui und zeigte ihr, was darin war.
Sie stöhnte auf.
»Komisch«, sagte ich, »wie wir immer wieder darauf zurückkommen. Keith hat es verkauft, ich habe es gekauft. Und weißt du, was wirklich komisch ist? Ich musste gutes Geld für das Zeug bezahlen. Eine ganze Schachtel davon habe ich weggeworfen, um Keith hereinzulegen, habe Heroin im Wert von einem Vermögen in seinem Büro verteilt, damit es auch überzeugend für die New Yorker Bullen aussah. Und hier sind wir. Wieder da, wo wir am Anfang waren.«
Ich nahm den kleinen Löffel aus dem Lederetui. Es war ein Löffel, wie man ihn in den Cafés im Greenwich Village bekommt, um den Espresso damit umzurühren. Ich legte die Kapsel auf den Löffel und holte mein Feuerzeug heraus. Ich knipste es an. Dann hielt ich den Löffel über die Flamme und sah zu, wie das Heroin sich auflöste. Meine Hand war erstaunlich ruhig.
Ich sah Mona an. Sie starrte wie gebannt auf die kleine Flamme des Feuerzeugs, wie eine Katze vor dem Feuer. Heißes Eis.
»Du bist zu unabhängig«, sagte ich. »Du lebst nur in dir selbst. Und wenn die Leute dir zu viel nehmen, zu viel von deiner Persönlichkeit, dann rennst du weg und versteckst dich. Das ist nicht gut.«
Sie gab natürlich keine Antwort. Teufel, sie hatte einen Knebel im Mund. Aber ich fragte mich, was sie dachte.
»Also wirst du etwas weniger unabhängig sein. Du wirst etwas haben, wovon du abhängig bist.«
Ich nahm die Injektionsspritze. Ich schob den Kolben ganz hinein und steckte die Nadelspitze in das aufgelöste Heroin auf dem Löffel. Als ich den Kolben zurückzog, füllte sich die Nadel mit dem flüssigen Heroin.
Die Nadel sah sehr groß aus. Sehr gefährlich. Monas Augen waren rund, und man konnte förmlich hören, wie sich ihre Gedanken überschlugen. Sie wollte es nicht glauben, aber sie musste.
»Keine Angst«, sagte ich, obwohl das natürlich dumm war. »Es ist nicht so schlimm, nicht wenn man Geld hat. Man spritzt sich ein paarmal am Tag und führt ein Leben fast wie ein normaler Mensch. Weißt du, in welcher Bevölkerungsgruppe sich der höchste Anteil an Süchtigen findet? Bei den Ärzten. Weil sie Zugang zu dem Stoff haben. Sie sind meistens morphiumsüchtig, aber das ist beinahe das gleiche wie Heroin. Sie bekommen, so viel sie brauchen. Wenn du nie einen Entzug machen musst, dann ist es nicht so schlimm. Alkohol zum Beispiel ist für den Körper viel schädlicher.«
Sie konnte mir nicht mehr zuhören. Und ich war grausam, ließ mir viel zu viel Zeit, um zu tun, was ich tun musste. Ich hörte auf zu reden.
Ich fand eine gute Stelle an der muskulösen Innenseite ihres Schenkels. Später konnte ich ihr die Spritze direkt in die Hauptader setzen, der Vene, die direkt zum Herzen führt. Aber für den Augenblick genügte ein Schuss unter die Haut. Ich wollte nicht, dass ihr von einer Überdosis schlecht wurde.
Ich hob die Nadel, stach in ihren Schenkel und drückte den Kolben ganz hinunter. Sie versuchte zu schreien, als die Nadel in ihr Fleisch drang, doch wegen des Knebels brachte sie nur ein kleines Schnauben durch die Nase heraus.
Dann packte sie das Heroin, und sie flog ins Land der Träume.