Kapitel 18

J.T. nahm die Abkürzung durch den Pferch und den kleinen Garten hinter seinem Haus, als er zum Mittagessen ging. Als er an der großen Eiche vorbeikam, befühlte er seinen Arm. Er hasste es zuzugeben, aber diese seltsamen Übungen mit den Keulen hatten doch tatsächlich dafür gesorgt, dass sich ein Muskelkater anbahnte.

Und die Ringe? Er hätte Hannahs Angebot annehmen sollen, die Übungen vorher abzubrechen. Sie war ihm so nahe gewesen, dass er den Duft ihres Haares hatte wahrnehmen können. Ihre Augen hatten gestrahlt wie ein blauer Sommerhimmel. Und wenn sie sich bewegt hatte, hatte ihr Rock gegen seine Beine geschlagen, was ihn fast wahnsinnig gemacht hatte.

Und dann war sie gegen seine Brust gefallen. Das hatte das Feuer in ihm endgültig entflammt. Es hatte ihn eine ganze Wagenladung an Selbstbeherrschung gekostet, sie von sich zu schieben.

Den Rest des Vormittags hatte er damit verbracht, seine Fassung wiederzugewinnen und Gott darum zu bitten, dass er Hannahs Tricks widerstehen könnte. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass es keine Tricks waren. Hannah Richards mochte versuchen, ihre Kleider den Menschen in Coventry unterzuschieben, doch mit sich selbst würde sie das niemals tun. J.T. hatte gemerkt, dass sie während der Übungen immer wieder versucht hatte, eine gewisse Distanz zwischen sie zu bringen, was ein Ding der Unmöglichkeit gewesen war, wenn man bedachte, dass ihre Hände sich eigentlich die ganze Zeit über berührt hatten. Nein, sie war einfach eine hübsche, fehlgeleitete Frau, die an seinem Herzen zog und seinen Körper lockte. Mit Gottes Hilfe würde er widerstehen können. Das musste er. Er würde nicht den Fehler seines Vaters wiederholen.

Ohne dass er es wollte, wanderten J.T.s Gedanken zurück bis zu dem Tag, an dem sein Vater ihn beiseitegenommen hatte, um ihm zu eröffnen, dass die Frau, die sie beide liebten, sie für immer verlassen hatte. Mit abgezehrtem Gesicht und traurigen Augen hatte er seinem Sohn auf die Schulter geklopft.

„Tritt nicht in meine Fußstapfen, mein Sohn“, hatte er ihn gewarnt.

Das war alles gewesen, was er zu diesem Thema gesagt hatte, doch es war genug gewesen.

J.T. erinnerte sich an die Ausreden, die sein Vater immer wieder gefunden hatte, wenn seine Mutter sich in ihr Zimmer eingeschlossen hatte, um ihre Kleider anzuprobieren, und ihr Mann sich um seine schreiende kleine Tochter hatte kümmern müssen. Er hatte gesagt, dass Mutter nur neurotisch sei, als hätte das alles erklärt. Doch dann hatte er immer mehr seiner Aufgaben an seinen Sohn abgegeben, bis J.T. angefangen hatte, sich selbständig um alles zu kümmern.

Als sein Vater seine Mutter kennengelernt hatte, hatte er sich so von ihrem Äußeren blenden lassen, dass er über ihre charakterlichen Schwächen hinweggesehen hatte. Sie war vierzehn Jahre jünger als er gewesen. Vermutlich hatte sein Vater gehofft, sie würde sich ändern, wenn sie die verantwortungsvolle Aufgabe einer Mutter und Hausfrau übernehmen musste. Aber das war nicht der Fall gewesen. Ihre Bedürfnisse waren immer ausgefallener geworden. Nachdem sie zwei Kinder zur Welt gebracht hatte, hatte sie sich immer wieder über den Verlust ihrer guten Figur beklagt. Sie hatte nach teuren Kleidern verlangt, bis die Ersparnisse ihres Mannes aufgebraucht gewesen waren. Danach hatte sie ihm gedroht, ihn zu verlassen, wenn er nicht weiterhin ihren teuren Lebenswandel finanzieren würde. J.T. konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht genommen hätte – nicht einmal für ihn oder Delia.

An dem Tag, als sie seinen Vater zu Grabe getragen hatten, hatte J.T. sich geschworen, dass er seinen Rat sehr ernst nehmen würde. Und genau das hatte er getan. Bis Hannah Richards in sein Leben getreten war. Irgendetwas an dieser Frau zerstörte seine innere Verteidigung. Er musste unbedingt herausfinden, was es war. Und zwar schleunigst.

Als er bei seinem Haus angekommen war, blieb er auf der Veranda stehen. Er verdrängte die Gedanken an seine Eltern und an Hannah, bevor er durch die Tür trat. Wie jeden Tag trat er in die Küche und stülpte seinen Hut über den Haken. „Was gibt’s zu Mittag, Schwesterherz?“

„Gebratenes Hühnchen und Pastinaken, zum Nachtisch Apfelküchlein.“

Delia öffnete den Ofen, aus dem ein köstlicher Duft schlug. J.T.s Magen knurrte vor Vorfreude. Er wusch sich schnell die Hände und setzte sich auf seinen Platz am Küchentisch.

Er konzentrierte sich so sehr darauf, völlig normal zu wirken, dass er schon fast mit seinem Essen fertig war, bevor er bemerkte, dass seine Schwester ihn anstarrte.

„Was?“

Delia stützte ihr Kinn auf beide Hände. „Ich denke, sie ist die Richtige.“

„Wer?“

„Du lächelst nicht. Komisch, dass es mir nicht schon vorher aufgefallen ist.“ Nachdem sie ihm diese Beobachtung mitgeteilt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem eigenen Teller zu, als hätte sie alles zu Genüge erklärt.

J.T. hatte keinen Zweifel daran, von wem seine Schwester sprach. Da er ein Gespräch in diese Richtung nicht unterstützen wollte, sagte er das Erstbeste, das ihm in den Sinn kam. „Der Graue ist schon wieder ganz in Ordnung.“

Natürlich schaffte es die Erwähnung des Pferdes nicht im Mindesten, seine Gedanken von Hannah Richards abzulenken.

„Das ist schön.“ Delia biss herzhaft in ihr Hähnchen. Erst jetzt bemerkte J.T., dass ihre Portion viel kleiner war als sonst.

„Geht es dir gut?“

Sie nickte. „Ja.“

Mit einem Schulterzucken zerteilte er seinen Nachtisch. Der Duft von Apfel und Zimt stieg ihm in die Nase. Er hob den Bissen in Richtung Mund, doch ein Blick auf seine grinsende Schwester ließ ihn innehalten.

„Was?“

„Du hast dich heute Morgen ja sehr ausführlich über unseren Sport bei Hannah informiert. Was hältst du von diesen Übungen?“

Statt des Kuchens schluckte er ein Grummeln hinunter und ließ die beladene Gabel wieder sinken. „Ich denke, dass ich in Spott und Schande die Stadt hätte verlassen müssen, wenn mich jemand dabei gesehen hätte. Wenn du und Miss Richards euch zum Gespött machen wollt, ist das eure Sache, aber erwarte nicht, dass ich jemals wieder eins dieser Dinger anfasse.“

„Aber meinst du nicht auch, dass die Übungen helfen?“

Er wollte es nicht zugeben, deshalb grunzte er nur. Im Gegenzug lehnte seine Schwester sich schnell nach vorne, schnappte sich seine Gabel und schob sich den Bissen Kuchen in den Mund.

„He!“ Er nahm ihr seine Gabel ab. „Iss deinen eigenen Kuchen.“

Sie lächelte triumphierend. „Ich wollte nur einen Bissen. Den anderen Kuchen bringe ich gleich Mr Franklin.“

„Du hast dir selbst gar keinen gemacht?“ Das sah ihr gar nicht ähnlich. Delia liebte Süßes.

„Heute nicht.“ Sie stand auf, füllte seine Kaffeetasse nach, wobei J.T. sie genauer betrachtete. Ihr braunes Kleid hing lockerer um ihre Mitte als sonst. Sie hatte Gewicht verloren.

„Bist du sicher, dass du nicht krank bist?“

Delia stellte die Kaffeekanne zurück auf den Ofen und fing an, eine große Portion Essen für Ike in ihren Korb zu räumen. „Es geht mir gut, J.T.“

Er hob seine Kaffeetasse an die Lippen und nippte an dem heißen Gebräu. „Vielleicht solltest du mit all diesen sportlichen Übungen ein bisschen kürzer treten. Du wirst dünn.“

„Meinst du?“ Sie sah bei seinen Worten tatsächlich zufrieden aus.

J.T. starrte sie finster an. „Wenn du dich schlecht fühlst, solltest du dich ausruhen und nicht noch mit körperlichen Übungen überanstrengen.“

„Ehrlich gesagt, bin ich doch überhaupt nur zu Hannah gegangen, weil es mir schlecht ging. Doktor Lewis’ Übungen helfen mir dabei, mich besser zu fühlen. So, wie sie Hannah während ihrer Krankheit geholfen haben.“ Delia räumte seinen Teller ins Spülbecken.

Eigentlich interessierte J.T. sich nicht dafür. Aber aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht zurückhalten. „Sie war krank?“

„Ja, als Kind. Hannah hat mir erzählt, dass sie damals fast einmal ertrunken wäre. Daraus hat sich eine Lungenentzündung entwickelt, die ihre Lungen so stark geschwächt hat, dass die Ärzte davon ausgingen, dass sie den Rest ihres Lebens Invalide ist.“

J.T. nahm einen Zahnstocher aus der Hosentasche und versuchte, sich Hannah als bettlägeriges, kleines Mädchen vorzustellen. Das passte so gar nicht zu der Frau, die er heute kannte. Ihm fiel es leichter, sie sich als Wildfang vorzustellen, der über die Wiesen sprang und Schmetterlingen hinterherjagte.

„Heute ist sie ganz offensichtlich kein Invalide.“

Delia lachte und deckte den Essenskorb mit einer Serviette ab. „Nein, sicher nicht. Zum Glück ist ihre Mutter damals auf ein Buch von Doktor Lewis gestoßen, das den Zusammenhang zwischen frischer Luft, Bewegung und der Gesundheit der Lungen beschrieb. Sie fing an, die Übungen mit ihrer Tochter zu machen, bis es ihr immer besser ging. Hannah hat diese Gymnastik nie wieder aufgegeben.“

„Ich muss rüber“, murmelte J.T. Er wollte am liebsten fliehen, um der Unterhaltung über Hannah Richards zu entkommen. Das Letzte, was er brauchen konnte, war noch etwas, wofür er diese Frau bewundern musste. Viele Kinder wurden krank und genasen wieder. Das machte sie nicht zu etwas Besonderem.

„Auf dem Heimweg schaue ich bei Hannah vorbei.“ Delia grinste ihn frech an. Sie hielt den Korb umklammert, als müsste sie ihre Hände davon abhalten, fröhlich zu klatschen. „Wir wollen schon mal einen Stoff für mein Kleid aussuchen.“

J.T. runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, dass du diesen Quatsch wieder aufgegeben hättest.“

„Es ist nur ein Kleid, J.T. Ich verwandle mich jetzt nicht in eine modeversessene Irre. Dafür hast du mich zu gut erzogen. Ich will zum Picknick am Gründungstag einfach nur ein hübsches Kleid tragen. Das ist alles.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich breitbeinig vor ihr auf. „Langsam finde ich, dass du zu viel Zeit mit Miss Richards verbringst. Sie hat einen schlechten Einfluss auf dich.“

Delia schnappte nach Luft und ließ fassungslos den Korb sinken. „Wie kannst du das nur sagen? Sie ist meine beste Freundin und hat nichts falsch gemacht. Sie ist freundlich und höflich zu allen hier. Sogar zu dir, obwohl du es am allerwenigsten verdient hast.“

„Sie führt ein Geschäft voller Versuchungen“, stellte J.T. klar und deutete mit dem Zeigefinger in Richtung des Streitobjektes auf der anderen Straßenseite. „Ihre Entwürfe dienen nicht nur dazu, Menschen vor Kälte zu schützen. Jedes einzelne dieser Kleider wurde gemacht, um die Blicke der Menschen auf die Frau zu lenken, die ein solches Kleid trägt. Das ist pure Eitelkeit. Es führt zu Hochmut. Und was ist mit denen, die sich diese teuren Kleider nicht leisten können? Sie werden anfangen, die zu hassen, die über ihnen stehen. Dieses Geschäft schürt nur die Zwietracht in unserer Stadt. “

„Und zu welcher Seite gehöre ich? Bin ich hochmütig oder hasserfüllt?“

J.T. biss fest auf seinen Zahnstocher. Delia hatte sich drohend vor ihm aufgebaut. Ihr Blick warnte ihn, seine Antwort zu überlegen.

„Ich kann mir dieses Kleid leisten. Von meinem eigenen Ersparten“, sagte sie, „also gehöre ich wohl zu denen, die hochmütig sind. Willst du das wirklich über deine Schwester sagen?“

„Natürlich nicht. Bei dir ist das etwas anderes.“

„Ach so. Bei mir ist das etwas anderes? Seltsam, eben hat es sich noch so angehört, als gäbe es für dich nur Schwarz oder Weiß.“

„Delia …“ Sie drehte ihm die Worte im Mund herum.

„Also gibst du zu, dass es für eine Frau wie mich in Ordnung ist, bei Hannah ein Kleid zu kaufen?“

„Ja“, brachte er mühsam und widerwillig heraus, „aber sie sollte verantwortungsvoller mit den Menschen umgehen, die schwächer sind. Ein wahrer Christ würde seinen Mitmenschen keine Steine in den Weg legen.“

„Jericho Riley Tucker! Was gibt dir das Recht, über andere zu urteilen?“ Ihre Lippen verzogen sich angewidert. „Bist du wirklich ein besserer Mensch als andere? Darfst du den ersten Stein werfen? Ein wahrer Christ! Pah! Dann dürfte es auf der Welt keine Banken geben. Raffsucht! Keine Restaurants. Völlerei!“

„Genug! Du hast deine Meinung klargemacht.“ J.T. griff sich an den Kopf und massierte seine Schläfen.

Delia ließ seufzend ihre Arme sinken. „Wenn Hannah in ihrem Geschäft Kleider verkaufen würde, die anzüglich sind und bei Männern unkeusche Gedanken hervorrufen, würde ich dir sofort zustimmen. Aber sie ist eine fleißige, unbescholtene Frau, die sich ihren Lebensunterhalt durch ihre hervorragenden Fähigkeiten verdient. Sie verkauft Kleider, die in den Farben erstrahlen, die Gott uns auf dieser Erde geschenkt hat. Sie tut nichts Verwerfliches.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das, was unsere Mutter uns angetan hat, trübt dein Urteilsvermögen, J.T. Sie war eine selbstsüchtige Frau, die alles Schöne an sich gerafft hat, aber das heißt nicht, dass alle Menschen, die Schönes erschaffen, genauso sind.“

Die Argumente schwirrten wie Hornissen in J.T.s Kopf herum. Was Delia sagte, ergab Sinn, aber er fürchtete, dass ihre Argumente nur seine Überzeugungen auf die Probe stellen sollten. Er wollte glauben, dass Hannah frei von aller Falschheit war. Denn dann hatte er keinen Grund mehr, seine Zuneigung zu ihr zu bekämpfen. Zweifel durchfluteten ihn. Dann fiel ihm der Bibelvers aus dem 1. Petrusbrief ein, dass Schönheit nicht von außen, sondern von innen kommen sollte. Daran klammerte er sich wie an einem Rettungsanker fest.

„Sie fördert zwar nicht die Unzucht, aber sie vertritt eine falsche Vorstellung von Schönheit, die andere in die Irre führen könnte.“

„Ist das alles, was du sehen kannst? Erkennst du denn nicht das Gute, das sie schon in der kurzen Zeit, die sie hier ist, erreicht hat?“ Delia trat nah an ihn heran und berührte seinen Arm. Er zuckte zusammen und wich zurück.

„Verstehst du nicht, was es bedeutet, dass sie Tessa James beibringt, wie man näht? Sie verhilft dem Mädchen gleichzeitig zu vernünftiger Kleidung und einer gesicherten Zukunft. Siehst du nicht die Freundschaft zwischen mir und ihr, die mich zu einem glücklicheren, zufriedeneren Menschen gemacht hat?“ Seine Schwester stand jetzt so dicht vor ihm, dass J.T. gegen den Drang ankämpfen musste, wegzulaufen wie ein kleiner Junge.

„Ich hatte immer Probleme, mich jemandem zu öffnen. Zwischen dem Skandal mit unserer Mutter und meiner Schüchternheit war ich wie gefangen. Ich hatte nie Freunde. Doch gleich am ersten Tag, als ich Hannah die Milch gebracht habe, freundeten wir uns an und halfen uns gegenseitig.“

J.T. blickte finster drein. Als junger Mann war er so sehr damit beschäftigt gewesen, ihr ein Heim zu schaffen, dass er sich nie darum gekümmert hatte, mit wem sie ihre Zeit verbrachte und ob sie überhaupt Freunde hatte. War sie die ganzen Jahre über so einsam gewesen?

„Und was ist mit Mr Culpepper?“, fuhr Delia fort. „Wie viele Monate haben die Menschen von Coventry, du und ich eingeschlossen, ihn in seiner Trauer allein gelassen? Und Hannah ist nicht einmal eine Woche da und hat nicht nur Kontakte zu ihm geknüpft, sondern ihn sogar wieder der Kirche näher gebracht. Wenn eine Schneiderin auf dieser Welt Gutes tun kann, dann ist es Hannah Richards. Sie hat schon lange damit angefangen!“

Der Rettungsanker entglitt ihm und er wusste nicht, wie er sich wieder daran klammern konnte. Die Wahrheit in den Worten seiner Schwester zog ihn in eine Richtung, in die er nicht gehen wollte. Warum konnte er nicht einfach an dem festhalten, was Gott seiner Meinung nach von den Menschen verlangte? In den vergangenen Jahren hatte ihn diese Überzeugung doch getragen. Aber Hannah wirbelte unbekümmert das Wasser seines klaren Gedankenteiches auf. Sie passte nicht in sein einfaches Bild von Schwarz und Weiß.

Verzweifelt fuhr sich J.T. mit einer Hand durch die Haare und ließ sie dann erschöpft sinken. Schnell ergriff Delia die seine mit ihren zarten kleinen Händen und sah ihn liebevoll an.

„Du hast Angst, J.T., Angst, zuzugeben, dass jemand, der die Schönheit schätzt und selbst so schön ist, auch ein guter Mensch sein kann.“ Sie drückte seine Finger und lächelte zu ihm hinauf. „Ich habe heute Morgen bemerkt, wie du Hannah angeschaut hast. Du magst sie sehr gerne, stimmt’s? Entgegen deinen strengen Regeln. Lass unsere Mutter nicht weiterhin dein Leben bestimmen. Nur weil sie dein Herz gebrochen hat, heißt es nicht, dass es bei Hannah auch so sein wird. Äußere Schönheit, die sich im Herzen widerspiegelt, ist keine Sünde.“

Unwillkürlich kam ihm ein Vers in den Sinn, den er Delia immer und immer wieder vorgelesen hatte, als sie noch klein war. „Anmut kann täuschen, und Schönheit vergeht wie der Wind – doch wenn eine Frau Gott gehorcht, verdient sie Lob!“

Seine Schwester schüttelte den Kopf, als ihr Lächeln verschwand. „Niemand behauptet, dass eine Frau ihre Schönheit nicht der Ehrfurcht vor Gott unterordnen sollte. Vielleicht solltest du dir dieses Kapitel noch einmal genau durchlesen. Sieh dir die Frau an, um die es dort geht. Es geht um eine tüchtige Frau, die den Wert aller Juwelen übertrifft. Eine Frau, die sich und andere kleidet. Die Stoffe webt und sie den Händlern verkauft. Die man für die Arbeit und Mühe ihrer fleißigen Hände rühmen soll.“ Sie atmete tief durch. „J.T., ich bitte dich, denk noch einmal genau über deine festgelegte Meinung nach. Dann sollten wir weitersprechen.“