18. Kapitel
Lasst euch bloß nicht einreden, dass Männer mehr leisten können als Frauen. Stellt euch nur vor, wie wenige Kinder es geben würde, wenn Männer die wahren Schmerzen im Leben erleiden müssten!
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.
Das Abendessen erlebte Sophia wie hinter einem Nebelschleier. Die ganze Zeit fühlte sie sich wegen ihrer Haare unbehaglich, die fest um ihren
Kopf gesteckt waren, um die nassen Enden zu verbergen. Glücklicherweise war Mary schon zum Abendessen hinunter ins Dienstbotenzimmer gegangen, als sie sich angekleidet hatte. In ihrem verwirrten Zustand wäre es ihr sicher nicht gelungen, den bohrenden Blick der Dienerin zu ertragen.
Und so sehr sie sich bemühte, es gelang ihr nicht, ihren Blick von Dougal abzuwenden. Indem er einfach nur dasaß und atmete, verströmte er reine Sinnlichkeit. Auch die anderen Gäste schienen sich dessen nur allzu bewusst zu sein.
Sie saßen zu acht beim Dinner. Außer Fiona und ihrem Mann Jack waren noch ein Richter und seine Gemahlin da. Hinzu kam eine pferdeverrückte Frau, die von nichts anderem sprach als dem Ausritt, den sie am Nachmittag unternommen hatte. Neben ihr war ein gut aussehender Gentleman namens Sir Reginald Barksdale platziert worden, der Sophia den ganzen Abend anstarrte, als würde ihn irgendetwas an ihr irritieren.
Es war nicht die alleinstehende Frau, Miss Stanton, die Dougal schöne Augen machte, sondern Mrs Kent, die Frau des Richters.
Der Richter, ein rundlicher Mann mit einem roten Gesicht und einem fröhlichen Lachen, war mindestens zwanzig Jahre älter als seine vorlaute, lebhafte Frau.
Mrs Kent redete unentwegt auf eine furchtbar überdrehte Art und versuchte ganz offen, mit Dougal zu flirten. Ihrem Ehemann schien das bis auf den Genuss seines schmackhaften Essens nicht sehr zu interessieren, denn er musterte alle Anwesenden mit freundlicher Gleichmut.
Sophia war zu solcher Großzügigkeit nicht in der Lage. Jedes Mal, wenn Mrs Kent den Blick ihrer großen braunen Augen auf Dougal richtete und ihn anlächelte, als würde sie ein Geheimnis mit ihm teilen, kochte es in ihr. Was natürlich eine lächerliche Reaktion war. Um Himmels willen, er gehörte ihr nicht. Sie hatte ihn sich nur mehr oder weniger ausgeliehen.
Über den Tisch hinweg begegneten sich ihre Blicke, und Dougal hob sein Weinglas und nahm einen Schluck, als würde er ihr zuprosten.
Vor allem weil sie wusste, dass die scharfsichtige Mrs Kent sie genau beobachtete, konnte Sophia nicht anders, als ebenfalls ihr Glas in die Hand zu nehmen und Dougals stummen Gruß auf dieselbe Art zu erwidern. Er grinste, während Mrs Kents aufgesetztes Lächeln noch verkrampfter wurde.
Sie war kein Typ, der anderen Frauen etwas gönnte. Sofort flüsterte sie Dougal etwas zu, wobei sie ihm die Hand auf den Arm legte und sich so weit nach vorn beugte, dass ihre Brüste fast aus dem Ausschnitt fielen.
Sophia runzelte die Stirn. Du lieber Himmel, wusste diese Frau denn nicht, dass sie sich vollkommen lächerlich machte? Sie sah aus wie eine ...
„Miss MacFarlane“, sprach sie von der Seite eine tiefe Stimme an.
Als Sophia den Kopf wandte, stellte sie fest, dass Sir Reginald sie ansah. Er hatte mit Miss Stanton über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Reitwege in der Umgebung gesprochen und versuchte nun offensichtlich, den endlosen Erörterungen über Pferde im Besonderen und dem Reitsport im Allgemeinen zu entfliehen. .
„Ich möchte nicht aufdringlich sein, aber sind wir uns nicht irgendwo schon einmal begegnet?“, erkundigte er sich lächelnd.
Dougal schnaubte verächtlich.
Sophia warf ihm einen warnenden Blick zu. „Nein, ich denke nicht“, beantwortete sie dann Sir Reginalds Frage. „Ich lebe sehr zurückgezogen in Schottland und bin während der vergangenen zwanzig Jahre kaum gereist; daher bezweifle ich, dass wir uns kennen. “
„Das ist seltsam. Ich bin sicher, Sie irgendwo einmal gesehen zu haben. Ich erinnere mich an Ihre Augen - sie sind einzigartig. “ Sein intensiver Blick glitt über ihr Gesicht, während ein harmloses Lächeln seine Züge weicher erscheinen ließ. „Es tut mir leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe. Sprechen wir doch über ein anderes Thema. Erwähnte ich bereits, dass ich einen Affen besitze? Er ist ein sehr intelligentes Haustier, und ich nehme ihn oft auf Reisen mit.“
Während er in diesem Plauderton fortfuhr, entschied sie, dass er ein sehr gut aussehender Mann war. Er besaß ein ansprechendes Gesicht mit scharfen grauen Augen, einem festen Kinn und einem wohlgeformten Mund. Dennoch verfügte er nicht über Dougals unwiderstehliche Anziehungskraft.
„Jetzt weiß ich, wo wir uns begegnet sind! “, erklärte Sir Reginald plötzlich. „In Wien! Als ich eine Rundreise auf dem Kontinent machte. “ Er stockte und zog die Brauen zusammen. „Doch das können Sie nicht gewesen sein. Es ist viele Jahre her. Damals waren Sie noch ein Kind.“
„Vielleicht haben Sie meine Mutter getroffen - ich sehe ihr sehr ähnlich. Mein Vater und sie sind vor meiner Geburt sehr viel gereist. “
„Das ist möglich“, stimmte er ihr zu, wobei er jedoch nicht sonderlich überzeugt klang.
„Sir Reginald“, mischte Dougal sich in die Unterhaltung ein, obwohl dies gänzlich der Etikette widersprach. „Vielleicht verwechseln Sie Miss MacFarlane mit einem Traum. “ Auf jene Art, die ihr schon sehr vertraut war, umfing er sie mit seinem Blick. „Mir geschieht das häufig.“
Sophias Wangen glühten. Fiona verschluckte sich an ihrem Wein, und Jack klopfte ihr auf den Rücken, während er Dougal anstarrte. Der Richter stieß ein prustendes Lachen hervor, Mrs Kent versuchte, Sophia mit ihren Blicken zu erdolchen, und Miss Stanton, die nichts mitbekommen hatte, bat um das Salz.
Sophia war klar, dass Dougal nur sein Revier markierte. Sie war für ihn nicht mehr als eine Eroberung, die er genoss, und genauso sollte sie auch über ihn denken. Doch aus irgendeinem Grund tat ihr dieser Gedanke weh.
Als sie alle gemeinsam in den Salon gingen, wich Sir Reginald nicht von ihrer Seite und befragte sie ununterbrochen über ihr Leben und ihre Reisen. Als Fiona sich zu ihnen gesellte, entzog Dougal sich Mrs Kents aufdringlichen Avancen und eilte ebenfalls zu Sophia.
Sie sah ihn kommen und versuchte, sich wenig beeindruckt von seiner Gegenwart zu zeigen, indem sie sich rasch an Fiona wandte und bemerkte: „Was für eine hübsche Halskette. “
Fiona lächelte strahlend und berührte mit ihren schlanken Fingern den großen Diamantanhänger. „Jack schenkte mir die Kette, als wir erfuhren, dass ich ein Kind erwarte. Ich sagte ihm, dass der Stein viel zu kostbar sei, aber er ließ sich nicht davon abbringen.“
„Darf ich?“, fragte Sir Reginald und hob sein Monokel. Fionas Lächeln wurde noch breiter. „Natürlich!“ Sie nahm die Halskette ab, reichte sie ihm und erklärte Sophia: „Sir Reginald ist so etwas wie ein Fachmann für Juwelen, ganz besonders für alten Schmuck.“
Er schaute von dem funkelnden Diamanten auf, um in bescheidenem Ton zu widersprechen: „Sie sind viel zu gütig, Lady Kincaid. Der Begriff ,Fachmann“ beinhaltet viel mehr Mühe, als ich bereit bin zu investieren.“ Damit gab er Fiona die Kette zurück. „Sie ist wunderschön.“
„Vielen Dank“, sagte sie geschmeichelt. „Können Sie mir mehr darüber sagen?“ Als sie Sophias fragenden Blick wahrnahm, fügte Fiona hinzu: „Das ist eine Art Spiel zwischen uns. Ich pflege ihn mit den Schmuckstücken zu testen, die Jack mir schenkt. Und bis jetzt hat Sir Reginald noch nie etwas Falsches vermutet.“
Sir Reginald lachte. „Lassen Sie mir Zeit, eines Tages werde ich ganz sicher versagen. “
Sophia musste lächeln. Obwohl ihm Dougals überwältigende Männlichkeit fehlte, schien Sir Reginald ein netter Mann zu sein.
Fiona strich mit den Fingerspitzen an ihrer Halskette entlang. „Nun, Sir Reginald? Was können Sie mir über mein Schmuckstück sagen?“
„Zuallererst, dass es nicht neu ist. Nach der Schließe zu urteilen wurde es vor mindestens dreißig Jahren hergestellt.“ Er kräuselte nachdenklich die Lippen. „Ich bin nicht sicher, aber wenn man sich die handwerkliche Ausführung und die Anordnung der Diamanten ansieht, ist es höchstwahrscheinlich eine Arbeit von Rundell, Bridge and Company aus London.“
„Sie haben recht!“, rief Fiona.
Mit erfreuter Miene verbeugte sich Sir Reginald. Dougal schob die Hand in seine Jackentasche, holte ein Samtsäckchen hervor und reichte es dem „Fachmann“. „Sagen Sie uns, was Sie von diesem Schmuck hier denken. Er gehört Sophia.“
„Gehörte Sophia“, verbesserte sie ihn.
Sir Reginald schaute sie an und zog die Brauen hoch. „Ich habe den Schmuck beim Kartenspiel an Lord MacLean verloren“, erläuterte sie.
„Aha.“ Sir Reginalds Gesichtsausdruck brachte Sophia zum Erröten.
„Wie auch immer ich an den Schmuck gekommen bin“, bemerkte Dougal mit sanfter Stimme, „vielleicht können Sie seinen wahren Wert schätzen.“
„Mit dem größten Vergnügen.“ Sir Reginald ging zu einem in der Nähe stehenden Tisch und schüttete den Inhalt des Samtsäckchens auf die Holzplatte.
„Wie wunderschön!“, rief Fiona aus, als die zarte Kette aus Gold und Diamanten herausfiel. Ein Armband und einige Haarnadeln mit Diamanten folgten.
„Faszinierend“, murmelte Sir Reginald. Er hielt die Halskette hoch und zog die Brauen zusammen. „Was für eine wunderschöne Arbeit.“ Mit der Spitze eines Fingers strich er über die zarte Filigranarbeit, dann schaute er Sophia an. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die Kette zur Lampe bringe, um für die Untersuchung mehr Licht zu haben?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Fragen Sie Lord MacLean. Der Schmuck ist sein Eigentum.“
„Nein“, protestierte Dougal, und sein dunkelgrüner Blick bohrte sich in ihre Augen. „Es ist dein Schmuck. Ich nehme nichts, was nicht meins ist.“
Meinte er die Diamanten? Die Besitzurkunde? Oder sie? Sir Reginald hielt ungehindert der Auseinandersetzung die Halskette ins Licht, betrachtete sie ganz genau und machte dabei ein höchst konzentriertes Gesicht. Schließlich kehrte er zurück, und zwischen seinen Brauen war eine tiefe, senkrechte Falte zu sehen. „Wie sind Sie an diesen Schmuck gekommen, Miss MacFarlane?“
„Er hat meiner Mutter gehört.“
Vorsichtig ließ Sir Reginald die Schmuckstücke wieder in das Samtsäckchen gleiten. „Ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen. Dieser Schmuck ist sehr außergewöhnlich. “ Wieder runzelte er die Stirn und hielt dabei das Futteral besitzergreifend in seiner Faust. „Es sei denn ...“Er kniff die Augen zusammen und schien in seine Gedanken zu versinken.
Fiona lächelte Sophia an. „Es sieht so aus, als hätten Sie die echte Herausforderung für Sir Reginald mitgebracht, Schmuck, den er nicht einschätzen kann.“
Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Die Verarbeitung weist definitiv auf italienische Handwerkskunst hin, aber mehr als das kann ich nicht sagen. Das sind sehr ungewöhnliche Stücke. Tatsächlich erinnern sie mich an eine Tiara, die ich einmal gesehen habe, und zwar in ... “ Sir Reginald schaute Sophia an, schien aber gleichzeitig durch sie hindurch zu blicken.
Sie zog die Brauen hoch. „Ja?“
Über sein Gesicht zog leichte Röte, und er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid. Diese Halskette und die Art, wie Sie dastanden, den Kopf schief gelegt... Ich musste an ein Porträt denken, das ich einmal gesehen habe. Ein Porträt von ... aber das können Sie nicht gewesen sein, weil...“ Er lachte verlegen. „Entschuldigung, ich gerate ins Plaudern.“
„Sophia hat diese Wirkung auf Menschen“, stellte Dougal fest und streckte die Hand aus.
Mit deutlichem Widerstreben gab Sir Reginald das Samtsäckchen zurück.
„Vielen Dank. “ Dougal nahm den Schmuck, dann packte er Sophias Arm und legte das Futteral in ihre Hand.
„Aber du hast den Schmuck gewonnen!“, erinnerte sie ihn erschrocken.
„Er gehört dir. Ich habe wohl kaum Verwendung für Diamantschmuck. “
„Wie galant“, murmelte Sir Reginald und ließ seinen Blick von Dougal zu Sophia und wieder zurück wandern.
Dougal wandte sich ab und begann mit seiner Schwester zu reden, also behielt Sophia den Schmuck. Wenn sie keine Szene machen wollte, blieb ihr nichts anderes übrig.
Als würde er ihr Unbehagen spüren, versuchte Sir Reginald sie in eine Unterhaltung zu ziehen.
Sophia beachtete ihn kaum. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Dougal nicht anzusehen. Jedes Mal, wenn er sich bewegte oder etwas sagte, lief ein Prickeln über ihre Haut. Obwohl sie durch ihr Zusammensein mit ihm höchst befriedigt war, stellte sie fest, dass sie in seiner Gegenwart immer unruhiger wurde.
Unter ihren Wimpern hervor warf sie ihm einen Blick zu. Er wirkte unglaublich sinnlich, von seinen dunkelblonden Haaren, die ihm tief in die Stirn fielen, bis zum dunklen Grün seiner Augen unter den schweren Lidern. Sie wünschte sich, mit ihm allein zu sein, damit sie seinen Mund wieder mit ihren Lippen liebkosen konnte. Doch das durfte nicht sein.
Als hätte sie Sophias Gedanken erraten, ließ Mrs Kent genau in diesem Moment ihren offensichtlich schläfrigen Gatten stehen, hängte sich mit einer entschlossenen Geste an Dougals Arm und begann, auf ihn einzureden.
Das war die Chance, auf die Sophia gewartet hatte. Sie entschuldigte sich bei Sir Reginald und flüsterte Fiona zu, dass sie Kopfschmerzen habe. Sofort bot Fiona ihr einen Baldriantee an. Doch Sophia lehnte ab und erklärte, Schlaf würde eine bessere Medizin sein als irgendetwas sonst. Dann floh sie mit dem Schmuck ihrer Mutter in der Hand in die Sicherheit ihres Schlafzimmers.
Am nächsten Morgen würde sie abreisen. Und sie würde wenigstens das Wissen mitnehmen, dass Dougal sie nicht für eine Diebin hielt. Das war immerhin etwas, redete sie sich ein, während sie sich eine einzelne Träne aus dem Auge wischte.
Später am Abend hörte sie die Schritte eines Mannes, der den Flur entlangkam. Vor ihrer Tür blieb er stehen. Sie wusste, dass es Dougal war, denn sie konnte selbst durch die geschlossene Tür seine Nähe spüren. Es war, als wenn er direkt vor ihr stehen würde. Sie hielt die Luft an, kniff die Augen zusammen und hoffte inständig, dass er wieder ging.
Zweifellos würde sie sich auch ein weiteres Mal von ihm verführen lassen, wenn er es darauf anlegte - nur würde es ihr dadurch noch schwerer fallen, am nächsten Tag zu gehen. Das durfte sie nicht riskieren.
Nach mehreren Minuten entfernte er sich in die Richtung, in der sein Zimmer lag. Als sie hörte, wie er die Tür hinter sich schloss, zog sie sich ein Kissen über den Kopf und weinte sich in den Schlaf.
Als der Morgen kam, konnte Sophia vor Müdigkeit kaum die Augen offen halten, so wenig hatte sie geschlafen. Dennoch stand sie früh auf, zog ihr Reisekleid und ihren Mantel an und ging die Treppe hinunter. Mary keuchte hinter ihr her und schleppte ihren Reisekoffer und ihre Hutschachtel.
In der Eingangshalle sprach Fiona gerade mit der Haushälterin. Als sie Sophia sah, unterbrach sie das Gespräch und eilte auf sie zu. „Sie können nicht fort, Miss MacFarlane!“
„Ich fürchte, ich muss abreisen.“
„Aber die Straßen sind kaum passierbar.“
„Es ist mir gelungen, hierher zu gelangen. Folglich bin ich sicher, auch wieder nach Hau...“ Da sie kein Zuhause mehr hatte, berichtigte sie sich: „... zurück zu meinem Vater zu kommen. “
Fiona wirkte nicht sonderlich überzeugt, und ihre grünen Augen waren dunkel vor Sorge. „Ich sehe, Sie sind entschlossen, unter allen Umständen abzureisen. Aber Sie müssen wenigstens noch zum Frühstück bleiben. “
Jack trat aus dem Frühstückszimmer und blieb stehen, als er Sophia und ihre Dienerin sah. Fiona machte ihm ein Zeichen, doch bitte näher zu kommen, was er auch tat.
„Jack! Bitte sag du Miss MacFarlane, dass die Straßen nicht passierbar sind.“
„Die Straßen sind nicht passierbar“, erklärte er sofort. „Und dass sie mindestens noch einen Tag bleiben sollte. “ „Sie sollten mindestens noch einen Tag bleiben“, wiederholte er mit funkelnden Augen.
Fiona nickte. „Und dass sie uns mehr als willkommen ist.“
„Ich bin sicher, dass sie das weiß.“
„Und wie sehr wir uns freuen würden, wenn sie sogar eine Woche unser Gast wäre, und ...“
Jack lachte und nahm die Hand seiner Frau. „Fiona, Liebste, ich glaube, Miss MacFarlane ist sich sehr bewusst, wie gern wir beide sie länger bei uns hätten. “
Sophia musste lächeln. „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber ich muss wirklich fort. In letzter Zeit gab es unerwartet so viele Unwetter, dass die Straßen womöglich noch schlechter werden, als sie jetzt schon sind.“
Während Jack ein prustendes Lachen hervorstieß, schaute Fiona die Treppe hinauf. „Ja, wir hatten oft schlechtes Wetter“, bemerkte sie in düsterem Ton, bevor sie ihren Blick wieder auf Sophia richtete. „Ich bin einzig enttäuscht, dass Sie so schnell wieder abreisen.“ Ihre Worte klangen aufrichtig und warm.
„Mir geht es genauso, aber ich muss zurück zu meinem Vater, der nicht ganz gesund ist. Ich wollte nur einen Tag fort sein, und er wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht bald zurückkehre.“
„Ich vermute, Sie können nicht...“
„Sie geht nirgendwo hin!“
Als sie die tiefe Stimme vom oberen Treppenabsatz hörte, schloss Sophia die Augen. Bei diesem Klang hatte sich jeder einzelne Muskel in ihrem Körper angespannt. Immer wieder verriet sie ihr Körper, wenn es um Dougal ging.
Nun kam Dougal die Treppe herunter und blieb vor Sophia stehen. Sein Gesichtsausdruck war ernst und beherrscht. „Fiona, Jack, würde es euch etwas ausmachen, mich kurz mit Miss MacFarlane allein zu lassen? Ich muss mit ihr sprechen.“
„Hast du vor, sie zum Bleiben zu überreden?“, erkundigte Fiona sich in hoffnungsvollem Ton.
„Unbedingt.“ Sein finsterer Blick ließ Sophia keine Sekunde los.
„Sehr gut! “ Seine Schwester nahm den Arm ihres Mannes. „Komm, Jack. Ich bin schon halb verhungert.“
Jack schaute seinen Schwager streng an. „Wir sind beim Frühstück, falls wir gebraucht werden.“
„Ihr werdet nicht gebraucht“, brummte Dougal.
„Hör auf damit, Jack“, zischte Fiona. Sie zog ihren Mann mit sich ins Frühstückszimmer und schloss die Tür.
Dougal machte einen Schritt vorwärts und sagte leise: „Wir müssen miteinander reden. Und zwar sofort.“
„Warte hier auf mich, Mary“, wies Sophia ihre Dienerin an und wandte sich seufzend dem Salon zu. Die Tür stand offen, doch im Zimmer war es dunkel. Sie ging zum Fenster, zog die Vorhänge auf und wandte sich dann Dougal zu. Er schloss die Tür hinter sich. „Sie ist weg.“