10. Kapitel
Es mag der Tag kommen, an dem euer Herz gegen euren Stolz kämpft. Für einige Menschen ist diese Schlacht so blutig und leidenschaftlich, wie der Kampf um wahre Liebe nur sein kann.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.
Draußen strömte noch immer der Regen vom Himmel, doch in der Bibliothek war es warm und trocken. Dougal blieb vor dem Spiegel über dem Kamin stehen und zog seine Krawatte gerade. Den blauen Fleck und die kleine Platzwunde unter seinem Auge ignorierte er.
Vor einer halben Stunde hatte er in der Sattelkammer in aller Eile ein kaltes Bad genommen. Es war schwierig, ohne Kammerdiener seinen üblichen Standard als modisch gekleideter und gepflegter Mann aufrechtzuerhalten. Doch selbst vor seinem eigenen kritischen Blick konnte er noch einigermaßen bestehen. Sein Äußeres erschien ihm nur ein wenig zerknittert. Allerdings bezweifelte er, dass in einem derart heruntergekommenen Haus jemand es bemerkte, wenn Kleidung nicht sorgfältig gebügelt war.
Er schaute sich im Zimmer um, und erneut fielen ihm die hübschen Zierleisten an den Wänden und dem Kaminsims auf. Es war Miss Sophia und ihren Dienstboten nicht gelungen, sämtliche Kleinigkeiten zu verbergen, die auf einen gepflegten Haushalt hinwiesen. Sie hatten auch nichts gegen die prachtvollen Holzfußböden tun können und sich darauf beschränken müssen, sie mit abgetretenen Teppichen zu bedecken.
Er ging zur Wand und strich mit der Hand darüber. Anschließend waren seine Finger mit einer dicken Schicht fettiger Asche bedeckt. „Kluges Mädchen“, murmelte er vor sich hin und lächelte matt.
Das war sie ganz sicher. Im Laufe des Tages hatte sie ihn mehrmals mit ihrem Wissen überrascht, und zwar nicht nur über das Anwesen, obwohl sie bei diesem Thema das größte Interesse gezeigt hatte. Sophia MacFarlane liebte ihr Haus und ihre Ländereien. Oder vielmehr sein Haus und seine Ländereien.
Es war wirklich schade, dass sie um dieselbe Sache wetteiferten. Sophia hatte sie beide auf Kollisionskurs gebracht, indem sie ihren schändlichen Plan fasste, MacFarlane House so herzurichten, dass es unbewohnbar erschien. Er war nicht der Mann, der sich eine solche Schikane gefallen ließ, ohne sich zu wehren. Sophia hatte einen ordentlichen Rüffel verdient, und er würde dafür sorgen, dass sie ihn bekam.
Als er aus der Halle eine leise Stimme vernahm, schaute er zur offenen Tür. Er konnte Sophia sehen, die auf der untersten Treppenstufe stand und in gedämpftem, eindringlichem Ton mit Angus redete. Der riesige Grobian ragte wie ein Turm vor ihr auf, und sein ganzer Körper war steif vor Zorn. Was auch immer Sophia ihm gerade sagte, schien ihm auf keinen Fall Vergnügen zu bereiten. Und nach der Haltung von Sophias Schultern zu urteilen, ging es ihr genauso.
Obwohl Dougal ihre gemurmelte Unterhaltung nicht verstehen konnte, hatte er den deutlichen Eindruck, dass sie über ihn sprachen. Leise trat er näher an die Tür heran.
„Ich meine es ernst, Angus. Du mischst dich auf keinen Fall ein.“
In der heiseren Stimme des Dieners schwang ein bockiger Unterton mit. „Aber, Miss, das könn Sie nich ernst meinen. Sie brauchen mich ... “
„Ich bin diejenige, die hier das Sagen hat, ist das klar?“
„Ja, aber Ihr Vater ...“
„Würde jedem Wort zustimmen, das ich sage, und das weiß du genau. Du bist mir heute Abend eine größere Hilfe, wenn du Red Gesellschaft leistest. Seit seinem Unfall ist er sehr unruhig, und ein oder zwei Runden Kartenspiel würden ihm sicher gefallen.“
Angus rieb seinen Nacken und trat von einem Fuß auf den anderen. Sein Gebaren erinnerte Dougal an das eines kleinen Jungen. Schließlich ließ dieser kolossale Mann den Arm sinken und bemerkte mit einem lauten Seufzer: „Na gut, Miss. Ich werd tun, was Sie mir sagen.“
Etwas von der Anspannung schien von Sophia zu weichen, wie Dougal daran zu erkennen meinte, dass sie ihre hochgezogenen Schultern ein wenig lockerte. Sie nickte, und ihr goldenes Haar glänzte im Licht der Wandleuchter, die ringsum in der Halle angebracht waren. „Sehr schön. Und jetzt sag Mary bitte, dass sie das Dinner servieren kann. Ich bin nicht dazu gekommen, mir vorher eine Kleinigkeit aus der Küche zu holen, und ich werde wahrscheinlich verhungern, wenn wir es nicht schaffen, dass ich im Laufe des Abends etwas Anständiges zu essen bekomme.“
Angus lachte widerstrebend in sich hinein. „Soll ich ein Stück Brot unter das Lammfleisch schieben, dass Mary gerade anbrennen lässt?“
„Oh ja, bitte bring mir eine Scheibe Brot mit Marmelade mit. Versteck das Brot einfach auf meinem Teller.“ „Glauben Sie, dass MacLean das nicht sieht.“
„Der?“ Ihre leise Stimme klang spöttisch. „Der kriegt das garantiert nicht mit. “
Dougal presste die Lippen aufeinander.
„Also gut“, brummte Angus und nickte. „Und denken Sie dran, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, müssen Sie einfach nur rufen, und ich bin gleich da.“
„Ich werde dich nicht brauchen. Mit MacLean werde ich ohne Weiteres allein fertig. “ In ihrer Stimme tanzte ein unterdrücktes Lachen.
Angus gluckste und wandte sich ab.
Dougal zog sich von der Tür zurück. Verdammt noch mal, dieses Weib ließ ihn wie einen Dummkopf dastehen.
Der Regen prasselte noch heftiger als zuvor aufs Dach.
So wollte sie das Spiel also spielen, dachte er bitter. Er musste schleunigst den Vormittag vergessen, an dem sie so reizend gewesen war und ihr Lachen seine Abwehr hatte bröckeln lassen. Es ging ihr ausschließlich um eines: Darum, ihm das Haus wegzunehmen, das er rechtmäßig gewonnen hatte.
Mit zusammengebissenen Zähnen wartete Dougal darauf, dass sie in die Bibliothek kam.
Nach wenigen Sekunden hörte er das Rascheln ihres Seidenkleids, ihren leichten Schritt und gleich darauf ihre honigsüße Stimme, die ihn zu streicheln schien. „Da sind Sie ja!“
Dougal wandte sich um und schaute Sophia an, und zu seiner Verwirrung wurde sein ganzer Körper bei ihrem Anblick warm. Die Borte ihres Kleids bildete einen perfekten Rahmen für ihren zarten Hals, und der glatte Stoff unterstrich die Erhebungen ihrer herrlichen Brüste, modellierte ihre schmale Taille, bauschte sich sinnlich über ihren Hüften und verbarg die Schönheit ihrer Beine. Das Blau reflektierte die verführerische Farbe ihrer Augen, und ihr Haar schimmerte im Kerzenlicht wie reines Gold.
Sie sah traumhaft schön und wunderbar lebendig aus, als ihre Lippen sich zu einem bezaubernden Lächeln verzogen und ihre Augen vor Fröhlichkeit schimmerten ... Oder war neben Heiterkeit auch Besorgnis darin zu erkennen?
Als ihr Blick ihn traf, zuckte sie zusammen. „Ihr armes Auge.“ Sie machte eine hilflose Handbewegung, als wollte sie irgendetwas tun, um seine Verletzungen zum Verschwinden zu bringen.
Er schnippte gleichgültig mit den Fingern. „Das hatte ich schon völlig vergessen.“
Ein leichter Jasminduft stieg auf und umgab ihn, als sie zu ihm trat und mit ernsthaftem Interesse sein Auge betrachtete. „Es tut mir leid, dass es passiert ist, aber ich freue mich, dass Sie keine Schmerzen mehr haben. Es scheint nicht geschwollen zu sein, nur blau.“ Weich und sinnlich strich ihre Stimme über seinen Körper.
Sein Herzschlag wurde noch schneller, und er verdammte die Anziehung, die er spürte, wann immer sie in seiner Nähe war. Wenn er nicht in ihrer Nähe war, konnte er auf eine ruhige und logische Art über sie nachdenken. Doch in dem Moment, in dem sie auftauchte, erwachte sein Körper zum Leben, und er musste um Selbstbeherrschung kämpfen.
Verflucht, er hasste diesen unwiderstehlichen Reiz, den sie auf ihn ausübte. Normalerweise hätte er die Situation genossen, aber wegen ihrer Falschheit fühlte er sich betrogen, und das war lächerlich. Große Gefühle waren nicht seine Sache, und er hatte nicht die Absicht, etwas anderes zu spüren als Lust.
Er zwang sich zu einem Lächeln und achtete darauf, sie dabei kühl und distanziert anzusehen. „Ich fing schon an zu glauben, ich müsste mein köstliches Essen allein zu mir nehmen. “
Sie zuckte mit den Schultern, und bei dieser Bewegung hatte er für einen Moment den Eindruck, als wollten ihre Brüste ihr seidenes Gefängnis verlassen. „Es tut mir leid, dass ich so spät komme, ich war noch bei meinem Vater.“ Normalerweise wäre Dougal verärgert gewesen, dass man ihn hatte warten lassen. Doch er stellte fest, dass es ihm nichts ausmachte. Denn in diesem Moment konnte er nicht viel weiter denken als bis zur üppigen Rundung ihrer Brüste.
Er bot ihr seinen Arm. „Wollen wir zu Tisch gehen?“ „Natürlich. “ Sie legte ihre Finger in seine Armbeuge und lächelte zu ihm herauf. „Ich habe großen Hunger.“
So ging es ihm auch, doch er hungerte nicht nach Essen. Zur Hölle, einfach nur ihre Hand auf seinem Arm zu spüren und zu fühlen, wie ihre Brüste ihn streiften, ließ heiße Wellen in seinem Körper aufsteigen, die seine sorgfältig aufrechterhaltene Zurückhaltung zu durchbrechen drohten.
Er zwang sich, die Reaktion seines Körpers zu ignorieren, und führte sie ins Speisezimmer. Dort rückte er ihr einen Stuhl zurecht und zog sich mit einem deutlichen Gefühl der Erleichterung auf die andere Seite des Tisches zurück. Er musste seine Beherrschung zurückgewinnen, denn er wollte verdammt sein, wenn er ihr zeigte, welch starke Wirkung sie auf ihn hatte.
Doch warum, zur Hölle, geschah das? Es war nicht so, dass er schon lange nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen wäre - schließlich war er genau aus diesem Grund für drei Wochen in Stirling geblieben. Reagierte er so heftig auf sie, weil er ganz genau wusste, dass sie ihm nur Aufmerksamkeit widmete, weil sie Hintergedanken hatte? Hätte sie ihm auch nur die Uhrzeit genannt, wenn es ihr nicht um ihren sehnsüchtigen Wunsch gegangen wäre, ihr Haus zurückzugewinnen? In gewisser Weise war es eine einzige Demütigung, was sie mit ihm machte.
Dougal war es nicht gewohnt, so behandelt zu werden, und er stellte fest, dass es ihn auf seltsame Weise faszinierte, von ihr abwechselnd umgarnt und weggestoßen zu werden. Das war eine aufregende Kombination, und er brannte vor Verlangen, ihr Verhalten zu ändern - sie zu erobern.
Noch schwerer fiel es ihm, sich zu beherrschen, als er nun gezwungen war, zuzusehen, wie Sophia ihre vollen, lieblichen Lippen um ihren Löffel schloss. Denn sie tat so, als würde sie von der Suppe essen, die ihr serviert worden war, und dabei plauderte sie fröhlich mit ihm. Wieder begann sein ganzer Körper vor Verlangen zu vibrieren, und er wurde so hart, als hielte er sie in seinem Bett bereits in den Armen.
Am schlimmsten war, dass das laute Prasseln des Regens Sophia zwang, sich vorzubeugen, wenn er etwas zu ihr sagte. Jedes Mal blieb ihm die Luft weg, weil sich dabei ihre Brüste gegen den gefährlich tiefen Ausschnitt ihres Kleids drückten.
Obwohl er nicht sonderlich aufmerksam zuhörte, während sie von diesem und jenem sprach, war Dougal nicht in der Lage, seinen Blick abzuwenden. Die cremeweiße Haut und die Üppigkeit ihres Busens forderten all seine Aufmerksamkeit. Und das schattige Tal zwischen den beiden runden Hügeln brachte seine Fingerspitzen zum Kribbeln, weil er mehr von ihrem herrlichen Körper entdecken wollte. Am liebsten hätte er sich über den Tisch gelehnt, seine Lippen über die wunderbar gewölbte Oberfläche ihrer glatten Haut gleiten lassen und ...
Verdammt noch mal, er war ein viel zu erfahrener Liebhaber, um sich von einer Frau derart manipulieren zu lassen! Vor dem Dinner hatte sie sich unhöflich und verletzend verhalten, als sie mit einem Dienstboten über ihn gelacht hatte. Aber es gelang ihm nicht, seinen Ärger über sie aufrechtzuerhalten. Draußen legte sich der Sturm, bis nur noch das leise Geräusch zu hören war, mit dem die letzten Tropfen von den Blättern fielen.
Der goldene Farbton ihrer Haare, wenn das Kerzenlicht darauffiel... ihre rosigen Wangen ... die verführerischen kleinen Vertiefungen unten an ihrem Hals ... Mit jedem Lachen, jeder Geste entflammte sie ihn mehr, und er brannte darauf, zu sehen und zu fühlen, was ihr Seidenkleid verbarg.
Die Tür wurde aufgestoßen, und Mary trug zwei Teller ins Zimmer, auf denen je eine dicke Scheibe Lammfleisch lag. Klirrend landete das Geschirr auf dem Tisch, und jetzt konnte er erkennen, dass das Fleisch trocken und verbrannt und so stark gepfeffert war, dass kein Mensch es essen konnte. Dougal beobachtete, wie Sophia verstohlen auf ihrem Teller nach dem Marmeladenbrot suchte, das ganz am Rand unter den anderen Speisen lag. Sie machte ein großes Getue darum, ein Stück von dem Brot abzuschneiden, als wäre es das verbrannte Lammfleisch.
Er wartete, bis sie die Gabel zum Mund hob, dann streckte er rasch den Arm über den Tisch und hielt ihr Handgelenk fest. Unter seinen Fingern spürte er die Wärme ihrer Haut.
Ihr Blick suchte erschrocken den seinen, ihre Lippen zitterten ein ganz klein wenig.
„Seltsam“, bemerkte er und strich mit dem Daumen sanft über ihr Handgelenk. „Ich habe weder Brot noch Marmelade auf meinem Teller.“
Wut flackerte in ihren Augen auf, und mit einem Ruck befreite sie sich aus seinem Griff. „Ich bin sicher, das ist ein Versehen. Soll ich Mary bitten, Ihnen etwas zu bringen?“
„Ja. Zwei Scheiben, bitte.“
Sophia zog ihre zart geschwungenen Brauen hoch. „Ich dachte, Sie mögen, was Mary kocht?“
„So ist es. Aber Marmeladenbrot mag ich noch lieber.“ Offensichtlich unzufrieden mit seiner Antwort, griff sie nach dem Glockenstrang und zog daran. Als Angus in der Tür erschien, runzelte sie die Stirn. „Du solltest doch bei meinem Vater bleiben.“
„Er schläft. Deshalb bin ich runtergekommen und helf Mary“, erklärte Angus, und in seiner rauen Stimme schwang Triumph mit.
„Ich verstehe. Nun gut. Bitte bring etwas Brot und Marmelade für Lord MacLean.“
Es erstaunte Dougal nicht im Mindesten, als der Butler innerhalb kürzester Zeit wieder ins Zimmer stampfte und in zufriedenem Ton verkündete: „Die Marmelade is alle.“ „Aber nicht das Brot?“, erkundigte sich Dougal, der im Voraus wusste, welche Antwort er erhalten würde.
„Das Brot auch.“ Der Diener grinste einfältig.
Dougal machte eine Handbewegung in Richtung des Butlers. „Dann kannst du gehen.“
Das Grinsen im Gesicht des Dieners verschwand, und er funkelte Dougal wütend an, bis Sophia schließlich leise sagte: „Das wäre dann alles, Angus.“
Mit finsterer Miene musterte der Butler Dougal ein letztes Mal, dann drehte er sich jedoch gehorsam um und verließ mit schweren Schritten das Zimmer.
„Er liebt mich“, stellte Dougal schlicht fest.
„Das wage ich zu bezweifeln.“ Sophias Lippen zuckten. „Nein, nein, ich bin mir ganz sicher. Er starrt mich ständig an und scheint nicht in der Lage zu sein sich von mir fernzuhalten. Aber das sicherste Symptom ist die Tatsache, dass er sich furchtbar aufregt, wenn ich einer anderen Frau meine Aufmerksamkeit schenke.“
Als er ihr Lachen vernahm, perlend und wohlklingend, konnte er nicht anders, als ihr zuzulächeln. „Es hört sich an, als hätten Sie auf diesem Gebiet eine Menge Erfahrung“, stellte sie, immer noch lachend, fest.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich hatte nie unter mangelnder Aufmerksamkeit von seiten der Damen zu leiden. Als ich noch jung war, fand ich das ziemlich berauschend, aber später wurde mir klar, dass die meisten Frauen sich an einen Mann hängen, weil sie etwas Bestimmtes von ihm wollen.“
„Wollten die Frauen Ihr Geld?“
„Manche wollten auch die Ehe. Oder sie versuchten herauszufinden, ob sie stärker sind als die Magie des Fluchs.“ Sie schaute ihn fragend an.
„Erlauben Sie mir, es Ihnen zu erklären.“ Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorn und ließ seinen Blick über ihr Gesicht und ihren Oberkörper wandern, während er mit ihr sprach. „Vor langer Zeit war meine Familie für zwei Dinge bekannt: für ihr Talent, Reichtümer anzuhäufen, und für ihr unbeherrschtes Temperament.“
„Das klingt, als hätten sich die Dinge inzwischen sehr verändert. “
„Oh, während die Jahrhunderte vergingen, wurden wir viel gelassener und ruhiger. Einer meiner Vorfahren, ein äußerst stolzer Mann, verlor die Beherrschung, als er ein Geschäft mit der Heilerin in seinem Dorf machen wollte. Diese Heilerin war eine schöne Frau, von der man sagte, sie stamme mütterlicherseits von den Feen ab.“
„Natürlich. In solchen Geschichten kommt immer eine Fee oder eine Hexe vor. “
Er lächelte, dann fuhr er fort: „Der Streit wurde immer heftiger, und mein Vorfahr sagte einige sehr unfreundliche Dinge, die noch dazu gelogen waren, wie Menschen, die sich nicht beherrschen können, es häufig tun. Da verfluchte sie ihn und seine ganze Familie. Wann immer in Zukunft ein Familienmitglied die Beherrschung verlor, sollte ein Unwetter auf ziehen.“
„Das könnte bei Trockenheit ein Segen sein.“
„Es handelt sich aber um einen Fluch, also gibt es einen Haken. Obwohl wir das Unwetter auslösen, sind wir nicht in der Lage, es zu beenden. Wolkenbrüche können Erdrutsche und Überschwemmungen verursachen, Blitze sind gefährlich, und dann ist da noch der Wind ... “ Er schwieg einen Augenblick, weil er an die vielen Gelegenheiten denken musste, bei denen er sich so sehr bemüht hatte, sein Temperament zu zügeln. „Glücklicherweise scheint ein normaler Wutausbruch auch nur einen Sturm von durchschnittlicher Heftigkeit auszulösen.“
„So wie heute?“
„Ja. Nur wenn wir vollkommen die Beherrschung verlieren, geschehen wirklich schreckliche Dinge.“
Sie schaute zum Fenster, an dem immer noch Wassertropfen hinunterliefen. Schließlich richtete sie ihren Blick wieder auf ihn. „Dann ist das Gerücht also wahr“, stellte sie mit ruhiger Selbstverständlichkeit fest.
„Ja, es stimmt. Die einzige Möglichkeit, den Fluch aufzuheben, besteht darin, dass jedes Familienmitglied einer Generation eine sehr, sehr gute Tat tut.“
„Sehr, sehr gut? Was soll das denn bedeuten?“
Er lächelte. „Das weiß niemand. Und aus diesem Grund wurde der Fluch bisher auch nicht von unserer Familie genommen.“
„Zeigt er sich bei jedem Mitglied Ihrer Familie auf die gleiche Art und Weise?“
„Es gibt einige eher geringe Unterschiede. Wenn mein Bruder Gregor wütend wird, hagelt und schneit es gewöhnlich.“
„Hat er einen kühlen Charakter?“
Bei ihrer Frage musste Dougal fast lachen. „Früher war es wohl so, aber das Leben hat ihm mittlerweile ein wenig eingeheizt. Er ist jetzt glücklich verheiratet,-und zwar mit einer Frau, die er schon kennt, seit sie beide Kinder waren. Bis vor einem Jahr waren sie beste Freunde, doch dann wurden sie gemeinsam für eine Woche in einem Gasthaus eingeschlossen.“
„Eingeschlossen?“
„Von einem Schneesturm. “
Ihre Lippen formten ein O, das ihn, gelinde gesagt, ein wenig aus dem Konzept brachte.
Dougal zwang sich, fortzufahren. „Wenn meine Schwester ein Unwetter auslöst, tobt es normalerweise nur in der nächsten Umgebung, und immer liegt dabei ein leichter Duft nach Lilien in der Luft.“
„Ich hätte gedacht, dass Sie alle im Laufe der Zeit gelernt haben, Ihr Temperament zu zügeln.“
„Das ist nicht so einfach, wie Sie vielleicht denken. Ich zum Beispiel werde besonders wütend, wenn mich jemand zum Narren hält.“ Über den Tisch hinweg lächelte er ihr sanft zu. „Zum Glück passiert das nur selten.“
Sie senkte die Wimpern über ihren Augen. „Und Ihre anderen Brüder?“
„Hugh ist sehr ausgeglichen und wird nur selten zornig. Aber wenn es dann doch passiert ...." Dougal schüttelte den Kopf. „Niemand möchte das gern miterleben. Sie sicher auch nicht.“
„Und was ist mit Ihrem ältesten Bruder?“
„Alexander hat das heftigste Temperament von uns allen, aber er kann sich auch am besten kontrollieren. Ich erinnere mich nur an ein oder zwei Gelegenheiten, bei denen er die Beherrschung verlor, und es war entsetzlich. Einmal wurde ein ganzes Dorf weggespült, mit sämtlichen Häusern und allem, was dazugehörte. Damals war er neunzehn, und er litt sehr darunter, dass er die Schuld an diesem Unglück trug. “
Eine Weile dachte sie schweigend über seine Worte nach, dann sagte sie: „Ich kann mir vorstellen, dass Sie alle sehr vorsichtig sind.“
Sie waren alle übervorsichtig - ganz besonders seit Callums Tod. Callum, den man leicht zum Lachen bringen, aber auch leicht wütend machen konnte, war der Liebling der Familie gewesen. Sein ungezügeltes Naturell hatte ihn schließlich in eine Lage gebracht, in der er den Tod fand.
Dougal verdrängte die unangenehmen Gedanken. „Ich werde normalerweise nicht schnell zornig, und hätte Angus mich heute mit seinem Angriff nicht so überrascht, wäre es mir gelungen, anders zu reagieren.“
Mitfühlend musterte Sophia sein verletztes Auge. „Ich finde, ein blaues Auge ist durchaus ein Grund, ein bisschen wütend zu werden. “
„Alexander hätte sein Temperament beherrscht und auf andere Weise seinen Standpunkt klargemacht. Ich bin nicht sehr gut in so etwas. Es gelingt mir nicht, die Dinge hinzunehmen, wie sie nun mal sind.“
„Mir geht es genauso“, gestand Sophia mit einem Lächeln. „Mein Vater sagt, niemand kann so gut wie ich aus einer Mücke einen Elefanten machen.“
„Nun, was heute Nachmittag passiert ist, habe ich unserem strengen Freund zu verdanken, und das werde ich ihm nicht so schnell vergessen. “
Ihr Lächeln verblasste. „Sie scheinen mir nicht der Typ Mann zu sein, der nachtragend ist. “
„Ich bin genau der Typ Mann, der nicht so leicht vergisst, wenn man ihm übel mitgespielt hat, meine Liebe.“ Er tauchte seinen Blick tief in ihren. „Man könnte sagen, dass das ebenfalls ein für unsere Familie typischer Charakterzug ist.“
Sie wandte den Kopf und schaute unsicher zum Fenster. Dougal warf seine Serviette auf den Tisch. „Kommen Sie. Lassen Sie uns in die Bibliothek gehen und ein Schlückchen von dem schlechten Sherry genießen.“
„Aber ich habe noch nichts gegessen. “ Ratlos betrachtete sie das Marmeladenbrot auf ihrem Teller.
„Erzählen Sie mir nicht, Sie haben sich nicht an der köstlichen Zwiebelsuppe satt gegessen?“
Er trat hinter sie, zog ihren Stuhl zurück und sah mit einem zufriedenen Lächeln zu, wie sie ihre Serviette neben ihren Teller legte und ebenfalls aufstand.
„Nun gut“, stimmte sie zögernd zu.
Schweigend bot er ihr sein Geleit in die Bibliothek an, indem er seinen Arm krümmte, ihre Hand so weit in seine Armbeuge zog, bis sie warm und sicher dort ruhte und ihre Brust sich seitlich an seinen Körper drückte. Er war so viel größer als sie, dass er tief genug in ihren Ausschnitt sehen konnte, um das zarte Hemdchen zu erspähen, welches sie unter ihrem Kleid trug. Der dünne Batist war mit winzigen Röschen bestickt, die ein kleineres Ebenbild der Rosen bildeten, welche ihr Kleid schmückten.
Verlangen stieg in ihm auf. Bei Gott, er hatte vor, diesen Abend mit allen Sinnen zu genießen! Es würde ihm sehr viel Vergnügen bereiten, seine Ränke schmiedende kleine Gastgeberin in ungehörige Handlungen zu verwickeln, die sie so schnell nicht vergessen würde. Er brauchte kein Unwetter, um seinen Standpunkt klarzumachen. Er hatte andere Mittel und Wege sich durchzusetzen und die Leute dazu zu bringen, das zu tun, was er von ihnen wollte - und heute würde er jedes einzelne dieser Mittel einsetzen.
Er führte sie in die Bibliothek und dort zu dem Tisch, auf welchem der Sherry stand. „Möchten Sie uns einschenken?“, erkundigte er sich, bevor er sich zu ihr hinunterbeugte und mit gedämpfter Stimme hinzufügte: „Oder vielleicht gefällt es Ihnen besser, wenn wir es gemeinsam tun - Ihre Hand unter meiner, Ihre Finger um den Hals der Karaffe gelegt, während wir ... “
Röte überzog ihre Wangen, und sie stieß atemlos hervor: „Mit dem größten Vergnügen schenke ich uns etwas Sherry ein - obwohl ich überrascht bin, dass Sie noch etwas davon trinken wollen. “
„Es stimmt, dass der Sherry schlecht ist, aber Ihre Köchin hat meine Geschmacksnerven ruiniert. Wenn ich nach London zurückkehre, werde ich guten Portwein nicht mehr von schlechtem unterscheiden können, verbranntes Fleisch nicht von rohem, und an Suppen darf ich gar nicht erst denken.“
Sie kicherte in sich hinein. „Es tut mir leid, dass es kein Brot und keine Marmelade mehr gab.“
„So leid wie mir kann es Ihnen gar nicht tun. Aber solange in dieser Karaffe hier noch Sherry ist, werde ich es überleben. “ Mit weit ausgreifenden Schritten ging er zur Tür und schloss sie so energisch, dass das Geräusch im Zimmer widerhallte.
Das Rot auf ihren Wangen wurde noch dunkler. „Warum haben Sie das getan?“
„Weil ich nicht will, dass dieser Grobian von einem Butler ins Zimmer stürmt, nur weil ich Sie zum Lachen gebracht habe. Sie haben doch nichts dagegen, dass die Tür zu ist, oder doch?“
Sie hatte etwas dagegen, das erkannte er an ihrer starren Körperhaltung. Doch sie murmelte nur eine Zustimmung vor sich hin und machte sich dann mit der Karaffe und den Gläsern zu schaffen.
Dougal sah zu, wie sie ihnen beiden eine großzügige Portion von dem Sherry einschenkte.
Im Kerzenlicht sah sie wunderschön aus. Der warme Schein ließ das Gold ihrer Haare dunkler schimmern, legte einen Hauch von Pfirsich auf ihre Wangen und zeichnete die üppige Linie ihrer Lippen nach. Dougal spürte, wie sein Körper zum Leben erwachte, und er bekämpfte den Drang, sie in seine Arme zu reißen und mit der Kraft seiner Leidenschaft zu unterwerfen.
Doch diese Genugtuung wollte er ihr nicht geben. Er würde sie dazu bringen, dass sie ihn wollte - verzweifelt, wild und mit jedem Funken des Verlangens, das er in ihren türkisfarbenen Augen sehen konnte. Und das würde er erreichen, indem er die Waffe nutzte, die sie gegen ihn richten wollte: ihre Kunst beim Kartenspiel.
Er nahm einen großen Schluck vom Sherry, in der Hoff-nung, der saure Geschmack werde ihm helfen, seine Gedanken zu klären. Dann wandte er sich Sophia zu und lächelte sie an. „Wir könnten uns die Zeit mit einem kleinen Kartenspiel vertreiben. Haben Sie Lust dazu, meine Liebe? Ich würde mit dem größten Vergnügen ein Spiel mit Ihnen wagen. “