1. Kapitel

Ach, ihr Mädchen! Was für einen Spaß ihr haben werdet, wenn ihr erst einmal einen eigenen Mann habt, den ihr quälen könnt!

So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.

Du hast alles verloren?“ Sophia MacFarlanes Stimme brach bei dem Wörtchen „alles“.

Robert MacFarlane, von seinen Kartenspielkumpanen und seiner Tochter auch Red genannt, zuckte zusammen. „Ja, mein Mädchen. Ich ... ich habe alles verloren.“

Aschfahl im Gesicht sank Sophia auf ihren Stuhl. „Sogar ... sogar das Haus?“

Mühsam schluckte Red. Er war immer der Meinung gewesen, dass es am besten sei, schlechte Nachrichten ohne Umschweife kundzutun. Doch als er die zitternde Unterlippe seiner Tochter betrachtete, überdachte er seine Einstellung.

In den großen hellblauen, von dichten Wimpern umkränzten Augen funkelten Tränen. „Aber wie konnte das passieren? Du warst doch auf dem Weg nach Edinburgh, um Mutters Diamanten zu verkaufen. Damit wollten wir das neue Dach bezahlen. Wieso bist du dann wieder bei irgendwelchen Wetten und Glücksspielen gelandet?“

„Ich habe in Stirling angehalten, obwohl ich jetzt wünschte, ich hätte es nicht getan. Unterwegs hatte ich gehört, dass es dort ein Rennen geben sollte, mit den schnellsten Pferden Englands. Zuerst hatte ich vor, nur zuzuschauen, aber Andrew MacGregor war dort und ... ja, und dann traf man sich noch zum Kartenspiel... “

Sophia kräuselte die Lippen. „MacGregor hat schon immer Ärger bedeutet.“

„Nicht doch ... Es war einzig und allein mein verdammter Fehler. Niemand sonst hat Schuld. Ich wollte dir nur helfen, mein Mädchen ... “

„Mir helfen? Indem du das Haus verspielst, das ich liebe?“

„Das war so nicht geplant! “ Seine Stimme klang gequält. „Ich dachte, wenn ich dieses eine Mal gewinne, könnte ich die Reparatur des Dachs bezahlen, und du wärst nicht gezwungen, den Schmuck deiner. Mutter zu verkaufen.“ Er zog die Brauen zusammen. „Die Idee, die Diamanten zu veräußern, hat mir ohnehin nie gefallen.“

Sophia presste die geballten Fäuste gegen ihre Stirn. „Ich habe dir gesagt, dass mir an dem Schmuck nicht das Geringste liegt. Ich wollte, dass das Dach repariert wird.“ Entschlossen schob er sein Kinn vor. „Es war Beatrices Wunsch, dass du die Diamanten am Tag deiner Hochzeit trägst, so wie sie sie getragen hat, als ich sie geheiratet habe.“

„In dem Moment, als es anfing, durchs Dach zu regnen, wäre Mama die Erste gewesen, die beschlossen hätte, die Diamanten zu verkaufen“, erklärte Sophia mit funkelnden Augen.

Obwohl es ihm widerstrebte, gestand Red sich ein, dass seine Tochter recht hatte. Außer wenn sie in einem Streit auf ihrer Meinung beharrte, war Beatrice ein Bollwerk der Vernunft gewesen. Und das, obwohl sie in einem der größten Herrenhäuser Schottlands aufgewachsen war, umgeben von einer Dienstbotenschar, die nichts anderes zu tun gehabt hatte, als sie entsetzlich zu verwöhnen und ihr sogar das Denken abzunehmen.

Aber Beatrice war nicht die Sorte Frau gewesen, die andere Leute tun ließ, was sie genauso gut selbst erledigen konnte. Sie war stark und unabhängig, Eigenschaften, die ihr eigener Vater missbilligt hatte.

Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, nach ihrem eigenen Willen zu handeln, war ihr Vater wütend geworden und hatte ihre Freiheit noch mehr beschnitten. So war es zwischen den beiden hin und her gegangen - bis Beatrice im zarten Alter von siebzehn die Fesseln der Familie abgeworfen hatte und mit einem unbekannten Abenteurer namens Robert MacFarlane durchgebrannt war.

Dies war das größte Glück, das Red jemals widerfahren war, und es hatte ihn für immer verändert. Bevor er Beatrice getroffen hatte, war sein Leben aufregend gewesen, doch zusammen mit Beatrice blieb es aufregend und war dazu noch warm - fast perfekt. Sie konnte jedes Gasthaus, ganz gleich wie schäbig und kalt, für ihn zu einem Zuhause machen. Im Gegenzug konnte Red ihr Abenteuer, Romantik und Liebe schenken. Keiner von beiden hatte jemals die überstürzte Hochzeit bereut.

Zum hunderttausendsten Mal wünscht Red sich, Beatrice möge noch bei ihm sein. „Ich konnte die Diamanten deiner Mutter einfach nicht ohne Kampf weggeben, Sophia. Es war keine böse Absicht, und jetzt ... habe ich alles verloren.“ Wütend wischte er sich über die Augen. „Aber ich werde alles daransetzen, es wieder in Ordnung zu bringen, darauf kannst du dich verlassen!“

Als sie seine Hände in ihre nahm, wurde Sophias Gesichtsausdruck weich. „Wir müssen einen Weg aus dieser Misere finden.“ Sie saß still da und zog die Brauen zusammen.

Hoffnungsvoll schaute Red sie an. Wenn es jemanden gab, der einen Ausweg aus ihrer Lage finden konnte, war es Sophia. Es würde ihr gelingen; er wusste, sie würde es schaffen. Er betrachtete ihr Gesicht und bemerkte, dass die Sonne, die durch die Vorhänge fiel, ihre ohnehin schon goldenen Locken noch intensiver zum Leuchten brachte. Das Licht ließ ihre Haut wie Sahne wirken und zeichnete die zarten Umrisse ihres herzförmigen Gesichts nach. Angesichts ihrer dichten Wimpern, der strahlenden Augen und der perfekt geformten Nase war es schwer, sich eine noch hübschere Frau vorzustellen.

Aber ihre unübersehbare Schönheit und ihre feingliedrige Erscheinung waren irreführend. Von frühster Jugend an regierte in Sophia die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer, die auch ihre Eltern bestimmt hatte. Zu dritt waren sie durch ganz Europa gereist, immer dorthin, wo das nächste aussichtsreiche Kartenspiel oder Pferderennen stattfand. Von Gasthaus zu Gasthaus, ohne sich jemals zu beklagen, hatten sie sich an jedem neuen Ort, an jeder schäbigen Unterkunft erfreut. Während Red seinen „Geschäften“ nachgegangen war, hatte Beatrice das Leben ihrer Tochter so normal wie möglich gestaltet und war ihr Gouvernante, Lehrerin und Mutter in einer Person gewesen.

Beatrice hatte dafür gesorgt, dass sie alle fröhlich und guten Mutes blieben. Sie hatte sich über matschige Straßen und schlecht gelaunte Wirte amüsiert, bis Sophia und Red in ihr Lachen einstimmten. Es war ihr gelungen, die Kleidung ihrer Familie immer trocken und sauber, ihre Zimmer immer aufgeräumt und wohnlich zu halten. Reds und Sophias Leben war um die glückliche, nimmermüde Beatrice gekreist - deshalb hatte ihr unerwarteter Tod sie so sehr getroffen.

Sophia war Beatrice so ähnlich, dass es Red im Herzen schmerzte. Obwohl man gemeinhin ein unverheiratetes Mädchen von siebenundzwanzig als alte Jungfer ansah, musste jeder Mann, der ihren Liebreiz bemerkte, anderer Meinung sein. Obwohl sie sehr erwachsen dachte und handelte, worin sich ihr wahres Alter zeigte, sah sie doch keinen Tag älter aus als achtzehn.

Sophias Miene wurde ernster, und sie presste ihre weichen Lippen aufeinander, während sie mit einem schlanken Finger gegen ihr Kinn klopfte.

Im Stillen verfluchte Red den Unhold MacGregor, verfluchte sein eigenes Pech und ganz besonders die Umstände, die ihn verführt hatten, auf sein Glück zu hoffen.

Für die meisten Menschen war Hoffnung etwas Gutes, das ihnen half, schwierige Zeiten zu überstehen. Für einen Spieler jedoch bedeutete Hoffnung den Ruin.

Jemand, der es sich nicht leisten konnte, zu verlieren, sollte auch nicht spielen. Doch in der Hitze des Spiels hatte sein Herz das Kommando übernommen, als die heimtückische Hoffnung in ihm aufgestiegen war, auf diese Weise die Dinge für Sophia in Ordnung bringen zu können. Natürlich hatte er verloren; beim Glücksspiel sollte man eben nicht auf seine Gefühle hören. Das wusste er besser als jeder andere. Viele Jahre hatten er und seine wundervolle Beatrice ihren Lebensunterhalt dadurch bestritten, dass er in der Lage war, seine Karten aufzunehmen und mit den Hoffnungen anderer Männer zu spielen.

Wie sie ihn dafür ausgeschimpft hätte, dass er die beiden einzigen Dinge eingesetzt hatte, die ihrer gemeinsamen Tochter geblieben waren. Es war Beatrices sehnlichster Wunsch gewesen, dass Sophia ein ordentliches Zuhause haben sollte. Deshalb hatte sie die Besitzurkunde für ein Haus, die ein verzweifelter Edelmann während eines von Reds Spielen auf den Tisch geworfen hatte, sorgfältig verwahrt. Selbst in schlechten Zeiten hatte sie sich geweigert, sie herauszugeben.

Unglücklicherweise war das Glück eine flatterhafte Dame, und die arme Beatrice hatte nicht lange genug gelebt, um das Anwesen zu sehen, das ihrer Tochter Schutz bieten sollte.

Nach Beatrices Tod hatten Red und Sophia Italien verlassen und waren nach Schottland gereist, um das Haus auf dem Hügel in Besitz zu nehmen. Sie waren an einem kühlen, stürmischen Tag angekommen, an dem sich die Wolken über dem hohen quadratischen Gebäude ballten. Die geschlossenen Türen und Fenster hatten abweisend gewirkt, und eine dichte Wand aus wildem Wein hatte die Mauern fast vollständig vor ihren Blicken verborgen.

Sofort hatte Sophia damit begonnen, das Haus wohnlich und zu einem Zuhause der MacFarlanes zu machen. Gemeinsam hatten Tochter und Vater geschrubbt und poliert, gehämmert und gesägt, repariert und gesäubert, bis das Gebäude einen äußerst erfreulichen Anblick bot. Und während sie arbeiteten, hatten ihre Herzen langsam zu heilen begonnen. Das Haus wurde zu ihrem Heim. Und das war es für die vergangenen elf Jahre auch gewesen.

Sophia straffte entschlossen die Schultern, und Red sah sie erwartungsvoll an.

„Wir können uns nicht einfach zurücklehnen und zuschauen, wie ein Fremder uns unser Zuhause wegnimmt. “ Ihr funkelnder Blick glitt an ihm vorbei und wanderte durch das Wohnzimmer. „Das könnte ich nicht ertragen.“

Reds Blick folgte dem ihren. Die Holzverkleidung der Wände glänzte sanft. Dicke Orientteppiche lagen auf dem Boden und dämpften die Schritte auf den polierten Holzdielen. Aufwendige Verzierungen schmückten den Kamin, und auf dem breiten Sims darüber standen eine Uhr aus vergoldeter Bronze und zwei entzückende Leuchter aus Messing und Kristall. Vor dem Kamin hatten mehrere schlichte, doch elegante Sessel ihren Platz, bezogen mit rotgold gestreiftem Samt und flankiert von blank polierten Chippendale-Beistelltischen. In einer Zimmerecke stand ein kleiner Schreibtisch mit kunstvollen Intarsienarbeiten, rechts und links davon befanden sich mit reichem Dekor versehene Vitrinen, in denen Porzellangeschirr verwahrt wurde. Durch die roten Samtvorhänge drang helles Sonnenlicht ins Zimmer, brachte die Holzpaneelen zum Glänzen und verstärkte den Duft nach Bienenwachs und Zitronenöl, der in der Luft lag. Im Kamin brannte ein Feuer, um die Frühlingskühle abzuwehren. Es war schwierig, sich einen heimeligeren und schöneren Ort als diesen vorzustellen.

Doch das Wichtigste saß ihm in diesem Moment gegenüber: seine schöne Tochter. Sophia, die mit ihren lichtblonden Haaren und ihrem schönen Gesicht so sehr ihrer Mutter glich. Das Einzige, was Sophia mit ihrem Vater gemeinsam hatte, waren die ungewöhnlichen Augen. Sie waren von einem strahlenden Hellblau, umgeben von dichten und zart gebogenen Wimpern.

Als Junge pflegte sich der furchtlose Red mit vielen, auch wesentlich größeren Knaben zu prügeln, die ihn wegen der Länge und der Form seiner Wimpern ausgelacht hatten. Reds Fäuste waren im jungen Alter von acht Jahren schon sehr hart gewesen, deshalb hatten nur wenige ihren Fehler wiederholt. Er wünschte sich, er könnte seine momentanen Schwierigkeiten auf ebenso einfache Art lösen. Um ihr aktuelles Problem zu bewältigen, brauchte es einen klügeren Kopf als seinen. „Wenn irgendjemand eine Lösung finden kann, um aus dieser von mir eingebrockten Situation zu entkommen, dann bist du es“, erklärte er seiner Tochter in entschiedenem Ton.

Sophia lächelte. Ihr Herz öffnete sich angesichts des offensichtlichen Glaubens ihres Vaters an ihre Fähigkeiten. Sie schaute aus dem Fenster hinaus in den Garten, wo eine sanfte Brise über die Rosen strich. Ein Pfad wand sich zwischen roten, gelben, rosa- und lavendelfarbenen Blumen hindurch, vorbei an einer Fontäne in einem großen Becken aus weißem Stein, auf dessen Rand ein Engel aus hellem Marmor saß. Dessen Finger spielten für alle Zeiten mit dem plätschernden Wasser, während sich über ihm die grünen Bäume im Wind wiegten. Schon bald würde jemand anderes hier stehen und sich an ihrer Stelle am Garten erfreuen.

Dieser Gedanke weckte ihren Zorn. Wie konnte es jemand wagen, ohne ihre Erlaubnis in ihrem Garten zu sitzen, nach all der Mühe, die sie dafür auf sich genommen hatte! Es musste einen Ausweg geben ... Sophia trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen ihres Sessels. Wie konnten sie diese furchtbare Pechsträhne beenden und alles zum Guten wenden? Sie hatten kein Geld, und niemand würde ihnen etwas leihen. Sie kannte keinen, der ihnen helfen konnte. Ihr einziger wohlhabender Bekannter war der Squire, der in der Nähe lebende Gutsherr. Sein Vermögen steckte natürlich in seinem eigenen Besitz, wie es sich gehörte.

Nein, wenn sie ihr Haus zurückgewinnen wollten, dann ... Sie erstarrte, und unvermittelt huschte ein Gedanke durch ihren Kopf. „Wir haben weder Geld noch wird man uns einen Kredit gewähren, um das Haus zurückzukaufen. Aber wir besitzen Geist und Glück. Da das Haus in einem Spiel verloren wurde, werde ich es einfach in einem Spiel zurückgewinnen. “

„Du?“

„Ja. Niemand wird glauben, dass ich mich mit Kartenspielen so gut auskenne wie du.“

„Das stimmt“, erwiderte Red langsam. Als sie noch klein war, hatte er ihr beigebracht, wie man eine Karte in der Handfläche verbarg, wie man die unteren Karten des Stapels beim Geben gezielt untermischte, wie sie mit ihrer Haarnadel die Bildkarten markieren konnte - Hunderte von kleinen Tricks, die alle zusammen dafür sorgten, dass man selten verlor.

Aber der wichtigste Trick war ihr Verstand. Zu wissen, wann man welche Karte ausspielen musste und sich zu erinnern, wer welche Karte besaß - das waren die Fähigkeiten, die einen hervorragenden Spieler ausmachten. Und Sophia beherrschte sie alle, seit sie zwölf war.

Er hatte ihr auch beigebracht, welche Spielertypen es gab. Dass es dem einen Menschen etwas völlig anderes bedeuten konnte zu gewinnen, als einem anderen. Woran man erkannte, dass ein Mann völlig verzweifelt war und deshalb leicht Fehler begehen würde; und dass der heftige Wunsch, etwas Bestimmtes zu besitzen, einen Menschen so beherrschen konnte, dass er am Ende alles verlor.

Nachdenklich rieb Red sein Kinn. „Es könnte funktionieren, mein Mädchen, aber es ist sehr gefährlich. Männer wie Dougal MacLean - er ist derjenige, an den ich unser Haus verloren habe - mögen sanft wie Gänsefedern um dich herumstreichen, aber sie sind kalt und unbarmherzig, wenn sie herausfinden, dass sie betrogen wurden. Deiner Mutter hätte der Gedanke auch nicht gefallen, dass du um hohe Einsätze spielst.“

Sophias Herz zog sich zusammen. Sie konnte MacFarlane House nicht auf geben. Es war alles, was ihr von ihrer Mutter geblieben war.

Sie unterdrückte ihre Gefühle und erkundigte sich mit klarer, harter Stimme: „Was weißt du von diesem Mann?“ „Von Dougal MacLean? Nicht viel. Fast nur Gerüchte.“ Red strich sich mit der Hand durch die Haare. Ihr leuchtendes Rot war zu einem Kastanienton verblasst und von weißen Strähnen durchzogen. „Man kennt ihn als Draufgänger und hält ihn allgemein für äußerst gut aussehend. Du wirst dich bemühen müssen, deinen Verstand beisammenzuhalten.“

„Mir sind in meinem Leben schon häufiger gut aussehende Männer begegnet“, erklärte Sophia selbstbewusst.

Red wirkte nicht sonderlich überzeugt. „ Sicher, aber dieser hat etwas ganz Besonderes an sich. Und er ist ein stolzer Mann. Seine ganze Familie trieft vor Selbstbewusstsein.“ Red kräuselte die Lippen. „Außerdem würde ich sagen, dass er ziemlich aufbrausend ist. “

„Woher weißt du das?“

„Während des Spiels machte der Earl of Stirling einige wenig schmeichelhafte Bemerkungen über einen von MacLeans Brüdern, und ich sah in seinen Augen den Zorn funkeln.“

„Hat er etwas gesagt?“

„Nein, denn plötzlich zuckten Blitze vom Himmel und ein wilder Wind stieß die Fensterläden auf. Wir liefen alle durcheinander, bemühten uns, die Fenster zu schließen und die Karten aufzusammeln.“ Red lachte leise. „Der Earl versuchte, MacLean die Schuld an diesem Zwischenfall zu geben. Offenbar existiert ein Gerücht, demzufolge auf den MacLeans ein Fluch liegt, der bewirkt, dass ein Unwetter aufzieht, wenn sie wütend werden.“

Sophia lächelte matt. „Ist dir sonst noch etwas über MacLean zu Ohren gekommen?“

Red kniff die Augen zusammen. „Er scheint ziemlich viel Wert auf sein gesellschaftliches Ansehen zu legen. Auf Reisen fährt er immer achtspännig, und es dürfte schwierig sein, so edle Pferde zu finden, wie er sie besitzt.“

Das klang vielversprechend. Ein eitler Mann ließ sich leichter an der Nase herumführen. „Glaubst du, er wird hierherkommen?“

„Er hat gesagt, er würde das Haus seinem Neffen oder irgendeinem Verwandten überschreiben, aber vorher wollte er es sich ansehen.“

Sie nickte. „Sehr gut. Erinnerst du dich noch an etwas anderes?“

Red verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Er kleidet sich wie ein Franzose. Trägt seidene Manschetten und solches Zeug.“

Sophia spitzte verächtlich die Lippen. „Ein Dandy.“

„Ja ... und nein. Hinter seiner Fassade steckt mehr als seine Eitelkeit. Er hat einen flinken Verstand und ist verdammt gut darin, seine Gefühle zu verbergen. Nur deshalb ist es ihm gelungen, mich zu besiegen. Du musst dich gut auf ein Zusammentreffen mit diesem Mann vorbereiten, mein Mädchen“, warnte Red. „Du hast lange nicht Karten gespielt, und er ist ungewöhnlich klug.“

„Dann werden wir bis zu seiner Ankunft jeden Tag üben.“

„Er wird frühestens in einer Woche hier sein. So lange dauern die Rennen noch.“ Red musterte Sophia aufmerksam. „Du brauchst bis dahin ein oder zwei neue Kleider.“ Sie senkte den Kopf und betrachtete ihr Vormittagskleid aus rosafarbenem Musselin. „Warum?“

„Ein Mann riskiert mehr, wenn er glaubt, dass du sein Geld nicht benötigst.“

„Nun gut. Ich werde ein paar neue Kleider bei der Schneiderin im Dorf bestellen. Sie hat soeben die Aussteuer für die Tochter des Barons genäht. Ich werde auch Schmuckstücke aus Strass brauchen - er wird nicht nahe genug an mich herankommen, um den Unterschied zu bemerken. Vielleicht gewinne ich ja die Diamanten und die Besitzurkunde für das Haus zurück.“

„Es ist einen Versuch wert.“ Red schaute sich im Zimmer um. Um seine Lippen zuckte ein Lächeln. „Das mit dem Haus könnte ein Problem sein. Du hast es einfach zu hübsch hergerichtet. Es ist wunderschön. Ich bezweifle, dass MacLean bereit ist, es wieder herzugeben, wenn er es erst einmal betreten hat.“

Sophia runzelte die Stirn. „Stimmt. Nachdem er es gesehen hat, wird er es im Spiel nicht einsetzen. Ich wünschte Ihr kam eine Idee, die so unglaublich brillant war, dass ihr Gehirn einige Sekunden lang regelrecht erstarrte. „Sophia?“ Reds Stimme unterbrach ihre Gedanken. „Glaubst du, es wird eine ganze Woche dauern, bis MacLean eintrifft, um sich ...“, sie brachte das Wort sein nicht über die Lippen, „... das Haus anzusehen?“

„Mindestens. Möglicherweise länger, falls er nach den Rennen noch bleibt, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.“

Dann konnte es funktionieren! Sie würde Hilfe benötigen, aber wenn sich genügend willige und fähige Hände fanden, könnte sie ...

„Sophia?“ Zwischen Reds Brauen bildete sich eine tiefe Falte. „Ich mag diesen Blick nicht. Woran denkst du gerade?“ Sie erhob sich und rieb die Hände aneinander. „Ich weiß jetzt, was wir tun müssen, um MacLean dazu zu bringen, dass er unser Haus loswerden will. Wir werden einfach all unsere Arbeit rückgängig machen.“

„Was?“

Sie wedelte mit der Hand durch die Luft, weil sie viel zu beschäftigt mit Nachdenken war, um Erklärungen abzugeben. „Überlass das einfach mir. Ich werde mich um alles kümmern. “

„Was auch immer du planst - sieh dich vor. Wenn MacLean herausfindet, dass du ihn hereinzulegen versuchst, wird er nicht eher ruhen, bis er sich gerächt hat.“

„Ich werde vorsichtig sein“, erwiderte sie, während in ihrem Kopf die Gedanken durcheinanderwirbelten.

„Nein, das wirst du nicht. Dazu bist du deiner Mutter zu ähnlich. Wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts und niemand sie davon abbringen. “

„Entschlossenheit ist eine positive Eigenschaft“, erklärte Sophia verschmitzt lächelnd.

„Das kommt darauf an, welchen Preis man dafür zahlen muss, mein Kind.“

Da sie bemerkte, dass er sich Sorgen machte, wechselte Sophia das Thema, indem sie Red nach den Einzelheiten des Spiels fragte, bei dem er das Haus verloren hatte. In seinem Bemühen, ihr klarzumachen, dass die Schuld nicht bei ihm lag, zählte er ihr sämtliche Karten auf, die er erhalten hatte, und beschrieb, wie er durch die Bluffs seiner Mitspieler dazu gebracht worden war, all seinen Besitz einzusetzen.

Sophia hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Wenn sie mit ihrem geliebten Haus fertig war, würde der snobistische MacLean darum betteln, dass jemand es ihm abnahm. Niemals würde sie zulassen, dass ein geckenhafter Verschwender mit weicher Haut und seidener Kleidung dieses Haus zu seinem Eigentum machte.

Niemals.