13

»Bist du noch sauer?« Cat lugt durch meine Zimmertür, während ich meine Tasche packe.

»Nein, ist schon okay. Ich finde es nur lächerlich, sich so den Kopf über jemanden zu zerbrechen, den man gar nicht kennt.«

Sie kommt rein und setzt sich auf mein Bett. »Also, du fährst?«

»Morgen, ja. Heute muss ich ins Theater und mit Greg sprechen ... Wegen des Auftritts.«

»Klar. Wegen des Auftritts.« Cat kräuselt die Lippen. »Mann, Gwen. Ich hätte nicht gedacht, dass du mal so ausflippst wegen eines Typen. Das passt überhaupt nicht zu dir! Du lässt dich nicht mal von fiesen Gerüchten beirren, dabei hast du mir selbst erzählt, dass du ihm die Story mit Gisele nicht glaubst.«

»Ich bin mir sehr sicher, dass es eine ganz normale Erklärung gibt. Die ich eines Tages erfahren werde.«

»Wie kommst du zu solchen Vertrauensvorschusslorbeeren? Ich meine, ich glaube zwar auch nicht, dass er ihr wirklich was angetan hat, aber ich mache mir schon Sorgen.«

»Darum eben. Du verstehst das nicht!«, unterbreche ich sie und pfeffere zwei T-Shirts in die Tasche. »Es ist meine Entscheidung, okay?«

Cat hebt beide Hände. »Ja, sicher. Schon gut. Ich komm klar, kümmere dich nicht um mich.«

Seufzend lasse ich mich neben sie aufs Bett fallen und schiebe die ziemlich vollgestopfte Reisetasche zur Seite. Dann lege ich den Arm um sie und meinen Kopf an ihre üppige Brust. »Ach, Cat. Ich weiß doch auch nicht. Ich kenne mich selbst nicht wieder.«

»Gut so.« Sie streicht mir zärtlich über die Haare. »Ich mache mir nur Gedanken und will nicht, dass dir was passiert. Schon diese komischen Nachrichten, die du dauernd kriegst ... Also wenn er irgendwie komisch wird, musst du mir versprechen, mich sofort anzurufen und nach Hause zu kommen. Okay? Und lass dich auf nix ein, was du nicht auch willst!«

»Natürlich nicht«, murmle ich. »Du kennst mich doch!«

»Langsam bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob du noch die Gwen bist, die ich kennengelernt habe. Die schroffe Gwen, die jedem ungefragt ihre ehrliche Meinung an den Latz knallt. Aber ich kann nicht sagen, dass mir die neue Gwen nicht gefällt. Im Gegenteil.«

Ich drücke sie ein letztes Mal, dann stehe ich auf und streiche meine Haare aus dem Gesicht, bevor ich mir einen Pferdeschwanz binde. »Ist das Outfit okay? Ich will so unattraktiv wie möglich aussehen, wenn ich mit Greg spreche.«

Cat grinst. »Dazu müsstest du mindestens einen alten Kartoffelsack tragen, Süße. Du siehst nämlich auch in den ollen Klamotten noch fantastisch aus. Eine schöne Frau kann so schnell nichts entstellen.«

»Sehr witzig. Aber trotzdem danke. Wünsch mir Glück.«

»Glück!«, ruft Cat und streckt die Fäuste nach oben. »Hals- und Beinbruch. Sagt man doch im Theater, oder?«

Ich nicke und mache mich auf den Weg zur Arbeit. Zum letzten Mal für ... keine Ahnung, wie lange.

*

Meine Knie zittern ein bisschen, während Greg mich, lässig mit überkreuzten Knöcheln gegen die Theke gelehnt, betrachtet. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, obwohl es ganz objektiv wohl kaum einen Grund dazu gibt.

»Mir war klar, dass bei dir was im Busch ist. Schade.«

»Wie, schade?«, frage ich und traue mich sogar, tief einzuatmen. Das Gespräch verläuft deutlich besser, als ich befürchtet habe.

»Na, vielleicht, wenn du früher den Versuch gestartet hättest ...« Er zwinkert mir zu, dann streckt er den Arm aus und streicht mir mit einer fast väterlichen Geste über die Haare. Warum zum Teufel sind neuerdings alle Männer so besessen von meinen Haaren?

»Es tut mir wirklich leid, falls du dir irgendwelche Hoffnungen ... ich meine, ich bin ja eigentlich nicht so ...« Oh verdammt, was rede ich hier? Mein Gesicht fühlt sich ganz heiß an, und irgendwie kriege ich meine Gedanken nicht sortiert.

»Ist schon gut. Ehrlich, ich bin nicht sauer auf dich. Nur neugierig.«

»Neugierig worauf?« Verwirrt sehe ich ihn an, ein Geschirrtuch in der Hand. Das Theater ist ruhig, die letzten Gäste sind vor fünf Minuten gegangen.

»Erst hast du bestritten, was mit Adrian Moore zu haben, und jetzt fährst du wieder hin und lässt dich auf ihn ein. Und du hast da so was erzählt, von wegen Club und Fetisch und so.« Er lächelt, fast verlegen.

»Das war nur so dahergeredet, Greg. Ich wollte mich wichtigmachen.«

»Ich habe oft darüber nachgedacht und mir vorgestellt, wie du ...« Er atmet tief ein, sodass sich sein Brustkorb sichtbar wölbt. Ich schlucke, bemüht, sein Kopfkino zum Stillstand zu bringen. »Das war nur Quatsch, ehrlich«, winke ich ab.

Im selben Moment vibriert mein Handy, das ich hinten in der Jeanstasche mit mir trage. Die Vibration durchzuckt mich, weil ich heute schon drei anonyme Anrufe erhalten habe. Jedes Mal hat der Anrufer aufgelegt, nachdem ich mich gemeldet hatte, und beim letzten Anruf war ich kurz davor, genervt ins Handy zu brüllen. Viel zu schnell zerre ich daher das Telefon aus der Hose und seufze erleichtert auf, als ich die Nummer erkenne.

»Es ist alles in Ordnung!«, begrüße ich ihn.

»Ich wollte nur sichergehen, dass ihr nicht ungestört seid.«

Ich muss lachen. »Sind wir nicht. Keine Sorge.« Sind wir sehr wohl, aber das muss er nicht wissen, weil es wirklich keinen Grund gibt, eifersüchtig zu sein.

»Ich verlasse mich darauf. Und zähle die Minuten, bis ich dich wiederhabe. Nur noch 792.«

»Ich rechne das jetzt nicht nach, Adrian. Aber du bist irre.«

»Ja. Deinetwegen.«

Ich höre ihn atmen. Schwer. Mein ganzer Körper kribbelt beim Ton seiner Stimme, und in meinem Magen tanzen Schmetterlinge Samba. Nur aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie Greg sich abwendet und die gespülten Gläser ins Regal räumt.

»791«, sagt er, und ich lache wieder.

»Okay, okay. Ich werde später mitzählen. Statt Schäfchen.«

»Ich hole dich morgen um 12.30 Uhr ab.«

»Was?« Ich bin irritiert. »Ich habe ein Ticket nach London, und ich ...«

»Überraschung. Komm einfach um 12.30 Uhr runter auf die Straße.«

»Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich deine Überraschungen mag«, versuche ich abzuwehren. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Diese Neuigkeit muss ich erst mal verdauen. Bis vor einer Minute war ich darauf vorbereitet gewesen, morgen nach London zu fliegen, und jetzt ...

»Ich weiß, dass du diese mögen wirst. Obwohl sie nichts mit Sex zu tun hat.«

»Ist die Biografie von John Karry etwa schon fertig?«, frage ich frech, weil ich weiß, dass sie alles andere als das ist. Weil er behauptet, mich zu brauchen. Als seine Muse. Ich, Gwendolyn Hamlin, bin eine Muse! So wie einer der hübschen Jungs, die immer um Karl Lagerfeld sind. Unfassbar!

»Bring deine gepackte Tasche mit. Bis morgen.«

Etwas enttäuscht stelle ich fest, dass er aufgelegt hat. Ich schiebe das Handy zurück in die Jeans und helfe Greg beim Einräumen der Gläser. Er räuspert sich nur kurz, sagt aber nichts zu meinem Telefonat. Erst beim Verlassen des dunklen Theaters bleibt er vor der Tür stehen, um mich anzusehen.

»Ich wünsche dir Glück, Gwen. Alles Glück der Welt. Weil du es verdient hast.«

»Danke«, antworte ich gerührt und streiche verlegen über seinen Oberarm. »Vielleicht bin ich ja schon bald zurück, und dann ...«

Greg schüttelt den Kopf und grinst schief. »Ich glaube nicht. Aber es ist schön, dich so zu sehen. Du wirkst glücklich. Zum ersten Mal, seit wir uns kennen.«

Ich presse die Lippen fest aufeinander und schaue auf den Boden. Glücklich? Ich weiß nicht genau, wie sich Glück anfühlt. Man sagt, dass man meistens nicht weiß, was Glück ist, dafür weiß man meistens, was Glück war. Wenn es sich so anfühlt, dann will ich, dass es nie wieder aufhört. Ich will es für immer festhalten und nicht erst später feststellen, was es bedeutet hat.

»Pass auf dich auf. Und wenn du jemals etwas brauchst ... wir sind für dich da. Alle. Als Freunde.«

Meine Augen werden heiß. Freunde ... das hört sich so gut an. Meine Stimme klingt krächzig, als ich mich vor der Tür von ihm verabschiede und hastig über die dunkle Einfahrt Richtung U-Bahn stapfe, während er abschließt.

Freunde. Fast hätte ich es versaut, aber zum Glück hat Adrian mich vor diesem Fehler bewahrt. Natürlich ohne es wirklich zu ahnen ...