Auf der Suche

Ich war ein besonderes Kind. An einem Sonntag geboren, im Zeichen des Löwen. Ich hatte immer meinen eigenen Kopf, einen dicken Kopf, zugegeben. Für mich musste eine Fünf immer gerade sein, der Weg geebnet und Probleme von anderen für mich aus der Welt geschafft werden. Geschenke erachtete ich als Selbstverständlichkeit.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir das Bonmot ein, das mein Vater immer parat hat, wenn es um mich geht: »Woran erkennt man einen echten Löwe-Geborenen? Er geht hinter einem durch eine Drehtür und kommt vor einem heraus.«

Das Leben hat mich verdammt reich beschenkt. Mit einer glücklichen, behüteten Kindheit, in der alles, was Spaß machte, möglich war – ohne aufs Geld schauen zu müssen. Ich durfte Flöte und Gitarre spielen lernen, reiten und voltigieren. Im Alter von sechs Jahren hatte ich bereits mein eigenes Konzert- und Theaterabo. Im Winter stand Skifahren auf dem Programm, im Sommer Klettern, Wandern oder Strandurlaub. Meine Eltern finanzierten meine Turniertanzkurse, freuten sich über meine Teilnahme in der Laienspielgruppe der Schule und legten auch meiner Berufswahl als Schauspielerin keine Steine in den Weg. Die Aufnahmeprüfung an einer der renommiertesten Schauspielschulen Deutschlands bestand ich auf Anhieb – ich bekam unter 900 Kandidaten einen der zehn Studienplätze, inklusive Stipendium. Was für ein großartiges Geschenk, was für ein Sieg! Damit begann eine der glücklichsten Zeiten meines Lebens – wenn man unter »Glück« versteht, sorglos wie ein Kind in der Sandkiste spielen zu dürfen und alle Wünsche erfüllt zu bekommen, sogar jene, von denen man gar nicht weiß, dass man sie hat. Eine gefährlich unreflektierte Welt. Die Welt meiner Rollenfiguren, die ich spielend erforschte, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen, denn das harte Berufsleben hatte ja noch nicht begonnen. Für mich war es aufregend und Spaß pur. Und nach dem Schulabschluss ging es genauso weiter: Ich erreichte alles, was ich wollte, ohne kämpfen zu müssen. An den Theatern, die ich mir aussuchte, wurde ich engagiert, Hörspiele kamen als interessante und lukrative Nebenjobs hinzu, die ersten Drehtage beim Fernsehen stellten sich ein. Und auch ein A-Klasse-Kinofilm: Die Weiße Rose von Michael Verhoeven. Wenig später gesellte sich noch das absolute Überflieger-Geschenk dazu: die Hauptrolle in Die schöne Wilhelmine, die auch noch mit der »Goldenen Kamera« als Sahnehäubchen obendrauf dekoriert wurde. Die Fernsehkarriere lief in einem atemberaubenden Tempo mit mir davon. Ich spielte ausschließlich Hauptrollen – und fand das ganz normal. Zum Nachdenken und Innehalten blieb mir keine Zeit. Auch privat befand ich mich auf der Sonnenseite des Lebens. Ich wurde geliebt. Immer. Und fast bedingungslos. War das für kurze Zeit nicht der Fall, begegnete mir mit Sicherheit der nächste Mann, der mir in die Arme fiel und dem ich meine Liebe schenken konnte. Der Platz auf Wolke sieben war für mich der schönste im Universum und speziell für mich reserviert.

Alles lief wie geschmiert und ich gewöhnte mich an die Geschenke, die mir das Leben machte.

Es ist schon verwunderlich, dass ich bei so viel Glücklich- und Zufriedensein trotzdem auf Sinnsuche war. Vielleicht, weil mich die Sonnenstrahlen meines Glücks nie komplett blind gemacht haben? Vielleicht aber auch nur, weil ich, wie viele andere Menschen, wissen und verstehen wollte, was »die Welt im Innersten zusammenhält«, wie Goethe es im Faust so treffend formuliert.

Glaubenstechnisch war meine Kindheit evangelisch geprägt, mit Kindergottesdienst, Christkind, Nikolaus, Christmette in den Skiferien, Konfirmandenunterricht, also mit dem ganzen traditionellen Programm. Ich fand das okay so und nahm die Existenz von Gott und Jesus als selbstverständlich und gegeben hin.

Trotzdem schlich sich eine latente Unzufriedenheit ein. In irgendeiner Weise schien mir das, was mir meine Kirche erzählte, zu vielen Dingen des Alltags im Widerspruch zu stehen. Ich war 16. In der Schule lasen wir Siddhartha von Hermann Hesse, die Geschichte eines Suchenden, der zwischen Askese und weltlichem Überfluss pendelnd einen langen Weg geht, um dem Sinn des Lebens auf den Grund zu kommen. In dem Roman begegnet Siddhartha dem historischen Buddha (Gautama beziehungsweise Shakyamuni) und erkennt, dass man nicht durch die reine Lehre, also durch Studium, die Erleuchtung erlangt, sondern sie mit seinem eigenen Leben erfahren muss. Ich bezweifle, dass ich dieses beeindruckende Werk damals wirklich verstanden habe, doch es warf viele Fragen auf. Zum Beispiel die Frage nach dem Tod, den ich nicht verstand, vor dem ich mich fürchtete und den ich bis dato erfolgreich aus meinem persönlichen Leben ausklammern konnte. Dennoch gibt es in der ganzen Welt Mord und Totschlag, hungernde Kinder, Ungerechtigkeit, Krankheit und anderes Leid. Hinzu kommen die Religionskriege, die Inquisition und die Hexenverbrennungen, die alle im Namen Gottes beziehungsweise der Kirche durchgeführt worden waren. Es stimmte doch einfach nicht, sagte ich mir, dass ein sogenannter lieber Gott das alles so geschehen ließ. Und die Kirche darf tun, was ihr Spaß macht? Das kann’s doch nicht sein! Die Antwort, die ich auch bei meinen gelegentlichen Ausflügen in die »katholische Fraktion« erhielt, war immer die gleiche: Nicht hinterfragen, nicht zu verstehen versuchen, einfach glauben. Der Glaube, so hieß es, wäre über jeden Zweifel erhaben.

Wie so viele andere in meiner Klasse war ich in jugendlicher Aufbruchsstimmung. Im Religionsunterricht stand Jesus Christ Superstar auf dem Programm. Echt cool. Der Typ in dem Musical zweifelt so sehr an sich und kommt so absolut »irdisch« daher … Ein Mensch mit allem Drum und Dran. Das gefiel mir um vieles besser als das Bild, das uns die Kirche vermittelte. Es machte viel mehr Sinn.

Und Gott? Uns christlichen Teenagern wollte man weismachen, dass das, was Gott mit seinem Sohn getan hatte, sprich ihn einfach ins offene Messer laufen zu lassen, um die Schrecklichkeit des Todes mit den »normalen« Menschen zu teilen, ein Akt der »Liebe« gewesen war. Wie grausam! Irgendwie passte da etwas für mich nicht zusammen. Als neugieriger Mensch, wissensdurstig und kopflastig, wie ich oft bin, muss ich die Dinge des Lebens hinterfragen. Ich wählte Biologie als Leistungskurs. Das fand ich spannend. Auch Chemie und Physik. Und schon gab es ein neues Problem. Die Figur »Gott« konnte ich in diesem Umfeld nirgendwo einordnen. Dass Materie nicht verschwinden, jedoch zu Energie werden kann, fand ich dagegen superlogisch. Also nix mit Himmel und Engeln auf weißen Wölkchen …

Andererseits sah ich in jener Zeit das cineastische Meisterwerk Ben Hur, das mich tief beeindruckt hat: Jesus als Motor, als Quelle der Kraft, als Sonnenstrahl in der Dunkelheit, die die verzweifelten Menschen umgab. Was für eine Geschichte! Da will man doch einfach glauben, dass sie wahr ist!

Die Esoterikwelle spülte unter anderem Thorwald Dethlefsen in mein Jungmädchenzimmer. In seinem Hauptwerk Schicksal als Chance behauptet er, dass der Mensch den Gesetzen des Schicksals unterworfen ist, das ihm Themen oder Aufgaben stellt, um sich zu entwickeln und sein Bewusstsein zu erweitern. Wenn wir uns weigern, diese Gesetze anzunehmen, erfahren wir Leid. Dethlefsen schreibt: »All die bösen Menschen und unliebsamen Ereignisse sind in Wirklichkeit nur Boten, sind Medien, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Wer dies begreift und bereit ist, die Verantwortung für sein Schicksal selbst zu übernehmen, verliert alle Angst vor dem bedrohenden Zufall.«3 Das klingt plausibel. Aber schwer anwendbar für eine 17-Jährige.

Dennoch war es ein Samenkorn, ein Teil eines Schrittchens auf dem richtigen Weg.

Ich hatte mir damals meinen eigenen Glauben zurechtgezimmert und schwamm irgendwo zwischen Siddhartha und Katechismus. Nach einem Ferienaufenthalt in einem Kloster war ich auch davon ganz begeistert. Ich ersetzte das Wort »Schicksal« wieder einmal durch »Gott«, hörte gregorianische Gesänge und wollte unbedingt nach Taizé4 fahren und auch den Jakobsweg gehen. Unter dem Eindruck des beschaulichen Klosterlebens schrieb ich folgendes Gedicht:

Klostermauern

23955.png

Himmlischer Friede

in jedem Hauch

Atem Gottes

in schwarzgrünen Wiesen

der Abenddämmerung

Heilige Stille

in uralten Mauern

deren Stärke auch mein Herz erfüllt

gibt mir tröstliche Ruhe und Glauben wieder

lange entbehrt

in meiner so anderen Welt

Vertrauen löst mich

offen Dir, Vater

Durchströmt von Deiner Gegenwart

dankbar dieser klösterlichen Stille

fernab all dem

was mich fernhält von Dir

gibst Du neue Hoffnung und Kraft

zurück auf dem Wege zu Dir

Mannomann, da war ich ganz schön auf dem katholischen Trip. Verständlicherweise, denn ich arbeitete zu jener Zeit mit Leib und Seele und der tiefsten Hingabe, zu der eine junge Schauspielschülerin fähig ist, an der Johanna, Friedrich Schillers Jungfrau von Orleans. Diese Figur, ihre Geschichte, hatte mich schon immer fasziniert. Auch die prächtige Kathedrale von Reims, die ich als Kind mit meinen Eltern besucht hatte, trug zur Begeisterung für dieses Thema bei. Ich glaube, Kinder sind sehr aufnahmefähig für den hollywoodesken Glamour, den Kirchen mit ihrer prunkvollen Vielfalt vermitteln. Ich jedenfalls war es und nahm dieses kindliche Staunen, diese Ergriffenheit nun mit in meine Arbeit hinein. Die Figur der »Johanna«, dieses Bauernmädchen aus Domrémy, das dem göttlichen Befehl, Frankreich zu retten, folgt und dann grausamerweise auf dem Scheiterhaufen der Inquisition endet, ergriff quasi von mir Besitz. Den Text kann ich noch heute!

Wie so viele Anfänger in diesem wunderbaren Beruf des Schauspielers, der eigentlich ja kein Beruf, sondern eine Berufung ist, verlor ich mich komplett in den Geschichten meiner Rollen.

Mein eigentlicher Weg als Mensch durch diese Welt dagegen schlummerte noch tief vor sich hin. Ich wollte damals zwar einen spirituellen Background haben, betrachtete ihn jedoch als von meinem privaten und beruflichen Leben getrennt, gewissermaßen als »Freund« an meiner Seite. Was für ein Unsinn! Dennoch zog der spirituelle Teil in mir das an, was für mich wichtig und später sogar überlebensnotwendig werden würde.

Die erste Reise nach Asien. Der erste Schritt in eine andere Richtung. Ich war Ende 20. Dreharbeiten in Singapur und Malaysia. Ich lernte einfache Menschen kennen, die so zufrieden schienen mit ihrem bescheidenen Leben, mit dem wenigen, das sie besaßen. Nein, mehr noch: Sie erschienen mir reich und glücklich! Sie mussten über innere, verborgene Schätze verfügen. Es ergab sich, dass S., ein Kollege von mir – ebenfalls ein Sinnsuchender, nur schon viel weiter fortgeschritten und erfahrener als ich – bei mir quasi offene Türen einrannte. Wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander und neue Welten erschlossen sich für mich. Zum ersten Mal wurde ich mit dem spannenden Thema der Seelenwanderung konfrontiert. S. gab mir ein Buch, das ihn, wie er sagte, sehr beeindruckt und berührt hatte: Zwischenleben von Shirley MacLaine. Auf einmal machte das ganz Konstrukt von Schicksal, Erfahrungen, Leid, Tod und Geburt für mich einen Sinn. Unter dem Aspekt der Langfristigkeit ist das nämlich logisch und konsequent: weil ein einziges Leben allein nicht ausreicht! Nur so lässt sich die scheinbare »Ungerechtigkeit« erklären, dass wunderbare Menschen oft mühsam kämpfen müssen und am Ende sogar alles verlieren, während eine ganze Menge rücksichtsloser und völlig moralfreier Egomanen das Glück in dieser Welt offenbar gepachtet hat.

Doch wie sieht dann das nächste Leben aus? Und wie lange dauert es, bis man schließlich, nach vielen Leben abgekämpft, das Nirwana erreicht? Offensichtlich gab es also auch im indischen, buddhistischen Glauben wie bei den Christen ein Paradies. Auch die Message war dieselbe: Sei brav, dann wirst du belohnt! Das Prinzip der Strafe galt also auch hier. So ganz war’s das deshalb noch nicht für mich. Es fiel mir damals schon schwer, zu glauben, aufgrund von »bösen Taten« im nächsten Leben als Ameise wiedergeboren zu werden. Auch wenn David Safier das in seinem Buch Mieses Karma herrlich witzig beschreibt. Da haben wir’s, das Zauberwort: Karma. Es sollte mich von nun an dauerbeschäftigen. Willkommen in der Welt der Spiritualität!

Ich sog alles auf, was S. mir erzählte. Dass jeder Mensch ein Karma hat, das aus unseren früheren Taten besteht, aus schlechten und auch aus guten. Dass wir Menschen ein getreues Abbild des Universums sind, in winzig kleinem Format. Mikrokosmos – Makrokosmos.

S. besaß eine große Ehrfurcht vor dem Leben. Das gefiel mir und steckte mich an. Gemeinsam erkundeten wir das Land. Wir besuchten hinduistische und buddhistische Tempel und hielten uns dort länger auf als gewöhnliche Touristen. Ich liebte die Stille dort, das Kontemplative, aber auch die Fröhlichkeit der Zeremonien, die mir nicht so »feierlich-ernst« wie die der christlichen Kirche erschienen. Einmal hatten wir sogar die Gelegenheit, einen Brahmanen kennenzulernen. Der Gelehrte, ein unglaublich weiser Mann, der der höchsten Kaste angehörte, führte ein durch und durch asketisches Leben. Es war einer dieser Tage im Leben, die man niemals vergisst. Dieser Mensch war die personifizierte Liebe. Ja, das Wort »Liebe« schien plötzlich eine neue Dimension zu bekommen. Und ich lernte, dass dieser Lebenszustand aus einem selbst heraus entsteht. Durch eigenes Bemühen. Dass einem das niemand abnehmen kann, nicht das Universum und auch nicht jemand, den wir »Gott«, »Allah« oder »Jahwe« nennen. Bei seinen Offenbarungen zwinkerte mir der weise alte Mann zu. Humor hatte er auch noch! Ich war total von den Socken – beziehungsweise wäre es gewesen, wenn ich nicht (selbstverständlich!) sowieso schon barfuß in seinem Haus gewesen wäre.

Gott war in diesem System irgendwie überflüssig, wie eine Rolle, die man gestrichen und deren Text man auf alle menschlichen Mitspieler verteilt hatte. Dieser Umstand fügte sich wunderbar in mein Weltbild.

Damals, Mitte der 1980er-Jahre, wurde also der Grundstein für meinen weiteren Weg gelegt. Doch es sollte noch einige Abzweigungen, Sackgassen und Irrwege geben … Mein spiritueller, asienerfahrener Kollege wurde von mir ausgequetscht wie eine Zitrone. Den Mund und die Augen vor Staunen und Bewunderung weit aufgerissen, sog ich die Informationen in mich hinein wie ein ausgetrockneter Schwamm. Und ich bin kein Mensch, der unreflektiert für alles und jedes zu begeistern ist, um es dann nach kurzer Zeit wieder fallen zu lassen. Das hier war einfach mein Ding! Ich spürte, dass diese spirituelle Weggabelung für mich in die richtige Richtung wies.

Dass es bei den buddhistischen Schulen und deren Ausübung beträchtliche Unterschiede gibt, überriss ich damals noch nicht. Ich war einfach fasziniert von dieser so friedlichen Welt und der scheinbar grundlosen Gelassenheit und Heiterkeit der Menschen in Asien. Es war so anders als bei uns im Westen.

In jüngerer Zeit ist vielen Fernsehzuschauern aufgefallen, mit welcher Geduld, Disziplin und einer besonderen Art von Unerschütterlichkeit die Menschen in Japan mit der Nuklearkatastrophe von Fukushima umgegangen sind. Buddhismus. Eine andere Lebenseinstellung.

An dieser Stelle einmal ein dickes Dankeschön an meinen wunderbaren Produzenten Wolfgang Rademann, der mir, kaum war ich wieder zu Hause, sozusagen zur Vertiefung die nächste Asienreise bescherte: Thailand und wenig später Bali, ganze vier Wochen lang. Mann, war ich glücklich! Den Beruf ausüben, Geld verdienen und noch dazu leben lernen dürfen. Wie wunderbar!

Neben der Arbeit war Bali touristisch schnell erkundet. Der letzte Programmpunkt war ein buddhistisches Kloster im Landesinneren, das mich magisch anzog. Ich blieb eine Weile dort. Die Gespräche mit den Mönchen erweiterten meinen Horizont ungemein. Viel besser als ein Lehrbuch es kann, vermittelten sie mir die Basis der buddhistischen Lehre, die sogenannten Vier edlen Wahrheiten. Davon hat sicher jeder schon einmal irgendwie gehört. Doch worum geht es da genau?

Erstens: Das Leben bedeutet Leiden. Und zwar in Form von Geburt, Krankheit, Alter und Tod, aber auch in jeglicher Art von Schmerz, Verlust, Trauer, Einsamkeit, Depression und so weiter.

Zweitens: Die Ursache des Leidens wird hervorgerufen durch Egoismus, Begierden, fehlendes Mitgefühl, Arroganz, Ärger, Dummheit und leider noch vieles andere mehr.

Drittens und viertens – gute Nachricht: Das Leiden kann aufgehoben werden, und zwar durch den »Achtfachen Pfad«. Das heißt, man bemühe sich bitte um:

  1. 1. Rechte Einsicht und Anschauung,
  2. 2. Richtiges Denken,
  3. 3. Richtige Rede,
  4. 4. Richtiges Handeln,
  5. 5. Richtige Lebensweise,
  6. 6. Rechtes Bestreben und Bemühen,
  7. 7. Achtsamkeit,
  8. 8. Richtige Versenkung, Konzentration, Meditation beziehungsweise richtiges Gebet.

Auf gut Deutsch: Es gilt, vor Gebrauch des Mundwerks das Gehirn einzuschalten, moralische Werte hochzuhalten, die angeborene Trägheit zu überwinden, sich für das Wohl anderer einzusetzen, nach Kants kategorischem Imperativ5 zu leben und brav an seiner Erleuchtung zu arbeiten.

Mir erschien das alles gut nachvollziehbar, nur das mit der »Erleuchtung« blieb noch ein relativ dunkles Fragezeichen. Das lernt man eben nicht in einem Crashkurs.

Das Wichtigste war für mich jedoch, mit welcher Liebe diese Mönche mir begegneten. Ich lernte, dass Wut, Ärger, Arroganz und fehlendes Mitgefühl oft an unseren misslichen Lebenslagen Schuld sind – Krankheiten eingeschlossen (aber das kannte ich ja schon von Herrn Dethlefsen). Und dass es stattdessen sinnvoll sei, sich mit anderen auf eine Stufe zu stellen, Verständnis aufzubringen, mit-zuleiden (aber nicht zu be-mitleiden, das ist nicht dasselbe!). In der westlichen Philosophie gibt es dafür das Zauberwort »Empathie«. Viel zu wenig beachtet! Und auch Omas altes Sprichwort, zeitlos gültig, scheint fast einen buddhistischen Hintergrund zu besitzen: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.«

Wie oft denken wir daran? Mal ganz ehrlich!

Im Kloster auf Bali teilte ich mit den Mönchen ihr einfaches Essen und es gab einen ebenso einfachen Schlafplatz für mich. Absolut in Ordnung für die Dauer der Zeit.

In mir machte sich eine unendliche Dankbarkeit breit, eine Art von Dankbarkeit, die ich, vom Schicksal verwöhnt, nicht gekannt, geschweige denn praktiziert hatte: Dankbarkeit über das wunderbare, sorgenfreie Leben, das ich führen durfte – mit dem herrlichsten Beruf aller Zeiten, der mich an die Traumplätze dieser Welt führte.

Schnitt auf das Ende dieser erkenntnisreichen Reise: Oben am Vorderdeck des in der Abendsonne von Bali ablegenden Traumschiffes steht ganz klitzeklein eine junge Frau mit strahlenden Augen und voller Lebenskraft, glücklich und unendlich dankbar.

Zu Hause ging meine spirituelle Reise weiter. Ich studierte damals Gesang bei einer ganz wunderbaren Frau in München: A.

Es war weit mehr als Gesangsunterricht. Wir trafen uns oft in den gleichen Gefilden spiritueller Suche, stellten fest, dass wir die gleichen Bücher kannten, und diskutierten darüber. Zum ersten Mal in der westlichen Welt hatte ich bei A. das Gefühl, einer Person begegnet zu sein, die dieselbe Friedlichkeit, Ruhe, Gelassenheit und Wärme ausstrahlte wie die glücklichen Menschen, die mir in Asien begegnet waren. Diese Frau war die Zufriedenheit, Güte und Liebe in Person. Beispiellos. Ich lernte viel von ihr. Wie gesagt, viel mehr als nur singen. Ich erfuhr, dass sie in einem vergangenen Leben in Ägypten gewesen war und als Priesterin oder so etwas Ähnliches ein hohes Amt bekleidet hatte. Das leuchtete mir ein: Die Weisheit, die A. ausstrahlte, konnte nicht innerhalb eines einzigen Lebens, einer einzigen Erfahrung angesammelt worden sein. Wir sprachen auch viel über den Tod. A. hatte eine bewundernswert entspannte Einstellung dazu. Für mich war das eine weitere Bereicherung auf meinem spirituellen Weg. Nicht mehr wegdenken, nicht mehr mit christlicher Erziehungssülze zukleistern lassen. Aufhören mit dem Horrorbild des »Sensenmanns« aus der mittelalterlichen Schreckensmystik, mit dem Tod als Figur zum Fürchten aus dem Jedermann.

Tod und Vergehen, wie ein Blatt, das verwelkt, im ewigen Wandel der Wiedergeburt der Seelen. So ergab es endlich einen Sinn für mich. Zwar auch nicht gerade tröstlich, weil Verlust und Abschied immer wehtun, aber immerhin zu verstehen. Dennoch blieb ein Thema unbeantwortet. Warum sterben Menschen außerplanmäßig? Das heißt, nicht nach einem langen, erfüllten Leben, sondern durch schreckliche Umstände wie Krankheit, Unfall oder Gewalt? Und warum passiert das oft schon in jungen Jahren? Auch das wunderbare Buch von Elisabeth Kübler-Ross Der Tod und das Leben danach, das die Erfahrungen sterbender Kinder dokumentiert, bot mir keine Antwort – zwar nicht auf die Frage nach dem Wie und Wohin, wohl aber nach dem Warum. Trotzdem: Die Lektüre dieses Buches und die Gespräche darüber mit meiner Lehrerin und Freundin A. brachten mich immerhin ein Schrittchen weiter auf meinem Weg, das Leben zu verstehen und somit den Tod als Teil des Lebens zu betrachten. Man mag an Wiedergeburt glauben oder nicht – ich persönlich war damals schon fest davon überzeugt. Ich hatte mich inzwischen endgültig aus meiner kleinen christlichen Welt entfernt und trat aus der Kirche aus. Dennoch hielt diese gewisse Unzufriedenheit immer noch an. Etwas fehlte. Aber was? Die großen Meister haben alle tolle Sachen geschrieben. Aber genügen denn Verstehen und Einsicht allein? Nun, ich hatte mich der buddhistischen Philosophie verschrieben, mit einem ordentlichen Schuss westlicher Esoterik und spiritueller Deko. »Übersinnliches« akzeptierte ich nur, wenn es wissenschaftlich erklärbar war und nicht mit den Gesetzen der Natur kollidierte. Ratio statt Religion. Das war für mich ein praktikabler Weg. Punktum. Basta.

Vom heutigen Standpunkt aus kann ich über diese Zeit nur lächeln. So viel Halbverdautes, Dreiviertelverstandenes … Jetzt weiß ich natürlich, was gefehlt hat: das Leben selbst, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und das Wissen darum, wer und wo ich in diesem Kontext bin.

Um nun ein bisschen Klarheit in das Thema Buddhismus und seine vielen Schulen und Verzweigungen zu bringen, liebe Leser, zwecks »Entwirrung« ein bisschen Geschichte:

Alles begann mit der Erleuchtung von Prinz Siddhartha Gautama (Shakyamuni Buddha) um 500 vor Christus. Siddhartha Gautama riss von seinem wohlbehüteten königlichen Zuhause aus, weil er spürte, dass das nicht das »wirkliche Leben« war. Das echte Leben »draußen«, jenseits der Palastmauern, bestand aus Leid – bedingt durch Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Dem wollte der junge Prinz auf den Grund kommen. Der Name »Buddha«, den er erhielt, bedeutet »Der aus eigener Kraft zur Wahrheit Erwachte«. Shakyamuni Buddha lehrte über viele Jahre hinweg seine sich permanent weiterentwickelnden Erkenntnisse (Sutren). Er wurde von Schülern begleitet, die peu à peu begannen, seine Lehren aufzuschreiben. Da er auf dem Weg zu seiner Erleuchtung viele Stadien durchlief, bezeichnete er die sich ansammelnden Erkenntnisse als »vorübergehende Lehren«. Am Anfang versuchte er sich in Askese und meditativer Versenkung. Das heißt, er führte ein Eremitendasein, in dem man das als schwere Last empfundene normale Leben einfach ausknipst und in die geistige Welt (Ku) eintaucht. Dann erprobte er das Gegenteil, den physischen Aspekt des Lebens (Ke). Das beinhaltet, das Hier und Jetzt auf dieser Welt voll auszukosten, als sei das Leben ein immer wiederkehrendes Spiel. Letztendlich fand Shakyamuni Buddha dann heraus, dass Körper und Geist eine Einheit sind. Diese Erkenntnis propagierte er dann als den »Mittleren Weg« (Chu). Stellen Sie sich eine zweispännige Kutsche vor. Pferd eins ist Ku, Pferd zwei ist Ke und der Kutscher muss die beiden dazu motivieren, gleichmäßig zusammen zu laufen, sonst bewegt sich die Kutsche nicht ordentlich vorwärts (Weg der Mitte), sonst gibt es Chaos. Alles klar?

Buddha hat 50 Jahre gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, die er dann in das Lotos-Sutra, seine allerletzte Lehre, packte. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass seine Schüler zwischenzeitlich schon einmal weiterzogen und das bisher Gelernte verbreiteten. Daraus resultieren die verschiedenen buddhistischen Strömungen, die sich eigenständig in den verschiedenen Ländern Asiens entwickelten.

Ganz anders als bei der Lehre Jesu. Hätte der länger gelebt und gelehrt, wäre es vielleicht ähnlich gewesen.

Das heißt also, wenn jemand sagt: »Ich bin Buddhist«, ist noch lange nicht klar, wie sein Leben, seine Praxis und seine spirituelle Orientierung genau aussehen!

Ich glaubte mit meinem damaligen Wissensstand zum Beispiel, dass Erleuchtung bedeutet, dass man irgendwann später einmal, nach vielen Jahren des Nachdenkens (am besten auf einer Matratze in einem Ashram in Goa), irgendwo mit leuchtendem Kopf auf einer Bergkuppe sitzt – in diesem speziellen unbequemen östlichen Schneidersitz – und sich einfach freut, den ganzen »Mistdreck«, auch Leben genannt, hinter sich gelassen zu haben und dann endlich ins Nirwana-Paradies darf.

Mit einem ordentlichen Joint könnte man das schneller haben, sage ich jetzt mal ganz ketzerisch – was heißen will, dass ich die damalige Zeit nicht ganz so ernst nehme. Doch in jenen Tagen fühlte ich mich mit meiner Privat-Philosophie ganz hervorragend, hatte ich doch den buddhistischen Spiritualismus als Sicherheitsnetz, falls einmal etwas schiefgehen sollte. Ich gab mich zufrieden mit dem bisschen, was ich gelernt und verstanden hatte. Insgesamt war ich superzufrieden, denn nach wie vor lief mein Leben richtig toll! In der Stadt meiner Träume: Wien! Sogar aus dem unschönen Ende meiner langjährigen Beziehung mit dem Wiener Sänger-Knaben ging ich wie Phönix aus der Asche hervor. Die Medien standen auf meiner Seite, ganz Österreich liebte mich trotzdem, oder jetzt erst recht, und meine Karriere in diesem Land schoss steil nach oben, parallel zur Karriere im Wald als »Förstersfrau«. Ich war ein »Superstar« in jener Zeit und genoss die wärmende Sonne des Ruhms in vollen Zügen. Einen kleinen Unterschied zu früher gab es aber: Das auf meinen Reisen erfahrene Gefühl von Dankbarkeit hielt an. Ich war mir bewusst, was mir da geschenkt wurde, ehrlich! Ich nahm es nicht mehr als selbstverständlich hin, sondern war dem Schicksal dafür aus tiefstem Herzen dankbar. Allerdings war ich mir dieser Tugend auch recht bewusst. Heute weiß ich, dass ich da ganz schön in einer Welt der Arroganz lebte. Ich war ein »spiritueller« Mensch, bitte schön! Ganz was Feines! Und ich fand, dass ich alles richtig machte. Ein bisschen Dankbarkeit und gute Taten, zum Beispiel die Auftritte an Weihnachten in der ORF-Sendung Licht ins Dunkel, die Lesungen in Krankenhäusern und andere karitative Aktivitäten, und dafür gab’s Geschenke vor allem im Job, aber auch privat, denn eine neue Liebe schien sich an meinem schier unendlichen Glückshorizont abzuzeichnen: W.

Doch siehe da: die ersten Wolken am bislang strahleblauen Kruse-Himmel …

Das mit der Liebe war leider vorbei, bevor es richtig begonnen hatte, bedingt durch – sagen wir mal – widrige äußere Umstände, die eine langfristige räumliche Trennung verlangten.

Rückblickend betrachtet, war ich natürlich nicht ganz so oberflächlich, wie das hier scheinen mag. Trotz ultimativer Zufriedenheit war ich auf der Suche nach einem fundamentalen, wirklichen Glück mit unsterblichen Werten. Ich hatte nur keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte.

Im Hintergrund stand mein »besseres, weiseres Ich« bei Fuß, bereit, durch eine Tür zu gehen, die im Grunde schon jahrelang offen stand. Und ich sehnte mich ernsthaft nach einem Menschen an meiner Seite, mit dem ich meine Lebensphilosophie teilen konnte. Ich war stolz auf all das, was ich wusste, die tollen Bücher, die ich besaß, auf das, woran ich glaubte – beziehungsweise zu glauben glaubte. In erster Linie waren all diese Einsichten jedoch Theorie. Ich wollte mein Wissen gerne anwenden, darüber sprechen, es praktizieren. Ich wollte mich mit jemandem austauschen und mich gemeinsam mit ihm entwickeln.

W. war ein solcher »jemand«. Wir führten viele tief greifende Gespräche, schwammen auf einer Wellenlänge. Irgendwie verliebten sich unsere Seelen ineinander. Doch im realen Leben sollte es wohl einfach nicht sein. Diese Begegnung war ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dem, was ich heute bin. Ein wichtiger Schritt. Auch eine erste Erfahrung mit Verlust und Schmerz. Und der Versuch zu verstehen, da diese Trennung so sinnlos schien, war sie doch von uns beiden nicht gewollt. Im Nachhinein betrachtet war sie dennoch sinnvoll. Wir haben beide das Leben gelebt, das für uns am richtigsten war. Und ein gemeinsames Leben wäre das nicht gewesen. Das ist das tiefere Verständnis für die Natur der Dinge. Meistens dauert es jedoch elendslang, bis man dahinterkommt, warum es nur so richtig war und nicht anders.

Dass W. heute noch ein guter und wichtiger Freund ist und beständig einen Platz in meinem Herzen hat, zeigt mir, dass das, was wir damals »gepflanzt« haben, tatsächlich in gewisser Weise spiritueller Natur war. Es ließ zwischen uns eine Verbundenheit entstehen, die Zeit, Beziehungen, Ehen und manche Stürme in unser beider Leben überdauert hat. Liebe im altruistischen Sinn, ohne Anspruch. Etwas Einzigartiges und Wunderbares.

Die dunkle Wolke Nummer zwei betraf das Thema Verlust durch Tod. Die erste Begegnung in meinem bisher ach so unbeschatteten Leben:

K., meinen Gesangslehrer in Wien, liebte ich nicht nur dafür, dass er mit einer neuen revolutionären Technik innerhalb von zwei Jahren meine Stimme bahnbrechend umgekrempelt hatte, sondern auch dafür, dass er immer positiv war, ein wahrer Sonnenschein und der beste Tänzer aller Zeiten. Meine Tanzkarte für die Wiener Ballsaison gehörte ihm allein. Da er Männer doch ein bisschen mehr liebte als Frauen, waren auch die Fronten von Anfang an klar und ich habe ihn herrlich entspannt fest in mein Herz geschlossen. K. bereitete mich auf den schweren und sauungemütlich hohen Part der Polly in Kurt Weills Dreigroschenoper vor. Dreimal die Woche kämpfte ich mich mit meinem Professorfreund durch Partitur und Vokalisen. Eines Tages wurde K. krank. Er bekam Schnupfen, Grippe, Lungenentzündung – in wechselnder Abfolge – und erholte sich nicht mehr davon. K. bat mich inständig, mit seiner Lehrerin weiterzumachen, doch ich weigerte mich, sah es doch aus, als würde ich ihn aufgeben. Als er aber gar nicht mehr aus dem Krankenhaus herauskam, unternahm ich – pflichtbewusst an meine Rolle denkend – diesen schweren Schritt. Und als sollte es so sein: Meine neue Lehrerin war ein Geschenk des Himmels.

I. war eine entzückende Frau, nicht größer als eine Parkuhr, aber mit der Power eines Atomkraftwerks. Und immer gut drauf! Sie begleitete mich viele Jahre lang und ich verdanke ihr unendlich viel.

Am Tag der Premiere der Dreigroschenoper bei den Bad Hersfelder Festspielen starb mein Freund K. im Alter von 27 Jahren.

All die Jahre, die ich mit der Lektüre esoterischer Bücher, mit Gesprächen über Buddhismus, das Leben und den Tod verbracht hatte, schienen für die Katz. Der Tod meines Freundes traf mich unvorbereitet. Peng. Und alles Gelesene verschwand im Nirwana. Obwohl ich doch meinte, auf dem richtigen Weg zu sein. Von wegen! Grau ist alle Theorie …

Welch tiefe Verzweiflung damals in mir tobte, zeigt wohl am besten das Gedicht, das ich am Tag nach der Beerdigung für K. geschrieben hatte:

Adieu, mein Freund

24052.png

Adieu, mein Freund, servus, goodbye …

Warum bist du fortgegangen?

Die Zeit, die du uns gabst, ist nun vorbei,

In unser Leben hast du einen Krater gerissen!

Weißt du, wie sehr wir dich vermissen?

Denk mal an uns auf deiner Reise!

Wir sehnen dich so sehr herbei,

Du fehlst uns so –

Servus, mein Freund, adieu, goodbye.

Auf deinem Lächeln konnte man spazieren gehn,

Die Zeit mit dir war mehr als schön.

Warst Vater, Mutter, Bruder und Professor.

Mit dir lief das Leben irgendwie besser.

Wir haben gelacht und gesungen,

Nicht immer hat es gut geklungen,

Doch mit deiner Geduld wuchsen uns Flügel!

Du hast versperrte Türen aufgebracht,

Nie hätt’ ich das ohne dich geschafft!

Nun bin ich allein – ein Pferd ohne Zügel –

Lässt mich einfach steh’n, mittendrin,

Das ist nicht schön.

Nie haben wir daran gedacht, dass Zeit so kurz sein

kann.

Man geht mal fort, irgendwann –

Doch nicht ohne Lebewohl zu sagen, nein –

Man holt dich einfach fort – das ist nicht fein!

Mitten im Leben lässt du alles liegen und steh’n,

Das ist nicht schön.

Ich weiß nicht, was ich denken soll,

Die blöde Kapelle spielt irgendwas in Moll.

Auch du bist dieser Krankheit nicht entgangen,

Und nun hält die Nacht dich gefangen.

Wir können es einfach nicht glauben,

Dass jene Schatten dich uns rauben

Und auf einmal ist Tod mehr als ein Wort.

Warum verwandelt sich alles in Leid?

Wo bleibt Gott bei dieser Angelegenheit?

Warum regnet es verdammt noch mal in einem fort?

Du sinkst ins Dunkel und hinterlässt die Welt so leer …

Das ist nicht fair!

Adieu, mein Freund, servus, goodbye,

Du hast uns für immer verlassen

Und in mein Leben einen riesigen Krater gerissen,

Ich werd’ dich unendlich vermissen!

Ich wünsche dir trotzdem eine gute Reise,

Wo immer sie hingehen mag …

Und dein Platz in meinem Herzen

Bleibt auf ewig für dich frei …

Servus, mein Freund. Adieu. Goodbye.

Und genau in diesem Moment meines Lebens, in einer – und jetzt greife ich mit einem Ausdruck schon vor – fundamentalen Dunkelheit voller Angst und Zweifel, fand meine erste Begegnung mit dem »Mystischen Gesetz des Universums« statt.

Und die eigentliche Geschichte dieses Buches beginnt …