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»Japanischer Staudenknöterich?«
»Ja, wir glauben, dass der Japanische Staudenknöterich die Antwort ist«, sagte Bresson. »Obwohl ich zugeben muss, dass uns die Frage Rätsel aufgab.«
Danny hatte nicht vor, ihnen die Verwirrung zu nehmen, da er gerade erst begriff, nach welchen Regeln das Spiel der Schweizer gespielt wurde. »Und warum ist dieses Gewächs die Antwort?«, wollte er stattdessen wissen.
»Wenn man auf einem Grundstück Japanischen Staudenknöterich entdeckt, kann das die Baugenehmigung bis zu zwölf Monate hinauszögern. Gleich nach dem Fund müssen Experten das Unkraut vernichten, und der Bau darf erst beginnen, wenn Gesundheits- und Baubehörde bestätigen, dass alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt wurden.«
»Wie wird man Japanischen Staudenknöterich los?«, wollte Danny wissen.
»Ein darauf spezialisiertes Unternehmen setzt das gesamte Gelände in Brand. Dann wartet man drei Monate, um sicher zu sein, dass wirklich alle Wurzelgeflechte vernichtet wurden, bevor man erneut die Baugenehmigung beantragt.«
»Das ist sicher nicht billig?«
»Nein, das kommt den Besitzer des Grundstücks sogar sehr teuer. Ein klassisches Beispiel ist Liverpool«, fügte Segat hinzu. »Der dortige Stadtrat entdeckte Japanischen Staudenknöterich auf einem Grundstück, für das bereits der Bau von einhundert Häusern genehmigt worden war. Es dauerte über ein Jahr und kostete über 300 000 Pfund. Als die Häuser endlich gebaut werden konnten, hatte der Bauherr noch Glück, dass er auf Null kam.«
»Warum ist die Pflanze denn so gefährlich?«, fragte Danny.
»Wenn man sie nicht zerstört, dann frisst sie sich in das Fundament jedes Gebäudes, selbst durch armierten Beton«, erläuterte Bresson. »Zehn Jahre später fällt das Gebäude ohne jede Vorwarnung in sich zusammen, und man sieht sich einer Versicherungssumme gegenüber, die die meisten Firmen in den Bankrott treiben würde. In Osaka, im Norden Japans, hat der Japanische Staudenknöterich einen ganzen Apartmentkomplex zerstört – daher hat er auch seinen Namen.«
»Und wo bekomme ich ihn?«, fragte Danny.
»Tja, man findet ihn jedenfalls nicht auf einem Regal des örtlichen Gartencenters«, meinte Bresson. »Ich vermute, dass jede Firma, die auf die Zerstörung des Staudenknöterichs spezialisiert ist, Ihnen diesbezüglich weiterhelfen kann.« Bresson hielt kurz inne. »Natürlich ist es illegal, den Staudenknöterich auf einem fremden Grundstück zu pflanzen«, sagte er und sah Danny dabei fest in die Augen.
»Aber nicht auf dem eigenen Land«, erwiderte Danny, was die beiden Bankiers zum Schweigen brachte. »Haben Sie auch eine Lösung für die andere Hälfte meines Problems gefunden?«
Dieses Mal antwortete Segat. »Ihre Bitte war, um es gelinde auszudrücken, ungewöhnlich und fällt zweifelsohne in die Hochrisiko-Kategorie. Jedoch glaubt mein Team, zwei Grundstücke in East London gefunden zu haben, die all Ihre Kriteriums erfüllen.«
Danny erinnerte sich, wie Nick ihn einmal hinsichtlich des korrekten Gebrauchs des Plurals von Kriterium korrigiert hatte, beschloss jedoch, Segat dieses Wissen nicht zuteil werden zu lassen.
»Wie Sie sicher wissen«, fuhr Segat fort, »bewirbt sich London derzeit dafür, die Olympischen Spiele 2012 austragen zu dürfen. Alle großen Sportereignisse sollen in Stratford im Osten Londons stattfinden. Auf den Grundstücken, die das Olympische Komitee in diesen Tagen begutachtet, soll ein Velodrom errichtet werden, in dem alle Hallenradsportveranstaltungen stattfinden. Mein Kontakt hat mir mitgeteilt, dass dafür sechs mögliche Grundstücke in Betracht kommen, von denen zwei in die engere Wahl kommen werden. Sie sind in der glücklichen Lage, beide Grundstücke erwerben zu können, und obwohl Sie einen stattlichen Betrag zahlen müssten, besteht die Möglichkeit auf einen recht ordentlichen Profit.«
»Was verstehen Sie unter einem stattlichen Betrag?«, fragte Danny.
»Wir schätzen die beiden Grundstücke auf je ungefähr eine Million Pfund, aber die beiden derzeitigen Besitzer verlangen eineinhalb Millionen. Wenn die beiden Grundstücke in die engere Wahl kommen, bringen sie am Ende womöglich sechs Millionen ein. Und wenn eines von ihnen den Zuschlag erhält, wird diese Summe noch verdoppelt.«
»Aber wenn nicht, dann habe ich vier Millionen verloren«, hielt Danny dagegen. Er schwieg kurz. »Ich muss mir Ihren Bericht erst durch den Kopf gehen lassen, bevor ich bereit bin, eine solche Summe zu riskieren.«
»Sie haben nur einen Monat Zeit«, warnte Bresson. »Dann wird die Liste mit den Grundstücken veröffentlicht, die in die engere Wahl gekommen sind. Wenn beide Grundstücke darauf sein sollten, werden Sie sie zweifellos nicht mehr zu diesem Preis bekommen.«
»Sie finden alle Unterlagen, die Sie für Ihre Entscheidungsfindung benötigen, in diesen Mappen«, fügte Segat hinzu und reichte Danny zwei Akten.
»Vielen Dank«, sagte Danny. »Ich lasse Sie bis zum Ende der Woche wissen, wie ich mich entschieden habe.«
Segat nickte.
»Könnten Sie mich jetzt auf den neuesten Stand bringen, wie Ihre Verhandlungen mit der Bezirksverwaltung bezüglich der Werkstatt in der Mile End Road vorangehen?«
»Unser Londoner Anwalt hat sich letzte Woche mit dem zuständigen Amtsleiter der Bezirksverwaltung getroffen«, führte Segat aus. »Er wollte herausfinden, wie man in der Verwaltung einer Baugenehmigung gegenübersteht. Die Bezirksverwaltung wünscht sich für dieses spezielle Grundstück bezahlbaren Wohnungsbau, aber es wird akzeptiert, dass der Bauherr dabei einen Profit macht. Sie haben einen Vorschlag vorgelegt: Wenn 70 Wohneinheiten auf dem Grundstück entstehen, muss nur ein Drittel davon in die Kategorie bezahlbarer Wohnungsbau fallen.«
»Das ist mathematisch unmöglich«, wandte Danny ein.
Zum ersten Mal lächelte Segat. »Wir hielten es nicht für klug, darauf hinzuweisen, dass es entweder 69 oder 72 Wohneinheiten zu sein haben. So bleibt uns ein wenig mehr Verhandlungsspielraum. Sollten wir jedoch prinzipiell dem Vorschlag der Bezirksverwaltung zustimmen, wäre man dort bereit, uns das Grundstück für 400 000 Pfund zu überlassen und uns gleichzeitig die Baugenehmigung zu erteilen. Auf dieser Basis empfehlen wir Ihnen, das Angebot zu akzeptieren, die Bezirksverwaltung jedoch gleichzeitig darum zu bitten, 90 Wohneinheiten errichten zu dürfen. Der Amtsleiter ging davon aus, dass dies zu einer hitzigen Debatte führen würde, aber wenn wir unser Angebot auf beispielsweise 500 000 Pfund erhöhen, sähe er sich in der Lage, unseren Vorschlag zu unterstützen.«
»Wenn die Bezirksverwaltung ihr Einverständnis gibt, würde Ihnen der ganze Block für etwas über eine Million Pfund gehören«, meinte Bresson.
»Falls wir das erreichen, was würden Sie dann als nächsten Schritt empfehlen?«
»Sie haben zwei Möglichkeiten«, erklärte Bresson. »Entweder verkaufen Sie alles an einen Bauträger oder Sie bauen und verwalten das Projekt selbst.«
»Ich habe kein Interesse daran, die nächsten drei Jahre auf einer Baustelle zu verbringen«, erklärte Danny.
»Sobald wir uns über die Bedingungen einig sind und die vorläufige Baugenehmigung erteilt wurde, verkaufen wir die Anlage einfach an den höchsten Bieter.«
»Das wäre die klügste Lösung«, stimmte Segat zu. »Ich bin sicher, Sie werden in dieser kurzen Zeit Ihre Investition verdoppeln können.«
»Das haben Sie sehr gut gemacht«, lobte Danny.
»Ohne Ihre Kenntnis über das Objekt und seine Vergangenheit hätten wir nicht so zügig vorgehen können.«
Danny reagierte nicht auf diesen offensichtlichen Köder. »Könnten Sie mich bitte noch über meinen derzeitigen finanziellen Status informieren?«
»Sehr gern.« Bresson zog eine weitere Akte aus seiner Aktentasche. »Wir haben wie gewünscht Ihre beiden Konten zusammengelegt und drei Firmen gegründet, keine davon in Ihrem Namen. Ihr Guthaben beläuft sich derzeit auf 55 373 000 Pfund, etwas weniger als noch vor drei Monaten. Jedoch haben Sie in dieser Zeit mehrere Investitionen getätigt, die letztendlich eine schöne Rendite einbringen werden. Wir haben für Sie auch einige der Aktien erworben, auf die Sie bei unserem letzten Treffen hingewiesen haben, wodurch eine weitere Investition in Höhe von etwas über zwei Millionen Pfund vorliegt – die Einzelheiten finden Sie auf Seite neun der grünen Akte. Ihren Anweisungen folgend, haben wir Überschüsse in Devisengeschäfte bei Institutionen mit Triple-A-Rating angelegt, was derzeit einen Jahreszins von annährend elf Prozent bietet.«
Danny beschloss, nicht auf den Unterschied hinzuweisen zwischen den 2,75 Prozent Zinsen, die ihm die Bank ursprünglich geboten hatte, und den 11 Prozent, die er jetzt bekam. »Danke«, sagte er nur. »Vielleicht können wir uns nächsten Monat wieder treffen.«
Segat und Bresson nickten und sammelten ihre Unterlagen ein. Danny stand auf, und da er wusste, dass keiner der Männer an Smalltalk interessiert war, begleitete er sie unverzüglich zur Haustür.
»Sobald ich mich hinsichtlich der beiden Olympiagrundstücke entschieden habe, nehme ich mit Ihnen Kontakt auf«, sagte er.
Nachdem die beiden Schweizer aufgebrochen waren, ging Danny in sein Arbeitszimmer, nahm den Ordner über Gerald Payne aus dem Regal, legte ihn auf seinen Schreibtisch und verbrachte den Rest des Morgens damit, alle Einzelheiten zu notieren, die ihm dabei helfen würden, Payne zu vernichten. Wenn er die beiden Grundstücke kaufte, müsste er Payne von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Und ob Payne schon jemals vom Japanischen Staudenknöterich gehört hatte?
Ob alle Eltern mehr Ehrgeiz für ihre Kinder entwickeln als für sich selbst?, fragte sich Beth, als sie das Büro der Direktorin betrat.
Miss Sutherland kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und schüttelte Beth die Hand. Sie lächelte nicht, als sie Beth zu einem Stuhl führte und die Bewerbung erneut durchlas. Beth versuchte, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen.
»Ich sehe, dass Sie hoffen, Ihre Tochter im nächsten Semester für unsere Vorschulgruppe in St. Veronica einschreiben zu können, Miss Wilson«, sagte die Direktorin und betonte das Miss.
»Ja, allerdings«, erwiderte Beth. »Ich glaube, Christy würde von den Vorteilen, die Ihre Schule zu bieten hat, sehr profitieren.«
»Zweifellos ist Ihre Tochter für ihr Alter schon sehr weit fortgeschritten«, räumte Miss Sutherland ein und sah auf die Einschreibungsunterlagen. »Sie werden jedoch verstehen, dass es andere Punkte zu berücksichtigen gilt, bevor wir ihr einen Platz in St. Veronica anbieten können.«
»Selbstverständlich«, sagte Beth und befürchtete das Schlimmste.
»So wird beispielsweise auf dem Antrag nirgends der Vater des Kindes erwähnt.«
»Nein«, bestätigte Beth. »Er ist vor zwei Jahren gestorben.«
»Tut mir leid, das zu hören.« Miss Sutherland klang nicht so, als ob es ihr leid tat. »Darf ich mich nach der Todesursache erkundigen?«
Beth zögerte. Es fiel ihr immer schwer, die Worte auszusprechen. »Er hat Selbstmord begangen.«
»Ich verstehe«, sagte die Direktorin. »Waren Sie zu der Zeit verheiratet?«
»Nein«, räumte Beth ein. »Wir waren verlobt.«
»Es tut mir leid, Ihnen diese Frage stellen zu müssen, Miss Wilson, aber wie sahen die Umstände des Todes Ihres Verlobten aus?«
»Er war zu der Zeit im Gefängnis«, sagte Beth leise.
»Ich verstehe«, sagte Miss Sutherland. »Darf ich fragen, für welches Vergehen er einsaß?«
»Mord.« Beth war sich sicher, dass Miss Sutherland die Antworten auf all ihre Fragen bereits kannte.
»In den Augen der katholischen Kirche sind sowohl Selbstmord als auch Mord Todsünden, wie Ihnen zweifellos bewusst sein dürfte, Miss Wilson.« Beth sagte nichts. »Ich erachte es auch als meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass derzeit keine unehelichen Kinder in St. Veronica eingeschrieben sind«, fuhr Miss Sutherland fort. »Allerdings werde ich die Bewerbung Ihrer Tochter ernsthaft in Betracht ziehen und Sie in Kürze von meiner Entscheidung in Kenntnis setzen.«
In diesem Augenblick hatte Beth das Gefühl, dass Slobodan Milosevic größere Chancen hatte, den Friedensnobelpreis zu gewinnen als Christy von St. Veronica angenommen zu werden.
Die Direktorin erhob sich, ging quer durch das Büro und öffnete die Tür.
»Auf Wiedersehen, Miss Wilson.«
Nachdem sich die Tür hinter Beth geschlossen hatte, brach sie in Tränen aus. Warum sollten die Sünden der Väter …