39. Plan zur Flucht – 231 Tage bis zum
Bogen
Mane und Wogi hatten fast fünf Stunden geschlafen. Der kleine Lagerraum stank entsetzlich, aber zurzeit gab es keinen sichereren Rückzugsort auf dem kleinen spensanischen Angriffsflieger als hier. In einer Ecke des Lagers standen einige Utensilien, die der Senator auf seinen nächtlichen Streifzügen zusammengetragen hatte. Darunter befand sich ein glänzendes Metallstück, Mane nutzte es als Spiegel.
„Ich sehe fürchterlich aus, die Frisur ein Chaos, das Gesicht verschmiert, die Augen müde, die Kleidung zerrissen und heruntergekommen.“
„Aber wir sind am Leben“, versuchte Wogi aufzumuntern. „Und wir werden entkommen!“
„Du bist seit drei Monaten hier. Für wann hast du deine Flucht geplant?“
Mane liefen Tränen an den Wangen herunter, als sie sah, was in vier Tagen aus ihr geworden war. Der Senator kam zu ihr gekrochen und versuchte zu trösten. Abrupt wurden die beiden in ihrer Ruhe gestört. Draußen in der kleinen Halle liefen Spensaner auf und ab. Wogi und Mane vernahmen zahllose Klicklaute, dazu grölende Geräusche. Dann ein lauter, dumpfer Knall, Glas klirrte.
„Ich glaube, einer der Spensaner ist gestürzt“, flüsterte Wogi. „Hörte sich an, als sei er mit der brachialen Masse seines Körpers auf den Boden geschlagen.“
Mane nickte und schwieg.
„Ich werde mal prüfen, was da los ist“, flüsterte er.
Mane setzte sich in eine Ecke des kleinen Lagerraums. Der Senator kletterte über sie hinweg und schaute durch den verdeckten Sichtschlitz hinter dem Tuch, ob er irgendwelche Aktivitäten im Verhörraum erkennen konnte, doch der Raum war leer. Unterdessen drang neuer Lärm aus der kleinen Halle durch die Zugangsluke.
„Sie sind da vorne!“, flüsterte Mane und rutschte vorsichtig und geschmeidig an die Luke, um besser hören zu können, was sich draußen abspielte.
Erneut betraten Spensaner den kleinen Saal. Mane lauschte.
„Sie reden. Ich höre wieder Klicklaute.“
Wogi kam neben Mane.
„Stimmt. Kling wie ein angeregtes Gespräch, vielleicht belustigt oder ausgelassen.“
Die Spensaner sprachen miteinander, danach mit dem am Boden liegenden Kumpan. Dessen Antworten wirkten unkoordiniert und schienen die anderen zu erheitern. Beim Versuch ihm aufzuhelfen, verlor ein weiterer Spensaner die Kontrolle über sich und schlug hin, darauf folgend wieder Klickgeräusche.
„Hört sich das an wie Lachen?“, wunderte sich Mane.
Der Senator kroch ein weiteres Mal zum Guckloch, schob vorsichtig das Tuch zur Seite.
„Da ist jetzt Licht an“, flüsterte er.
Wogi beobachtete eine ganze Weile das Geschehen auf der anderen Seite und kehrte dann zu Mane zurück.
„Ich glaube, da findet eine Feier statt. Die Spensaner wirken ausgelassen. Durch das Loch riecht es nach spensanischem Met.“
Mane war verunsichert. „Warum feiern die beschränkten Aliens jetzt eine Party?“
Sie schaute Wogi fragend an, obwohl dieser die Antwort nicht kennen konnte.
„Ich habe das schon ein paar Mal in meiner Zeit hier an Bord erlebt. Der spensanische Met hat es in sich. Der haut auch so einen Spensaner schnell von den Füßen. Vielleicht ergibt sich heute die Chance für uns zu handeln.“
„Eine Chance zu handeln? Was sollen wir tun? Wohin sollen wir?“
„Das kann ich dir auch nicht sagen, wir müssen improvisieren. Auf jeden Fall müssen wir irgendetwas unternehmen und hier nicht einfach die Zeit in der kleinen Lagerkammer absitzen. Wer nie etwas riskiert, lebt nicht!“
„Okay. Wenn wir unterstellen, dass mein Schiff, die ‚Beautiful Decision‘, nach mir suchen wird, dann sollten wir versuchen, meine Anwesenheit auf diesem FightDragon mit einem Signal zu bestätigen.“ Mane fasste neuen Mut und machte sich bereits Gedanken, wie ein solches Signal aussehen könnte.
„Ist es denn wahrscheinlich, dass man überhaupt nach dir sucht?“, wollte Wogi wissen.
„Ich gehe davon aus, dass Captain val’ men Porch mich nicht aufgegeben hat. Ich hoffe es auf jeden Fall. Also lass uns überlegen, was wir tun können, wenn sich der Zeitpunkt ergibt, dieses Versteck zu verlassen.“
Es dauerte nicht allzu lange, da endete die spensanische Feier, schneller als erwartet. Der Met schien den erhofften Erfolg gebracht zu haben.
„Ich kann ein tiefes und ruhiges Schnarchen durch die geschlossene Zugangsluke hören. Der Kerl vor der Tür ist auf jeden Fall eingeschlafen.“
„Warten wir noch einige Minuten“, schlug Wogi vor.
Als die Zeit verstrichen war, schaute er vorsichtig und leise durch die kleine Metalltür. Hintereinander traten sie in die Halle hinaus. Mane blickte nach oben zu dem runden Glasfenster. Es erlaubte einen Blick in die Freiheit, nach der die beiden Krontenianer sich so sehr sehnten. Dann durchsuchte Mane den Raum und entdeckte den Spensaner hinter einem der beiden grünen Sofas. Der Betrunkene hatte die Arme und Beine von sich gestreckt und schlief tief schnarchend seinen Rausch aus. So leise wie möglich öffnete Wogi von den vier Zugangstoren das Tor, welches dem gegenüber lag, durch das sie vor wenigen Stunden die Halle betreten hatten. Keine zehn Meter weiter schlummerte der nächste Betrunkene in vollkommen komatösem Zustand.
„Das ist kein schlechtes Gesöff, wenn es solche Brocken niederstrecken kann“, flüsterte Mane, während die beiden mit Bedacht über den Spensaner kletterten, der in voller Breite im Weg lag.„Wie ist nun unser Plan?“
Der Senator reagierte nicht und riss sie anscheinend zielstrebig mit sich.
„Plan, haben wir einen Plan?“, antwortete er. „Komm, wir versuchen unser Glück in der Kommandozentrale des Schiffes.“
Sie kamen zu einer weiteren Tür, die zur Freigabe den Fingerabdruck per Sensorfeld erforderte. Wogi holte seinen „organischen Schlüssel“ aus der Tasche. Er benötigte mittlerweile einige Versuche, bevor er mit dem abgetrennten Spensanerfinger den Durchgang benutzen konnte.
„Ich denke, der Verwesungsprozess beginnt. Lange werden wir den Finger nicht mehr benutzen können“, bemerkte Mane
„Da muss ich dir zustimmen. Komm, folge mir auf die Brücke.“
Hinter der Tür erwartete sie die gut zwanzig Quadratmeter große Kommandozentrale und das Steuerpult zum Fliegen des Schiffes.
„Was sollen wir nun unternehmen?“, fragte Mane, während sie sich in dem mit Technik überfrachteten Raum umschaute. „Wie können wir den Spensanern schaden und uns selbst retten?“
Wogi nutzte ein Terminal und scannte die Regionen des Weltalls innerhalb der Sensorreichweite.
„Hier ist in unmittelbarer Nähe kein Planet, keine Zivilisation. Einen Kurs zu setzen und irgendwo zu landen ist somit ein unmögliches Unterfangen. Die vorhandene Sprungvorrichtung dient nur dem Überwinden kleiner Entfernungen und Hindernisse. Ein Sprung in unser System ist mit diesem FightDragon nicht möglich.“
Plötzlich hörten die beiden ein Stöhnen, dazu stark ächzende Klicklaute. Fast gleichzeitig tauchte hinter einem der Kommandostühle eine Hand auf und versuchte sich an der Lehne Halt zu verschaffen. Panik schoss Wogi ins Gesicht. Unter großem Körpereinsatz wuchtete ein Spensaner seinen Körper nach oben.
„Der Pilot! Ich habe ihn nicht bemerkt!“, rief der Senator von Angst ergriffen.
Mane riss geistesgegenwärtig einen von fünf parallel verlaufenden Ionentrennern aus der Wandhalterung, lief zu dem Sessel und stellte sich hinter den erwachenden Entführer. Zorn war in ihr, Wut und Hass. Mit all ihrer Kraft schlug sie das einige Kilo schwere Modul auf seinen Rücken.
„Das ist für die miserable Unterkunft, dafür wie ihr mich behandelt habt, dass euer Schiff stinkt, wie ein Horde wilder Hornechsen!“ Mane verschaffte sich Luft. In ihrem Jähzorn schlug sie ein zweites Mal zu.
Der stattliche Spensaner stöhnte auf und sackte jetzt endlich zu Boden.
Der Senator zögerte, dann trat er näher heran und prüfte den Zustand des Niedergeschlagenen. „Der scheint fürs Erste weiterzuschlafen.“
Unterdessen vernahmen die beiden erneut Geräusche von irgendwoher aus dem Schiff.
„Was immer wir tun, wir sollten uns beeilen! Sonst könnte es hier noch ungemütlich werden. Ein gewöhnlicher Spensaner ist schon kein versöhnlicher Kerl, aber ein betrunkener Spensaner ist dein persönlicher Alptraum! Also was wollen wir tun?“ Wogi schaute sich um und hoffte zudem auf Vorschläge seiner Begleiterin.
Mane prüfte einige Hebel, Knöpfe und Bedienelemente, sie untersuchte die Bildschirmanzeigen und Messwerte, doch von alledem verstand sie nichts. Spensanische Beschriftungen, Symbole und Zeichen machten es nahezu unmöglich für einen Krontenianer, sich hier zurechtzufinden.
„Verstehst du irgendwas von den Symbolen, Wogi?“, fragte Mane den Senator, während sie unaufhörlich die Konsolen und Schaltpulte in der Hoffnung absuchte, brauchbare Anhaltspunkte für einen Plan zu finden.
„Es geht mir wie dir. Ich kann den Kurzstreckenscanner bedienen und ich weiß, wo der Plasmainjektor für den Antrieb ist, der Rest in dieser Kommandozentrale ist auch für mich ein großes Geheimnis.“
Wogi drehte sich zu Mane, die brach die Suche ab und schaute zum Senator.
„Plasmainjektor!“, riefen beide im Einklang.
„Wieso gibt es einen Plasmainjektor auf einem spensanischen Raumschiff? Das ist eine krontenianische Erfindung! Wenn wir uns das hier anschauen, ist es ...“
Mane prüfte die Anschlüsse, danach die Bedienelemente.
„Das Modul ist offenbar aus einem anderen Schiff geraubt worden. Es wurde hier kaum modifiziert eingebaut. Ich glaube diese Freaks haben die Funktionsweise nicht annähernd verstanden!“ Mane machte einige Eingaben, prüfte die Statusmeldungen auf der Anzeige und stutzte. „Es ist nur zum Teil verdrahtet, aber einige Funktionen stehen zur Verfügung!“
Die Krontenianerin zeigte sich zuversichtlich, man sah förmlich, wie sie aufblühte und es entwickelte sich ein Grinsen in ihrem Gesicht.
„Du hast eine Idee?“
„Ja, Wogi, mein Freund. Ich habe einen Plan und man wird uns nicht mal verdächtigen. Lass mich etwas improvisieren und halte du Wache, dass uns keiner stört. Ich brauche etwa fünf Minuten, dann ab zurück in unser Versteck.“ Mane begann sofort mit der Prüfung einiger Werte. „Fantastisch, die Plasmatanks sind voll und wir gleiten, wenn auch langsam, durchs All.“
„Was machen wir mit dem niedergeschlagenen Spensaner hinter dem Pilotenstuhl?“, überlegte Wogi.
„Gar nichts, der ist so besoffen und gesehen hat er uns wahrscheinlich sowieso nicht. Er wird denken, er sei ungünstig gestürzt. Klinkst du den Ionentrenner wieder in die Wandhalterung? Und prüfe, ob er sauber und blutfrei ist!“
Wogi tat, was ihm aufgetragen wurde.
„Beeile dich! Wer weiß, wann hier ein Spensaner auftaucht! Wir sitzen sonst in der Kommandozentrale in der Falle.“ Wogi wurde langsam unruhig. Mane entriegelte das Ventil zum Ablassen des Plasmas. Langsam strömte das Gas nach draußen und während das Schiff so dahinglitt, hinterließ es eine breite Plasmaspur im All.
„So, wenn die Crew später das Raumschiff zum Weiterflug startet, wird das ordentlich rumsen. Wetten, dann sind hier alle wach?“
„Und wird da keiner Sabotage vermuten?“, wollte Wogi wissen.
„Warum sollten die Spensaner das glauben? Ein undichtes Ventil, ein besoffener Pilot, Chaos und Dreck auf einem heruntergekommenen Schiff, da bleibt kein Spielraum für weitere Theorien.“ Mane lachte und war sicher, dass der Plan funktionieren würde. „Wenn die Plasmaspur beim Starten des Antriebs entzündet wird, gibt das einen mehrere hundert Barans langen Blitz in diesem Sektor des Weltalls. Wer seine Langstreckenscanner bedienen kann, wird das nicht übersehen können. So, ich bin fertig, nun weg hier.“
Wogi benötigte erneute einige Versuche, um die Tür mit dem „organischen Schlüssel“ freizugeben und sie schlichen schnellen Schrittes zurück zur Unterkunft. Immer wieder hörten sie Geräusche aus den verschiedensten Richtungen des Schiffs.
„Es wird Zeit für uns in das sichere Versteck zurückzukehren“, flüsterte Mane. Sie näherten sich dem Zugangstor der Halle mit der Glaskuppel. Sie lauschten an der Doppeltür, ob der betrunkene Spensaner noch schlafend auf dem Boden lag.
„Wenn uns jemand beim Einstig in den Lagerraum sieht, wird das Versteck zu einer tödlichen Falle“, warnte Wogi.
Doch von drinnen vernahmen die beiden ein Schnarchen und so öffnete der Senator die Tür. Der Betrunkene lag in unveränderter Pose am Boden und schlief. Geschickt entriegelte Wogi die Zugangsluke des Lagers und beide krochen hinein.
„Wird es funktionieren?“, flüsterte Wogi, während er die Luke von innen versperrte.
„Das wird es! Entweder starten die Spensaner den Antrieb manuell, um den Kurs zu ändern, oder der Autopilot wird das tun. Wir driften auf ein Feld von Anomalien zu. In spätestens vierzig Minuten wird der Spaß beginnen!“
Mane war gespannt. „Es bleibt ein Handicap. Ich kann die Stärke der Explosion nicht genau einschätzen.“
Sie kauerten sich gemeinsam unter eine der stinkenden Decken und warteten geduldig die Zeit ab. Die Minuten vergingen. Aus der Halle ließen sich inzwischen die Geräusche weiterer Spensaner vernehmen.
„Die Party scheint vorbei zu sein“, flüsterte Mane.
„Spensanischer Met ist kein Getränk, das du nach einer halben Stunde Schlaf so einfach aus dem Kopf bekommst“, erklärte Wogi. „Die berauschende Wirkung haut einen ziemlich schnell um. Nichtspensaner sowieso und dann knipst es dein Licht aus. Die ersten Met-Opfer wachen wohl nach zwanzig, dreißig Minuten wieder auf und sind mehr oder weniger handlungsfähig, der Kopf hat aber noch den ganzen Tag etwas davon.“
„Du erzählst das, als wenn du selber einige intensive Erfahrungen mit Met hinter dich gebracht hättest.“ Mane grinste und Wogi musste lachen.
Dann hörten sie das Starten des Antriebs. Sie wussten, jetzt kam es auf ihren Plan an, und dass er so funktionierte, wie sie ihn ersonnen hatten. Die Aggregate erhöhten die Drehzahl und ein sonores Geräusch erfüllte den kleinen Angriffsflieger. Vibrationen ließen das Tuch an der Wand erzittern, Metalle rieben aneinander und es knarrte durch das gesamte Schiff. Dann zündete das Triebwerk. Mane und Wogi hielten den Atem an und lauschten mit aller Aufmerksamkeit. Auf einmal durchschnitt ein mächtiger Zischlaut die aufkommenden Betriebsgeräusche des Raumschiffs. Gefolgt von einem gigantischen Knall wurde der Flieger aus der bisherigen Flugbahn katapultiert. Mane wurde mit brachialer Gewalt an die Decke geschleudert. Wogi folgte nur in kurzem Abstand. Auf einmal schien oben unten zu sein und umgekehrt. Unerwartet verlor das Schiff die künstliche Schwerkraft. Teile flogen kreuz und quer durch den Raum und waren durch die schlagartige Richtungsänderung teilweise als gefährliche Geschosse mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. Beiden schmerzten die Ohren, denn der Knall war unerwartet laut gewesen. Eine leichte Blutspur lief aus Wogis Ohr und er schien das Bewusstsein zu verlieren. Mane griff mit der rechten Hand nach ihrem Begleiter, während sie mit der linken Halt in einem Transportnetz suchte. Es gelang ihr, ihre beiden Körper in das Netz zu wickeln, um in dieser Position abzuwarten.
Das Resultat der Plasmaentzündung konnte sich sehen lassen, auch wenn sie knapp der Zerstörung des eigenen FightDragons entgangen waren. Mane lockerte ihren Griff und war sich sicher: Wenn sie ein Signal senden konnte, dann war es dieses gewesen.
An verschiedenen Stellen im Schiff piepte, zischte und klapperte es. Spensaner schienen aufgebracht durch die Gänge zu laufen. Hektische Klicklaute und fremdartiges Gegröle vermittelten den Eindruck, die Crew habe mit einigen Problemen zu kämpfen. Unvermutet kehrte die künstliche Schwerkraft auch in die kleine Lagerkammer zurück und Mane legte den Senator behutsam auf eine der Decken. Wogi wirkte schwach, müde und schloss seine Augen.
Überraschend erschütterte eine zweite Explosion das Schiff. Wieder flogen die beiden durch den Lagerraum und schlugen erneut an die Wände. Das Schiff schien nun um seine drei Achsen zu trudeln, ein Hinweis darauf, dass es zurzeit niemand unter Kontrolle hatte. Die Krontenianer prallten hart auf den Boden zurück. Mane versuchte den Schmerz des Aufschlags zu unterdrücken, doch sie benötigte einige Zeit, bevor sie sich wieder regen konnte.
„Was war der Grund für die zweite Explosion?“, fragte Mane, als sie sich aufrichtete und ihren schmerzenden Nacken mit der rechten Hand massierte.
Doch der Senator gab keine Antwort. Er würde nie wieder antworten können. Mane sah sein verdrehtes Genick und seine weit aufgerissenen Augen.
„Mein treuer Freund und Befreier, warum musst du mich jetzt verlassen?“, flüsterte die Waffenoffizierin. Sie drehte seinen Kopf aus der abnormen Position zurück und schloss seine Augen. Dann nahm sie eine Decke und legte sie über den leblosen Körper.
‚Leben und Tod liegen so eng beieinander’, dachte Mane und die Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie empfand tiefe Trauer über den Verlust eines Krontenianers, den sie nicht mal einen Tag gekannt hatte. Dessen ungeachtet hatten sich die beiden in dieser kurzen Zeit mehr Hoffnung und Zuversicht gegeben, als Mane sich kurz nach ihrer Entführung erhofft hätte. Der Senator war für sie ein Strohhalm gewesen, ein Hoffnungsschimmer in dieser aussichtslosen Situation und nun lag er dort – tot.
Der spensanische Angriffsflieger stabilisierte seine Fluglage, Mane nahm eine deutliche Kursänderung wahr. Wahrscheinlich hatte die Crew das taumelnde Schiff abgefangen und auf Grund der sich nähernden Anomalien die lange fällige Kursänderung initiiert.
‚Die Zündung des Plasmas wird Erfolg bringen’, redete Mane sich ein. ‚Irgendjemand da draußen muss mich doch bemerken und sich über den Energieausstoß solcher Größe wundern. Was auch immer geschieht, hoffentlich rechtfertigt es Wogis Tod.’
Unzählige Dinge beschäftigten Mane in ihren Gedanken. Irgendwann raffte sie sich auf und zerrte Wogis leblosen Körper in einen der großen Container, bedeckte seinen Leichnam mit einer der Decken und verschloss den Deckel. Geschwächt und müde breitete sie den Deckenstapel aus und kaum, dass sie lag, fielen ihr die Augen zu. Mit der Zeit verlor Mane jedes Gespür für Tag und Nacht. Sie traute sich nur gelegentlich aus dem kleinen Lagerraum um nach Essbarem Ausschau zu halten, ansonsten versuchte sie zu schlafen.
‚Nicht auffallen und abwarten, zumindest solange die Wasservorräte reichen.‘