37. Handelspläne – 231 Tage bis zum Bogen

 

Die „Beautiful Decision“ kreiste im Orbit Ogartis, die Mannschaft wartete auf weitere Befehle. Der trifallianische Maulbeerensaft hatte dem Captain und dem Zweiten recht stark zugesetzt. Als sie am vorherigen Abend nach gut einer Stunde beschwingt die Kantine verließen, hatten die zwei auf direktem Weg ihre Unterkünfte aufgesucht.

„Trifallianischer Maulbeerensaft ist nur etwas für geübte Trinker“, hatte Koch Darmin schon öfter zu den beiden Captains gesagt und jedes Mal wurden sie von Neuem von dessen Stärke und narkotisierender Wirkung überrascht. Für die Nacht und den Morgen nahmen sich Rati und Vanti eine Auszeit. Darmin informierte Elodie über den gestrigen Abend und die Ärztin übernahm das außerplanmäßige Wecken.

„Captain, stehen Sie auf. Es ist halb zehn!“

„Elodie?“, schnaubte der Erste. „Was machen Sie in meinem Schlafzimmer?“ Mühsam hielt er seine Augen auf. „Wie kommen Sie hier herein?“

„Das scheint mir hier ein medizinischer Notfall zu sein“, griente Elodie. „Notfallöffnung ihrer Tür!“

„Oh nein. Ich glaube, ich könnte heute sicherlich hunderte von Gründen finden, einen Tag Freischicht einzuführen.“

„Sie sind der Captain!“ Elodie griff in einen kleinen Koffer.

„Was ist mit Vanti? Hat jemand nach ihm geschaut?“

„Ich habe hier einen kleinen Cocktail gegen die Kopfschmerzen vorbereitet. Vanti hat’s geholfen.“ Sie entnahm der Ausrüstung ein langhalsiges Glas, entfernte den Deckel und reichte es ihrem Captain.

„Runter damit, dann geht es gleich besser.“

Rati schluckte die weißliche Flüssigkeit und merkte nach wenigen Sekunden, wie sich der Druck im Kopf abschwächte. „Ich denke, ich werde Sie befördern, danke!“

„Wenn ich mich nicht irre, hatten Sie das die letzten Male auch schon vor.“

Rati lachte. „Tun Sie mir noch einen Gefallen?“

„Wenn ich kann.“

„Schicken Sie mir Vanti vorbei. Die Landung auf Ogartis steht unmittelbar bevor. Wir wollen Handel treiben und Rollars verdienen!“

„Alle an Bord freuen sich auf die erste Landung seit unserem Start in Gaya City vor vier Tagen.“

„Und daran soll auch die kleine Feier der letzten Nacht nichts ändern.“

„Werde ich erledigen.“ Mit diesen Worten war die Ärztin aus dem Schlafraum des Captains verschwunden.

Eine viertel Stunde verging, dann erschien Vanti beim Captain.

„Wie geht es dir heute Morgen?“

„Oh Vanti, gestern Abend ging es mir besser. Aber Elodies Zaubermischung zeigt erste Wirkung.“

„Lass es wirken. Ich habe inzwischen den Kopf frei.“

„Wir müssen überlegen, welchen Handelsgesellschaften und Partnern wir auf Ogartis besondere Aufmerksamkeit widmen wollen.“

„Ich habe hier eine Liste vorbereitet. Fahris hat abhängig von unseren Einkaufspreisen die örtlichen Händler nach den zu erwartenden Margen sortiert.“ Der Zweite reichte Rati ein Organizer-Pad.

Schweigend prüfte Rati die Auswahl. Nach einiger Zeit blickte er auf. „Hast du die Gewinnspanne bei Masquatihölzern gesehen?“

„Habe ich! In Lagerraum 8 liegen einhundertvierzig Tonnen davon.“

Unerwartet signalisierte ein weißes blinkendes Licht über der Eingangstür in Kombination mit einem leichten pulsierenden Summen, dass jemand draußen am Eingang Zutritt wünschte. Der Erste prüfte den im Schreibtisch integrierten Bildschirm.

„Es ist unsere neue Kollegin, Frau Santiago.“

„Dann lass sie rein“, entgegnete Vanti und der Captain gab die Tür frei.

„Kommen Sie herein.“

„Guten Morgen, meine Herren. Wir haben eine interessante und gute Nachricht erhalten, die ich gerne persönlich überbringen wollte.“ Dabei schaute Marla die beiden Captains an und bemerkte, wie angeschlagen sie noch von der letzten Nacht wirkten. Sie biss sich auf die Lippen, doch wahrscheinlich konnte sie sich das Schmunzeln nicht ganz verkneifen.

Der Zweite strich sich sein rötliches Haar mit der linken Hand zurück in Form. „Schau, Rati, das ganze Schiff weiß schon vom trifallianischen Maulbeerensaft“

Der Captain blieb unbeeindruckt und schaute sie fordernd an. „Sie haben eine Nachricht für uns, Frau Santiago?“

„Der krelanische Geheimdienst hat sich per Langstreckenkommunikation gemeldet, um uns aktuelle Informationen zukommen zu lassen. Ich habe die Nachricht bereits aus dem Krelanischen nach Valatar übersetzt und trage sie vor, wenn Sie gestatten.“

Rati val’ men Porch nickte. Marla nahm ihr Organizer-Pad aus der Tasche.

„Statusbericht an den Captain der ,Beautiful Decision‘. Der Lebensstatus von Mane val’ Monee ist ungewiss. Die Ermittlungen ergaben eine Entführung durch Spensaner. Ziel dürfte zweifelsohne das Erpressen von geheimen Informationen zu Waffensystemen aller Art sein, mit Sicherheit besteht ein Zusammenhang zu ihrer Entwicklung des krelanischen Schutzschirms. Von den vierzehn benannten Raumschiffen, die von ihrem Raumschiff mit Fischchen markiert wurden, passen nur drei ins Suchprofil, die Schiffe vier, fünf und elf. Es grüßt das krelanische Volk.“

Marla schaute auf und ihr Captain machte einen zufriedenen Eindruck. „Besorgen Sie mir die Raumschiffdaten zu den spensanischen Schiffen vier, fünf und elf, die Gaya vor uns verlassen haben.“

„Die Informationen sind hier! Ich hatte mit diesem Wunsch gerechnet.“ Marla lächelte, und der Captain reagierte daraufhin ebenfalls mit Schmunzeln.

„Fein, dann zeigen Sie mal.“

Marla tippte auf ihr Organizer-Pad. „Ich habe die Daten gerade an Ihre Terminal-ID übertragen.“

Während der Captain sich an seinen Tisch setzte, stellten sich Marla und Vanti rechts und links hinter den Captain, um mit ihm gemeinsam die spensanischen Schiffstypen zu analysieren.

„Was haben wir denn hier? Ein kleiner Angriffsflieger vom Typ ‚FightDragon’ ist in Sektor dreiundzwanzig, ein großer Truppentransporter vom Typ ‚BigPack’ ist in Sektor zwölf, und ein Frachter vom Typ ‚A2B’ fliegt in Sektor sechsundzwanzig. Ich denke ...“ Der Erste schürzte die Lippen. „Ich habe mir bereits meine Meinung gebildet, wo sich Mane augenblicklich aufhält. Vorher würde ich aber gerne eure Einschätzungen hören.“ Der Captain drehte sich nach rechts zu Marla und nach links zu Vanti.

„Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist Mane auf den Frachter verschleppt worden“, grübelte Vanti.

„Meine Entscheidung fällt auf den Angriffsflieger. Ich bin zwar neu an Bord, aber ich denke, auf einem FightDragon sind vielleicht zehn bis zwölf Spensaner stationiert. Eine optimale Größe für eine kleine Splittergruppe, die eigene Wege gehen will. Zudem ist dieser Schiffstyp schnell und unauffällig. Da habe ich schon mal ein bisschen recherchiert. Wegen seiner guten Bewaffnung wird niemand den Flieger ohne triftigen Grund anhalten.“

Marlas Begründung war logisch und nachvollziehbar. Vanti hob respektvoll die Augenbrauen.

„Bitte reden Sie weiter“, spornte der Captain sein neues Mannschaftsmitglied an.

„Der Truppentransporter erscheint mir zu groß für eine Entführung, keine Anonymität, keine Verschwiegenheit. Zudem gehorcht die gesamte Crew einem festen Kodex. Einzelne Separatisten würden schnell auffallen und festgesetzt werden. An eine Entführung auf Anweisung der spensanischen Regierung mag ich nicht glauben. Den Frachter schließe ich auch aus, zur Tarnung wäre er nicht schlecht, das Schiff ist aber viel zu langsam, hat fast keine Verteidigung und ist nicht bewaffnet. Spensaner, die solche Schiffe navigieren, sind keine echten Krieger und schon lange keine Entführer.“

Marla traf mit ihrer Ausführung genau die Meinung ihres Captains.

„Ich sehe das genauso und hätte es nicht besser ausführen können.“

Der Captain machte einige Eingaben auf dem Tastenfeld seines Schreibtisches und holte sich weitere Details zum FightDragon auf den Bildschirm.

„Starke Bewaffnung, hohe Geschwindigkeit, extreme Wendigkeit, dennoch nur mäßige Verteidigung. Der ist so böse wie ein krontenianischer Stechvogel. Da brauchen wir einen guten Plan, um ihm die Flügel auszureißen! Doch bevor wir das tun, brauchen wir Beweise.“

„Captain, trotz alledem, unsere Termingeschäfte drängen“, erinnerte Vanti.

„Ich weiß, deshalb sind wir hier! Vanti, koordiniere ein Treffen mit den Offizieren gegen Abend. Wir müssen entscheiden, wie wir den spensanischen Flieger genauer durchleuchten können.“

Der Captain nahm seinen Kommunikator und rief den diensthabenden Piloten Voxxel.

„Sprechen Sie bitte mit der Navigationszentrale den Anflug ab und fliegen sie uns vom Orbit abwärts auf die Planetenoberfläche. Ich wünsche eine Landung in zwanzig Minuten.“ Der Captain wandte sich an die beiden anderen.

„Danke, das war es fürs Erste. Wir sehen uns später.“

Vanti und Marla verließen die Unterkunft. Rati blieb zurück, hin- und hergerissen zwischen den Handelsgeschäften auf Ogartis und der Frage, wie er Mane aus den Fängen ihrer Entführer befreien könnte.

 

Krontenianer - Rendezvous am Bogen
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