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Jason schraubte die beiden Hälften des kleinen Blasrohrs auseinander und schob die Waffe in eine Innentasche seiner Lederjacke zurück. Als die beiden Männer in blauen Uniformen den schlaffen Körper Kators heranbrachten, folgte er ihnen. Und als sie Kator zu Boden legten, zog Jason einen kleinen gefederten Bolzen unmittelbar hinter dem spitzen Ohr aus dem Nacken des Ruml.

Als er sich über den bewußtlosen Ruml beugte und sein Körper den linken Arm einen Augenblick abschirmte, schloß sich seine linke Hand über dem obersten der großen Knöpfe an Kators Jacke. Als er sich aufrichtete und abwandte, sah er sich Swenson gegenüber.

„Jetzt können Sie es uns doch sagen, oder?“ fragte der bebrillte Mann. „Was war das für ein Lähmungsgift?“

Jason lächelte müde und etwas ironisch. „Äthylalkohol“, sagte er.

„Alkohol!“ Swenson starrte ihn an und mußte dann unwillkürlich lachen. „Sie wollen sagen, sein Körpersystem ist dem unseren so ähnlich? Alkohol hätten wir selbst nehmen können!“

„So ähnlich sind sie wieder nicht – nicht so ähnlich, wie Sie glauben“, sagte Jason. „Es ist nur zufällig so, daß sie von Alkohol ebenso berauscht werden wie wir. Aber nicht auf dieselbe Weise. Die meisten unserer Drogen – Chloroform zum Beispiel – hätten ihn umgebracht. Selbst Alkohol hat nicht die gleiche Wirkung auf sie …“ Er deutete auf Kator. „Haben Sie gesehen, wie schnell er die Besinnung verlor, als nur ein paar Tropfen in seinen Blutkreislauf eingeschleust wurden? Sie oder ich hätten diese Menge überhaupt nicht gespürt.“

„Ja …“ sagte Swenson und sah Kator an. „So, jetzt werden wir anfangen, ihn mit Geräten vollzustopfen. Wenn er wieder zu sich kommt und zu seinem Schiff zurückfliegt, wird er voll miniaturisierter Aufnahmegeräte sein, so voll wie eine politische Versammlung. Wie lange wird er ohne Bewußtsein bleiben?“

„Die Ruml verschlucken kurzlebige, alkoholproduzierende Bakterienkulturen, so wie wir zur Entspannung Whisky trinken“, sagte Jason. „Sie sind in ein paar Minuten high, verlieren beinahe sofort die Besinnung und bleiben etwa zwei Stunden bewußtlos. Wenn sie dann die Besinnung wiedergewinnen, befinden sie sich in tiefem Schlaf, der etwa vier Stunden anhält.“

„Also sechs Stunden?“

„Nein, nicht, wenn Sie es kurz machen wollen“, sagte Jason. „Sie können ihn wecken, sobald die Periode der Bewußtlosigkeit vorbei ist. Bei der Eile, die ich … die er …“ Jason sah, wie Swensons Augen bei dem Versprecher flackerten, „… die er empfunden hat, kann es sein, daß er sofort aufwacht, wenn er zu sich kommt. Aber um sicherzugehen, können Sie ja etwas nachhelfen.“

„Gut.“ Swenson wandte sich ab und erteilte den Soldaten Befehle. Jason glitt in den Schatten zurück. Dann nahm er einen kleinen braunen Würfel aus der Tasche, etwa von der Größe eines Etuis, wie Juweliere ihn benutzen, um einen Ring unterzubringen. In der Dunkelheit mußte er sich fast völlig auf seine Fingerfertigkeit verlassen, als er ein paar Einstellungen an dem Knopf von Kators Jacke vornahm und ihn gegen die winzige Öffnung in dem Etui hielt. Dann drückte er auf den Würfel.

Ein schwaches, kaum hörbares Summen ertönte und verstummte sofort wieder. Jason schob den Würfel in die Tasche und ging zu Kator zurück, der immer noch zwischen den drei Uniformierten lag.

„Ich sollte mir die Stelle noch einmal ansehen, wo der Bolzen ihn getroffen hat“, sagte Jason. Etwas unsicher ließen sie ihn durch. Jason kauerte sich nieder und drehte Kators Kopf etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Dann stützte er sich mit der linken Hand etwas auf und schob den Knopf wieder auf den Haken, an dem er befestigt gewesen war.

Keiner der Posten schien etwas zu merken. Die Knopfbefestigungen waren typisch für die Ruml, und nur jemand wie Jason konnte sie finden.

„Was ist denn? Gehen Sie uns hier aus dem Weg!“ hörte er Swensons Stimme hinter sich sagen, als er sich wieder aufrichtete. „Verschwinden Sie hier, Jason. Von jetzt an übernehmen wir diese Sache.“

Die Stimme des Mannes war unpersönlich und hart. Und was er sagte, entsprach genau dem, was er dachte – wenn jetzt die miniaturisierten Aufzeichnungsgeräte und Kameras unter der Haut Kators angebracht waren, konnte man dem Ruml auf sein Schiff folgen. Er würde dann Bilder und Geräusche durch ein Hyperradio selbst von der Heimatwelt der Ruml zu ihnen schicken, falls er dorthin zurückkehren sollte. In den Augen von Swenson, Coth und den anderen war Jason jetzt nicht mehr wichtig.

Jason tauchte in die Schatten der Maschinen unter. Er hatte Swenson damals, als sie Kators Festnahme geplant hatten, gesagt, daß er den genauen Grundriß nicht nur des unterirdischen Raumschiffhangars, sondern auch der verlassenen Fabrik kennen mußte, die über der Erdoberfläche als Deckung dafür diente. Jetzt arbeitete er sich geschickt durch die Fabrik – aber nicht auf den Seitenhof zu, wo das Fahrzeug nach Washington wartete.

Er fädelte sich seinen Weg durch leere Räume und zwischen stummen Maschinen zum anderen Ende der Fabrik und trat durch eine verrostete kleine Tür auf ein unkrautbewachsenes Feld, das vielleicht vierzig Meter breit war, und dahinter zu einem Stacheldrahtzaun und einem kleinen Gebüsch mit ein paar Ahornbäumen und Eichen.

Er schlenderte scheinbar gleichgültig über das Feld. Als er zwischen den Bäumen war, beschleunigte er seine Schritte. Wenig mehr als eine Stunde und gute drei Meilen später bestieg er an einer Haltestelle in einer Kleinstadt den Bus.

Es dauerte eine Weile, bis der Bus sich in Bewegung setzte. Aber gute achtzehn Minuten später erwachten seine Kompressoren schließlich schmatzend zum Leben, und er glitt aus dem Stationsgebäude. Jason lehnte den Kopf gegen die gepolsterte Kopfstütze und schloß die Augen, die vor Müdigkeit gerötet waren. Er hatte das Seine getan.

Von jetzt an lag alles bei Kator und den Familienoberhäuptern auf der Heimatwelt.