7. Kapitel

Der Kapitän der Lydia machte seinen üblichen Frühspaziergang auf der Hütte seines Schiffes. Wohl hatte ein halbes Dutzend spanischer Offiziere bereits bei seinem Erscheinen versucht, ihn mit vollendeter Höflichkeit zu begrüßen, war aber von der Mannschaft des Briten sofort beiseite gedrängt worden. Die Leute waren empört dar über, daß die seit Monaten geheiligte Wanderung ihres Kommandanten ausgerechnet von Gefangenen gestört werden sollte.

Tatsächlich hatte Hornblower angestrengt nachzudenken; so angestrengt, daß er sich nicht einmal des nächtlichen Sieges freute, bei dem seine Fregatte, ohne einen einzigen Mann zu verlieren, einen Zweidecker weggenommen hatte. In den Annalen der britischen Seegeschichte gab es keinen ähnlichen Fall. Aber Hornblower dachte daran, was nunmehr als nächstes zu geschehen hatte. Mit der Eroberung der Natividad war er zum Herrn der Südsee geworden. Er wußte sehr wohl, daß die äußerst schwierigen Verkehrsverhältnisse des Landes den Handel und überhaupt jeden Verkehr auf die Küstenschiffahrt verwiesen. Nun aber konnte sich ohne seine Zustimmung kein Boot aufs Wasser wagen. Es bestand demnach einige Aussicht dafür, daß mit Alvarados Hilfe ganz Mittelamerika in einen Zustand flammender Revolution versetzt werden konnte. Die spanische Regierung sollte es bereuen, mit Bonaparte gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Schnellen Schrittes ging Hornblower auf den mit Sand bestreuten Decksplanken hin und her. Natürlich gab es auch noch andere Möglichkeiten. Im Nordwesten lag die Hafenstadt Acapulco, von der aus jedes Jahr die mit Millionenwerten beladenen Galeonen in See gingen. Die Wegnahme einer solchen Galeone mußte ihn mit einem Schlage zum reichen Mann machen und es ihm gestatten, sich einen in England gelegenen Besitz zu kaufen. Ein ganzes Dorf konnte es sein, Squire würde er werden. Wenn er in seinem Wagen vorüberfuhr, zogen die Landleute ihre Hüte. Maria würde Freude daran haben, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, daß Maria die Rolle einer großen Dame auch nur einigermaßen mit Grazie spielen konnte.

Von der Vorstellung, Maria ihrer Mietwohnung in Southsea entführt und auf einem Landsitz residieren zu sehen, riß sich Hornblower gewaltsam los. Östlich von ihm lag Panama mit dem aufgestapelten Silber Perus, der Perlenfischerflotte und dem übertünchten goldenen Altar, der dem Zugriff Morgans entgangen war, ihm aber nicht entgehen sollte. Strategisch mußte ein Schlag gegen den Zentralpunkt des gesamten Überlandverkehrs am wirkungsvollsten und damit auch für seine persönlichen Belange am vorteilhaftesten sein. Er versuchte an Panama zu denken.

Auf dem Vordeck hockte Sullivan, der rothaarige irische Vagabund, samt seiner Fiedel auf einer Kanone, und ihn im Halbkreis umgebend tanzten die Matrosen paarweise auf klatschenden, hornigen Sohlen. Für die Eroberung der Natividad würden die Leute mindestens fünfundzwanzig Guineen pro Kopf bekommen, und nun gaben sie das Geld in Gedanken schon wieder aus. Hornblower blickte dorthin, wo die Natividad vor Anker lag. Ihre Kühl war schwarz von der zusammengepferchten spanischen Besatzung. Auf dem altmodischen Achterschiff gewahrte er die roten Röcke und die Tschakos seiner Seesoldaten, und er bemerkte auch, daß die Mündungen der Deckgeschütze, an denen Leute mit brennenden Lunten standen, auf die Kühl gerichtet waren. Gerard, den er als Prisenkommandanten drüben gelassen hatte, war früher an Bord eines Liverpooler Sklavenjägers gefahren und verstand sich darauf, ein ganzes Schiff voller feindlich gesinnter Menschen im Schach zu halten, obwohl sich Hornblower von der Besatzung, die von ihren Offizieren getrennt worden war, keiner Meuterei versah.

Er fühlte, daß er über das weitere Schicksal der Natividad zu einem Entschluß gelangen mußte, wobei er besonders die Gefangenen bedenken mußte. Der zweifelhaften Gnade el Supremos durfte er sie nicht überlassen; das würde vermutlich seine eigene Mannschaft nicht dulden. Eine lange Kette von Pelikanen strich vorüber; sie hielten tadellose Abstände, besser noch als die evolutionierende Kanalflotte es zu tun pflegte. Ein an seinem gegabelten Schwanz kenntlicher Fregattvogel hing auf regungslosen Schwingen in der Luft. Offenbar gelangte er zur Überzeugung, daß es hier nichts zu erbeuten gab, denn gleich darauf segelte er wieder zur Insel hin über, wo die Kormorane eifrig dem Fischfang oblagen. Schon wurde es heiß, und die sonnenbeschienene Bucht war so blau wie der Himmel, der sich über ihr wölbte.

Hornblower, der immer wieder von seinen Gedanken abgelenkt wurde, verfluchte die Sonne, die Pelikane und den Fregattvogel. Mißgelaunt schritt er noch ein halbes dutzendmal auf und nieder. Dann stellte sich ihm der Midshipman Knyvett in den Weg, die Hand am Hutrand.

»Was, zum Teufel, ist denn nun wieder los?« schnaubte Hornblower.

Boot kommt längsseit, Sir. Mit Mister... Mister Hernandez.«

Das war schließlich zu erwarten gewesen.

»Schön«, nickte Hornblower. Er begab sich zum Fallreep, um den an Bord kommenden Hernandez zu empfangen. Der Besucher hielt sich nicht erst mit Beglückwünschungen zu dem erfochtenen Siege auf. Im Dienste el Supremos wurden offenbar selbst die Amerikaner spanischer Herkunft kurz angebunden und sachlich.

»El Supremo wünscht Sie sofort bei sich zu sehen, Herr Kapitän; mein Boot wartet.«

»So«, meinte Hornblower. Er wußte sehr wohl, daß Dutzende seiner in britischen Diensten stehenden Kameraden über eine so formlose Aufforderung in helle Wut geraten wären. Die Entgegnung lag ihm auf der Zunge, el Supremo solle gefälligst an Bord kommen, wenn er den Kommandanten zu sprechen wünsche. Rechtzeitig erkannte er jedoch, daß es töricht sein würde, die guten Beziehungen zum Lande, von denen sein Erfolg in so weitgehendem Maße abhängig war, wegen einer Frage der Etikette zu gefährden. Der Eroberer der Natividad konnte es sich leisten, die Anmaßung anderer zu übersehen.

Er dachte an einen Mittelweg. Um seine eigene Würde zu wahren, konnte er Hernandez ein paar Stunden warten lassen, aber auch gegen diese Lösung erhob sein gesunder Menschenverstand Einwendung. Hornblower haßte Halbheiten, und die gedachte würde wie die meisten ihresgleichen nur dazu dienen, die eine Seite zu reizen und der anderen keinen Vorteil zu verschaffen. Besser also, man unterdrückte das Gefühl verletzten Stolzes und kam sofort.

»Gern«, erwiderte er. »Derzeit bin ich hier abkömmlich.«

Zum mindesten war es bei dieser Gelegenheit nicht erforderlich, sich in Paradeuniform zu werfen. Die besten Seidenstrümpfe und die Schnallenschuhe mochten an Bord bleiben, denn die Wegnahme der Natividad war ein besserer Beweis guten Willens als selbst das Umschnallen eines mit goldenem Griff versehenen Degens.

Erst als er einige letzte Befehle erteilte, fiel es ihm ein, daß ihm der nächtliche Erfolg Anlaß genug bot, auf die Züchtigung der Matrosen Poole und Jenkins wie auch auf den Verweis für Galbraith zu verzichten. Das wenigstens war ihm eine große Erleichterung. Sie trug dazu bei, das bedrückte Gefühl zu beheben, das ihn fast stets nach einem errungenen Erfolg befiel.

Leichten Herzens bestieg er das winzige Pferd, das am Strande für ihn bereit stand, und dann ritt er an den Bergen stinkender Eingeweide und den Reihen toter Männer vorüber zum Hause el Supremos.

Wie der Kreole da auf seinem von einem Baldachin überschatteten Thronsessel saß, hätte man meinen können, er habe den Platz seit jenem ersten, vier Tage zurückliegenden Besuch Hornblowers - dem Kapitän kam die Zeitspanne unvergleichlich viel länger vor - überhaupt nicht verlassen. »Sie haben also schon ausgeführt, was ich wünschte«, lauteten die einleitenden Worte.

»Gestern nacht eroberte ich die Natividad«, meldete Hornblower.

»Und, wie ich hörte, ist die Verproviantierung Ihres Schiffes beendet?«

»Ja.«

»Dann haben Sie, wie ich bereits bemerkte, meinen Wünschen entsprochen.«

Auf solchen Ausdruck erhabenen Selbstbewußtseins ließ sich nichts erwidern.

»Heute Nachmittag«, fuhr el Supremo fort, »werde ich meinen Plan zur Eroberung der Stadt El Salvador zur Ausführung bringen. Ich werde den Menschen, der sich Generalkapitän von Nicaragua nennt, gefangen nehmen.«

»So?«

»Die mir bevorstehenden Schwierigkeiten haben sich wesentlich verringert, Herr Kapitän. Sie wissen vielleicht nicht, daß sich die zwischen hier und El Salvador liegenden Straßen nicht in dem Zustand befinden, in dem sie sein sollten. An einer Stelle führen hundertundsiebenundzwanzig in die Lava gehauene Stufen zwischen zwei Abgründen aufwärts. Sie zu erklettern ist für ein Maultier sehr schwer, von einem Pferde ganz zu schweigen. Überdies könnte ein mit einer Muskete bewaffneter Übelgesinnter viel Unheil anrichten.«

»Das wäre wohl anzunehmen«, nickte Hornblower.

»Nun liegt aber El Salvador nur zehn Meilen von der Küste entfernt«, erläuterte el Supremo, »und von der Stadt führt eine gute Straße zum Hafen La Libertad. Heute Nachmittag will ich unter Benutzung der beiden Schiffe mit fünfhundert Mann dorthin segeln. Da Libertad nur hundert Meilen von hier entfernt ist, werde ich morgen in der Frühdämmerung dort eintreffen, und abends will ich in El Salvador speisen.«

»Ha... hm«, sagte Hornblower. Er überlegte sich, wie er am besten auf die vorauszusehenden Schwierigkeiten hinweisen konnte.

»Sie haben nur wenige Leute der Natividad getötet, Herr Kapitän«, begann el Supremo von neuem und berührte damit einen der wundesten Punkte, die der Engländer im Sinn hatte.

»Elf. Achtzehn wurden verwundet, von denen vier wahrscheinlich nicht mehr genesen werden.«

»Es blieben also genug zum Bedienen des Schiffes übrig?«

»Reichlich, Senor, wenn...«

»Das entspricht meinem Wunsche. Und dann, Herr Kapitän, muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß mich sterbliche Menschen nicht mit›Senor‹anreden. Das ist nicht respektvoll genug. Ich bin el Supremo.«

Hornblower blieb nur übrig, sich zu verneigen. El Supremos unglaublichem Benehmen gegenüber fühlte er sich machtlos.

»Also die Navigationsoffiziere sind noch am Leben?«

»Ja«, erwiderte Hornblower; und da er baldigst eintretende Mißhelligkeiten vorausahnte, die er auf ein Mindestmaß zu beschränken hoffte, setzte er schluckend hinzu, »Supremo.« - »Dann«, erklärte der Despot, »werde ich die Natividad in meine Dienste nehmen. Die Offiziere werden größtenteils hingerichtet und durch meine eigenen Leute ersetzt. Die übrigen und die Mannschaften treten unter meinen Befehl.« Die Absichten el Supremos enthielten nichts wirklich Unmögliches. Aus Erfahrung wußte Hornblower, daß die stets altmodische spanische Marine einen strengen Unterschied zwischen den ein Schiff handhabenden Offizieren und den vornehmen Herren machte, die es kommandierten. Über die Stellungnahme der Matrosen und Steuerleute, die vor die Wahl gestellt wurden, sich zu Tode foltern zu lassen oder el Supremo zu dienen, hegte Hornblower keinerlei Zweifel.

Obendrein ließ sich nicht leugnen, daß el Supremos Vorschlag in vielem gut war. Es wäre zum mindesten sehr schwierig gewesen, fünfhundert Mann nur an Bord der Lydia zu befördern, und die Lydia hätte allein nicht die Blockade der langgestreckten Küste durchführen können; zwei Schiffe mußten dem Feinde mehr als doppelt soviel Schaden zufügen. Andrerseits aber würde die Auslieferung der Natividad endlose, die Frage der Prisengelder behandelnde Auseinandersetzungen mit der britischen Admiralität herauf beschwören. Auch ließ es seine Ehre nicht zu, die gefangenen Spanier dem qualvollen Tode zu überlassen, den el Supremo für sie vor sah. Es galt, schnell zu überlegen.

»Die Natividad ist eine Prise meines Königs«, sagte er.

»Vielleicht wäre er nicht damit einverstanden, daß ich sie ausliefere.«

»Jedenfalls wäre er nicht damit einverstanden, daß Sie mich beleidigen«, versetzte el Supremo. Er zog seine Augenbrauen zusammen, und Hornblower hörte, wie der neben ihm stehende Hernandez einen hastigen Atemzug tat. »Ich habe schon einmal bemerkt, Kapitän Hornblower, daß Sie dazu neigen, den Respekt zu vergessen, doch war ich milde genug, diese Tatsache Ihrer ausländischen Herkunft zuzuschreiben.«

Noch immer arbeiteten Hornblowers Gedanken sehr schnell.

Eine geringe Versteifung des Widerstandes würde diesen Wahnsinnigen dazu veranlassen, ihn zur Hinrichtung führen zu lassen, und falls ihr Kommandant ermordet wurde, dachten die Leute der Lydia natürlich nicht daran, für el Supremo zu kämpfen. Die Lage im Stillen Ozean aber mußte sich wesentlich verschärfen. Vermutlich würde die Fregatte, die weder auf Seiten der spanischen Regierung noch bei den Rebellen Freunde hatte, niemals wieder die Heimat erreichen; zumal dann nicht, wenn der phantasiearme Bush das Kommando führte. England verlor nicht nur eine gute Fregatte, sondern auch eine günstige politische Gelegenheit. Er mußte also das Prisengeld opfern, jene tausend Pfund, mit denen er so gern auf Maria Eindruck gemacht hätte. Unter allen Umständen aber galt es, das Leben der Gefangenen zu retten...

»Sicherlich trägt meine fremde Herkunft daran die Schuld, Supremo«, sagte er. »Es fällt mir schwer, in einer mir nicht geläufigen Sprache alle die Feinheiten auszudrücken, die in diesem Falle nötig sind. Wie konnte sonst überhaupt der Eindruck entstehen, ich ließe es el Supremo gegenüber an Ehrerbietung fehlen?«

Der andere nickte. Es war erfreulich zu sehen, daß ein Irrsinniger, der sich selbst für allmächtig hielt, dazu neigte, die plumpeste Schmeichelei für bare Münze zu halten.

»Das Schiff gehört Ihnen, Supremo«, fuhr Hornblower fort.

»In Wirklichkeit war es Ihr Eigentum, als meine Leute es gestern nacht betraten. Wenn aber in Zukunft eine riesige Armada unter der Flagge el Supremos den Stillen Ozean durchsegelt, so wünsche ich nur, daß man sich daran erinnert, wie das erste Schiff dieser Flotte auf el Supremos Befehl den Spaniern durch den Kapitän Hornblower entrissen wurde.«

Abermals nickte el Supremo, worauf er sich an Hernandez wandte.

»General«, sagte er, »bereiten Sie alles dafür vor, daß die fünfhundert Mann heute Mittag an Bord gehen können. Ich werde an der Expedition teilnehmen, und das gleiche gilt von Ihnen.«

Hernandez verbeugte sich und verließ den Saal. Es war ohne weiteres ersichtlich, daß Respektlosigkeit oder auch nur ein Zögern seiner Untergebenen el Supremo niemals veranlassen konnten, an seiner Göttlichkeit zu zweifeln. Jeder kaum angedeutete Befehl, mochte es sich um tausend Schweine oder um fünfhundert Männer handeln, wurde augenblicks ausgeführt.

Hornblower tat sogleich seinen nächsten Schachzug.

»Wird die Lydia der Ehre gewürdigt werden, el Supremo nach La Libertad zu bringen?« fragte er. »Meine Besatzung würde über solch eine Auszeichnung sehr erfreut sein.«

»Das kann ich mir denken«, erwiderte el Supremo.

»Ich wage den Wunsch kaum zu äußern«, fuhr Hornblower fort, »aber dürfen meine Offiziere und ich darauf hoffen, daß el Supremo vor dem Auslaufen mit uns speisen wird?«

Einen Augenblick überlegte der Kreole.

»Ja«, sagte er dann, und Hornblower unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Befand sich der Mann erst einmal an Bord der Fregatte, so war es vielleicht weniger schwierig, mit ihm fertig zu werden.

El Supremo klatschte in die Hände, und als handele es sich um die Tätigkeit eines Uhrwerks, kündigte ein Pochen an die messingbeschlagene Tür das Kommen des dunkelhäutigen Majordomo an. Mit wenigen Worten erhielt er den Befehl, el Supremos Haushalt an Bord der Lydia zu schaffen.

»Sie gestatten mir wohl, an Bord zurückzukehren, um die Vorbereitungen zu Ihrem Empfang zu treffen, Supremo?« sagte Hornblower.

Ein Kopfnicken antwortete ihm.

»Zu welcher Zeit darf ich Sie am Strande erwarten?«

»Um elf.«

Als Hornblower in den Vorhof hinaustrat, dachte er verständnisvoll an jenen orientalischen Wesir, der seinen königlichen Gebieter nie verließ, ohne sich davon zu überzeugen, daß ihm noch der Kopf auf den Schultern saß.

Kaum war an Oberdeck der Lydia das Trillern der Bootsmannspfeifen verstummt, als er seine Befehle erteilte.

»Lassen Sie die Offiziere da sofort unter Deck schaffen«, er zu Bush und deutete dabei auf die Gefangenen. »Sperren Sie sie unter Bewachung in das Kabelgatt. Der Waffenmeister soll kommen und sie in Eisen legen.«

Bush vermochte sein Befremden über den ihm erteilten Befehl nicht zu verbergen, aber Hornblower verlor keine Zeit mit langatmigen Erklärungen.

»Senores«, sagte er, als die Offiziere an ihm vorübergeführt wurden, »Sie werden grob behandelt werden, aber glauben Sie mir: wenn Sie während der nächsten Tage irgendwie sichtbar werden, so ist das Ihr Tod. Ich muß dies tun, um Ihr Leben zu retten.«

Danach wandte sich Hornblower wieder an seinen Ersten.

»Lassen Sie alle Mann pfeifen, Mr. Bush.«

Das Schiff erdröhnte von den über die Planken eilenden hornigen Füßen.

»Leute«, begann der Kommandant. »Es wird heute ein Fürst dieses Landes an Bord kommen, der ein Verbündeter unseres eigenen allergnädigsten Königs ist. Was auch immer geschehen mag - ich bitte, die Worte zu beachten -, was auch immer geschehen mag, er ist mit Respekt zu behandeln. Den Mann, der lacht, lasse ich auspeitschen; jeden, der sich gegenüber dem Senor el Supremo nicht so benimmt, wie gegen mich selbst.

Heute abend werden wir mit den Truppen jenes Herrn in See gehen. Ihr werdet für sie sorgen, als wenn es Engländer wären; besser sogar. Mit englischen Soldaten würdet ihr Schindluder treiben. Der erste, der sich dessen unterstünde, bekäme noch in gleicher Stunde die Peitsche. Denkt nicht an ihre Farbe, denkt nicht an ihre Kleidung oder daran, daß sie nicht englisch sprechen können, aber beherzigt meine Worte. Die Leute können wegtreten, Mr. Bush.«

Drunten in der Kajüte wartete der getreue Polwheal mit Schlafrock und Badetuch auf des Kommandanten Bad, das der Zeiteinteilung entsprechend schon vor zwei Stunden hätte genommen werden sollen.

»Lege wieder meine beste Uniform zurecht«, befahl Hornblower rasch. »Und wenn es sechs glast, ist die Kajüte für ein Festessen von acht Personen klar. Hole mir meinen Koch.«

Es gab viel zu tun. Bush und Rayner, der jüngste Wachoffizier, Simmonds, der Leutnant der Marineinfanterie, und Crystal, der Obersteuermann, mußten eingeladen und ersucht werden, in großer Uniform zu erscheinen. Und vor allem galt es die Unterbringung von fünfhundert Mann an Bord der beiden Fregatten vorzubereiten.

Gerade blickte Hornblower zur Natividad hinüber, die langsam vor ihrem Anker herumschwang, indessen die rotgoldenen Farben Spaniens unter der weißen Flagge wehten, als ein Boot in schneller Fahrt vom Strande her nahte. Der Führer einer an Bord enternden Anzahl Männer war ein jugendlicher, kaum mittelgroßer Bursche von schlanker Erscheinung und affenartiger Behendigkeit. Sein lebhaft lächelnder Gesichtsausdruck verriet ein unerschütterlich heiteres Temperament. Übrigens sah er eher spanisch als amerikanisch aus. Bush brachte die Gesellschaft zum Achterdeck, auf dem der Kommandant ungeduldig umherging. Mit liebenswürdiger Verbeugung stellte sich der Neuankömmling vor.

»Ich bin Vizeadmiral Don Cristobal de Crespo.«

Unwillkürlich musterte ihn Hornblower von oben bis unten.

Der Vizeadmiral trug goldene Ohrringe, und sein goldbestickter Rock konnte nicht über den zerschlissenen Zustand des darunter befindlichen Hemdes hinwegtäuschen. Immerhin aber trug er Stiefel von weichem, braunem Leder, in deren Schäften die geflickten weißen Hosen verschwanden.

»Im Dienste el Supremos?« fragte Hornblower.

»Freilich. Darf ich Ihnen meine Offiziere vorstellen? Capitan de navio Andrade, Capitan de fragata Castro, Capitan de corbeta Carrera, die Offiziere Barrios, Barillas und Cerna nebst den Fähnrichen Diaz...«

Die unter solch hochklingenden Titeln vorgestellten Offiziere waren barfüßige Indianer, deren um die Hüften geschlungene rote Schärpen voller Pistolen und Messer steckten. Sie verneigten sich linkisch vor Hornblower. Mehrere Gesichter verrieten viehische Grausamkeit.

»Ich bin gekommen«, sagte Crespo liebenswürdig, »um meine Flagge auf der Natividad zu setzen. El Supremo wünscht, daß Sie sie mit den einem Vizeadmiral zukommenden elf Salutschüssen begrüßen.«

Hornblowers Gesicht wurde etwas lang. Im Verlauf seiner Dienstjahre hatte er einen tiefgehenden Respekt vor den Einzelheiten seemännischen Zeremoniells gewonnen, und er ärgerte sich über die Aussicht, diesem zerlumpten Gauner denselben Salut zu gewähren, wie er einem Nelson zuteil wurde.

Mit einiger Anstrengung schluckte er seinen Groll herunter. Er wußte, daß er, sofern er überhaupt einigen Erfolg erzielen wollte, diese Posse bis zum bitteren Ende mitspielen mußte.

»Selbstverständlich, Herr Admiral«, sagte er. »Ich bin sehr glücklich darüber, Ihnen als einer der ersten zu Ihrer Ernennung gratulieren zu können.«

»Danke, Herr Kapitän. Zunächst müssen noch ein paar Kleinigkeiten erledigt werden. Darf ich fragen, ob die diensttuenden Offiziere der Natividad hier an Bord oder noch drüben sind?«

Hornblower blieb ganz gelassen. »Es tut mir furchtbar leid, aber ich habe sie heute früh nach kriegsgerichtlicher Aburteilung über Bord werfen lassen.«

»Das ist allerdings sehr schade«, erwiderte Crespo. »Ich sollte sie auf el Supremos Befehl an die Rahnocken der Natividad hängen. Haben Sie denn gar keinen übriggelassen?«

»Nicht einen einzigen, Herr Admiral. Ich bedauere, daß ich keine diesbezüglichen Befehle von el Supremo bekam.«

»Na, dann läßt sich eben nichts machen. Zweifellos wird man Ersatz finden. Ich werde mich jetzt an Bord meines Schiffes begeben. Vielleicht begleiten Sie mich, um Ihrem Prisenkommando die nötigen Befehle zu erteilen.«

»Gewiß, Herr Admiral.«

Hornblower war darauf gespannt, wie el Supremos Untergebene die Aufgabe lösen würden, eine ganze Schiffsbesatzung zum Überlaufen zu bringen. Hastig erteilte er Anweisungen für das Salutschießen, das beim Hochgehen der neuen Flagge der Natividad beginnen sollte, dann bestieg er mit den neugebackenen Seeoffizieren das wartende Boot.

An Bord der Natividad stolzierte Crespo zum Achterdeck. Der spanische Obersteuermann stand dort mit seinen Unteroffizieren. Unter ihren erschrockenen Blicken trat Crespo zu dem neben der Reling angebrachten Standbild der Mutter Gottes mit dem Kinde und stieß es kurzerhand über Bord. Auf seinen Wink holte einer der »Fähnriche« die an der Piek hängende spanische und britische Flagge nieder, worauf sich der Mann el Supremos an die seemännischen Offiziere wandte. Eine dramatische Szene spielte sich auf dem sonnenbeschienenen Achterdeck ab, auf dem sich die Menschen drängten. Die in Linie aufgestellten rotröckigen britischen Seesoldaten präsentierten das Gewehr, während die Matrosen mit brennenden Lunten bei den Karronaden standen, denn noch war kein die bisherige Lage ändernder Befehl erteilt worden. Gerard kam herüber und nahm neben seinem Kapitän Aufstellung.

»Wer ist der Obersteuermann?« fragte Crespo.

»Ich«, stammelte einer der Spanier.

»Und ihr anderen seid seine Maate?« krächzte Crespo.

Ängstliches Kopfnicken antwortete ihm. Aus dem Gesicht des sogenannten Admirals war aller Humor geschwunden. Kalter Zorn schien ihn zu beseelen.

»Du da«, deutete er auf den Jüngsten. »Du wirst jetzt die Rechte emporstrecken und unserem Gebieter el Supremo den Treueid leisten. Hand hoch!«

Der Junge gehorchte wie geistesabwesend.

»Nun sprich mir nach.›Ich schwöre...‹«

Das Gesicht des jungen Menschen war bleich. Er versuchte, sich nach seinem Vorgesetzten umzudrehen, aber Crespos lodernde Augen hielten ihn fest.

»Ich schwöre...«, klang es noch drohender als zuvor. Des Jünglings Mund öffnete und schloß sich geräuschlos. Dann riß er sich gewaltsam von dem ihn bannenden Blick los. Seine Hand schwankte und senkte sich. Plötzlich schoß Crespos Linke vorwärts. Die Bewegung erfolgte so schnell, daß niemand die Pistole erkannte, die er aus dem Gürtel gerissen hatte. Von einer Kugel in den Leib getroffen, brach der junge Seemann sterbend zusammen. Crespo achtete seiner Zuckungen nicht, sondern redete den Nebenmann an.

»Jetzt wirst du schwören«, sagte er.

Der eingeschüchterte Spanier wiederholte bebend die ihm vorgesprochenen Worte. Die wenigen Sätze trafen den Nagel auf den Kopf. Sie bestätigten die Allmacht el Supremos, an die der Sprecher zu glauben erklärte. In einer einzigen, hastig heruntergeleierten Lästerung wurde die Existenz Gottes und die Jungfräulichkeit der Gottesmutter geleugnet. Die übrigen folgten dem Beispiel des Vorsprechers; einer nach dem anderen wurden sie vereidigt, ohne daß sich jemand um den zu ihren Füßen liegenden Sterbenden kümmerte. Erst als die Zeremonie zu Ende war, gönnte ihm Crespo einen flüchtigen Blick.

»Schmeißt das da über Bord«, befahl er schroff. Nur für den Bruchteil einer Sekunde zögerten die Spanier, dann bückte sich der eine und packte den Unglücklichen bei den Schultern, indes ein anderer seine Füße ergriff. Gleich darauf glitt der immer noch Lebende über die Seite.

Crespo wartete, bis er das Aufklatschen des Körpers vernahm, dann trat er an die Reling des Achterdecks, deren Vergoldung an mehreren Stellen abblätterte. Die in der Kühl zusammengepferchte Mannschaft lauschte verblüfft seiner erhobenen Stimme. Mit einem Blick erkannte Hornblower, daß Crespos Bekehrungsversuche nur geringen Widerstand finden würden. Kein einziger Europäer befand sich unter den Leuten.

Vermutlich war die ursprünglich europäische Besatzung während des langen Auslandsdienstes der Natividad nach und nach ausgestorben. Nur die Offiziere waren von Spanien aus ersetzt worden, aber die nötigen Matrosen hatte man unter den Eingeborenen rekrutiert. Es gab Chinesen unter ihnen, wie Hornblower feststellte, Neger und einige, deren Gesichtsschnitt ihm unbekannt vorkam: Filipinos.

Eine nur fünf Minuten dauernde flammende Ansprache Crespos genügte. Er verzichtete darauf, die Göttlichkeit el Supremos zu erläutern, und beschränkte sich auf die Nennung des Titels. Seinen Worten zufolge stand el Supremo an der Spitze einer revolutionären Bewegung, die die Spanier aus ihren amerikanischen Besitzungen fegen sollte. Innerhalb eines Jahres werde die ganze Neue Welt von Mexiko bis nach Peru ihm zu Füßen liegen. Der spanischen Mißwirtschaft, der brutalen Unterdrückung, der in Bergwerken und beim Ackerbau ausgeübten Sklaverei werde ein Ende gemacht werden.

Jedermann könne dann Land bebauen, und unter der gesegneten Herrschaft el Supremos werde Freiheit und Glück einkehren.

Wer wollte ihm folgen?

Offenbar waren sie alle dazu bereit. Das Ende seiner Rede wurde mit tobendem Beifallsgeschrei beantwortet. Dann trat der sogenannte Admiral wieder zu Hornblower.

»Ich danke Ihnen, Herr Kapitän. Ich denke, Ihr Prisenkommando hat hier nichts mehr zu tun. Ich und meine Offiziere, wir werden mit jedem Fall von Ungehorsam fertig werden, der später eintreten könnte. Allerdings einige von denen da dürften sich nicht so ohne weiteres erleuchten lassen, wenn es soweit ist«, setzte er grinsend hinzu.

Auf der Rückfahrt zur Lydia gedachte Hornblower erbittert der Ermordung des spanischen Steuermannsmaaten. Er hätte ein solches Verbrechen verhindern sollen; er hatte sich eigens deswegen an Bord der Natividad begeben, damit keine Grausamkeiten stattfanden. Dennoch erkannte er, daß diese Roheit nicht den gleichen schlechten Einfluß auf seine eigene Mannschaft ausübte, wie es das kaltblütige Aufhängen der Offiziere getan haben würde. Gewiß, die Besatzung der Natividad wurde gezwungen, einem neuen Herrn zu gehorchen, aber das Preßkommando hatte das gleiche mit dreiviertel der Leute der Lydia getan. Auspeitschung und Tod drohten dem Engländer, der den ihm vorgesetzten Offizieren den Gehorsam verweigerte. Es stand kaum zu erwarten, daß sich britische Matrosen übermäßig über Dagos aufregen würden, die sich in gleicher Lage befanden, selbst wenn sie mit der für den Engländer niederer Stände kennzeichnenden Unlogik gegen das in aller Form vorgenommene Aufhängen der Offiziere Einspruch erhoben hätten.

Hornblowers Gedankengang wurde jählings von einem von der Natividad herüberdröhnenden Kanonenschuß unterbrochen, dem die Lydia sofort antwortete. Fast wäre er von seinem Sitz aufgesprungen, aber ein Blick über die Schulter beruhigte ihn.

Von der Gaffel der bisher spanischen Fregatte wehte eine neue blaue Flagge, in deren Mitte sich ein gelber Stern befand.

Langsam rollte das Echo der Salutschüsse rings um die Bucht, und noch immer krachten die Kanonen, als Hornblower die Fallreepstreppe hinaufstieg. Mr. Marsh, der Artillerieoffizier, ging murmelnd auf dem Vordeck auf und nieder.

»Wenn ich nicht als gottverfluchter Narr geboren worden wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier. Siebtes... Feuer! Meine Frau, mein Heim und alles, was mir teuer ist, habe ich verlassen.

Achtes... Feuer!«

Eine halbe Stunde später war Hornblower zum Empfang el Supremos am Strand. Begleitet von einem Dutzend zerlumpter Reiter, erschien der Tyrann auf die Minute. El Supremo hielt es nicht für nötig, sein Gefolge vorzustellen. Er verneigte sich und ging sofort an Bord der Barkasse, indessen sich seine Begleiter einer nach dem anderen dem britischen Kapitän vorstellten. Sie alle waren fast reinblütige Indianer. Mit Ausnahme von zwei oder drei Obersten bezeichneten sie sich samt und sonders als Generale, und offensichtlich waren sie ihrem Herrn und Gebieter rückhaltlos ergeben, wobei die Furcht allein nicht ausschlaggebend sein konnte; sie liebten ihn anscheinend.

Am Fallreep stand alles zum feierlichen Empfang des Despoten bereit, aber el Supremo überraschte den Briten beim Anbordgehen mit den beiläufig hingeworfenen Worten:

»Der mir zukommende Salut besteht aus dreiundzwanzig Schuß, Herr Kapitän.«

Das waren zwei Schuß mehr, als Seine Majestät der König Georg selbst zu empfangen pflegte. Sekundenlang starrte Hornblower fassungslos vor sich hin, indessen er hastig erwog, wie er solches Ansinnen zurückweisen konnte, aber dann beruhigte er sein Gewissen mit der Feststellung, daß ein Salut dieser Art überhaupt bedeutungslos sein würde. Schnell sandte er dem Mr. Marsh einen entsprechenden Befehl, und dann vermochte er ein Lächeln kaum zu unterdrücken, als er sich Marshs Erstaunen beim Erhalt der Anweisung und seine kochende Wut am Schluß des Zeremoniells vor stellte: »Wenn ich nicht als gottverfluchter Narr geboren worden wäre, so wäre ich jetzt nicht hier. Dreiundzwanzig... Feuer!«

Sich aufmerksam umsehend, bestieg el Supremo die Hütte, doch während Hornblower ihn noch beobachtete, schwand der interessierte Gesichtsausdruck und wich der zerstreuten Gleichgültigkeit, die er bereits an ihm kannte. Er schien zuzuhören, doch als Hornblower seine Offiziere Bush und Gerard vorstellte, sah er über sie hinweg. Die Einladung zur Besichtigung des Schiffes lehnte er wortlos mit einem Kopfschütteln ab. Es entstand eine kleine Verlegenheitspause, die von Bushs Meldung unterbrochen wurde.

»Die Natividad heißt an der Großrah noch eine Flagge, Sir.

Nein, das nicht... es ist vielmehr...«

Es war ein menschlicher Körper, der sich da drüben schwarz vom blauen Himmel abhob. Langsam pendelnd und sich um seine Längsachse drehend, stieg er höher. Gleich darauf erschien an der anderen Rahnock ein zweiter Körper. Unwillkürlich wandten sich aller Augen el Supremo zu. Er starrte noch immer wie geistesabwesend in die Ferne, aber jedermann wußte, daß ihm der Vorfall nicht entgangen war. Die englischen Offiziere warfen ihrem Kommandanten einen hastigen, fragenden Blick zu und taten dann, seinem Beispiel folgend, so, als hätten sie nichts bemerkt. Die an Bord eines fremden Schiffes für notwendig befundenen Disziplinarmaßnahmen gingen sie nichts an.

»Das Essen wird bald serviert werden, Supremo«, sagte Hornblower schluckend. »Würde es Ihnen belieben, unter Deck zu kommen?«

Noch immer schweigend, schritt el Supremo zum Niedergang und stieg den anderen voran hinunter. Drunten trat seine geringe Körpergröße dadurch zutage, daß er aufrecht zu gehen vermochte. Tatsächlich streifte sein Scheitel kaum die Decksbalken, und er dachte auch gar nicht daran, sich zu bücken. Hornblower ertappte sich bei der lächerlichen Vorstellung, daß el Supremo es niemals nötig haben würde, den Nacken zu beugen, daß sich die Decksbalken eher heben würden, als das Sakrilegium zu begehen, gegen seinen Kopf zu stoßen; einen solchen Eindruck machte des Mannes ruhige, hoheitsvolle Haltung auf ihn.

Polwheal und die ihm helfenden Stewards, die ihr bestes Zeug anhatten, hielten die Persennings beiseite, die immer noch die entfernten Zwischenwände ersetzen mußten, aber auf der Schwelle der Kajüte blieb el Supremo einen Augenblick stehen und sprach die ersten Worte, die ihm seit Betreten des Schiffes über die Lippen kamen.

»Ich werde allein hier speisen«, erklärte er. »Lassen Sie auftragen.«

Niemand schien in diesem Ansinnen etwas Außergewöhnliches zu finden. Hornblower, der die Begleiter des Wahnsinnigen heimlich beobachtete, war davon überzeugt, daß ihre Teilnahmslosigkeit nicht gemacht war.

Natürlich war dieser Entschluß höchst lästig. Zusammen mit seinen übrigen Gästen mußte Hornblower in der schnell dazu hergerichteten Offiziersmesse essen. Sein einziges Tischtuch und seine einzige Garnitur Servietten blieben zusammen mit den beiden letzten Flaschen alten Madeiras in der Kommandantenkajüte zur Verfügung el Supremos zurück. Auch trug das allgemeine Schweigen keineswegs zur Belebung des Mahles bei. Das Gefolge el Supremos war alles andere als gesprächig, und lediglich Hornblower selbst vermochte sich auf spanisch zu unterhalten. Zweimal versuchte Bush kühn, einige höfliche Worte an seinen Tischnachbarn zu richten, wobei er, hoffend, daß sie spanisch klingen würden, jeweils ein o hinzufügte, aber der verständnislose Blick des Angeredeten ließ ihn schnell in sinnlosem Gestammel enden. Das Essen war kaum beendet; jedermann hatte gerade die lose gewickelten Zigarren an gezündet, die zu den gelieferten Vorräten gehörten, als ein neuer Bote vom Strande eintraf und von dem betroffenen Wachoffizier, der das Geschnatter des Mannes nicht verstand, in die Messe geführt wurde. Die Truppen standen zur Einschiffung bereit. Erleichtert erhob sich Hornblower und ging mit den übrigen an Deck.

Die von der Barkasse und dem Kutter im Pendelverkehr an Bord geschafften Leute waren typische mittelamerikanische Soldaten; barfuß, zerlumpt, schwärzlich und dünnhaarig. Jeder trug eine blanke neue Flinte und vollgestopfte Patronentaschen, aber das waren nur die Dinge, die Hornblower mitgebracht hatte. Die meisten Kerle hielten anscheinend mit Mundvorrat gefüllte Baumwollbündel in den Händen; einige hatten auch Melonen und ganze Büschel von Bananen mitgebracht. Die englischen Matrosen trieben die Burschen auf das Hauptdeck.

Neugierig spähten sie umher, wobei das Geschwätz keinen Augenblick verstummte. Im übrigen waren sie ganz willig.

Schwatzend hockten sie sich zwischen den Kanonen nieder, wohin sie von den grinsenden Seeleuten geschoben wurden. Die meisten von ihnen begannen sofort gierig zu essen. Hornblower hegte den Verdacht, daß sie halb verhungert waren und daß sie nun ihre Vorräte verschlangen, die eigentlich mehrere Tage ausreichen sollten.

Als sich der letzte Mann an Bord befand, blickte der Kapitän zur Natividad hinüber. Sie schien den ihr zugedachten Teil des Expeditionskorps bereits an Bord genommen zu haben. Plötzlich hörte das Geschnatter auf dem Hauptdeck jählings auf, und es trat völliges Schweigen ein. Gleich darauf betrat el Supremo das Achterdeck. Offenbar war sein Erscheinen der Grund zum Verstummen der Gespräche gewesen.

»Wir werden nach La Libertad segeln, Herr Kapitän«, sagte er.

»Jawohl, Supremo.« Hornblower war froh über das Erscheinen des Mannes. Hätte er noch wenige Sekunden gezögert, so hätten die Schiffsoffiziere merken müssen, daß ihr Kommandant auf des Amerikaners Befehle wartete, und das wäre nicht gut gewesen.

»Wir werden Anker lichten, Mr. Bush«, sagte Hornblower.