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Jessica ließ sich Zeit unter der Dusche. Dillon. Er füllte ihre Gedanken aus, und nur das bewahrte sie davor, sich in schillernden Farben auszumalen, sie hätte Trevor verlieren können. Nie hatte sie eine derart starke Anziehungskraft erlebt. Schon immer hatten sie zusammengehört und waren unter schwierigsten Umständen die besten Freunde gewesen. Schon immer hatte er sie wie ein Magnet angezogen, aber sie war nie auf den Gedanken gekommen, eines Tages könnte die sexuelle Chemie zwischen ihnen so explosiv zum Ausbruch kommen. Sie bebte vor Verlangen nach ihm.

Sie schloss die Augen, als sie sich mit einem flauschigen Handtuch abtrocknete, das Material über ihre empfindsame Haut glitt und ihr Bewusstsein unvertrauter sexueller Gelüste verstärkte. Sie fühlte sich nicht wie sie selbst, wenn er in ihrer Nähe war.Wenn seine glühenden Blicke über ihren Körper wanderten, kam sie sich vor wie eine wollüstige Verführerin. Jessica schüttelte den Kopf über sich selbst, während sie sich mit Bedacht anzog. Sie wollte so gut wie möglich für ihn aussehen.

Als sie nach unten kam, waren alle anderen bereits in der Küche. Dillon sah gut aus in einer sauberen schwarzen Jeans und einem langärmeligen Pullover. Es störte sie, dass er es immer noch für nötig hielt, in Gegenwart seiner Familie und seiner Freunde Handschuhe zu tragen. In ihrer Gegenwart. Sein Haar war vom Duschen feucht und fiel ihm gelockt auf die Schultern.Wie immer war er barfuß, und das ließ sie seltsamerweise erröten, denn sie fand es erstaunlich sexy und intim. Als sie in der Tür auftauchte, blickte er auf, als hätte er, wenn es um sie ging, einen eingebauten Radar.

Beinahe hätte Dillon gestöhnt, als er den Kopf umwandte. Ihre Schönheit verschlug ihm den Atem. Die Jeans saß tief auf ihren Hüften und zeigte für seinen Geschmack zu viel Haut. Ihr Oberteil war zu kurz und schmiegte sich so liebevoll an ihre üppigen Brüste, wie seine Hände es gern getan hätten. Ihr rotgoldenes Haar wirkte weinrot, weil es noch nass vom Duschen war. Sie hatte es aus dem Gesicht zurückgebunden, und ihr schmaler Hals war entblößt. Er blinzelte und sah genauer hin. Er konnte ihr nur raten, unter diesem hauchdünnen Top einen BH zu tragen, aber er hätte es nicht mit Sicherheit sagen können.

Allein schon ihr Anblick machte ihn so steif, dass er sich keinen Schritt bewegen wollte. »Hast du diese Schnittwunde versorgt?« Seine Stimme klang so grob, dass sogar er selbst zusammenzuckte.

Brian hielt Jessica am Handgelenk fest, als sie an ihm vorbeikam, und inspizierte ihre Handfläche, bevor sie an Dillons Seite gelangen konnte. »Es blutet immer noch ein bisschen, Jessie«, bemerkte er. »Die Wunde muss verbunden werden, Dillon«, fügte er hinzu und zog an Jessica, bis sie ihm um die Kücheninsel folgte.

Dillon biss die Zähne zusammen und blickte finster, als er sah, wie sein Schlagzeuger, ein Bär von einem Mann, neben dem Jessica klein und zierlich wirkte, ihre Taille umfasste und sie auf die Arbeitsfläche hob, sich zwischen ihre Beine zwängte und sich vorbeugte, um ihre Handfläche genauer zu untersuchen. Brian sagte etwas, womit er Jessica zum Lachen brachte.

»Was zum Teufel tust du da?« Dillon sprang auf und riss Brian den Verband aus der Hand. »Rück rüber«, sagte er grob.

Zum Zeichen seiner Kapitulation hob Brian mit einem breiten Grinsen die Hände. »Der Mann ist wie ein Bär mit Zahnschmerzen«, flüsterte er Trevor laut zu, als er sich an den Tisch setzte.

»Das ist mir auch schon aufgefallen«, erwiderte Trevor mit demselben übertriebenen Flüstern.

Dillon war das ganz egal. Er nahm Brians Platz ein, und Jessicas frischer Duft reizte seine Sinne, als er sich über ihre Handfläche beugte.

Fast hätte sie ihre Hand zurückgezogen, denn sein warmer Atem ließ kleine Blitze über ihren Arm tanzen. Seine Hüften waren zwischen ihren Beinen eingekeilt, und die kleinste Bewegung erzeugte Reibung auf den Innenseiten ihrer Oberschenkel und sandte Feuer in ihren tiefsten Kern. Unerwartete Zuckungen durchliefen ihren Körper, als er näher rückte und sein Kopf ihre Brüste streifte. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu stöhnen. Ihre Brüste waren so empfindlich, dass sie die leichteste Berührung kaum ertragen konnte.Als er ihre Handfläche untersuchte, streifte seine Stirn ihr Oberteil direkt über ihren straffen Brustwarzen. Feuerzungen leckten an ihren Brüsten, und ihr Körper verlangte pochend und pulsierend nach Erlösung. Eine kleine Bewegung seines Kopfes hätte genügt, um ihr schmerzendes Fleisch in seinen heißen, feuchten Mund zu ziehen. Er sah ihr in die Augen, und beide stellten das Atmen ein.

»Was ist jetzt, wird sie es überleben?«, fragte Paul und ließ das Netz sexueller Spannung zwischen ihnen zerreißen. »Wenn ihr beide da drüben nicht bald fertig seid, weiß der Rest von uns nämlich nicht, wie wir die Nacht überstehen sollen.«

»Heiliger Strohsack, Jess«, setzte Trevor an.

»Du wirst kein weiteres Wort sagen, junger Mann«, gebot Jessica ihm Einhalt. Sie hielt den Blick von Dillon abgewandt, denn das war die einzig sichere Lösung. Sie merkte, dass es ihm schwerfiel, den Verband anzubringen. Bei jeder Berührung seiner Finger durchliefen sie Schauer. Schließlich zog er ihre Handfläche auf seine Brust.

»Ich denke, das sollte genug Schutz sein«, sagte er sanft, bevor er mit seinen Handschuhen den Streifen nackter Haut auf ihrer Taille umfasste und sie auf den Boden stellte. »Es tut doch nicht weh, oder?«

Sie schüttelte den Kopf. »Danke, Dillon.«

»Wie lange wird es dauern, bis der verflixte Schnitt verheilt ist?«, fragte Don schroff. »Sie muss spielen können. Wir sind noch lange nicht fertig.«

»Bevor ihr heute aufgestanden seid, habe ich mehrere verschiedene Gitarrenspuren aufgenommen«, sagte Jessica. »Ich wollte ein paar Sachen ausprobieren. Ihr habt also zumindest Material, mit dem ihr arbeiten könnt.« Sie ging um Dillon herum und schlang ihre Finger in Trevors Haar, weil sie den Jungen unbedingt berühren musste, seinen knabenhaften Stolz aber nicht dadurch verletzen wollte, dass sie jetzt, nachdem er in Sicherheit war, allzu viel Wirbel um ihn veranstaltete.

»Was für Sachen?«, fragte Robert neugierig, und eine Spur von Eifer schwang in seiner Stimme mit. »Ich finde, das zusätzliche Saxophon war ein Geniestreich. Der orchestrale Hintergrund hat Wunder gewirkt. Du hast tolle Ideen, Jess.«

Dankbar lächelte Jessica ihn an. »Ich wollte unterschiedliche Gitarrenklänge aufnehmen. Ich habe die Sequenz benutzt, mit der wir gestern begonnen haben, sie aber um ein paar melodische Ausschmückungen erweitert. Ich wollte einen rauen Sound, der zum Text passt, und habe deshalb für den Rhythmus die Les Paul genommen. Trotzdem würde ich gern noch ein paar Schichten darüberlegen. Du solltest es dir mal anhören, Robert, und sehen, was du davon hältst. Ich dachte mir, wir könnten die Strat als Leadgitarre über den Rhythmus legen. Der Song könnte wirklich gewinnen, wenn man die verschiedenen Klänge übereinanderlegt.«

»Oder er wird überladen«, widersprach Don. »Dillon hat eine verdammt gute Stimme. Wir können ihn nicht einfach brutal übertönen.«

»Aber das ist doch gerade das Schöne daran, Don«, entgegnete Jessica. »Wir bleiben weiterhin bei klaren Klängen. Ganz einfach. Das erlaubt uns, sie übereinanderzulegen.«

Brenda ließ ihren Kopf dramatisch auf die Tischplatte sinken. »Ich wünschte, wir könnten mal einen einzigen Abend über etwas anderes als Musik reden.«

»Ich dachte, sie sprechen eine fremde Sprache«, stimmte Tara zu. Sie zog den Stuhl neben ihrer Tante heraus. »Wie langweilig.«

Jessica lachte. »Du willst doch nur die heiße Schokolade, die ich dir versprochen habe. Die bekommst du gleich. Trevor? Sonst noch jemand?«

»Du solltest nicht so unachtsam sein, Jessie«, sagte Don tadelnd zu ihr. »Wir haben nur wenig Zeit, um die Aufnahmen zusammenzuschustern. Du kannst es dir nicht leisten, deine Hände zu verletzen.«

Sie war gerade dabei, die Tassen aus dem Schrank zu nehmen, doch jetzt hielt sie in der Bewegung inne. »Ich hatte dich nicht als ein solches Arschloch in Erinnerung, Don. Warst du schon immer so oder ist das erst kürzlich passiert?« Wenn er Dillon noch einen Seitenhieb versetzte, würde sie ihm eine Tasse an den Kopf werfen. Es gab Wunden, die tief waren, und Don schien darin herumstochern zu wollen. Jessica holte Milch und Schokolade aus dem Kühlschrank, stellte die Tassen daneben und lächelte Don erwartungsvoll an.

Trevor und Tara tauschten einen langen belustigten Blick miteinander aus. Diesen Tonfall kannten sie, und er verhieß nichts Gutes für Don. Tara versetzte Brenda einen Rippenstoß, um sie mit einzubeziehen, und wurde mit einem verschmitzten Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue belohnt.

»So habe ich es nicht gemeint, Jess … Ihr seid alle so überempfindlich«, erwiderte Don defensiv.

»Ich vermute, diesmal lassen wir es dir alle durchgehen, aber du musst wirklich an deinen Umgangsformen arbeiten. Manche Dinge sind akzeptabel, andere sind es nicht.« Ohne den Kopf zu wenden, erhob Jessica die Stimme. »Ich kann dir nur raten, mich nicht nachzuäffen, Trev.«

Die Zwillinge grinsten einander wieder an.Trevor hatte die Worte lautlos mitgesprochen, da er sie schon zahlreiche Male gehört hatte. » Nicht im Traum käme ich auf den Gedanken«, sagte er frech.

»Dillon, möchtest du eine Tasse heiße Schokolade?«, fragte Jessica arglos.

Dillon schüttelte heftig den Kopf, denn allein schon der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken. »Ich kann das Zeug nicht mehr sehen. Im Zentrum für Brandopfer haben sie uns damit abgefüllt.«

»Warum hast du es dann überhaupt im Haus?«, erkundigte sich Jessica neugierig.

»Für Paul natürlich.« Dillon zwinkerte seinem Freund zu. »Er ernährt sich von kaum etwas anderem. Ich glaube, das ist sein einziges Laster.«

Jessica hielt einen Becher hoch. »Na, Paul, wie wäre es?«

»Heute ausnahmsweise nicht. Nach all der Aufregung könnte mich die Schokolade gegen meinen Willen wach halten.« Er strich Tara über das Haar.

»Warum haben sie euch damit abgefüllt, Dad?«, fragte Tara neugierig.

Einen Moment lang herrschte Stille. Dann schlang Brenda lässig einen Arm um Taras Schultern. »Eine gute Frage. Wollten sie euch damit zwangsernähren?«

»Mehr oder weniger.« Dillon sah Paul so hilflos an, dass es Jessica in der Seele wehtat.

Paul nahm ihm die Antwort ab und blieb dabei vollkommen sachlich. »Brandopfer brauchen Kalorien, Tara, jede Menge Kalorien. Da, wo dein Vater war, hat man diesen Bedarf mit Schokoladengetränken abgedeckt, aber sie haben nicht gut geschmeckt, die Mischung war grauenhaft, und er musste sie ständig trinken.«

»Sie haben dir den Geschmack an Schokolade verdorben? «, fragte Tara ihren Vater entrüstet. »Das ist ja furchtbar. «

Dillon sah sie mit einem atemberaubend schelmischen Lächeln an. »Ich denke mal, das war ein geringer Preis für das Überleben.«

»Schokolade tröstet mich über alles hinweg«, gestand Tara. »Was ist es bei dir?«

»Darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht«, gestand Dillon. In seinem Leben hatte es keinen Trost gegeben, seit er seine Familie, seine Musik und alles andere verloren hatte, das ihm am Herzen lag. Bis Jessica aufgetaucht war. Nur sie vermittelte ihm ein Gefühl von innerem Frieden. Er fühlte sich getröstet, wenn sie in seiner Nähe war, trotz der überwältigenden Gefühle und der explosiven Chemie zwischen ihnen. Aber das konnte er seiner dreizehnjährigen Tochter wohl kaum erklären.Wenn er selbst es nicht verstand, wie hätte sie es dann verstehen können?

»Bei mir ist es auch Schokolade«, sagte Paul.

»Kaffee, so schwarz wie möglich«, warf Brenda ein. »Robert mag seinen Martini.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf. »Ich treibe ihn zum Trinken.«

»Du treibst jeden zum Trinken«, wandte Brian ein.

»Du hast schon literweise Bier geschlürft, bevor ich auf der Bildfläche erschienen bin«, sagte Brenda mit gelangweilter Miene. »Deine Sünden hast du nur dir selbst zuzuschreiben. «

»Wir waren zusammen im Kindergarten«, erinnerte Brian sie.

»Du warst schon damals nicht mehr zu retten.«

»Jetzt macht mal Pause«, flehte Don.

Jessica fand den Zeitpunkt ideal, um das Thema zu wechseln. »Wem gehört eigentlich der lange Umhang mit Kapuze?«, fragte sie mit geheucheltem Desinteresse. »Die Wirkung ist ziemlich dramatisch.«

»Ich habe einen«, sagte Dillon. »Ich habe ihn vor Jahren auf der Bühne getragen. An den habe ich schon ewig nicht mehr gedacht. Wieso fragst du danach?«

»Ich habe ihn ein paarmal gesehen«, sagte Jessica und sah Tara in die Augen. »Er wirkte so anders, dass ich ihn mir in Ruhe betrachten wollte.«

»Er muss irgendwo hier sein«, sagte Dillon. »Ich werde mich danach umsehen.«

Ein eisiger Hauch schien sich mit ihrer Frage in die Küche eingeschlichen zu haben. Jessica erschauerte. Wieder einmal regte sich der schreckliche Verdacht in ihrem Kopf. Hatte jemand Trevor vorsätzlich an genau diese Stelle gelockt? Das war ganz ausgeschlossen. Niemand konnte einen Erdrutsch exakt genug bestimmen, um jemandem eine Falle zu stellen. Sie wurde langsam wirklich paranoid. Dillon konnte den Umhang nicht getragen haben, als der Erdrutsch Trevor unter sich begraben hatte, denn er war mit ihr zusammen gewesen. Sie sah sich verstohlen in der Küche um, und ihr wurde klar, dass sie in Wirklichkeit sehr wenig über die anderen Bandmitglieder wusste.

»Ich erinnere mich an diesen Umhang!« Brenda richtete sich mit einem strahlenden Lächeln auf ihrem Stuhl auf. »Erinnerst du dich noch, Robert?Viv hat ihn geliebt. Sie hat ihn ständig um sich herumgewirbelt und so getan, als sei sie ein Vampir. Dillon, wir haben ihn für diese Halloween-Party in Hollywood von dir ausgeliehen, Robert hat ihn getragen, weißt du noch, Liebling?« Sie blickte zu ihrem Mann auf und tätschelte seine Hände, während er sanft ihre Schultern massierte.

»Ich erinnere mich auch daran«, sagte Paul. »Vor einem Monat hing er noch in deinem Kleiderschrank, Dillon, als die Hemden von der Reinigung zurückkamen und ich sie dort aufgehängt habe. Viv dachte dabei an Vampire, und du dachtest an Zauberer.«

»Ich dachte an Frauen«, sagte Brian. »Wisst ihr, wie viele Frauen mich in diesem Umhang und sonst gar nichts sehen wollten?« Er blähte seinen Brustkorb.

»Igitt.« Tara rümpfte die Nase.

»Da muss ich ihr Recht geben«, sagte Brenda. »Ich habe dieses Bild noch heute vor Augen.« Sie schlug sich die Hände vors Gesicht.

»Du fandest es toll«, widersprach Brian sofort. »Du hast mich angebettelt, damit ich ihn trage.«

»Haltet euch zurück«, sagte Jessica warnend.

»Stimmt doch gar nicht, du Idiot!« Brenda war entrüstet. »Ich mag ja vieles sein, Brian, aber ich habe Geschmack. Dich nackt in einem Vampircape herumtollen zu sehen, entspricht nicht meiner Vorstellung von sexy.«

»Weißt du, Brian«, sagte Robert im Plauderton, »ich mag dich wirklich, aber wenn du dir nicht genauer überlegst, womit du meine Frau necken willst, dann könnte es passieren, dass ich dir die Fresse polieren muss.«

»Mann, ist das cool«, sagte Tara und sah Robert mit ihren blauen Augen begeistert an. »Ich hätte nicht gedacht, dass er so cool ist, Brenda.«

Brenda war ganz und gar ihrer Meinung. »Ja, das ist er, nicht wahr?«, sagte sie und sah Tara strahlend an.

Dillon räusperte sich und griff ein, um das Thema zu wechseln. »Erzählt ihr uns von euren Weihnachtsbäumen? « Er wollte eine Verbindung zu den Kindern herstellen. Sie schienen sich seiner Reichweite stets um Haaresbreite zu entziehen. Bestand tatsächlich die Möglichkeit einer Zukunft, in der er nicht ständig an die Qualen erinnert wurde, die er durchlitten hatte? Jessica gab ihm diese Hoffnung. Er schlang seine Arme von hinten um sie und schmiegte sich an ihren Rücken. Sie war die Brücke zwischen ihm und den Kindern, die Brücke, die von einer bloßen Existenz zu einem echten Leben führte.

»Wir haben zwei gefunden, die infrage kommen könnten«, sagte Trevor, »aber perfekt war keiner von beiden.«

»Muss ein Weihnachtsbaum perfekt sein?«, fragte Don.

»Perfekt für uns«, antwortete Trevor, bevor Jessica Atem holen und Feuer speien konnte. »Wir wissen genau, wonach wir suchen, stimmt’s,Tara?«

»Ich rate euch, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein und auf den Wegen zu bleiben«, ermahnte Dillon die Kinder in seinem autoritärsten Tonfall.

»Es wird kein nächstes Mal geben«, murrte Jessica. »Das hält mein Herz nicht aus.«

Trevor rebellierte. »Ich wusste, dass du das sagen würdest, Jess. Das hätte jedem passieren können. Du drehst immer gleich durch, sogar wenn wir vom Fahrrad fallen.«

»Pass auf, was du sagst.« Dillons Mund wurde bedrohlich schmal. »Meiner Meinung nach, steht es Jessica und dem Rest von uns zu, uns Sorgen um euch zu machen. Schließlich warst du vollständig verschüttet, Trevor, und wir wussten nicht, ob du am Leben oder tot bist, ob du überhaupt noch Luft bekommst oder ob du in eine Million Splitter zerbrochen bist.« Seine Arme schlossen sich enger um Jessica, und er fühlte den Schauer, der sie durchlief. Mitfühlend schmiegte er sein Kinn an ihr Haar. »Besitzt den Anstand, uns erschüttert sein zu lassen. Aber macht euch keine Sorgen, wir kommen schon noch zu einem Weihnachtsbaum.«

Jessica wollte protestieren. Sie wollte nicht, dass Trevor das Haus überhaupt verließ, aber Dillon war sein Vater. Es war zwecklos, sich seiner Meinung zu widersetzen, aber sie würde nicht zulassen, dass die Zwillinge noch einmal allein aus dem Haus gingen,Vater hin oder her.

Dillon entging nicht, dass ihr Körper sich versteifte, aber sie blieb stumm. Er drückte einen schnellen Kuss auf ihren verführerischen Nacken. »Braves Mädchen.« Ihre Haut war so zart, dass er sein Gesicht daran reiben wollte. Es juckte ihn in den Fingern, seine Hände auf ihre Brüste zu legen. Mitten in der Küche und umgeben von allen anderen benebelten erotische Fantasien seinen Verstand.

»Tut mir leid, Jessie«, murmelte Trevor. »Ich habe diesen Kreis gesehen. Die beiden Kreise, einer innerhalb des anderen. Der, von dem du gesagt hast, er würde dazu benutzt, Geister anzurufen oder so ähnlich. Er war auf einen flachen Stein gezeichnet. Er hat richtig geleuchtet. Ich habe den Weg nur verlassen, weil ich ihn mir genauer ansehen wollte.«

Plötzlich herrschte Stille in der Küche. Nur der Wind war zu hören, ein leises, düsteres Heulen draußen zwischen den Bäumen. Jessica lief ein Schauer über den Rücken. Augenblicklich nahm sie die Veränderung an Dillon wahr. Da beide an der Kücheninsel lehnten, und sein Körper sie fast von Kopf bis Fuß berührte, konnte ihr seine plötzliche Anspannung nicht entgehen. Ein übermächtiges Gefühl, das über ihn hereingebrochen war, ließ ihn erbeben.

»Bist du ganz sicher, dass du einen doppelten Kreis gesehen hast, Trevor?« Dillons Gesicht war eine ausdruckslose Maske, doch seine Augen loderten.

»Ja«, antwortete Trevor, »er war klar und deutlich zu erkennen. Ich bin nicht nah genug herangekommen, um zu sehen, woraus er bestand, bevor alles auf mich herabgestürzt ist. Er war nicht auf den Felsen gezeichnet oder gemalt, wie ich anfangs gedacht hatte. Die Kreise bestanden aus etwas und waren auf den Stein gelegt worden. Das ist alles, was ich gesehen habe, bevor ich über einen Baumstamm gestolpert bin und alles auf mich runtergekracht ist. Ich habe in die kleine Kuhle an der Seite des Hügels gepasst und bin nur deshalb nicht zermalmt worden. Ich habe mir den Mund und die Nase zugehalten und flach geatmet, sobald nichts mehr nachkam, und gehofft, ihr würdet euch beeilen. Ich wusste doch, dass Tara euch so schnell wie möglich holen würde.«

Dillon sah seinen Sohn weiterhin an. »Brian, hast du diesen Schmutz in mein Haus gebracht? Hast du das im Ernst gewagt, nach allem, was passiert ist?«

Niemand bewegte sich. Niemand sagte etwas. Niemand sah den Schlagzeuger an. Brian seufzte leise. »Dillon, ich habe meinen Glauben, und ich praktiziere ihn, ganz gleich, wo ich bin.«

Dillon drehte langsam den Kopf um und spießte Brian mit seinem stählernen Blick auf. »Du praktizierst diesen Dreck hier? In meinem Haus?« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und in seiner Haltung lag etwas enorm Bedrohliches.

Dillon nahm am Rande wahr, dass Jessica äußerst behutsam eine Hand auf seinen Arm legte, um ihn zurückzuhalten, aber er sah sie nicht einmal an.Wut brandete in ihm auf. Die Erinnerungen, finster und abscheulich, stiegen auf, um ihn mit Haut und Haar zu verzehren. Schreie. Dieser Singsang. Der Gestank von Räucherstäbchen, der sich mit dem Moschusgeruch sexueller Lust verband. Das blanke Entsetzen auf Jessicas Gesicht. Ihr nackter Körper, mit widerwärtigen Symbolen bemalt. Die Hand eines Mannes, die ihre unschuldigen Rundungen schändete, während sich andere schwer atmend und obszön keuchend um sie drängten und zusahen, die mit ihren Händen ihre eigene Erregung fieberhaft steigerten, während sie ihren Anführer anspornten.

Galle stieg in ihm auf und drohte, ihn zu ersticken. Dillon widerstand dem Drang, seine Finger um Brians Kehle zu legen und zuzudrücken. Stattdessen blieb er vollkommen still stehen und ballte seine Hände zu Fäusten. »Nach all dem Schaden, der hier angerichtet worden ist, hast du es gewagt, diese Abscheulichkeiten in mein Haus einzuschleppen?« Sein Tonfall war ruhig und gefährlich, eine Drohung, die einem eiskalte Schauer über den Rücken jagen konnte.

»Trevor und Tara, ihr geht auf der Stelle nach oben.« Jetzt richtete sich auch Jessica auf, denn sie hatte große Angst vor dem, was passieren könnte. »Geht jetzt sofort und ohne jede Diskussion.«

Diesen speziellen Tonfall setzte Jessica nur äußerst selten ein. Die Zwillinge blickten von ihrem Vater zu Brian und verließen gehorsam das Zimmer. Trevor sah sich noch einmal um, weil er sich um Jessica sorgte, aber sie sah ihn nicht an und ihm blieb nichts anderes übrig, als mit Tara zu gehen.

»Ich will, dass du von dieser Insel verschwindest, Brian, und dich nie wieder hier blickenlässt.« Dillon stieß die einzelnen Worte klar und deutlich hervor.

»Ich gehe, Dillon.« Brians dunkle Augen verrieten, dass auch in ihm Wut aufstieg. »Aber vorher wirst du mich anhören. Ich habe weder jetzt noch früher etwas mit dem Okkulten zu tun gehabt. Ich betreibe keine Teufelsanbetung. Ich habe Viv nie in diese Szene hineingezogen, das hat ein anderer getan. Ich habe mein Bestes gegeben, um es ihr auszureden und sie dazu zu bringen, die Finger davon zu lassen.«

Jessica streichelte mit ihrer Hand beschwichtigend Dillons steifen Arm und spürte die Wülste auf seiner Haut, die Narben, Erinnerungen an diese Nacht des Grauens, die für alle Zeiten in sein Fleisch gemeißelt waren.

»Sprich weiter«, sagte Dillon mit rauer Stimme.

»Meine Religion ist alt, ja, das schon, aber es geht um die Anbetung der Erdgottheiten, der Geister, die in Harmonie mit der Erde leben. Ich verwende die magischen Kreise, aber ich rufe keine bösen Mächte an. Das verstieße gegen alles, woran ich glaube. Ich habe getan, was ich konnte, um Viv den Unterschied begreiflich zu machen. Sie war so anfällig für alles Destruktive. « Tränen funkelten in seinen Augen, und seine Mundwinkel zuckten. »Du bist nicht der Einzige, der sie geliebt hat, wir alle haben sie geliebt. Und wir alle haben sie verloren. Ich habe ebenso wie du mit angesehen, wie es mit ihr bergab ging. Als ich herausgefunden habe, dass sie sich mit dieser Schar von Teufelsanbetern eingelassen hatte, habe ich ehrlich alles in meiner Macht Stehende getan, um sie aufzuhalten. «

Dillon fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Noch nicht mal das waren sie wirklich«, sagte er leise und seufzte schwer.

»Sie ist durchgedreht, als sie sich mit Phillip Trent eingelassen hat«, sagte Brian. » Alles, was er gesagt hat, hat sie in sich aufgesaugt, als sei es das Evangelium. Ich schwöre es dir, Dillon, ich habe versucht sie aufzuhalten, aber gegen seinen Einfluss bin ich nicht angekommen.« Er wirkte plötzlich zerbrechlich, und die Erinnerungen ließen sein Gesicht zerbröckeln.

Dillon fühlte, wie seine Wut nachließ. Er hatte Brian fast sein ganzes Leben lang gekannt. Er erkannte die Wahrheit, wenn er sie hörte. »Trent hat sie so schnell in eine Welt von Drogen und durchgeknallten Wahnvorstellungen hineingezogen, dass ich glaube, keiner von uns hätte sie aufhalten können. Ich habe ihn überprüfen lassen. Er hatte seine eigenen religiösen Praktiken und war auf Geld, Drogen und Sex aus, vielleicht auch auf Nervenkitzel, aber seine Rituale basierten auf nichts, was er nicht selbst frei erfunden hätte.«

Jessica trat einen Schritt zurück. Ihre Lunge brannte. Sie musste allein sein, fern von ihnen allen, sogar Dillon. Die Erinnerungen bedrängten sie von allen Seiten. Keiner der anderen wusste, was ihr zugestoßen war, und das Gespräch streifte die Grenzen eines Bereiches, den sie nicht betreten wollte.

»Es tut mir leid, Brian, ich schätze es ist immer einfacher, anderen die Schuld zuzuschieben. Ich dachte, das hätte ich hinter mir gelassen. Ich hätte mich mehr anstrengen müssen, sie in einer Klinik unterzubringen.«

»Ich praktiziere meine Religion nicht in deinem Haus«, sagte Brian. »Ich weiß, wie du dazu stehst. Ich weiß, dass du für den Fall, dein Generator könnte zusammenbrechen, lieber batteriebetriebene Lampen als Kerzen bereithältst, weil dir der Anblick einer offenen Flamme unerträglich ist. Ich weiß, dass du hier keine Räucherstäbchen oder andere Erinnerungen an das Okkulte sehen willst, und das werfe ich dir nicht vor, also nehme ich diese Dinge mit nach draußen, um sie von deinem Haus fernzuhalten. Es tut mir leid – ich wollte dich nicht aufregen. «

»Ich hätte dich nicht beschuldigen dürfen. Lass nächstes Mal den Kreis hinterher verschwinden, damit die Kinder nicht neugierig werden. Ich will ihnen all das nicht erklären müssen.«

Brian sah ihn verwirrt an. »Ich habe nirgendwo in der Nähe des Weges oder auch nur in dieser Gegend eine Zeremonie vorbereitet.« Sein Protest war nicht mehr als ein leises Murmeln.

Dillons Blick und seine Aufmerksamkeit hatten sich auf Jessica gerichtet. Sie war sehr blass. Ihre Hände zitterten, und sie hielt sie hinter ihren Rücken, als sie zur Tür zurückwich. »Jess.« Es war ein Protest.

Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen flehten ihn um Verständnis an. »Ich ziehe mich für heute zurück, ich möchte Zeit mit den Kindern verbringen.«

Dillon ließ sie gehen und sah zu, wie sie sein Herz mitnahm, als sie aus der Küche eilte.