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Die nächsten Tage waren grässlich. Viele Mitarbeiter der Solarfirma hatten ihren Resturlaub
genommen, sodass nur noch ein Teil der Mannschaft anzutreffen war. Die gesamte Verkaufsabteilung
war verwaist. Alice hatte aber mehr zu tun als sonst. Diesmal ging es nicht nur darum, die wartenden
Kunden zur Geduld zu überreden, sondern sie musste ihnen mitteilen, dass ihre Lieferung nie kommen
würde.
Das nahmen viele der Kunden übel; manche beschimpften Alice so wild, dass sie kaum die Tränen
zurückhalten konnte. Ab und zu war Alice auch kurz davor, die Kunden anzuschnauzen, wenn die zu
unverschämt wurden. Doch das galt es um jeden Preis zu vermeiden. Um sich entspannt zu halten,
kaufte sich Alice am zweiten Tag nach der Kündigung Baldriantabletten. Die halfen ein wenig.
Dennoch waren es die härtesten Tage in Alices bisherigem Arbeitsleben.
Abends saß Alice erschöpft in ihrer Wohnung und grübelte, was sie mit ihren Möbeln und den
tausend Kleinigkeiten anfangen sollte. Nach ein paar Tagen entschloss sie sich, nur das
Allerwichtigste
mitzunehmen,
denn
der
Transport
würde
teurer
werden
als
der
Wiederbeschaffungswert der meisten Gegenstände.
Nach Feierabend kaufte sich Alice eine Handvoll stabile Umzugskartons, um ihre Lieblingsbücher
und Klamotten einzupacken. Der Heimtransport der Kartons erwies sich als Alptraum, denn da diese
auch zusammengeklappt sehr sperrig waren, konnte Alice sie nicht radelnd heimschaffen. Alle
Kartons zusammen waren auch so schwer, dass Alice sie nicht mit einer Hand halten konnte. Nach
vielen vergeblichen Versuchen, bat sie die Mitarbeiter des Umzugsunternehmens um eine Kordel, mit
der sie die Kartons zusammenband. Dann stellte sie das Bündel auf das Rohr zwischen den Rädern
ihres Fahrrads. Am Sattel fixierte sie die Kordel, damit das Kistenbündel dort blieb, wo es sein sollte.
So zog Alice schließlich zu Fuss durch Stuttgart und schob ihr bepacktes Rad. Sie konnte kaum
lenken und auch nur zu einer Seite schauen. Daher war sie dankbar, dass auf den Straßen nicht mehr
soviel Verkehr wie früher war. Als sie sich endlich ihrer Wohnung näherte, war es schon dunkel. Weil
nur jede dritte Straßenlaterne leuchtete, fiel Alice der letzte Teil der Strecke besonders schwer. Die
Kartons warfen riesige Schatten, sodass Alice teilweise völlig im Dunkel tappen musste.
Schließlich war Alice aber zu Hause und schleppte die Kartons in ihre Wohnung. Einen klappte sie
gleich auseinander, um die Größe besser einschätzen zu können. Fix und fertig saß sie anschließend
auf ihrem Sofa und begutachtete stolz ihre Beute. Sie kramte den Vertrag mit dem
Umzugsunternehmen aus ihrer Tasche, und las ihn noch einmal gründlich durch. Am Tag vor ihrem
Umzug würden die Kartons von der Spedition abgeholt und dann zum Güterbahnhof gebracht werden.