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Wie wärs mit einem Buch zum Anfassen? http://autorin.eva-marbach.net
die von der Sonne auf die Erde strömt. Man müsste sie nur einfacher anzapfen können. Dieser
Gedanke ließ Alice nicht mehr los.
Ihr wurde im Laufe des Tages sogar bewusst, dass auch die anderen alternativen Energieformen die
Sonnenstrahlung als ursprüngliche Quelle nutzten. Der Wind entstand durch Wärmeunterschiede in
der Atmosphäre, das Wasser wurde von der Sonne verdampft und regnete über den Bergen ab, sodass
man Wasserkraftwerke bauen konnte und die Bäume wurden von der Sonne genährt bis man das Holz
schlagen und verbrennen konnte. Sogar das Erdöl war ein Produkt der Sonnenenergie, wenn es auch
sehr lange gebraucht hatte, um zum Öl zu werden.
Das Problem war also nicht die Sonnenenergie, sondern dass es so schwierig schien, deren Energie
für Menschen direkt nutzbar zu machen.
Alice konnte und wollte es nicht akzeptieren, dass daran möglicherweise ihre Firma scheitern würde.
Auch auf dem Nachhauseweg dachte sie über eine Lösung für die Sonnennutzung nach. Beinahe hätte
sie ein kleines Kind übersehen, das mit seinem Dreirad zwischen zwei parkenden Autos hervorschoss.
Im letzten Moment gelang es Alice, einen großen Schwenker um das Kind herum zu machen. Danach
schlug ihr Herz bis zum Halse und sie zwang sich, besser aufzupassen.
Zuhause schaltete Alice jedoch sofort ihren Computer an, um im Internet nach neuen Ideen für die
Nutzung der Sonnenkraft zu recherchieren. Von der Fülle der Informationen wurde sie fast erschlagen.
Doch nach und nach schälte sich heraus, dass es am einfachsten war, die Wärme der Sonne zu nutzen.
Nicht nur für heißes Wasser, wie bei den Sonnenkollektoren schon weit verbreitet war, sondern auch
zur Erzeugung von Strom.
Mehrere Verfahren trieben Turbinen mit Wasserdampf an, der durch Sonnenenergie erhitzt wurde.
Dazu gab es Rinnen, Parabolspiegel und teilweise sogar Klappspiegel. Für die Speicherung der Hitze
wurde von einigen Anbietern Zinn geschmolzen. Andere Seiten berichteten von sogenannten
Stirlingmotoren, die den Wärmeunterschied nutzten, um Strom zu erzeugen. Es gab sogar Firmen, die
die Sonnenwärme so sehr bündelten, dass sie daraus direkt Wasserstoff produzierten, ohne den
Umweg über Strom.
Faszinierend, was man da alles machen kann. Einen Spiegel müsste man doch einfach herstellen
können. Schön wäre es, wenn ich Erfahrungsberichte aus der Praxis finden würde. Nicht nur die auf
den Anbieterseiten, sondern echte, von unabhängigen Menschen. Ob ich sowas in einschlägigen Foren
finden kann?
Sie ergänzte ihre Suche, um Diskussionsforen zum Thema zu finden. Eine Menge Diskussionen gab
es über die Nutzung der Sonnenenergie, doch viele der Gespräche glichen Schlachten um die
Vorherrschaft bestimmter Meinungen. Das war nicht das, was Alice suchte. Sie ackerte sich durch
diese Textmassen auf der Suche nach praktischen Beschreibungen von Leuten, die Sonnenenergie
selbst auf unkonventionelle Weise nutzten.
Es war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Schließlich stieß sie auf eine Annette aus
dem Ruhrpott, die auf ihrem Balkon einen Schefflerspiegel installiert hatte, und damit einen Großteil
ihres Stroms und Warmwassers produzierte. Das muss wirklich eine schrullige Bastlerin sein. Sowas
auf dem Balkon in einer Großstadtwohnung aufzubauen, ist ja ein echtes Abenteuer. Aber es scheint
zu funktionieren. Sogar Fotos von ihrer Anlage hat sie beigefügt. Wie frech sie grinst mit ihren
silbernen Locken, die ihr wirr ums Gesicht wehen. Aber wenn sowas sogar in einer Wohnung
funktioniert, im trüben Norden Deutschlands, dann ist das bestimmt auch eine passable Lösung für
Eigenheim-Besitzer. Ah, und hier ein Bauplan mit Anleitung. Sie hat das meiste aus Abfall gebaut -
nicht schlecht. Das muss ich unbedingt unseren Technikern zeigen. Und am besten schreibe ich dieser
Annette mal eine Email.
Alice setzte eine Email auf, in der sie aber nicht erwähnte, dass sie bei einer Solarfirma arbeitete.
Während sie schrieb, wuchs in ihr die Idee, so einen Schefflerspiegel auf ihrem eigenen Balkon zu
montieren, um in Zukunft Nebenkosten einzusparen. Als sie die Email abgeschickt hatte, stellte sie mit
Schrecken fest, wie spät es schon war und ging schlafen.
Im Traum sah sie Spiegel über Spiegel, alles voller Spiegel, die in der Sonne glitzerten.