Epilog

»Wenn du deinen faulen, nichtsnutzigen Hintern nicht auf der Stelle aus dem Bett bewegst, trete ich dich hochkant aus dem Haus!« Das eindringliche Gebrüll drang qualvoll schrill in Jiffs Ohren.

Sonnenlicht schien ihm ins Gesicht, als die Vorhänge jäh aufgezogen wurden.

»Oh, Herrgott noch mal, Ma!«

»Kommt mir nicht mit dem Herrgott! Steh auf! Es ist schon nach Mittag!«

Mit zu Schlitzen verengten Augen spähte Jiff in das äußerst unerfreute Gesicht seiner Mutter empor. Nach Mittag?, dachte er. Dann: Oh verdammt!

»Deine arme Schwester und ich schuften uns den Buckel krumm, und du liegst im Bett und schläfst schon wieder einen Rausch aus!«, polterte die Stimme. »Ich habe keinen versoffenen Tunichtgut großgezogen!«

Jiff lag nur mit einer Unterhose bekleidet inmitten zerknitterter Laken. Sein Schädel hämmerte regelrecht, während sich seine Erinnerung langsam nach hinten zurückarbeitete.

Ich hab mich gestern Abend wieder volllaufen lassen, oder? Scheiße, ich hab ’n ganzen Tag lang im Nagel gesoffen, bis der Schuppen zugemacht hat ...

»Hier stinkt’s wie in einer Brauerei!«, keifte seine Mutter. »Hast du irgendeine Entschuldigung?«

Mühsam stützte sich Jiff auf einen Ellbogen. »Verdammt, Ma, tut mir leid. Hast recht, ich trink in letzter Zeit zu viel. Aber das mach ich nur, wenn ... du weißt schon. Wenn’s Haus einen seiner Anfälle hat.«

Ihr Finger wackelte vor seinem Gesicht. »Ich will nichts über das Haus oder diesen Geisterkram hören. Halt darüber bloß den Mund. Verdammt, Junge, wir haben das Vergnügen, Savannah Sammy als Gast in unserer Pension zu haben, und du wirst auf keinen Fall über diese Schauermärchen mit ihm reden! Ist das klar?«

»Sicher, Ma«, brachte Jiff stöhnend hervor.

»Savannah Sammy ist ein wichtiger Gast, noch wichtiger als Mr. Collier ...«

»Ach, Ma. Du bist doch bloß deswegen so ausm Häuschen, weil du scharf auf den Typen bist, genau wie vorher auf Mr. Collier ...«

»Hüte deine Zunge, Junge!«, brüllte seine Mutter noch lauter. »Sonst fliegst du so sicher hier raus, wie sich Schweine im Dreck suhlen!«

Grundgütiger ...

»Und jetzt mäh das Gras, stutz die Hecken und knöpf dir das Unkraut vor! Und hast du überhaupt schon die Schweinshaxen geholt?«

Gequält rieb sich Jiff die Schläfen. »Schweinshaxen?«

»Herrgott, Junge, alles was ich zu dir sage, geht bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus. Ich habe dir gestern gesagt, du sollst zum Fleischer gehen, zwanzig Haxen holen und anfangen, sie zu räuchern, weil ich dieses Wochenende meine Schweinshaxen und grünen Gumbo für die Gäste koche! Aber wahrscheinlich bist du noch zu betrunken, um dich daran zu erinnern.«

Jiff stöhnte.

Mrs. Butler schwenkte einen Packen von irgendetwas vor seinem Gesicht und ließ ihn anschließend auf seinen Schoß fallen.

»Was, zum Teufel, is’ das alles, Ma?«

»Ob du’s glaubst oder nicht, das ist deine Post.«

Briefe lagen über das Bett verstreut. Ich bekomm’ aber nie Post, dachte er.

»Ich weiß ja nicht, was in dein Spatzenhirn gefahren ist, Junge, aber du solltest dir die Flausen aus dem Kopf schlagen, und zwar schleunigst!« Wieder wackelte ihr Finger vor seinem Gesicht. »Du bist zu verantwortungslos, um eine Kreditkarte zu haben, wozu also beantragst du welche?«

Kreditkarten? Jiff kratzte sich am Kopf und betrachtete einige der Briefe. Mehrere stammten von Visa, Mastercard und American Express. »Ma, ich hab keine Kreditkarten beantragt.«

»Tja, das ist gut, denn wenn dein stinkfauler, arbeitsscheuer Säuferhintern nicht in zwei Sekunden aus diesem Bett raus ist, hast du keinen verdammten Job mehr, um eine Kreditkarte zu bezahlen!«

Jiff wusste, dass sie es ernst meinte. Seine Mutter fluchte sonst nie.

»Zwei Sekunden, Junge!«, brüllte sie zur Betonung noch ein letztes Mal, dann schlug sie die Tür so heftig zu, dass die Wände samt seinem Poster von George Clooney erzitterten.

Verflucht. So sollt’ ’n Tag nich’ anfangen. Mühsam quälte er sich aus dem knarrenden Bett. Und was soll das mit den Kreditkarten? Bloß Werbepost, aber warum ausgerechnet von diesen Firmen?

Sogar eine kalte Dusche belebte ihn kaum. Er wusste, dass er sich wirklich mit dem Trinken zurückhalten musste. Als er sich gerade an die Arbeit machen wollte, fiel ihm auf, dass der Anrufbeantworter blinkte. Er drückte auf die Abspieltaste und bedauerte es sofort, da er bereits ahnte, wer es sein würde.

»Mein Gott, Jiff«, krächzte die Stimme. »Ich bin verloren ohne dich. Bitte, bitte, tu mir das nicht an. Du musst zu mir kommen – ich zahle dir, was du willst. Ich ... i-ich ... liebe dich ...«

Jiff löschte die Nachricht und stellte fest, dass alle anderen ebenfalls von Sute stammten.

Armer alter Fettwanst. Aber ... scheiß auf ihn.

Schrill klingelte das Telefon. Das Geräusch bohrte sich wie Nadeln in Jiffs verkatertes Gehirn. Verflucht! Er wusste, dass es bestimmt Sute sein würde. Dann kann ich’s auch gleich erledigen ...

Er riss den Hörer ans Ohr. »Hör zu, J. G., ich hab dir ja gesagt, dass wir fertig mit’nander sin’. Tut mir ja leid, dass es dich so hart trifft, aber du musst aufhören, hier anzurufen!«

Eine Pause entstand. »Ich möchte mit Mr. Jiff Butler sprechen.«

Jiff runzelte die Stirn; es war nicht Sute. »Am Apparat. Passen Sie auf, ich hab ’ne Menge Arbeit, und falls Sie einer von diese Televerkäufer sin’, ich hab kein Interesse ...«

»Nein, Sir, ich bin von der Bank. Tut mir leid, Sie zu stören, aber es geht um den Scheck, den Sie gestern Nacht eingelöst haben.«

Jiff zermarterte sich das Gehirn. Der Letzte, den Sute mir gegeben hat. »Verdammt, sagen Sie jetzt bloß nich’, dass der Hundert-Dollar-Scheck von J. G. Sute geplatzt is’. Seine Schecks platzen nie.«

Eine weitere Pause. »Nein, Sir. Ich rufe lediglich an, um Ihre letzte Einlösung zu bestätigen, die Sie vergangene Nacht an unserem Automaten vorgenommen haben. An sich machen wir das nicht telefonisch, aber angesichts des Betrags wollten wir, dass Sie Bescheid wissen.«

Jiff kratzte sich am Kopf. »Ach, Sie mein’ die hundert Mücken ...«

»Nein, Sir. Ich spreche von dem Scheck, den Sie vergangene Nacht um 1:55 Uhr morgens eingelöst haben.«

Weitere Rädchen ratterten in Jiffs verkatertem Hirn. Wovon redet der Typ?, dachte er zunächst, dann jedoch machte es klick.

Heilige Scheiße! Was, zum Teufel, hab ich getan?

Er erinnerte sich, sturzbetrunken an der Bar gesessen und mit den alten Eisenbahnschecks herumgefuchtelt zu haben, auf die er in Colliers Zimmer gestoßen war. Er hatte sie jedem gezeigt. Außerdem erinnerte er sich daran, dass einer der Schecks unterschrieben, aber nicht ausgefüllt gewesen war ...

»He, Jiff«, hatte Buster gescherzt. »Warum stellst du den Scheck nicht auf dich und eine Million Dollar aus?« Alle hatten darüber gelacht, nur ...

Jiff war so betrunken gewesen, dass er es wirklich getan hatte.

»Äh, also, es is’ so«, stammelte Jiff. »Was den Scheck angeht. Wissen Sie, ich war gestern Nacht betrunken, und, na ja, verstehen Sie, das sollt’ nur ’n Scherz sein. Ich hatt’ nich’ vor ...«

»Mr. Butler, ich bin nicht sicher, was Sie meinen. Vielleicht haben Sie mich falsch verstanden. Ich rufe nur an, um die Einlösung zu bestätigen und Ihnen mitzuteilen, dass der Scheck gedeckt war.«

Nun entstand auf Jiffs Seite eine Pause. »Soll das heißen ...«

»Ihr aktueller Kontostand beträgt $ 1.000.141,32.«

Jiff starrte ins Leere.

»Aber wenn Sie gestatten, Sir, verbinde ich Sie mit unserem Anlageberater ...«

Ein Klicken ertönte, dann meldete sich die Stimme eines anderen Mannes.

»Hallo, Mr. Butler, ich bin William Corfe, und da Sie ein geschätzter Kunde von uns sind, möchte ich Sie auf einige Anlagemöglichkeiten aufmerksam machen, die Ihnen zur Verfügung stehen.«

Jiff fühlte sich, als stünde er auf dem Gipfel eines Bergs ...

»Ihr derzeitiger Kontostand ist entsetzlich viel Geld für ein gewöhnliches Girokonto.«

»Wie, äh, war noch mal Ihr Name?«, brachte Jiff hervor.

»Corfe. William Corfe. Ich bin Anlageberater bei Fecory Savings and Trust, und ich möchte Ihnen meine Dienste anbieten, falls Sie interessiert daran sind. Wir möchten, dass Ihr Geld für Sie arbeitet, Mr. Butler, und wir können einen Betrag Ihrer Wahl auf ein Sparkonto überweisen oder in Form von hochverzinsten Einlagenzertifikaten, Schatzbriefen oder kurzfristig fälligen Zertifikaten anlegen, was immer Sie möchten. Sie würden eine Menge Geld an Zinsen bekommen, Mr. Butler, und all diese Anlageformen sind staatlich abgesichert.«

Jiff sprudelte die Worte geradezu hervor. »Hab ich echt ’ne Million Dollar auf der Bank?«

»Eine Million, einhunderteinundvierzig Dollar und zweiunddreißig Cent, um genau zu sein, Mr. Butler.«

Dann trat ein Rauschen in die Stille zwischen den Leitungen ... und verzerrte auch die Stimme ...

»Und Jiff, was die alte Eisenschmiede auf eurem Hinterhof angeht – ihr verwendet sie manchmal zum Grillen, nicht wahr?«

Jiffs Mund klappte auf. »Äh, ja, aber was hat das mit ...«

»Und zufällig weiß ich, dass deine Mutter sie anwerfen will, damit du Schweinshaxen darin räuchern kannst, nicht wahr?«

»Woher ... wissen Sie das?«

Weiteres Rauschen in der Leitung. »Denk mal darüber nach, was für andere Dinge du in diesen Grill stecken könntest, wenn du mit den Schweinshaxen fertig bist, in Ordnung?«

Der Telefonhörer an Jiffs Ohr wurde heiß.

»Du verstehst das alles im Moment nicht, Jiff, aber glaub mir, zu gegebener Zeit wirst du das noch.« Dann legte sich das Rauschen, und die Leitung wurde wieder klar.

»... zum Beispiel 4,4 Prozent Zinsen für ein Zertifikat mit zehnmonatiger Fälligkeit. Sie können also jederzeit gerne zur Bank kommen, Mr. Butler. Ich würde mich freuen, über ein solides, geschütztes Anlagepaket mit Ihnen sprechen zu dürfen.«

»Äh ... äh, ja. Klar.«

Jiff legte auf.

Eine lange Weile starrte er aus dem Fenster, vorwiegend auf die alte Schmiede.

Der Mann am Telefon hatte recht: Jiff verstand das alles tatsächlich noch nicht, doch er hatte das merkwürdige Gefühl, dass er in sehr naher Zukunft J. G. Sute anrufen und ihn vielleicht sogar in die Pension einladen würde.