Kapitel 14

I

Collier erwachte durch grellen Sonnenschein und ein eindringliches Klopfgeräusch.

Huch. Was ...

Ein stirnrunzelnder Mann in Polizeiuniform klopfte an die Scheibe. Collier kurbelte sie herunter und schirmte mit der Hand die Augen ab.

»Oh, Sie sind das, Mr. Collier«, sagte der Beamte. »Ich habe gehört, dass Sie in der Stadt sind. Ich bin Sheriff Legerski. Hier ist Ihr Strafzettel.«

Collier versuchte, seine Benommenheit abzuschütteln. »Strafzettel wofür?«

»Nicht einmal große Fernsehstars dürfen widerrechtlich parken.« Der Sheriff zeigte auf das Schild gleich neben Colliers limonen-grünem Kotflügel. Parken verboten von 09:00 bis 17:00 Uhr.

Collier betrachtete den Strafzettel. »Einhundert Dollar?«

»Normalerweise sind es fünfundzwanzig, aber Sie bekommen den Prominententarif.« Der Sheriff lachte ausgelassen. »War bloß ein Scherz. Aber so ist es nun mal, Mr. Collier.«

Herrgott. Collier unterschrieb mit einem ihm gereichten Stift.

»Zahlen Sie die hundert Dollar, wann immer es Ihnen passt, per Scheck, Überweisung ... Oder wissen Sie was? Sie können mir auch fünfundzwanzig bar auf die Kralle geben, wenn Ihnen das lieber ist.«

Collier gab dem Mann das Geld. Sein Kopf schmerzte von der grellen Sonne.

»Danke. Sagen Sie, ist das da drin Ms. Cusher?«

»Äh ... ja.«

Der Sheriff zwinkerte. »Ich stell schon keine Fragen.« Damit zerriss er den Strafzettel. »Übrigens, ich liebe Ihre Sendung! Schönen Tag noch, wünsche ich. Oh, und fahren Sie den Wagen weg, ja? Und vielleicht sollten sie ihn umlackieren lassen. Mit einer etwas ... männlicheren Farbe.«

Collier lenkte das Auto einige Meter weiter zu einem anderen Schild, auf dem stand: Parken ganztägig erlaubt. Neben ihm erwachte Dominique.

Blinzelnd sah sie sich um. »Was ...«

»Guten Morgen.«

Sie wirkte ungläubig, als ihre Hände durch das Fahrzeug tasteten. »Was mache ich in diesem schrägen Auto? Und – wie spät ist es?«

»Viertel nach zehn.«

»Verdammt!« Sie wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich hätte um zehn aufsperren sollen! Wie konntest du mich so lange schlafen lassen?« Ein verärgerter Blick zur Eingangstür des Restaurants offenbarte mehrere Mitarbeiter, die zu ihnen herübergrinsten. »Verdammt!«

Schmunzelnd schaute sie zu ihren Schuhen hinab. »Wo sind meine Socken?« Eine Hand wanderte zu ihrem Busen. »Und wo ist mein BH?« Ihre Augen weiteten sich, als sie die Hand kurz unter die Gürtellinie senkte.

Dominique bedachte ihn mit einem langen, eindringlichen Blick. »Justin, wo ist meine Schambehaarung?«

Collier lehnte sich zurück und seufzte. »Du hast sie dir letzte Nacht abrasiert. In dem Badezimmer. Bei Kerzenlicht. Mit einem sehr alten Rasiermesser.«

Er konnte förmlich sehen, wie ihre Gedanken hinter ihren Augen rotierten.

»Ich ... glaube ... ich erinnere mich«, sagte sie. Als sie sich seitlich am Kopf berührte, verfinsterte sich ihre Miene. »Ich erinnere mich außerdem, dass du mich geschlagen hast!«

»Du hast mir keine andere Wahl gelassen, Dominique.«

»Ich ...«

»Du wolltest mich mit einem Kissen ersticken.«

Ihr starrer Blick verriet ihm, dass sie sich erinnerte. »Und wir haben nicht ...«

»Nein, wir hatten keinen Sex. Dein Zölibat ist unangetastet.«

Sie rieb sich das Gesicht. »Aber ... ich wollte es tun, oder?«

»Du nicht«, entgegnete Collier. »Jemand anderes wollte, dass du es tust.«

»Wie meinst du das?« Abermals weiteten sich ihre Augen. »Oh mein Gott. Habe ich dich angefasst?«

»Dominique, vergiss es einfach. Es ist vorbei.«

»Aber was ist passiert?«

Collier brauchte dringend ein Bier. »Ich glaube, du warst von Penelope Gasts Geist besessen«, antwortete er schließlich.

Erschrocken ließ sie sich auf dem Sitz zurückfallen.

»Vergiss es. Tu so, als wäre es nie geschehen. Geh einfach rein, mach deine Arbeit und vergiss die ganze Sache.«

Langsam nickte sie und setzte dazu an, auszusteigen. Dann hielt sie inne und hob die Hand erneut an den Busen. »Gib mir meine Unterwäsche.«

»Kann ich nicht.«

»Was soll das heißen? Wo ist sie?«

»Deine Unterwäsche hängt in meinem Zimmer, wo du sie gelassen hast.«

»Tja, dann fahr zurück zur Pension, Justin. Zu Hause kann ich mich nicht umziehen, weil dort immer noch die Kammerjäger sind.«

Träg schüttelte Collier den Kopf. »Dieses Haus betrete ich nie wieder, Dominique. Ich fahre dich gerne rauf, falls du zurück in das Zimmer willst, um dein Zeug zu holen, aber ... ich tu’s nicht. Kommt nicht infrage.« Er musterte sie. »Soll ich dich hinfahren?«

»Nein, wenn ich’s mir recht überlege ...«

»Es wird dich nicht umbringen, wenn du einen Tag lang ohne Unterwäsche arbeitest«, versicherte ihr Collier. Der Anblick ihrer Brüste tauchte in seinem Geist auf. »Glaub mir, eine Dominique ohne BH hinter der Bar wird dafür sorgen, dass dein Lokal den ganzen Tag lang gerammelt voll ist.«

Sie stieg aus dem Auto und ging wie benommen um den Wagen herum zu seiner Seite. »Wohin willst du jetzt?«

»Ich muss mir etwas einfallen lassen, wie ich mein Gepäck und meinen Laptop aus dem Zimmer kriege. Geh du zur Arbeit, ich komme später zurück.«

Sie beugte sich zum Fenster. »Du bist schon etwas Besonderes, weißt du das? Vergangene Nacht hättest du die Möglichkeit gehabt ...«

»Aber ich hab’s nicht getan.« Er grinste sie an. Weitere Bilder ihres makellosen nackten Körpers tauchten vor seinem geistigen Auge auf. »Glaub mir, einfach war’s nicht.«

»Starren Sie mir etwa in den Ausschnitt, Mr. Collier.«

»Ja.«

Dominique küsste ihn und lachte. »Bis später«, sagte sie, dann eilte sie verlegen los, um ihr Restaurant aufzusperren.

Colliers gute Laune verflog allmählich, als er zurück zur Pension fuhr. Das strahlende Tageslicht beruhigte ihn nicht so sehr, wie es ihm lieb gewesen wäre. Er wusste bereits, dass er das Haus nicht noch einmal betreten konnte, Tageslicht hin, Tageslicht her.

Als er Jiff erblickte, der auf der Veranda die Aschenbecher leerte, sprang Collier aus dem Auto.

»He, Jiff. Ich muss mit Ihnen reden ...«

Der jüngere Mann ließ sich auf eine Bank plumpsen. »Hi, Mr. Collier.«

»Jiff, geht es Ihnen gut?«, fragte Collier, als er die blutunterlaufenen Augen und die schlaffe Haltung des Mannes bemerkte.

»Hab gestern Abend zu viel getrunken, Mr. Collier.«

Gut. Dann erinnerst du dich vielleicht nicht daran, mich mit deiner Mutter und Schwester im Bett gesehen zu haben, dachte Collier.

»Haben Sie schon mal so viel in sich reingeschüttet, dass Sie am nächsten Tag immer noch besoffen waren?«

»Immer wieder.«

»Tja, so fühl ich mich grade.«

Vielleicht kann ihn das aufmuntern. Collier zog eine Fünfzig-Dollar-Note aus der Brieftasche. »Jiff, Sie müssen mir einen großen Gefallen tun. Sie müssen in mein Zimmer gehen und mir meinen Koffer und meinen Laptop holen. Ich muss sofort auschecken.«

Jiff sackte auf der Bank noch weiter zusammen. »Scheiße, Mr. Collier, ich hoff’, sie reisen nich’ wegen dem ab, was passiert is’ ...« Dann jedoch sprach er nicht weiter.

»Was vergangene Nacht passiert ist?«, hakte Collier nach. »Im ... Zimmer Ihrer Mutter?«

Jiff senkte den Blick.

»Was genau ist eigentlich passiert, Jiff? Waren das wirklich wir? Oder war es das Haus?«

Jiff schaute auf. »Es war’s Haus, das irgendwas mit uns gemacht hat. Ich schätz’, so könnt’ man’s sagen. Scheiße. Und deshalb wollen Sie nich’ wieder rein, was?«

»Genau, Jiff.«

»Oh, aber jetzt is’ es wieder in Ordnung. Passiert nich’ oft, nur hin und wieder – die Träume und was man hört und sieht oder zu sehen glaubt. Und was man macht. Aber Ma sagt, das Haus durchläuft so was wie Zyklen. Is’ schon seit dem Krieg so.«

Für Collier änderte das nichts.

»Ma sagt außerdem, dass bestimmte Menschen den Zyklus auslösen, aber das hab ich nie richtig kapiert.«

Bestimmte Menschen, dachte Collier.

Doch auch das änderte für ihn nichts. »Ich glaube, ich bleibe trotzdem lieber hier draußen.«

»Alles klar, Mr. Collier.« Jiff raffte sich auf und nahm den Fünfzig-Dollar-Schein. »Ich bin mit Ihrem Zeug gleich wieder da.«

»Oh, und könnten Sie Ihrer Mutter sagen, sie soll meine Rechnung vorbereiten?«, fragte Collier. »Meine Karte hat sie bereits durchgezogen.«

»Wird gemacht.«

Collier machte einen tiefen Atemzug.

Als er die dicke Eiche im Vorgarten betrachtete, lächelte er. Der Baum sah genau wie jeder andere aus.

Ein Mann mit längerem blondem Haar – offenkundig gefärbt – kam mit einem kleinen Koffer den Weg herauf. Er winkte Collier zu.

»Was bin ich froh, dass ich dich gefunden habe, Justin. Verdammt, was ist eigentlich los?«

Collier traute seinen Augen nicht. Diese gefärbten Haare und die künstliche Sonnenbräune hätte er überall erkannt. »Sammy?«

Der Mann trat in einem kitschigen Hawaiihemd, blauen Jeans mit gestärkter Bügelfalte und Krokodillederstiefeln vor ihn hin. »Mann, ich hasse diese Sechs-Stunden-Flüge. Und dann erst die Fahrt hierher – was für eine Tortur.«

Was um alles in der Welt macht DER hier?, fragte sich Collier.

»Und herzlichen Glückwunsch dazu, dass du mir den dritten Platz weggeschnappt hast ... Pisser.« Savannah Sammy lächelte mit gebleichten Zähnen. Die beiden Männer schüttelten einander die Hand.

»Sammy, warum bist du hier?«

»Weil du hier bist, und den Grund dafür kann ich nicht mal ansatzweise erahnen. Prentor hat mir erzählt, du hättest ihm eine verrückte Mitteilung auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Er meinte, du würdest die Sendung nicht weitermachen. Dann hat er fünfzigmal versucht, dich zurückzurufen, aber er sagt, du bist nie rangegangen.«

Scheiße. Das Unwetter letzte Nacht ... Und Colliers Telefon lag oben. Wahrscheinlich sind inzwischen fünfzig aufgeregte Nachrichten drauf.

Sammy verengte die Augen. »Sag mir, dass es ein Scherz war, Justin. Deine Quoten sind sprunghaft gestiegen. Man lehnt eine Vertragserneuerung nicht ab, wenn man mit seiner Sendung auf den dritten Platz hochschießt.«

»Es ist kein Scherz«, beteuerte Collier. »Ich werde den Vertrag nicht unterschreiben.«

Sammy lächelte. »Schon klar, kapiert. Du pokerst um mehr – cool. Deshalb bin ich hier, Mann. Prentor hat mich geschickt, um dich zu überreden, zurückzukommen. Ich weiß, wie es läuft – das erste Angebot nimmt man nicht an. Aber ich bin bereit, es nachzubessern, und zwar um ...«

Belustigt schüttelte Collier den Kopf. »Ich pokere nicht, Sammy. Ich will die Sendung nicht mehr machen.«

Sammy runzelte die sonnengebräunte Stirn. »Hat dir ein anderer Sender ein Angebot gemacht? Wir sind bereit, gegenzubieten.«

»Du hörst mir nicht zu. Ich komme nicht zurück. Ich fühle mich ausgebrannt. Ich hab die Schnauze voll vom Fernsehen ...«

Savannah Sammy schien drauf und dran zu sein, Collier an die Kehle zu springen. »Justin! Du bist gerade erst zum attraktivsten Mann bei Food Network TV gewählt worden! Davor läuft man nicht einfach weg!«

»Ich schon.« Collier zwinkerte. »Aber sieh’s mal positiv. Wenn ich weg bin, bist du wieder die Nummer drei, gleich hinter Emeril und ... wie heißt die andere noch?«

Sammys Haarspray fing an, klein beizugeben. »Du hast gerade den großen Wurf gelandet, Bruder! Dazu sagt niemand nein!«

»Ich schon. Ich will einfach Bücher über Bier schreiben und mich entspannen. Ich gehe nicht mal zurück nach Los Angeles.«

»Wo willst du dann hin?«

»Hierher«, antwortete Collier. »Ich bleibe hier in Gast.«

Eines von Sammys Augen begann zu zucken. »Das hier ist ein Kaff für Bürgerkriegstouristen am Arsch der Welt in Tennessee!«

»Genau.« Collier klopfte ihm auf die Schulter. »Tut mir leid, dass du die weite Reise umsonst gemacht hast, Mann. Aber meine Entscheidung steht fest.«

»Meine Fresse. Das kauft mir Prentor nie ab ...« Dann zuckte Sammys Blick zu den Glasscheiben der Tür. »Mann, sieh dir mal die alte Frau mit dem Mörderkörper an. Heilige Scheiße!«

Mrs. Butler kam durch die Tür. Ein hautenges Kleid betonte ihre Brüste und ihre ausladenden Hüften.

»Und dann erst die kleine Sahneschnitte hinter ihr!«, fügte Sammy hinzu.

Er meinte Lottie, die ihrer Mutter mit einem rückenfreien Oberteil und einer kurzen Hose folgte, kaum größer als ein Bikini.

»Mr. Collier, es tut mir so leid, dass Sie nicht länger bleiben«, meinte Mrs. Butler in bedauerndem Tonfall. »Jiff hat gesagt, Sie müssen sofort auschecken.«

»Ja, stimmt. Die Stadt verlasse ich allerdings nicht.« Collier unterschrieb seine Kreditkartenquittung und gab sie ihr zurück.

Lottie grinste ihn an. Lass es uns treiben, formten ihre Lippen.

Manche Dinge ändern sich wohl nie, dachte Collier.

Mrs. Butler jedoch starrte bereits seinen Begleiter an. »Du meine Güte!« Sie packte Colliers Arm. »Sehe ich gerade denjenigen an, den ich anzusehen glaube?«

Das wird spitze! »Mrs. Butler, darf ich Ihnen den Star von Food Network TV vorstellen, Savannah Sammy ...«

»... von Savannah Sammys pfiffige Räucherkammer!«, quiekte die alte Dame entzückt. Lotties Blick senkte sich jäh auf Sammys Schritt.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am.« Sammy streckte die Hand aus.

Die Frau fiel beinahe in Ohnmacht. »Oh, ich LIEBE ihre Sendung! Und bitte, bitte, nennen Sie mich Helen. Wird uns die Ehre zuteil, dass Sie bei uns übernachten?«

Sammy zögerte. Sein Blick klebte an Mrs. Butlers Busen. »Also ...«

»Bleib doch ein paar Tage, Sammy«, ermunterte ihn Collier. Er legte beiden je eine Hand auf die Schulter und drängte sie, ins Haus zu gehen. »Du wirst sehen, das ist die beste Pension, die du je erlebt hast.«

Sammys Augen konnten sich nicht entscheiden, wessen Körper sie eingehender begutachten sollten: den von Mrs. Butler oder den von Lottie. »Ja, ich schätze, ein paar Tage könnte ich schon bleiben ...«

Collier drückte die Schulter der alten Frau. »Mrs. Butler, warum geben Sie Sammy nicht mein früheres Zimmer?«

»Oh, nur allzu gern! Kommen Sie mit hinein, Mr. Sammy!«

Lottie griff sich Sammys Koffer und folgte den beiden ins Haus.

»Bis später, Sammy«, verabschiedete sich Collier.

»Ja, ja, wir reden noch mal drüber ...«

Nein, tun wir nicht, dachte Collier. Er kicherte leise. Dieses Haus wird ihn einfach lieben ...

Jiff kam mit Colliers Koffer und Laptop heraus. »Also, hier is’ Ihr Zeug, Mr. Collier. War toll, Sie kennengelernt zu haben.«

»Wir werden uns noch oft sehen, Jiff. Ich ziehe hierher.«

Jiffs verkaterte Augen weiteten sich jäh. »Is’ das ’n Scherz?«

»Nein. Ich brauche einen Tapetenwechsel. Dringend.«

Verwirrt schwieg Jiff eine Weile. »Tja, das is’ ja toll ...«

Collier nahm den Koffer entgegen. »Ich muss mich jetzt um ein paar Dinge kümmern, aber wir sehen uns ja noch.«

»Alles klar, Mr. Collier.« Dann jedoch hielt Jiff ihn zurück. »Warten Sie ’n Moment. Bevor Sie gehen ...« Er zog etwas aus der Tasche. »Wusste nich’, ob Sie das in Ihrem Koffer haben wollen ...«

Er reichte Collier Dominiques Büstenhalter und Slip. »Danke, Jiff. Ich werde beides der rechtmäßigen Besitzerin zurückbringen. Passen Sie auf sich auf!«

Collier verstaute sein Gepäck im Auto und fuhr davon.

Jiff schüttelte den Kopf. »Wozu in Dreiteufelsnamen will er ausgerechnet hierher ziehen?«, murmelte er.

II

Jiff beschloss, den Rest des Tages blau zu machen. Der Kater machte ihm schwer zu schaffen, und da seine Mutter und Schwester so viel Aufhebens um diesen Sammy veranstalteten, der gerade eincheckte ...

Die werden gar nich’ merken, dass ich weg bin.

Jiff schlenderte zum Nagel, allerdings nicht, um anzuschaffen. Scheiße, ich bin sogar dafür zu verkatert ... Gegen einen Kater dieser Größenordnung gab es nur ein wahres Heilmittel.

In der langen, dunklen Bar hielten sich so früh noch keine Gäste auf, nur Buster, der in seiner Weste und mit seinem Frankenstein-Haarschnitt Gläser aufhängte.

»Jiff. Kann kaum glauben, dass du nach all dem Bier, das du gestern Abend in dich reingeschüttet hast, schon wieder hier bist.«

»Buster, ich brauch ’n Katerbier.«

»Ich weiß echt nicht, wo du das hinsäufst.« Buster schob ihm ein Bier zu. »Wie läuft das Geschäft?«

»Spritzig.«

Die beiden lachten gleichzeitig.

»Hab gehört, du hast den alten J. G. abserviert. Stimmt das?«

Jiffs Schultern sackten herab. »Ja, der alte Spinner is’ sogar für mich zu schräg geworden.«

»Ich wette, der arme alte Teufel ist völlig fertig. Wahrscheinlich springt er aus dem Fenster.«

»Das hoff ich nich’.« Jiff verstummte kurz. »Das würd’ ’n Riesenloch in der Straße geben.«

Die beiden Männer lachten grölend.

»Oder vielleicht wirst du auch selbst bloß zu alt«, meinte Buster, »und willst es dir nicht eingestehen.«

Schlagartig verfinsterte sich Jiffs Miene. »He. Jiff Butler wird nie zu alt sein, um anzuschaffen. Die Männer werden noch für mein’ harten Schwanz zahlen, wenn ich neunzig bin.«

»Ach ja? Wie alt bist du jetzt? Achtunddreißig?«

»Zweiunddreißig, du Penner.«

Buster schnaubte. »Wenn du zweiunddreißig bist, ist George Clooney Republikaner.«

Aus dem Augenwinkel bemerkte Jiff im Fernseher den Beginn von Savannah Sammys pfiffige Räucherkammer. »Das wirste nich’ glauben, Buster, aber der Kerl hat grad bei uns eingecheckt, gleich, nachdem Collier ausgecheckt hat. Irgendwie merkwürdig, wennste mich fragst.«

»Zwei Typen von Food Network TV am selben Tag, was? Das ist merkwürdig. Aber noch merkwürdiger ist, dass dieser Collier unlängst hier war.« Grinsend beugte sich Buster vor. »Hast du eine Nummer mit ihm geschoben?«

»Ne ...«

»Es wird andauernd ausgestrahlt, dass er der attraktivste Mann des Senders ist.«

Jiff zuckte mit den Schultern, dann fiel ihm leicht verlegen ein, was er vergangene Nacht während des Unwetters beinahe getan hätte. Mann oh Mann ...

Er konnte nur hoffen, dass sich das Haus eine Zeit lang beruhigen würde. »Er is’ hetero, glaub mir. Steht voll auf Dominique Cusher.«

»Diese Christin?«

Jiff nickte. »ALLE Heteros sin’ irgendwie schräg drauf, oder?«

»Das kannst du laut sagen.«

Als Jiff anzeigte, dass er ein weiteres Bier wollte, runzelte Buster die Stirn. »Hast du Geld, Jiff? Noch mal ziehst du mich nicht so über den Tisch wie neulich.«

Jiff tat so, als sei er beleidigt, und zog den Fünfzig-Dollar-Schein hervor, den er von Justin Collier bekommen hatte. »Zapf mir einfach noch ’n kühles Blondes ... Schwuchtel.«

»Kriegst du ... Diva.«

Beide Männer lachten.

Nach der Hälfte des zweiten Biers fühlte sich Jiff besser.

»Ich hätte nichts dagegen, mit dem da eine Runde zu poppen«, meinte Buster und deutete auf den Bildschirm.

Savannah Sammy beizte gerade Rippchen.

»Er is’ älter, als er aussieht, hat sich wahrscheinlich liften lassen«, mutmaßte Jiff. »Und seine Zähne sin’ weiß wie Wandfarbe. Hat sie bestimmt in Kalifornien bleichen lassen. Ich mag diesen künstlichen Kram nich’ ... außer, die Kohle stimmt.«

Wieder lachten die beiden Männer.

Jiff blickte auf den Fünfziger, den er auf die Theke gelegt hatte. Etwas schien sich darunter zu befinden.

Oh, einer dieser Schecks, erinnerte er sich. Er hatte ihn zusammen mit der Banknote aus seiner Tasche gezogen.

»Was ist das?«, fragte Buster.

Jiff zeigte ihm einen der Schecks. »Alte Lohnschecks von der ursprünglichen Gast-Eisenbahn.«

»Aus dem Bürgerkrieg?«

Jiff nickte.

»Verdammt, sieh dir das an.« Buster begutachtete den Scheck. »Der ist aus dem Jahr 1862.«

»Hab die Dinger in Colliers Zimmer gefunden.«

»Wie sind sie da hingekommen?«

»Wahrscheinlich hat er sie in ein’ alten Bücherregal oder Schreibtisch gefunden. Die Dinger sin’ überall in der Pension meiner Ma.« Er nahm den Scheck zurück und betrachtete ihn gelangweilt.

Das Bier allerdings schmeckte ihm. Er hatte das Gefühl, dass er eine Weile bleiben würde.

Jiff wollte die alten Schecks gerade zurück in die Tasche stecken, als ihm auffiel, dass einer zwar am unteren Rand unterschrieben, jedoch weder datiert noch sonst irgendwie ausgefüllt war.

III

Als Collier Cusher’s kurz vor Mittag betrat, war an der Bar nur ein Platz frei. Die Mitarbeiter hasteten hin und her, da der Ansturm zum Mittagessen gerade begann.

Dominique kam herüber. Sie wirkte immer noch leicht mitgenommen von der vergangenen Nacht.

»Noch nicht mal Mittag, trotzdem ist die Bar heute schon voll«, meinte Collier.

Sie beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Theke. »Ich weiß. So früh ist es sonst nie so voll.«

»Tja, ich hab’s dir ja gesagt.«

»Mir was gesagt?«

Collier zog eine Augenbraue hoch. »Dominique ohne BH ergibt eine volle Bar.«

»Ach, hör auf.« Sie senkte die Stimme. »Hast du meine Unterwäsche?«

Collier überlegte einen Moment. Wenn ich mich schon auf eine Frau einlasse, die im Zölibat lebt, dann verdiene ich wenigstens die eine oder andere Vergünstigung. »Verdammt, tut mir leid, hab ich vergessen«, log er. Dabei betrachtete er verstohlen die Schatten ihrer Brustwarzen unter der Bluse. »Mein Fehler. Weißt du was? Ich kaufe dir neue Unterwäsche.«

»Danke.« Dominique runzelte die Stirn und wirkte plötzlich geknickt. »Willst du ein Bier?«

»Nein. Von jetzt an übernehme ich deine Regel. Ein Bier pro Tag.«

»Verstehe. Dann trinkst du es wohl in Los Angeles.«

Die Äußerung und ihr Tonfall berauschten Collier. »Was?«

Sie seufzte. »Hör mal, Justin, ich bin echt miserabel, wenn es um Abschiede geht ...«

»Ich ... kann dir nicht folgen.«

»Du hast mir doch vorher gesagt, dass du zurück zur Pension musst, um dein Gepäck zu holen.« Sie zeigte auf das vordere Fenster. »Und ich kann in diesem Augenblick dein komisch-grünes Auto da draußen mit deinem Koffer auf dem Rücksitz sehen. Das bedeutet, dass du abreist.«

»Also ...«, setzte Collier an.

»Ich wusste nicht, dass du schon so bald aufbrichst. Ich dachte, du würdest wenigstens noch ein paar Tage bleiben. Aber ... verdammt noch mal, ich bin ja selber schuld.«

»Schuld woran?«

»Ich wusste immer, dass du nach Los Angeles zurückgehen würdest, also hatte ich kein Recht zuzulassen, dass du mir ans Herz wächst. Das war dumm. Du bist nur hier, um dich zu verabschieden. Das verstehe ich. Nur hasse ich Abschiede, also belassen wir es einfach dabei, und du gehst. Leb wohl.«

Collier ergriff ihre Hand. »Ich habe mich in dich verliebt.«

»Justin, sag so etwas nicht. Toll, du hast dich in mich verliebt, und jetzt verschwindest du auf Nimmerwiedersehen nach Los Angeles.«

»Ich ...«

Sie versuchte, sich von ihm zu lösen. »Geh einfach, ja? Du ...«

»Würdest du mich wohl mal ausreden lassen, verdammt!«, rief er.

Alle an der Bar drehten ihnen die Köpfe zu. Die dralle Bardame und die anderen Kellnerinnen hielten abrupt inne.

Collier fuhr leiser fort: »Ich gehe nicht zurück nach Los Angeles.«

»Was?«

»Ich bleibe hier.«

»Noch ein paar Tage, meinst du.«

»Nein, nein. Dauerhaft. Ich habe die Sendung geschmissen ...«

Dominique erbleichte. »Du hast was?«

»Ich habe gestern meine Vertragserneuerung abgelehnt. Ich habe das Fernsehen satt. Ich bin ausgebrannt. Ich habe die Schnauze voll vom Stoßverkehr, von Drehzeitplänen und von Kalifornien. Mein Anwalt schickt mir die Scheidungsunterlagen. Meine Frau, dieses Miststück, bekommt die Hälfte von allem, und damit hat es sich.« Er drückte ihre Hand. »Ich will hierbleiben, in Gast.«

Dominique starrte ihn nur an.

»Ich will hierbleiben und eine Beziehung mit dir führen«, erklärte Collier.

Mittlerweile lauschten die Mitarbeiterinnen aufmerksam.

»Justin, ich ... Du weißt, wie ich bin, du weißt, dass ...«

»Das ist mir alles egal. Damit kann ich leben. Was ist schon dabei? Wir probieren es einfach. Ich besorge mir in der Gegend eine Wohnung – oder was soll’s, ich ziehe bei dir ein. Wenn du die Nase voll von mir bekommst, sagst du es mir einfach. Dann schwirre ich ab. Wenn es nicht klappt, trennen wir uns. Und bleiben stattdessen Freunde. Weißt du, wer nichts wagt, der nichts gewinnt.« Er bedachte sie mit einem einladenden Blick. »Also, was sagst du? Klingt das gut für dich?«

Dominique beugte sich vollends über die Theke und küsste ihn. Es wurde ein inniger Kuss mit viel Zungenspiel, und er dauerte lange genug an, dass Collier hören konnte, wie einige Mitarbeiterinnen kicherten und jemand an der Bar raunte: »Besorgt euch ein Zimmer.« In einer absurden Fantasie stellte sich Collier vor, wie sie beide sich liebten ...

Aber das wird nie passieren, erinnerte er sich, als er abermals in ihren Ausschnitt spähte und das zwischen den Brüsten baumelnde Kreuz erblickte. Es sei denn ...

»Und wer weiß?«, meinte er. »Vielleicht klappt es ja doch

»Ja«, gab Dominique enthusiastisch zurück. Vielleicht meinte sie es als Scherz, vielleicht aber auch nicht, als sie hinzufügte: »Vielleicht klappt es, und wir heiraten eines Tages.«

Collier wurde schwindlig, als sie ihn erneut küsste.

Ja, vielleicht eines Tages, dachte er. Oder vielleicht schon SEHR bald ...