11

 

Noch bevor ich die Augen aufmache, spüre ich es.

Mein Geschlecht.

Erleichtert.

Zufrieden.

Dankbar.

Und sie ist noch da.

Wir liegen im Zelt; keine Ahnung, wie und wann wir es hierhergeschafft haben. Es ist früher Morgen, und das Licht, das durch die Zeltwände dringt, ergießt sich über ihre wohlgeformten Kurven. Eine langsame Welle des Verlangens durchflutet mich von unten bis oben, wie ich sie so mit zerzaustem Haar neben mir schlafen sehe. Ihre Haltung hat nichts Katzenhaftes, so wie am Morgen danach in einem romantischen Film. Yolanda liegt auf dem Rücken, den Kopf mir zugewendet, Beine und Arme von sich gestreckt wie ein selig schlafendes Baby, und schnarcht. Ganz leise, aber sie schnarcht. Zärtlichkeit steigt in mir auf, legt sich über mein Begehren, füllt es ganz aus, lässt es sogar noch an Umfang und Festigkeit zunehmen. Auch ich liege da wie ein zufriedenes Baby, nur ist mein Geschlecht jetzt steif. Ein Kribbeln im Arm signalisiert mir, dass ich Yolanda im Schlaf in den Armen gehalten habe.

Dem Licht zufolge ist es Tag, aber in uns regiert weiter die Nacht.

Etwas erinnert mich daran, dass ich dringend nachdenken muss über das, was passiert ist, um dessen wahre Bedeutung einschätzen zu können. Es war eine wundervolle Nacht – aber eben doch nur eine Nacht voller Sex. Davon hatte ich schon viele. Worin unterscheidet sich diese Nacht also von all den anderen?

Nach dem ersten Schock über die Trennung von Leticia hatte es Nummer Drei vollauf genügt, sich eine zweite Haut überzustreifen, um sich wie ein Raubtier ohne Hast auf die Jagd zu machen, egal ob in der Nacht oder am Tag, wenn auch immer unter der Prämisse, Bett und Schweiß fast nie zweimal und allerhöchstens dreimal mit jemandem zu teilen.

Und davor, als wir noch zusammenlebten, selbst als es zwischen Leticia und mir mit allem anderen längst Essig war, war der Sex, den sie später als seelenlos bezeichnete, schön und intensiv gewesen.

So intensiv wie mit den anderen Frauen, auch wenn diese zu Leticias Zeiten zu meinem Job gehört hatten. Nicht selten führt der kürzeste Weg zu einem »Kunden« nämlich in die Arme seiner Frau, der Geliebten oder der Sekretärin. Als ich mich anfangs einmal über diese spezielle Art der Vorsondierung beklagte, lachte die ehemalige Nummer Drei nur höhnisch auf.

»Ich an deiner Stelle wäre überglücklich, nur die scharfen Weiber unserer ›Kunden‹ rumkriegen zu müssen, anstatt deren Kompagnons einschüchtern, illoyale Angestellte unter Druck setzen oder mich als Bulle oder Mafioso ausgeben zu müssen, um an Informationen ranzukommen. Also halt die Klappe, Doc, oder ich lasse dich gegen Nummer Fünfzehn austauschen.«

Nummer Fünfzehn, schön wie ein Gott, tat dasselbe wie ich, nur mit Männern.

Ich beklagte mich nie wieder.

Ich habe wirklich ein hervorragendes Training genossen. Ja, auch darauf bin ich vorbereitet worden. Alle möglichen Techniken, Tantra, Tao und Kamasutra: Bei den Kursen ging es neben dem Sex mit all seinen mechanischen und körperlichen Aspekten vor allem auch um die Kunst der Verführung, die manchmal viel effektiver ist als Sex, wenn man jemandes Sympathie und Vertrauen gewinnen will.

Yolanda gibt jetzt einen schnurrenden Laut von sich, streckt sich wohlig und drückt dann ein Bein an meins, bevor sie wieder in einen ruhigen Schlaf hinübergleitet.

Worin unterscheidet sich also der bisherige Sex vom Sex in der vergangenen Nacht?

Der Unterschied bin ich, der ich jetzt etwas dabei empfinde, während ich früher nur Gymnastik gemacht habe.

Und der Unterschied ist sie, die diese tiefen Gefühle in mir geweckt hat.

Und diese Gefühle sind nun nicht mehr zu unterdrücken. Da nützt es wenig, sich zu sagen, dass es nicht sein darf, dass mein Job, die verlorene Augenklappe eines Piratenkapitäns, mein Doppelleben, die Gefahr, in der Leticia oder ich gerade schweben, all meine verdrängten Zweifel dagegensprechen.

Vielleicht sollte ich es besser mal von ihrer Seite aus betrachten: Für sie ist es möglicherweise nur eine flüchtige Sommerromanze, ein One-Night-Stand zum Saisonbeginn, purer Sex und nichts weiter.

Oder auch nicht.

Das gibt mir aber noch lange nicht das Recht, mehr zu wollen.

Doch ich will mehr.

Ich will es so sehr, dass ich meine Stimme zu hören glaube, obwohl ich die Lippen gar nicht bewegt habe. Ich drehe mich auf die Seite und betrachte sie. Sie ist nicht vollkommen, auch wenn ihr junger, biegsamer Körper mir verrät, dass sie regelmäßig, aber nicht fanatisch Sport treibt. Sie wirkt auf mich wie ein Nest, ein warmes, kuscheliges Nest, das nach Champagner und Sex riecht. Sie ist wie das Leben selbst, und obwohl ich schon so lange von dem Geschäft mit dem Tod lebe, sehe ich sie an und sage mir im Stillen immer wieder, dass ich mehr will, dass ich mir noch eine Nacht mit ihr wünsche, nein, noch viele Nächte und, wenn möglich, auch den ein oder anderen Tag.

In diesem Moment schlägt sie die Augen auf, und ihr Blick ist wie eine zärtliche Berührung.

»Ich will mehr«, murmelt sie schlaftrunken. »Ich will noch eine Nacht mit dir, nein, noch viele Nächte und, wenn möglich, auch den ein oder anderen Tag.«

Da nehme ich sie in meine Arme, und wir machen dort weiter, wo wir vor Stunden aufgehört haben, atmen das Prickeln unserer Haut und schlürfen voller Hingabe den Likör unserer Wollust. Draußen klettert die Sonne immer höher, aber in irgend so einem Song hieß es einmal, es hänge von zwei Menschen ab, ob es am Morgen danach für sie weiterhin Nacht sei, man brauche dazu bloß die Rollläden herunterzulassen. Hier gibt es zwar keine, aber wir haben meinen Schlafsack, unter dem wir jetzt wieder in die Nacht eintauchen.

Der Schlafsack taugt indes nicht viel, denn wir wollen uns sehen. Wir sind heiß aufeinander, verspielt, erkennen Pfade des Verlangens wieder, die wir in der Nacht entdeckt haben, lieben uns mit offenen Augen und glücklichem Lachen, mit derselben Magie, die uns Stunden zuvor der Mond verliehen hat. Wenn unser lustvolles Stöhnen vor wenigen Stunden aufs Meer zurollte und wieder gegen die Küste brandete, steigt es jetzt auf zum First des Zelts, prallt daran ab und fällt auf uns zurück, um sich erneut zu erheben. Und auf einmal verlangsamt sich die Welt um uns herum, alles wird atemberaubend langsam, während ich mich auf sie lege und die aufblasbare Matratze zu einem fliegenden Teppich wird. Selbst das Ende schmeckt nach Anfang, als ich mich in sie ergieße, erfüllt mich mit unbändigem Glück, und als wir zur Ruhe kommen, haben wir etwas in Gang gesetzt, das man nicht sehen, aber spüren kann.

»Ich auch«, gestehe ich, während wir Atem holen. »Ich will auch mehr.«

Wohlig schnurrend kuschelt sie sich an mich, ihre zärtlichen Worte sind voller rollender R. Ich reiche ihr eine Zigarette und vergesse all meine Zweifel, als sie mich ansieht und urplötzlich ruft:

»Es ist so unglaublich schön, mit dir zu vögeln, Juan!«

Das macht mich stolz, schreckt mich aber auch auf: Mehr ist es nicht für sie?

»Aber noch viel mehr gefällst du mir, mir gefällt Juan Pérez Pérez, und das ist wirklich erstaunlich!«, flüstert sie da mit strahlenden Augen, und ich muss lachen.

Alle dunklen Wolken sind vertrieben. Zumindest vorläufig.

Eng umschlungen liegen wir eine Weile still da, bis sie sich mit einem Seufzer aus meinen Armen löst.

»Weißt du, wie spät es ist?«

Yolanda besitzt keine Uhr, und jetzt weiß ich auch, warum: Sie würde ihr nichts nützen. Die Zeit bemisst sie ausschließlich in Herzschlägen. Als ich ihr meine Armbanduhr hinhalte, auf der es kurz vor zehn ist, fährt sie erschrocken hoch.

»Verdammter Mist! Um Viertel vor zehn muss ich eine Gruppe Kinder übernehmen!«

Sie lässt kleine Küsse auf mich regnen und sucht ihre Kleider. Vergeblich. Uns fällt gleichzeitig ein, dass wir uns irgendwann in der Nacht vor dem Zelt wieder angezogen haben, weil wir uns gegenseitig die Kleider vom Leib reißen wollten. Die Knöpfe meines Hemds flogen über den Rasen, und an ihrem Kleid habe ich, glaube ich, mindestens einen Träger abgerissen.

Yolanda streckt den Arm aus dem Zelt und tastet blindlings danach. Es sind sogar beide Träger abgerissen, aber sie knotet sie rasch im Nacken zusammen, und späht dann durch den halb aufgezogenen Reißverschluss, um ihren Tanga zu finden. Vergeblich; allerdings war er auch das Erste, was ich in der Nacht zerfetzt habe.

»Ganz schön peinlich«, sagt sie grinsend und beauftragt mich, ihn nachher zu suchen. Und dann verabschiedet sie sich mit tausend Küssen, mit geflüsterten, feuchten Worten und dem Versprechen, am späten Abend wiederzukommen. Ich sehe ihr hinterher, wie sie die Anhöhe hinaufläuft, wobei sie alle zwei Schritte jemandem Guten Morgen wünschen muss.

Als sie nicht mehr zu sehen ist, ist auch für mich die Nacht vorbei. Plötzlich regiert der Tag. Bis gerade eben habe ich nur das Geräusch schäumender Wellen vernommen, die von hier drinnen und die draußen, so weit der Strand von meiner Parzelle auch entfernt sein mag. Jetzt sind auf einmal Stimmen zu hören, Schritte, eine ganze Sinfonie von Geräuschen, die an mein Ohr dringen.

»Warum kriege ich nicht mehr Marmelade auf meinen Toast?!«

»Weil du sonst zu dick wirst. Wenn du nicht aufpasst, siehst du als Erwachsener aus wie der Dickbauch mit dem Holzbein, der gerade vorbeigekommen ist.«

Es sind die Stimmen von Antoñito und Leticia. Nackt und auf allen vieren strecke ich den Oberkörper aus dem Zelt, und da sehe ich sie, wie sie keine fünf Meter von mir entfernt frühstücken. Ein Klapptisch und darum herum die vier, die mir einen guten Morgen wünschen.

Die perfekte FKK-Familie.

Ich muss ziemlich lächerlich aussehen, auch wenn ich mich nicht so fühle.

Der Richter grinst verschwörerisch.

Leti sieht mich mit einer Miene an, die einen Hauch von Achtung vor ihrem Vater erkennen lässt.

Antoñito strahlt, auch wenn er nicht recht weiß, warum.

Und Leticia umklammert das Messer, mit dem sie ihren Toast buttert, als wäre es ihr Kriegsbeil, das sie gerade frisch geschliffen zurückbekommen hat.

»Frühstückst du mit uns?«, fragt Beltrán einladend.

Ich nicke und krieche vollends aus dem Zelt, nachdem ich mir unpassenderweise wieder das Handtuch um die Hüfte geschlungen habe. Der heiße Kaffee schmeckt köstlich und stimmt mich optimistisch. Das ist aber auch nicht schwer: Denn das Glück ist mir heute hold, weil ich wieder fühlen kann.

Okay, sie haben Yolanda aus meinem Zelt kommen sehen; aber wenn ich so tue, als wäre nichts, werden sie sicher keine Fragen stellen.

»Ist sie jetzt deine Freundin, Papi?«, platzt meine Tochter heraus.

»Wenn sie das nach dem Konzert heute Nacht noch nicht ist, muss in der nächsten der ganze Campingplatz evakuiert werden«, murmelt Leticia bissig.

Missbilligend zieht der Richter eine Braue hoch, sagt aber nichts, sondern wirft mir nur einen entschuldigenden Blick zu: Frauen! Beltrán gefällt mir. Wobei mir heute Morgen sogar Nummer Zwei gefallen könnte.

Antoñito will nun mit mir Pläne für den Tag schmieden, aber in weiblicher Eintracht sagen ihm Mutter und Tochter, er solle mich in Ruhe lassen, Papa müsse noch ein bisschen Schlaf nachholen und im Kinderclub gäbe es doch unheimlich viele Aktivitäten für ihn.

Das Frühstück geht danach seinen geordneten Gang – bis ich oben auf Leticias und Beltráns Zelt Yolandas zerrissenen Tanga wie eine Fahne wehen sehe. Sie haben ihn zum Glück noch nicht entdeckt, denn sie sitzen mit dem Rücken zum Zelt. Wie soll ich es bloß anstellen, ihn unbemerkt von da runterzuholen?

Eine Viertelstunde später brechen die Kinder zu ihrem anstrengenden Freizeitprogramm auf, und mit ihnen verschwindet die zivilisierte Gelassenheit an unserem Tisch. Der Richter bemerkt es rechtzeitig und verdrückt sich unter irgendeinem Vorwand, nachdem er mich mit einem mitleidsvollen Blick bedacht hat. Ich kann ihn gut verstehen. Es ist eine Sache, es mit Drogenbossen, Terroristen und Mafiosi aufzunehmen, eine ganz andere aber, eine Diskussion mit einer gereizten Leticia zu überleben.

Denn meine Ex wird nie wütend. Sie wird nur gereizt.

»Glückwunsch, Juanito«, faucht sie, ihren Becher Kaffee in der Hand. »In einer einzigen Nacht hast du deinen Kindern gleich den Sexualkundestoff von mehreren Jahren beigebracht.«

Normalerweise hätte sich Juanito Pérez Pérez daraufhin hinter einem Panzer aus schuldbewusstem Schweigen verschanzt.

Heute nicht.

»Ich habe höchstens die Lektion vervollständigt, die du ihnen gestern mit dem Richter erteilt hast …«

Sie wird rot, schlägt aber sofort zurück. »Ich wusste zumindest nicht, dass meine Kinder im Nachbarzelt sind. Vergiss nicht, du hast sie hergebracht …«

Treffer, versenkt. Ich ändere meine Taktik und versuche sie milde zu stimmen, indem ich mich entschuldige, dass ich nicht daran gedacht habe, aber dass sie doch ein bisschen übertreibt.

»Ich übertreibe? Ich bezweifle, dass jemand in hundert Metern Umkreis auch nur ein Auge zugemacht hat!«

Ich will mich wieder entschuldigen, auch wenn das eigentlich gar nicht meinem Empfinden entspricht.

»So laut waren wir sicher nicht …«, stammele ich.

»Das heute Nacht war ja gar nicht das Schlimmste, im Dunkeln weiß man schließlich nicht, wo das Gestöhne herkommt. Nein, viel peinlicher war die Nummer, die ihr vorhin geschoben habt, als der ganze Campingplatz schon auf den Beinen war.«

»Jetzt mach aber mal halblang! Ich glaube nicht, dass irgendjemand …«

»Es ist so unglaublich schön, mit dir zu vögeln, Juan!«, äfft sie da Yolanda lautstark nach und fügt dann noch etwas leiser hinzu: »Und bitte hol die Fetzen von unserem Zeltdach, das sieht aus wie auf einem Schlachtfeld.«

Beltrán, der in zwanzig Meter Entfernung gerade mit seinem Handy telefoniert, ist bei ihrem Aufschrei zusammengezuckt und ein Stück weiter weggegangen. Ein kluger Mann, dieser Richter.

Nach diesem Ausbruch hat Leticia sich aber zum Glück wieder unter Kontrolle.

»Tut mir leid. Ich finde es ja eigentlich großartig, dass du dein Leben lebst und sich noch junge, hübsche Dinger für dich interessieren, auch wenn sie nicht sonderlich viel Grips im Kopf …«

»Denkst du das wirklich?!«

»War bloß ein Scherz.« Leticia legt beruhigend ihre Hand auf meinen Arm. »Auf der Party habe ich mich ein bisschen mit ihr unterhalten, bevor du einen auf Ricky Martin gemacht hast. Eigentlich kam sie mir ganz intelligent vor …«

»Wenn du willst, verlege ich mein Zelt an einen anderen Platz. Yolanda könnte das sicher arrangieren …«

»Damit sie mitkriegt, dass es mich stört? Und denkt, ich wäre eifersüchtig?«

»Bist du das nicht auch ein bisschen?«

»Nicht die Bohne!« Sie schüttelt so heftig den Kopf, dass ich schon fürchte, sie verrenkt sich dabei den Hals. »Es ist bloß so, dass du seit gestern … vor allem auf der Party … und vorhin, als du aus dem Zelt gekrochen bist, irgendwie … irgendwie …«

» … anders bin?«

»Nein. Nicht anders, sondern derselbe, derselbe wie früher, meine ich, nur ist das schon so lange her, dass ich manchmal glaube, ich habe es nur geträumt. Und das hat mich ein bisschen wütend gemacht, weil … weil …«

Die Richtung, die unser Gespräch nimmt, behagt mir ganz und gar nicht. Schnell stehe ich auf und erkläre, dass ich die Rezeptionistin für den Rest des Monats um eine andere Parzelle für unsere Zelte bitten werde – und zucke kurz zusammen, als mir klar wird, dass ich beschlossen habe, einen ganzen Monat zu bleiben, ohne zu überlegen, ob das auch vernünftig ist. Als meine Ex kurz abgelenkt ist, schnappe ich mir Yolandas schwarz-roten Tanga, der ihr Zelt krönt wie eine Standarte. Oder es markiert wie das Schwarze einer Zielscheibe …

Leticia rettet mich vor meinen eigenen Gedanken, denn auf einmal ist sie wieder so souverän wie sonst.

»Lass mal, ihr braucht nicht umzuziehen. Nur fackle nicht den Camping mit deiner lodernden Leidenschaft ab und schraubt euren Lärmpegel runter. Außerdem kann ich euch so die Kinder vom Leib halten. Sie können einen nämlich ganz schön mit Beschlag belegen.«

»Und was wird aus deiner Romanze mit dem Richter?«

Sie seufzt. Große Männer haben große Aufgaben. Ständig.

»Kein Problem. Außerdem kann sich Gaspar nicht länger als drei Tage am Stück abseilen. Der Arme muss heute nach Madrid zurück und kommt erst am Mittwoch wieder. Es wird mir guttun, die Kinder um mich zu haben, sie lenken einen ab …«

»Und sie beanspruchen deine ganze Aufmerksamkeit, Leticia. Tut mir leid, dass ich sie dir nicht öfter abgenommen habe …«

»Das hätte ich gar nicht zugelassen, Juanito. Ich war so sauer auf dich und hätte sie dir keine Minute länger überlassen, als dir gesetzlich zusteht.«

»Wieso sauer?«

Noch ein Seufzer, aber nicht vor Ungeduld.

»Sogar wenn du wieder so bist wie früher, verstehst du nichts von Frauen, Juanito. Aber das geht wohl allen Männern so.« Ihr Kinn deutet in die Richtung, in die der Richter davongegangen ist. »Ich war sauer, weil du mich nicht abgehalten hast von etwas, das ich eigentlich gar nicht wollte.«

»Aber du hast mich doch verlassen!«

»Und du hast es mit dieser Gleichgültigkeit akzeptiert, die ich so an dir gehasst habe! Ich hab dir doch bloß gesagt, dass Schluss ist, damit du mich nicht gehen lässt! Damit der Juan von früher endlich wieder zum Vorschein kommt, der Mann, in den ich mich verliebt hatte und der so herrlich grinsen konnte wie …«

» … ein Piratenkapitän beim Entern.«

Sie muss lächeln, doch es ist ein trauriges Lächeln. Vielleicht sind bei ihr die Erinnerungen und die Wunden auch noch zu frisch.

Wenn ich ihr nur helfen könnte.

Aber das kann ich nicht.