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8. November 1888

Ich werde dem heiligen Aurelius ein Opfer bringen müssen, um endlich diesem Reigen des Irrsinns zu entfliehen.

Gott hat mir geschickt, worauf ich gewartet habe: Einen Lichtstrahl durch die Finsternis.

12. November 1888

Ich befinde mich auf dem Schiff nach Kalkutta. Es ist bald Mittagszeit, die Seeluft tut mir gut, und ich bekomme allmählich Hunger. Ich fühle mich nicht so schlecht, wie ich es befürchtet habe. Die seelischen Wunden werden Zeit brauchen, um zu verheilen, denn der Chirurg in mir hatte für einige Stunden ganz von mir Besitz ergriffen und alle Operationen, die ihm seit meiner Bekehrung zum Glauben entgangen sind, an einem einzigen armen Leib ausgeführt. Doch ich spüre, dass ich gleichzeitig den Chirurgen und den Gläubigen befriedigt habe – befriedigt für alle Zeiten, mit einer Tat, die eine medizinische und eine rituelle Seite hatte. Meine Geisteskrankheit, falls ich je unter einer solchen litt, empfinde ich als bezwungen.

Weit, weit vor mir liegt Mandalay. Einige Geistliche sind an Bord. Ihr Ziel ist auch mein Ziel. Sie erzählen mir, dass im Jahr 1813 ein amerikanisches Ehepaar zur Mission nach Burma reiste und in neun Jahren nur achtzehn Burmesen zum Christentum bekehrte. Auch wenn in den letzten Jahren bessere Erfolge zu verzeichnen waren, scheinen meine Begleiter mit großer Nervosität in die Zukunft zu sehen.

„Was fürchtet ihr euch?“, fragte ich sie. „Ist es kein Grund zur Freude, wenn man London den Rücken kehrt und damit auch den schrecklichen Ripper hinter sich lässt?“

Sie nickten voller Blässe und bekreuzigen sich. Dann entspannen sich ihre Gesichter. Ich glaube, ich habe ihnen ein wenig Trost gespendet. Sie scheinen sich tatsächlich befreit zu fühlen von der blutigen Last des Metzgers, der unter ihnen war. Sie wissen – was immer sie in Britisch-Indien erwarten wird, es wird sie niemals so ängstigen wie dieses finstere London.

Zum ersten Mal spreche ich den Namen des Rippers vor anderen Menschen aus, und er klingt gut, wie der Name eines legendären Königs in einem entfernten, versunkenen Reich, in undenkbar ferner Vergangenheit. In dem Moment, in dem das märchenhafte Mandalay Wirklichkeit wird, wird er nicht mehr als ein fantastisches Wolkengebilde sein …

Daily Telegraph

Samstag, 10. November 1888

Die Tragödien des Londoner Ostens.

Ein siebter Mord.

Ein weiterer grauenhafter Mordfall.

Gestern wurde ein siebter Mord, der schrecklichste in der Reihe der Grausamkeiten, von der gleichen Hand in Whitechapel verübt. Wie in den vorigen Fällen war das Opfer eine Frau von unmoralischem Charakter und bescheidenen Lebensumständen, doch sie war nicht auf offener Straße ermordet worden. Ihre Kehle wurde in einem Zimmer in der Dorset Street 26 durchgeschnitten, das die Verstorbene gemietet hatte, und dort wurden auch die anschließenden Grausamkeiten vollbracht. Sie wurde als Mary Jane Kelly identifiziert und soll die Tochter eines Vorarbeiters einer Eisenhütte in Carnarvon, Wales sein. Sie war verheiratet, lebte jedoch von ihrem Mann getrennt; sie war vierundzwanzig Jahre alt, groß und schlank, blond und von attraktivem Äußeren. Das Zimmer, das sie für vier Shilling in der Woche gemietet hatte, lag im Erdgeschoß eines dreistöckigen Gebäudes in der Dorset Street, unweit von der Commercial Street entfernt, im Schatten der Kirche von Spitalfields.

Um Viertel vor elf Uhr am gestrigen Morgen wurde die Tragödie entdeckt. Die Miete der Bewohner von Miller’s Court wird von John McCarthy eingezogen, dem Inhaber eines Krämerladens, der links des Hofeingangs in der Dorset Street liegt. McCarthy wies seinen Angestellten John Bowyer, einen pensionierten Soldaten, an, das fällige Geld einzutreiben, denn die verstorbene Frau war mit ihren Zahlungen 29 Shilling im Rückstand. Bowyer klopfte an Kellys Tür, erhielt jedoch keine Antwort. Nachdem es ihm nicht gelungen war, die Tür zu öffnen, ging er um die Hausecke herum und zog den Rollladen des Fensters empor. Eine der Scheiben war zerbrochen. Er entdeckte Blut auf dem Glas, und ihm wurde sofort klar, dass ein weiterer Mord verübt worden war. Er holte McCarthy, der, als er durch das Fenster sah, den toten, unbekleideten Körper einer Frau auf dem Bett erblickte, das an der Wand stand. Die Leiche war entsetzlich zugerichtet. Die Polizei von Commercial Street und Leman Street – beide Stationen fünf Minuten entfernt – wurde umgehend verständigt, und Inspector Beck traf kurz darauf am Tatort ein. Dieser Beamte ließ Inspector Abberline und Inspector Reid, beide von der Kriminalabteilung, verständigen. Doch es wurde nichts unternommen, ehe Mr. T. Arnold, der Superintendent der Division H der Metropolitan Police eintraf und kurz nach elf Uhr den Befehl gab, die Tür des Zimmers aufzubrechen. Die letzte Person, die den Raum verlassen hatte, musste die Tür des Zimmers hinter sich geschlossen und den Schlüssel mitgenommen haben, denn er war nirgends zu finden. Ein höchst grauenvoller Anblick bot sich den Augen der Beamten und überstieg an Grässlichkeit alles, was die Vorstellung sich auszumalen vermag. Der Körper der Frau lag ausgestreckt auf dem Bett, entsetzlich zugerichtet. Nase und Ohren waren abgeschnitten, und obwohl keine Gliedmaßen abgetrennt worden waren, war das Fleisch abgezogen und das Skelett bloßgelegt worden. Dass der Unhold einige Zeit mit seinem Werk zugebracht haben musste, zeigte die gründliche Art, mit der er Teile herausgenommen und sie absichtlich auf dem Tisch abgelegt hatte, um das Grauen zu verstärken.

Wenn man sich eine Skizze von den Örtlichkeiten ansieht, wird man erkennen, dass die Schauplätze aller sieben Morde, von denen fünf ohne jeden Zweifel ein und demselben Mann zugeschrieben werden können, in einem begrenzten Gebiet liegen. Ein Vergleich des Datums der Morde offenbart bemerkenswerte Besonderheiten. Der Mörder hat regelmäßig die zweite Wochenhälfte gewählt, und wenn die Tat nicht am letzten Tag des Monats verübt wurde, dann ereignete sie sich so nahe wie möglich am siebten oder achten. Die Morde in der Berner Street und im Mitre Square geschahen am frühen Sonntag, dem 30. September, und das Intervall von fünf Wochen ist ungewöhnlich, lässt sich aber vermutlich durch die außergewöhnliche Polizeiaktivität nach dem Doppelmord erklären, oder rührt daher, dass sich der Übeltäter in dieser Zeit außer Landes aufhielt, wie einige vermuten. Am Morgen des 8. September, eines Samstags, wurde Annie Chapman in der Hanbury Street getötet, und die Tragödie in Buck’s Row trug sich am letzten Tag des Augusts (einem Freitag) zu. Die beiden früheren Morde – in George Yard und Osborne Street – scheinen nicht das Werk des Monstrums zu sein, das noch immer sein Unwesen treibt, doch im Zusammenhang mit der Übereinstimmung des Datums ist es interessant zu erwähnen, dass der Mord an Mrs. Turner in George Yard am siebten August verübt wurde.

Aus dem Bericht des Gerichtsmediziners Dr. Thomas Bond über die Autopsie von Mary Jane Kelly:

„Das Gesicht war in alle Richtungen zerschnitten; der Hals war bis zur Wirbelsäule durchtrennt; die Brüste waren durch annähernde runde Schnitte abgetrennt worden; der Thorax war durch die Schnitte sichtbar; das Abdomen war entfernt, der rechte Oberschenkel bis zum Knochen vom Fleisch befreit worden; die linke Wade zeigte einen langen Einschnitt, der vom Knie aus bis fünf Inch oberhalb des Knöchels reichte; beide Ober- und Unterarme trugen ausgeprägte, gezackte Wunden; der rechte Daumen wies einen oberflächlichen Schnitt von einem Inch auf; der untere Teil der rechten Lunge war herausgerissen, die linke Lunge intakt; der Herzbeutel war von unten geöffnet worden, und das Herz fehlte.“

ENDE