13

Vor fünfunddreißig Jahren, so lange musste es wohl her sein, war Lock auf solchen Straßen durch Deutschland gefahren, nach Altenau, einem Kurort im Harz. Sie waren nachts losgefahren, um dem Verkehr aus dem Weg zu gehen; sein Vater saß hinter dem Steuer, während seine Mutter und seine Schwester schliefen. Eine Kassette mit Opernmusik spielte laut, die hohen Töne blechern und verzerrt. Lock blieb wach und beobachtete das Glühen der Instrumente auf dem Armaturenbrett, das sich in der dunklen Scheibe spiegelte. Auf der geraden Strecke saß sein Vater beinahe vollkommen still, die Arme fest am Lenkrad, als seien sie in einer bestimmten Stellung eingerastet.

Es war ihr zweiter Urlaub in den Bergen. Den ersten hatten sie in Zelten zugebracht, manchmal auf Campingplätzen, manchmal in der Wildnis, aber in diesem Jahr hatte Locks Mutter auf einer Bleibe mit Dach über dem Kopf und einem Badezimmer bestanden, und Everhart hatte ein Gästehaus am Stadtrand nahe des Seeufers gebucht. Sie waren die einzige Familie dort, alle anderen Besucher waren zum Wandern hier, und Lock und seine Schwester, die früh aufwachten und spielten, wurden oft ausgeschimpft, weil sie die Gäste störten. Everhart schien sich im Stillen zu freuen, dass sie ein wenig Leben in das Haus brachten.

Zwei Wochen lang gingen sie wandern und schwimmen und machten Ausflüge in malerische Städtchen. Irgendwann in der zweiten Woche erklärte Everhart, er und sein Sohn würden nun eine richtige, lange Wanderung machen, und am nächsten Tag zogen sie los. Everhart ging voran, am Seeufer entlang zwischen dicht gepflanzten Kiefern, die Nadeln trocken unter ihren Füßen. Locks abgewetzte weiße Tennisschuhe rutschten an den Hängen, und er folgte ehrfürchtig dem zielsicheren Tritt der festen Lederschuhe seines Vaters. Bis heute konnte er sich an jeden Moment dieses Tages erinnern. Sie wanderten stundenlang, ohne viel zu reden. Everhart bewegte sich flott, aber nicht so schnell, als dass Lock nicht mit gelegentlichem Rennen und Hopsen hätte Schritt halten können. Um die Mittagszeit, der See lag schon lange hinter ihnen, setzten sie sich im Wald an einen Bach, aßen ihre Brote und sprachen über die Zukunft: wo Lock zur Schule gehen würde, was er an der Universität studieren und wie er sein Geld verdienen könnte, wo er leben wollte. Sie tranken den Tee gemeinsam aus der Kappe der Thermosflasche.

So lange war Lock noch nie mit seinem Vater allein gewesen, es machte ihn nervös und glücklich zugleich. Am Nachmittag, die Sonne stand mittlerweile über ihren Köpfen und ließ Licht zwischen die Bäume fallen, gingen sie weiter, blieben aber ab und zu stehen, damit Everhart seinen Kompass und die Karte studieren konnte. Oberhalb von Bad Harzburg führte der Weg eine Zeit lang aus dem Wald hinaus, und sie sahen zum ersten Mal Himmel und Berge und den Wald vor sich. Sie blieben einen Moment stehen, um die Landschaft zu betrachten. Locks Vater hockte sich hinter ihn und zeigte über ein flaches Tal auf einen dunklen Waldstreifen hinter einem hohen Metallzaun.

»Siehst du diesen Zaun?«, fragte Everhart. »Das ist der Eiserne Vorhang. Er zerschneidet Deutschland in zwei Teile. Sei du nur dankbar, dass du Holländer bist.« Lock stellte sich riesige Vorhänge von der Farbe eines Gewehrlaufs vor, die auseinandergezogen wurden, um irgendeine höllische mechanische Welt dahinter zu enthüllen.

Und was hatte Lock getan? Sich dort niedergelassen. Vielleicht war sein Vater deshalb so entsetzt. Vielleicht hatte Lock in seinen Augen in dem Moment aufgehört, ein Holländer zu sein, als er in den Osten gegangen war. Der Gedanke kam ihm, als er auf einer Schnellstraße, die, egal wie sehr er das Gaspedal durchdrückte, kein Ende zu nehmen schien, an Osnabrück vorbeifuhr. Es war spät geworden, schon nach zehn, und er musste langsam einen Ort zum Übernachten finden. Anhalten erschien ihm wie ein Luxus, aber er erinnerte sich daran, dass er Zeit hatte, vorausgesetzt Webster hatte recht. Auch wenn er sich verfolgt fühlte, er hatte keine Eile.

Am Flughafen Stansted hatte er einen Koffer gekauft und einen neuen Pullover, Hemden, T-Shirts für die Nacht, Socken, Unterwäsche, einen Rasierer, eine Zahnbürste, ein Buch – ausgerechnet Middlemarch, nach den Caymans hatte er es immer lesen wollen –, einen Notizblock, einen Berlin-Führer und zwei Flaschen anständigen Whisky hineingelegt. Diese neuen Besitztümer erschienen ihm wie das Starter-Set für eine neue Identität, die er jedoch noch nicht klar definiert hatte. In den Taschen seines Mantels hatte er zwei Prepaid-Handys, die Webster besorgt hatte. Eines war dazu gedacht, ein drittes neues Telefon anzurufen, das Webster bei sich trug; das andere diente für alle Anrufe, die Lock in Berlin machen musste. Alle waren sie, so hatte Lock es verstanden, praktisch nicht zurückzuverfolgen. Und in seiner Brieftasche hatte er fünftausend Euro. Er war bereit. Bereit für einen Streifzug hinter den Vorhang, um seine Identität zurückzubekommen.

Er war etwa eine Stunde nach Anbruch der Dunkelheit in Rotterdam angekommen und hatte ein gutes Auto gemietet, einen Audi, weil in Deutschland ein teures Auto weniger auffiel als ein billiges. Dann war er losgefahren. Das Navigationsgerät sagte ihm in ruhigem Holländisch von Zeit zu Zeit die Richtung an. Er genoss die solide Machart des Wagens, das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, den Eindruck, dass es wusste, wohin es fuhr. Zum ersten Mal seit Jahren war ihm die Entfernung zwischen zwei Orten bewusst, zwischen Rotterdam und Utrecht, zwischen Arnheim und Dortmund, und er genoss auch das.

Vielleicht würden ihn die Schweizer in diesem Auto nicht an der Grenze stoppen. Vielleicht sollte er es riskieren. Nein, dachte er. Vielleicht nach Berlin.


Er verbrachte die Nacht in einem Motel nahe der Autobahn vor Hannover. Die Ausrede mit seiner Aktentasche hatte gewirkt, und er hatte seinen Ausweis nicht zeigen müssen. Es war seltsam, dass ihn diese kleinen Lügen selbst jetzt – du liebe Zeit, er war auf der Flucht, wenn man vor seinem Chef auf der Flucht sein kann –, noch aus der Fassung brachten. Er zahlte bar im Voraus und fragte sich, ob dies das Detail war, das den müde aussehenden Polen an der Rezeption schließlich dazu veranlassen würde, misstrauisch zu werden und die Behörden zu verständigen. Welche Behörden, wusste er auch nicht.

Aber niemand kam in der Nacht, um ihn abzuholen. Nach einem Sandwich, das er in Rotterdam gekauft hatte, und ein oder zwei Gläsern Scotch fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf und erwachte direkt vor dem Morgengrauen mit rauer Kehle und Kopfschmerzen. Er hatte kein Fenster geöffnet, und es war heiß im Zimmer. Er duschte, zog sich an und war eine Viertelstunde später wieder startbereit. Als er aus der Tür trat, entdeckte er, dass es in der Nacht geschneit hatte und immer noch schneite; dicke weiche Flocken, die auf den Kühlerhauben und Dächern der Autos liegen blieben. Die Straße selbst war mit einer hässlichen grauen Schmierschicht aus Schneematsch, Splitt und Öl bedeckt, und die Fahrt dauerte doppelt so lange wie vorgesehen. Doch er war auf dem Weg, er näherte sich Berlin warm und sicher und von Westen her.

Er kannte die Stadt nicht. Er hatte sie nie besuchen müssen. Frankfurt, ja, wegen der Banken, aber abgesehen davon hatte Deutschland keine wichtige Rolle in seinen Plänen gespielt. Er folgte der Beschilderung ins Stadtzentrum und hoffte, von da aus einen Wegweiser in Richtung Kreuzberg zu sehen. Durch Charlottenburg, durch den Tiergarten, am Reichstag vorbei: Schließlich fand er sich Unter den Linden wieder und fuhr den breiten Boulevard entlang, dessen Namen er so oft gehört hatte. Er war nicht so schön, wie er erwartet hatte; es sah aus, als hätten die massigen Gebäude auf beiden Seiten die kahlen Linden so verängstigt, dass sie alle Blätter abwarfen und sich in der Mitte der Straße zusammenkauerten.

Es war seltsam, durch eine Stadt zu fahren, die er nicht kannte. Er brauchte fast eine Stunde, um das Hotel zu finden: Hotel Daniel, das in einer Wohnstraße nahe des Landwehrkanals lag. Es war klein und auf beruhigende Weise dunkel, und er wurde von einer dicken lächelnden Frau in den Siebzigern, die kaum Englisch sprach, ihn jedoch hinreichend verstand, in sein Zimmer geführt. Er nannte sich Mr. Green. Als er anfing, die Sache mit seinem Pass zu erklären, winkte sie einfach ab.

Die Tapete in seinem Zimmer war rot und cremefarben gestreift, die Möbel passten nicht zusammen und waren eigentlich ein wenig zu gut für ein Hotel dieser Art. Ein Doppelbett mit einem kleinen Beistelltisch aus Mahagoni, ein ziemlich nobler Schrank, ebenfalls aus Mahagoni und mit einem ovalen Spiegel in der einzigen Tür, eine Kommode, ein Tisch und ein Stuhl. Von seinem Fenster aus konnte Lock durch die Bäume hindurch den Kanal und die darüber verlaufenden U-Bahn-Gleise sehen, dahinter eine rote Backsteinkirche und mehrere Schichten kastenartiger Wohnblocks, die sich bis zum Bezirk Mitte erstreckten. Ein Zug fuhr von links nach rechts vorbei, seine orangegelben Wagen die einzigen Farbtupfer in einer Welt aus Weiß und Grau.

Lock packte seine neuen Sachen aus, nahm die Hemden aus den Plastikverpackungen und hängte sie zerknittert wie sie waren in den Schrank. Er überprüfte die Ladung seiner Handys. Sollte er Nina jetzt anrufen? Etwas hielt ihn zurück. Einen Moment lang dachte er, es sei die Vorstellung, die Frau seines toten Freundes zu treffen und dann zurückgewiesen zu werden oder nicht zu wissen, was er sagen sollte. Aber das war es nicht. Wenn Nina nichts in der Hand hatte und nichts wusste, war die letzte Hoffnung auf einen wie auch immer gearteten würdevollen Ausstieg, mochte sie noch so unrealistisch erscheinen, zerstört. Hier in diesem gemütlichen Zimmer, während der Schnee die Welt draußen ausradierte, wollte er diesen Moment gerne ein wenig hinauszögern.

Er würde ihr eine Karte schreiben. Oder besser noch, einen Kondolenzbrief. Er sei in Berlin und würde sie sehr gerne sehen. Das war nur natürlich, schließlich kannten sie sich, und Dmitri war sein Freund gewesen.

Er ließ sich Zeit, schrieb den Text zuerst in sein Notizbuch, bevor er ihn auf einen Bogen mit Briefkopf des Hotels abschrieb. Als er fertig war, rief er die Rezeption an und schaffte es, in einer Mischung aus Englisch, Holländisch und gebrochenem Deutsch zu erklären, dass er ein Taxi brauchte.


Nachdem er den Brief eingeworfen hatte, ging er den Rückweg von Ninas Wohnung zu Fuß. Das Gebäude hatte in der Dämmerung warm und hell ausgesehen, und er hatte einen Moment lang erwogen, einfach zu klingeln und es hinter sich zu bringen. Aber nein, so war es besser. Es zeigte Respekt.

Der Schnee auf dem Bürgersteig war inzwischen zu grauem Matsch geworden. Lock konnte spüren, wie seine Schuhe an den Füßen kalt wurden, und wusste, dass eisiges Wasser bald durch die Sohle und Nähte eindringen würde. Die weichen Flocken waren einem Gemisch aus Hagel und Graupel gewichen, und der Ostwind ließ sein Gesicht vor Kälte erstarren. Er ging auf der Hauptstraße, stemmte sich gegen die Kälte und nahm wenig wahr außer dem Geräusch der Autos und der Menschen, die auf ihrem Heimweg an ihm vorbeieilten. Er hatte keine Ahnung, wo er war; er hatte zwar eine Karte dabei, aber es hatte wenig Sinn, sie hier aufzuschlagen.

Am Wittenbergplatz bog er auf der Suche nach einer Bar nach links in eine der ruhigeren Straßen. Dem Himmel sei Dank für alle Bars dieser Welt. Als er eine entdeckte, war es eher ein Café, ziemlich nobel und wienerisch, aber es würde gehen. Es war warm und warm beleuchtet, und er fand ein Separee, das ihm als das Gemütlichste erschien, was er je gesehen hatte.

Er bestellte Bier, weil er in Deutschland war, und trank das erste in vier oder fünf tiefen Zügen. Ein weiteres wurde gebracht. Er schaute auf die Speisekarte und bestellte etwas zu essen: Gebeizten Lachs und Wiener Schnitzel.

Aus seinem Mantel nahm er eines seiner Handys. Er betrachtete es eine Weile und legte es dann auf den Tisch. Es zog ihn magisch an. Er wollte Marina anrufen, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung war und dass er einen Plan hatte, aber er wusste nicht recht, ob das wirklich eine gute Idee war. Webster hatte gesagt, dass er Anrufe machen könnte, oder etwa nicht? Beim dritten Bier kapitulierte er.

»Marina?«

»Richard?«

»Hi. Ich dachte, ich sollte mich mal melden.«

»Richard, wo bist du?«

»Das kann ich nicht sagen. Ich wollte nur … ich wollte dir nur sagen, dass ich okay bin.«

»Vika will dich sehen. Ich glaube, sie spürt, dass ich mir Sorgen mache.«

Lock rieb sich die Augen mit seiner freien Hand und massierte seinen Nasenrücken.

»Ich werde sie bald besuchen«, sagte er. »Sag ihr, dass ich sie bald besuchen werde.«

Eine Pause entstand. »Ich habe da gestanden«, sagte Marina, »und deinen Namen über die Mauer geflüstert.«

»Tut mir leid. Ich war okay. Ich hätte dir das sagen sollen.«

Sie schwiegen wieder.

»Ich habe getan, was du vorgeschlagen hast«, sagte Lock.

»Was?«

»Ich habe mir Hilfe geholt. Ich bemühe mich, einen Ausweg zu finden. Es geht mir jetzt schon besser. Frei zu sein. Ich kann klarer denken.«

»Das ist gut, Richard, aber … du wirst nicht weglaufen, oder? Ich glaube nicht, dass ich das ertragen könnte.« Marina sprach sehr leise.

»Nein. Nein, das werde ich nicht.«

»Ich dachte, du hättest es schon getan.«

»Ich werde mich der Sache stellen. Ich glaube, das muss ich.«

Marina war einen Augenblick lang still. »Das ist gut. Wirklich. Wir werden dir helfen. Ich werde dir helfen.«

»Ich weiß.«

Eine weitere Stille folgte, die von Marina gebrochen wurde. »Konstantin hat angerufen.«

Lock sagte nichts.

»Heute Morgen. Er wollte wissen, wo du bist.«

»Was hast du ihm gesagt?«

»Dass ich es nicht weiß.«

»War das alles?«

»Er wollte wissen, ob ich auch das Vertrauen in ihn verloren hätte.«

»Und?«

»Ich habe ihm gesagt, dass ich Moskau damals nicht nur verlassen habe, um von dir wegzukommen.«

Wieder schwieg Lock.

»Er sagte … er hat mir erzählt, dass er versucht, dich zu retten.«

Lock schloss die Augen. »Es bringt nichts, mir das zu sagen.«

»Ich dachte, du solltest es wissen.«

»Glaubst du ihm?«

»Ich glaube, er weiß nicht mehr, was er sagt.«

Lock nickte langsam und gedankenverloren. Erwartete Malin wirklich, dass er ihm das glaubte? Solche Spekulationen führten zu nichts. Er fühlte sich müde.

»Hör zu, Liebling. Ich muss aufhören. Ich werde ein paar Tage sehr beschäftigt sein. Ich … ich rufe wieder an.«

»Okay.«

»Gibst du Vika einen Kuss von mir?«

»Natürlich. Sei vorsichtig. Bitte.«

»Das werde ich.«

»Wenn es nicht funktioniert, ich habe einen Anwalt für dich gefunden.«


Am nächsten Tag um zwölf Uhr wurde Lock unruhig. Nina hatte noch nicht angerufen, und er fing an, den Brief zu bereuen. Es war Zeit, mit dem Hinausschieben aufzuhören. Bei seinem ersten Anruf nahm niemand ab, aber er hinterließ keine Nachricht. Bei seinem zweiten Anruf, zwei Stunden später, sprach er auf den Anrufbeantworter, wer er war und dass er momentan in Berlin sei und sich freuen würde, sie zu sehen. Er könnte zu ihr kommen, oder sie könnte zu ihm ins Hotel Daniel kommen.

Um drei rief sie an; es war ein kurzes Gespräch. Sie wollte niemanden sehen, der mit Dmitris alter Welt zu tun hatte; er solle es nicht persönlich nehmen, und sie wäre ihm dankbar, wenn er sie in Ruhe ließe. Er versuchte ihr zu sagen, dass er nicht mehr für Malin arbeitete, aber sie hatte sich eindeutig bereits entschieden. Als er den Hörer hinlegte, fragte er sich, was Webster getan hätte, um sie am Reden zu halten – und was würde er nun tun, um ein Treffen zu erzwingen?

Lock war den ganzen Tag in seinem Hotelzimmer geblieben, hatte Middlemarch gelesen, den Reiseführer studiert und Scotch getrunken. Er hatte gefrühstückt, aber nichts zu Mittag gegessen, und sein Kopf fühlte sich leicht und angespannt zugleich an. Wie sollte er mit Ninas Weigerung umgehen: War es das Ende oder lediglich ein Hindernis? Er begriff, dass ein Teil von ihm nie daran geglaubt hatte, dass Nina einen Unterschied machen würde; ein anderer Teil sehnte sich danach, dass sie es tat. Es hatte die Nacht über geschneit, und es schneite vor seinem Fenster auch jetzt noch weiter.

Er entschloss sich, in die Stadt zu gehen. Er konnte heute ohnehin nicht abreisen, nicht bei diesem Schnee, und er brauchte Luft und Nahrung. Und neue Schuhe. Der Matsch auf dem Bürgersteig war stellenweise gefroren, und auf seinen Ledersohlen bewegte er sich unsicher in Richtung Norden, über den Kanal und die Friedrichstraße hinauf, leicht nach vorn gebeugt, um das Gleichgewicht zu halten, und jedes Mal, wenn er ins Rutschen kam, korrigierte er sich mit einem Ruck. Wenn es nur aufhören würde zu schneien, könnte er mit dem Auto in einem Tag in der Schweiz sein. Er fragte sich, wie viel weiter südlich der Schnee noch fiel. Er durchquerte Checkpoint Charlie und blieb einen Moment lang stehen, um die Informationstafeln zu lesen, die die Bauplätze auf beiden Seiten der Straße verdeckten. Menschen hatten die innerdeutsche Grenze in Koffern überwunden, in Autos, die als Leichenwagen hergerichtet waren, in Heißluftballons, an Seilrutschen und auf unzähligen anderen, unvorstellbaren Wegen. Viele hatten es versucht und den Übergang nicht geschafft; erschossen von den Schussautomaten, die auf jeden Zentimeter der Grenze gerichtet waren oder von den Grenzsoldaten, die sich selbst danach sehnten, die Mauer zu überqueren. Einige waren im Todesstreifen vor der Mauer verblutet, weil die Soldaten auf beiden Seiten ihnen weder zu Hilfe kommen wollten noch durften. Alle in eine Richtung. Niemand war in die andere Richtung über die Mauer gegangen.

Er stand gerade in einem Geschäft für Campingartikel, als Webster anrief. Das Telefon machte ein irritierend zwitscherndes, ihm fremdes Geräusch, und er brauchte einen Moment, um zu merken, dass es sein eigenes war. Er zog das Handy aus der Tasche und schaute es eine Zeit lang an, in der Hoffnung, die Voicemail würde sich melden, aber es klingelte einfach zwitschernd weiter.

»Hallo«, sagte er schließlich.

»Richard, hier ist Ben. Wie läuft es?«

»Ben, hallo. Ganz okay. Es läuft ganz okay.«

»Wie kommen Sie voran?«

»Sie will mich nicht sehen.«

»Warum nicht?«

»Sie sagt, sie will niemanden aus meiner Welt sehen. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass es nicht mehr meine Welt ist, aber ich bin nicht zu ihr durchgekommen.«

»Was tun Sie jetzt?«

»Ich probiere Schuhe an.«

Webster sagte einen Moment gar nichts. »Was werden Sie tun?«

»Ich weiß es nicht. Hier schneit es wie verrückt.«

»Richard, wollen Sie sich mit Nina treffen?«

»Ich weiß es nicht. Doch. Ja, ich glaube schon.«

»Warum gehen Sie dann nicht hin und treffen sich mit ihr?«

Lock dachte einen Moment lang nach. Prioritäten wirbelten in seinem Kopf durcheinander. »Würden Sie sich mit ihr treffen?«

Das Telefon schwieg einen Moment. Bitte, er brauchte Hilfe.

»Ich komme morgen zu Ihnen«, sagte Webster schließlich. »Ich schicke Ihnen alles Weitere per SMS.«

»Danke. Mit Ihnen wird sie sich vielleicht treffen.«

»Vielleicht. Sind Sie wirklich okay?«

»Mir geht es gut.«

»Halten Sie durch. Wir finden zusammen eine Lösung.«

Als Lock das Schuhgeschäft verließ, hatte er seine alten Schuhe in einer Plastiktüte und die neuen trocken und passgenau an den Füßen. Sie hatten gezackte Sohlen und wurden spielend mit dem Eis fertig. Er fühlte sich wieder als Herr der Lage und machte sich auf die Suche nach dem Café, in dem er am vorigen Abend gegessen hatte. Zwei Tage in der Stadt, und er hatte schon eine Routine. Er war zu müde, um etwas anderes zu tun.

Dieser Teil von Berlin bestand aus breiten Straßen und massiven Wohnblocks. Etwas am Rhythmus der Gebäude – die schmalen Fenster, die Abstände zwischen ihnen, die Höhe der Stockwerke – erinnerte ihn stark an Moskau. Die Farben auch: Creme, schmutziges Gelb, Grau. Und auf den Straßen kaum Menschen im Schnee, die Bürgersteige ein rutschiges Chaos, das Licht der Lampen ein harsches Blau. Plötzlich und mit einem panischen Schrecken wurde ihm klar, dass das hier tatsächlich eine Stadt des Ostens war. Er hatte sich von der Illusion täuschen lassen, das hier sei der unbestechliche Westen. Er war hier nicht sicher. Hier konnten sie einen erwischen, wenn sie wollten; es war nicht weit genug weg. Wahrscheinlich wussten sie schon, dass er hier herumlief. Er spürte sein Herz in seiner Brust hämmern, seine Kehle fühlte sich geschwollen an und machte es ihm unmöglich zu schlucken.

Er ging jetzt schnell, fast rennend, zu seinem Café, wo er wieder Bier bestellte und Suppe und Würstchen mit Sauerkraut aß. Langsam beruhigte er sich und warf sich selbst vor, nicht früher etwas gegessen zu haben. Und er bedauerte, dass er nicht daran gedacht hatte, sein Buch mitzubringen. Aber er hatte ja noch sein Notizbuch, und eine Zeit lang zeichnete er geistesabwesend darin herum. Zuerst entstand Webster, er trug einen Regenmantel, einen Filzhut und eine dunkle Brille, eine Blume im Knopfloch und eine zusammengefaltete Zeitung unter dem Arm. Dann Lock selbst, auf einer hohen Mauer sitzend, ein Arm und ein Bein waren sichtbar. Er schaute die Bilder einen Moment lang an, schüttelte den Kopf, als ob er ihn freimachen wollte, und schlug dann eine neue Seite auf. Er musste diese Sache durchdenken. Er zog zwei Linien von oben nach unten und versah jede der drei Spalten mit einer Überschrift: Kooperieren, Zurückgehen, Fliehen. Dann zog er zwei waagerechte Linien und beschriftete die entstehenden Zeilen mit Wahrscheinliches Ergebnis, Risiken, Hindernisse. Er brauchte eine halbe Stunde, um das Gitter mit seiner ordentlichen, engen Handschrift zu füllen, und er spürte, wie sich beim Schreiben seine Gedanken entwirrten. Es war zweifellos ein seltsames Dokument; er fragte sich, was jemand davon halten würde, der es zufällig in die Hände bekam. Es wurde ihm klar, dass es zumindest teilweise deshalb seltsam aussah, weil nirgendwo stand, was er eigentlich wollte. Es war ihm nicht eingefallen, diesen Punkt mit aufzunehmen, und er war auch nicht sicher, wo er ihn hinschreiben sollte.

Also schrieb er auf die gegenüberliegende Seite zwei Dinge: Marina sehen und Vika sehen. Er hielt inne und betrachtete die Worte eine Weile und wünschte, er hätte das vor fünf Jahren so eindeutig gewusst. Was die Worte ihm nun sagten, war, dass er keine andere Wahl hatte: Er musste auf Webster warten und diese Sache hier durchstehen. Er schloss das Buch und ließ seine flache Hand darauf liegen, als wollte er schwören. Dann steckte er es wieder in seine Tasche, zu Marinas Brief, zahlte die Rechnung und ging in die Nacht hinaus.

Es war keine belebte Gegend. Um ihn herum schlossen die Geschäfte, und die dazwischenliegenden Büros waren bereits dunkel. Berlin fühlte sich wieder leer an. Er sehnte sich nach einer Bar mit jungen Menschen darin, sie mussten doch irgendwo sein. Er blieb einen Moment lang vor der Tür des Cafés stehen und schaute auf seine Karte. Schöneberg lag in der Nähe. In seinem Führer hatte etwas über Schöneberg gestanden, er hatte vergessen, was es war. Er würde es dort versuchen.

Als er die Kurfürstenstraße entlangging, kam er an einem Mann vorbei, den er zu erkennen glaubte. Er war jung, vielleicht dreißig, und trug eine dicke schwarze Mütze und einen wattierten Regenmantel, der ihm bis zu den Knien reichte. Seine Augenbrauen waren blond. Im Vorbeigehen schaute er Lock mit einer Miene absichtsvoller Gleichgültigkeit an, als sei es unnatürlich, den Blick eines Fremden nicht eine halbe Sekunde lang zu erwidern. Lock kannte diese Mütze. Er hatte sie irgendwo gesehen. In Moskau? Nein, es war hier gewesen, da war er sich sicher. Er ging weiter, starrte auf das schmierige Pflaster und suchte angestrengt nach der Antwort. Am Checkpoint Charlie. Der Mann hatte die Informationstafeln auf der anderen Straßenseite gelesen, und als Lock die Straße überquert hatte, hatte er sich umgedreht und war weggegangen. Sie befanden sich jetzt eine halbe Stunde von dort entfernt, und das war eine große Stadt. Das geschah nicht aus Zufall.

Sie konnten unmöglich wissen, dass er hier war, dachte Lock. Er hatte sich so vorsichtig verhalten. Webster hat alles geplant. Vielleicht war es einer von Websters Leuten. Aber warum sollte er ihm jetzt folgen? Und die Mütze hatte etwas Östliches, etwas Moskowitisches. Es war die Art Mütze, die die Hälfte aller Männer in Moskau trug, wenn es Winter wurde.

Was hatte Webster darüber gesagt, wie man feststellte, ob man verfolgt wurde? Lock bog südlich in eine ruhige Wohnstraße ein. Er war der einzige Mensch dort. Nach zwei Dritteln des Weges blieb er stehen und klopfte sich demonstrativ auf die Taschen und durchsuchte sie. Dann drehte er sich um und fing an, den Weg zurückzugehen, den er gekommen war. Niemand da. Die Straße war leer. Er drehte sich wieder um, unterdrückte das starke Bedürfnis, über die Schulter zurückzublicken, und zwang sich weiterzugehen. Zwei Straßen weiter hielt er ein Taxi an und fuhr zurück ins Hotel. Die ganze Zeit über grübelte er über das nach, was er gesehen hatte.


Websters Maschine sollte um elf Uhr landen. Er hatte eine SMS geschickt, dass er Lock etwa um die Mittagszeit in seinem Hotel treffen würde.

Lock hatte nicht geschlafen. Die ganze Nacht lang hatte er die gleichen Fragen hin- und hergewälzt. Sollte er das Hotel wechseln oder nicht? In die Schweiz fliehen? Abwarten, bis jemand ihn abholte? Er hatte versucht zu lesen, aber die Zeilen glitten einfach ungelesen an seinen Augen vorbei.

Als der Tag anbrach, fühlte sich seine Haut fettig an und juckte; er konnte den säuerlichen Geruch seines Körpers nach altem Whisky und Schweiß riechen. Das Zimmer war stickig, die Vorhänge geschlossen. Ein abgestandener Geruch hing in der Luft. Immer noch wirbelten Fragen durch seinen Kopf. Malin. Was hatte Malin in seinem Telefongespräch mit Marina gemeint? Wie versuchte er, ihn zu retten? Wollte er ihn davor bewahren, seine Seele zu verlieren, indem er Mütterchen Russland verriet? Was sollte es sonst sein?

Und was war mit Webster, der kommen wollte, um ihn zu retten? Konnte er ihm vertrauen?

Ihm wurde klar, dass er es nicht länger in diesem Raum aushielt. Er duschte, zog sich ein weiches neues Hemd über – für einen Moment fühlte er sich wieder menschlich – und kleidete sich fertig an. Er öffnete die Vorhänge ein paar Zentimeter und schaute auf die Straße hinaus. Keine Bewegung. Keine Menschen. Er beobachtete die Straße sicherheitshalber eine Weile. Bevor er ging, tat er etwas, das er seit Schulzeiten nicht mehr getan hatte: Er riss sich zwei Haare vom Kopf und klebte sie mit abgelecktem Finger über die Öffnung der Schranktür und eine Schublade der Kommode. Er nahm ein drittes und balancierte es auf das Schloss seines Koffers; ein viertes befestigte er in Knöchelhöhe zwischen Tür und Türrahmen, bevor er das Bitte-nicht-stören-Schild an die Klinke hängte. Er verließ das Hotel, um sich eine Frühstücksmöglichkeit zu suchen.

Es hatte endlich aufgehört zu schneien, und Lock ging mit der tief stehenden Sonne in den Augen den Kanal entlang. Auf dem Wasser hatte sich dünnes Eis gebildet, an einigen Stellen sah es dicker aus, aber am Rand paddelten immer noch Gänse. Wenige Leute waren hier gelaufen, und der Schnee auf dem Weg, auf den schwarzen Zweigen der Bäume, den Dächern und Balkonen und Zäunen war noch strahlend weiß. Locks neue Schuhe machten ein knirschendes Geräusch. Gelegentlich schaute er unwillkürlich hinter sich und sah niemanden. Er ging an einer Frau vorbei, die einen Spanielwelpen abrichtete, und an einem Mann in einem riesigen aufgeplusterten Mantel, der seinen Windhund ausführte. Das war alles.

Er fand ein Café, das Frühstück servierte, und bestellte Brötchen, Schinken, Käse, Kaffee und Orangensaft. Er hatte sein Buch mitgebracht, und nun saß er da und las darin, nahm es in sich auf. Er bestellte noch mehr Kaffee, um sein Hierbleiben zu rechtfertigen. Um halb elf zahlte er und machte sich auf den Weg zurück ins Hotel. Hier würde er in Berlin leben wollen. Ruhig. Schön.

Als er das Daniel erreichte, hatte er seinen Geheimagententrick ganz vergessen. Das Bitte-nicht-stören-Schild erinnerte ihn wieder daran, und er überprüfte die Tür. Das Haar war nicht mehr da. Ein kalter Schauer überlief seine Schultern. Er klopfte an die Tür und lauschte angestrengt auf irgendwelche Geräusche im Zimmer. Es war still. Sein Herz schien seine Brust sprengen zu wollen. Er zögerte einen Moment, unsicher, ob er hineingehen oder fliehen sollte. Langsam drehte er den Schlüssel im Schloss um und öffnete die Tür. Immer noch kein Geräusch. Dann schob er die Tür mit einer schnellen Bewegung auf und trat einen Schritt zurück. Es war niemand da. Er schaute ins Bad und fand es leer vor. Keines der Haare war an seinem Platz.

Lock schloss die Tür ab, setzte sich aufs Bett und stützte den Kopf in die Hände. In seinem Kopf rauschte es. Er wünschte sich, sie würden ihn in Ruhe lassen. Einen Tag lang. Einen oder zwei Tage lang.

In seinem Koffer lagen die Bestandteile seiner alten russischen Handys. Er setzte eines davon ohne SIM-Karte wieder zusammen, kopierte eine Nummer daraus auf sein neues Handy und fragte sich, warum er sich immer noch mit diesem ganzen Geheimhaltungsquatsch plagte. Dann drückte er auf die Wahltaste und wartete. Es klingelte nur zwei Mal.

»Da

»Als ich anfing, für Sie zu arbeiten«, sagte Lock, der schnell redete und aufgestanden war, um aus dem Fenster nach Bewegungen Ausschau zu halten, »habe ich mich nicht damit einverstanden erklärt, dass Ihre Scheiß-Schlägertypen mir überallhin folgen. Pfeifen Sie sie zurück. Pfeifen Sie sie zurück, oder ich werde direkt zu den Amerikanern gehen oder zu den Schweizern oder zu den Scheiß-Caymantypen und mit Freuden den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen. Mit Freuden. Ich will keinen weiteren Schläger sehen, ich will nicht, dass sie mir die Hand halten, ich will nicht, dass sie mein Zimmer durchsuchen. Es ist mir verdammt ernst, Konstantin, glauben Sie bloß nicht, dass es mir nicht ernst ist.«

Einen kurzen Moment lang herrschte Stille.

»Richard, wo sind Sie?«

»Was soll das heißen, wo ich bin? Sie wissen genau, wo ich bin. Sie wissen nur eins nicht: was ich will. Ich dachte, ich rufe mal zu Hause an und erzähle es Ihnen. Würden Sie es gerne hören?«

»Ja.« Malins Stimme war tief und fest, scheinbar unbewegt.

Lock holte Luft und ließ sie durch die Nase entweichen. »Wir haben keine Zukunft, Konstantin. Ich habe definitiv keine. Das FBI will mein Blut sehen. Also habe ich, wie es scheint, die Wahl, mich in die Obhut Ihrer Majestät zu begeben oder in Ihre. Ich weiß nicht, was ich vorziehe. Ich weiß es wirklich nicht.«

»Richard. Ich glaube, dass Sie wegen einer kleinen Sache in Panik geraten sind. Ich hatte das befürchtet, und deshalb wollte ich Sie geschützt wissen.« Er machte eine Pause. »Ihr Fehler ist, dass Sie die Amerikaner für wichtig halten. Oder für mächtig. Das sind sie nicht. Sie arbeiten für ein russisches Unternehmen, und das ist eine russische Angelegenheit.«

Lock lachte schnaubend. »Ha. Eine russische Angelegenheit, Konstantin. Ich glaube, Sie verstehen nicht. Das ist eine amerikanische Angelegenheit, eine holländische Angelegenheit, eine englische Angelegenheit. Überall, wo unser Geld hingeht – Ihr Geld hingeht –, ist es deren Angelegenheit.«

»Nein, Sie sehen das falsch.« Malins Stimme war gleichmäßig und eindringlich. »Diese Leute, sie können suchen, sie können sich aufregen, sie werden dafür bezahlt, und es macht sie glücklich. Aber glauben Sie, dass sie in Russland etwas finden werden? Glauben Sie, dass sie Sie hier finden werden? Ich bin sicher in Russland. Auch Sie können hier sicher sein. Ich habe Sie lange Zeit gut bezahlt, Richard. Sie waren loyal mir gegenüber, und nun, wenn es darauf ankommt, laufen Sie weg.« Malin hielt inne. Lock konnte hören, wie er atmete, sich sammelte, ihn den Ernst seiner Lage wissen ließ. »Ich kann Sie nicht ewig weiter beschützen, Richard. Ich habe Ihnen nie irgendwelchen Schaden zufügen wollen. Kommen Sie heute nach Moskau – oder morgen, lassen Sie sich Zeit –, und ich garantiere Ihnen, dass in einem Jahr, vielleicht in zwei Jahren, nichts mehr von dieser Sache übrig sein wird. Nichts. Und Sie werden zurückschauen und denken, wie dumm Sie waren, an mir zu zweifeln. An sich selbst zu zweifeln.«

Lock setzte sich, ließ seinen Kopf hängen und rieb seinen Nacken, bis ein roter Fleck auf der Haut erschien. Er nahm das Handy vom Ohr, sah es ausdruckslos an und beendete das Gespräch.

»Es gab niemals einen Zweifel«, sagte er zu seinem leeren Zimmer und sank auf das Bett.